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Islamisten sehen sich als Sieger

 

Aus einem Interview mit dem Grünen Tom Koenigs, Leiter der UN-Mission in Afghanistan, das ich zusammen mit Bernd Ulrich für die heutige ZEIT gemacht habe:

Koenigs: Zu einer erfolgreichen Aufstandsbe­wegung gehören drei Dinge: ein charismatischer Führer, eine attraktive Ideologie und ein Hinterland. Der Taliban-Führer Mullah Omar aber ist ein Obskurant. Er stellt sich nicht an die Spitze der Bewegung. Die Aufstandsideologie ist schwammig. Ist es eine lokale oder weltweite Bewegung? Will sie die Regierung stürzen oder nur destabilisieren? Sie sind radikale Islamisten, da­rüber hinaus haben sie kein Programm.
ZEIT: Das ist ja schon mal was.
Koenigs: Der Islamismus verbindet sie mit einer Bewegung, die sich im ganzen Orient verbreitet. Vor allem aber haben sie ein Hinterland in Pakistan. Dort breitet sich eine Dschihadisten-Kultur aus, deren Ziel Afghanistan ist. Dort ruft man zum Heiligen Krieg auf, dort wähnt man sich auf der Seite der Sieger der Geschichte. Dieses Gefühl ist eine gefährliche Droge. Schon wer sich an diesem Kampf beteiligt, fühlt sich als Sieger.
ZEIT: Wer die Menschen derart mobilisieren kann, ist doch nicht schwach!
Koenigs: Taliban-Propaganda sagt, Afghanistan sei besetzt von einer Armee der Ungläubigen. Die Zustimmung zu diesem Satz liegt bei 10 Pro­zent im ganzen Land, im Süden vielleicht bei 20. Wir wissen das aus Meinungsumfragen. Die Menschen wollen die Taliban nicht zurück.
ZEIT: Warum macht dann der Aufstand den internationalen Truppen solche Schwierigkeiten?
Koenigs: Als Taliban kämpfen sehr verschiedene Gruppen. Das sind die Veteranen der Bewegung, wie Mullah Omar und seine Umgebung. Hinzu kommen die fanatisierten Schüler der Me­dres­sen. Sie bilden den ideologischen Kern. Dann gibt es den großen Kreis von entfremdeten Stämmen. Nicht zu unterschätzen ist die Zahl der Söldner, die dabei sind, weil die Taliban besser zahlen als die Polizei. Dann sind da noch bewaffnete Banden, die den Opiumhandel sichern. Manche Aufständische sind Opportunisten. Sie schauen nach Gaza und Irak und sagen sich: Die Islamisten sind die Sieger der Geschichte, da machen wir besser mit. Und dann gibt es schlichte Kriminelle, die von der Unsicherheit profitieren.

Der Rest ist in der Print-Ausgabe zu lesen.