Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Zwei Mal aus Teheran ins Exil

 

Bewegende Erinnerungen eines Mannes, der zwei Mal aus dem Iran ins Exil gehen musste – einmal des Schahs und einmal der Mullahs wegen:

Teheran Cover.jpg

«Der Schah ist weg, der Schah ist weg!» rief einer, der ein Transistorradio in der Hand hatte. Wie ein Blitz schlug die Nachricht ein. Jubel brach aus, die Autos auf den Strassen begannen im Takt zu hupen, manche Fahrer hielten an, stiegen auf das Dach ihres Wagens und begannen zu tanzen. Blumenhändler schenkten den Passanten Blumen, vor den Häusern wurden Süssigkeiten verteilt, es wurde laut Musik gemacht, innerhalb kurzer Zeit entstand das grösste Fest, das Teheran je erlebt hatte.

Es war kurios, wie eine derart gefürchtete Macht einstürzte wie ein Kartenhaus. Rundfunk und Fernsehen wurden von den Aufständischen besetzt, Waffendepots geplündert, Gefängnisse gestürmt. Ich begab mich zum berüchtigten Evin-Gefängnis, dem Sinnbild des Grauens. Früher war ich gelegentlich daran vorbeigekommen. Wenn Schüsse fielen, stieg eine Schar von Raben krächzend auf, als wollten die Vögel der Stadt mitteilen, was hinter den Mauern geschah. Und nun hatte ich das grosse Glück, die Befreiung der Gefangenen mitzuerleben. Es war ein einmaliges Ereignis.

Plötzlich hatte die Freiheit das unüberwindbar scheinende Tor durchbrochen und die schlimmsten und brutalsten Züge der Diktatur enthüllt. Wir gingen durch die dunklen Gänge, betrachteten die Zellen. Welch unsagbare Verbrechen, welche Qualen hatten diese Räume miterlebt! In den Kammern lagen still und kalt die Folterinstrumente, die man vom Hörensagen kannte. Wer hätte sich in diesen Tagen vorstellen können, dass das Gefängnistor sich bald wieder schliessen würde und Zehntausende – auch Gefangene, die an diesem Tag befreit wurden – abermals hinter diesen Mauern gefoltert und hingerichtet würden?


Weiter hier in NZZ Folio.