Angesichts der hauptsächlich moralisch, psychologisch oder religionssoziologisch argumentierenden Einlassungen zum Selbstmordterror als politischer Waffe ist diese neue Untersuchung eine erfrischende Ausnahme: David Jaeger und M. Daniele Paserman haben einfach mal durchgerechnet, ob Selbstmordattentate – wie sie in der Zweiten Intifada praktiziert wurden – militärisch effektiv sind.
Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die Attentate zur Folge haben, dass bei den auf Attentate folgenden „gezielten Tötungen“ stets mehr Palästinenser umkommen. Umgekehrt haben die gezielten Tötungen des israelischen Militärs sehr wohl den Effekt, die Zahl der Opfer palästinenischer Selbstmordattentate zu reduzieren. (Ob unser Inneminister das Papier kennt?) Es handelt sich als nicht um eine Auge-um-Auge-Logik. Die eine Seite verliert ein Auge, die andere ein Bein. Für die Palästinenser handelt es sich, was die Möglichkeit angeht, israelische Opfer herbeizuführen und ihre eigenen zu reduzieren, um eine doppelte Loser-Strategie.
Dies gilt allerdings nur, wenn man voraussetzt, dass Menschenleben für die Planer und Dispatcher der Selbstmordterroristen (sowie für ihre Angehörigen) das Gleiche zählen wie für die Israelis. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall, und darum kann die Mathematik der Opferaufrechnung auch nicht klären, ob Selbstmordattentate politisch erfolgreich sind. Das ist das Problem dieser Studie.
Ein wichtiger Punkt, den die beiden Wissenschaftler ausser Acht lassen: Selbstmordterrorismus ist eine effektive Waffe streng hierarchischer, ideologisch gebundener nichtstaatlicher Akteure (die für die Verfeuerung von Menschenleben politisch nicht rechenschaftspflichtig sind) gegen Demokratien. Demokratien können den Druck einer Welle des Selbstmordterrors auf Dauer nur schwer standhalten. Sie werden fürher oder später politische Konzessionen erwägen müssen, und damit wäre bereits ein Ziel der Selbstmordstrategie errreicht. Diese Sicht findet sich in einem anderen, früheren Papier zum Thema.