Ich hatte vorgestern Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit dem demokratischen Senator von South Dakota, Tom Daschle, dem ehemaligen Mehrheitsführer im amerikanischen Oberhaus, der bei der American Academy in Berlin zu Gast war.
Daschle hat zwar 2004 sein Senatsmandat verloren, ist aber immer noch eine der einflußreichen Stimmen in der demokratischen Partei. Er ist einer der Superdelegates, die womöglich am Ende über die Nominierung des demokratischen Bewerbers um die Präsidentschaft entscheiden.
Und er spielt eine wichtige Rolle in der Obama-Kampagne. Er gehört als gut vernetzter Parteiveteran zu den engsten Beratern des Kandidaten.
Daschle personifiziert ausserdem in seiner neuen beruflichen Rolle den rapiden Mentalitätswandel in den USA in Umwelt- und Klimafragen. Als Berater der Firma Alston & Bird setzt er sich für Verbreitung erneuerbarer Energien und für eine neue Klimagesetzgebung ein.
Daschle spricht heute, wenn es um Solar- und Bioenergie geht, wie ein Grüner. Das rot-grüne Gesetz über die erneuerbaren Energien erwähnt er immer wieder als Vorbild auch für die USA. Das ist schon einer erstaunliche Wandlung – denn der Senat war unter seiner Leitung (2001-2003) keineswegs auf Kyoto-Linie.
Ich fragte Daschle, wie er die große Rede Obamas zu den Rassenbeziehungen in Amerika bewertet. Hat Obama damit die Krise überwunden, in die er durch die amerika-feindlichen Äusserungen seines Pastors Jeremia Wright geraten war?
Daschle: „Obama hat diese Rede persönlich geschrieben, und es ist eine profunde Rede. Wenn er gewinnen sollte, wird man auf diese ungewöhnliche Rede zurückblicken und ein Element seines Sieges darin sehen. Das Starke an dieser Rede ist die Empathie mit beiden Seiten des Rassenkonflikts, die Obama an den Tag legt. Es ist nicht schwer für ihn, die Frustration der Schwarzen zu artikulieren, aber wie er mit gleicher Einfühlsamkeit auf die Enttäuschung der weißen Mittelschicht eingeht, das ist schon großartig.“
Senator Tom Daschle (D)
Warum unterstützt Daschle, der seinerzeit den Clintons nahestand und wesentlich daran beteilgt war, Bill Clinton vor einem Impeachment wegen der Lewinsky-Affäre zu beschützen, nun den Kandidaten Obama? Er habe Obama seinerzeit bereits aufgefordert, für den Senat zu kandidieren, weil er das ausserordentlich politische Talent dieses Mannes gesehen habe, sagt Daschle.
Nachdem seine eigene Kandidatur gescheitert war, sind einige Mitarbeiter aus Daschles Kampagne zu Obama gewechselt. „Es gab also schon enge Kontakte. Und dann hat sich einfach eine persönliche Bindung zwischen uns ergeben. Obama ist eine einzigartige politische Figur. Er kann Massen begeistern und Wähler inspirieren. Er ist ganz einfach der beste Kandidat, den wir heute haben.“
Wird Obama seine Unerfahrenheit nicht am Ende zum Verhängnis werden? Tom Daschle meint, durchaus mit einem selbstkritischen Ton: „Die Leute sehen den Wert von politischer Erfahrung heute skeptischer. Denn die erfahrene politische Elite, und da schließe ich mich selbstverständlich ein, hat schließlich die derzeitige Lage Amerikas zu verantworten. Die Menschen sind kriegsmüde, und sie haben die politische Zerrissenheit des Landes satt, die in den Bush-Jahren entstanden ist. Darum glaube ich, dass sein Mangel an Erfahrung sich durchaus geradezu als Vorteil für Obama herausstellen könnte. John McCain wird sicher versuchen, in der letzten Phase des Wahlkampfes das Thema Erfahrung auszuspielen. Aber das wird kein großer Trumpf sein.“
Was würde ein Präsident Obama für den Rest der Welt bedeuten? „Es richten sich weltweit derart hohe Erwartungen auf ihn, daß Obama schon aufpassen muss, diese nicht weiter aufzublähen. Aber allein der Abgang von George Bush wird eine ungeheure Erleichterung mit sich bringen – in Amerika und in der Welt. Die Menschen werden mit neuem Zutrauen in die Zukunft schauen. Obama ist – schon druch seine Biografie – eine Antithese zu George Bush. Die Weltgemeinschaft wird ihm schon dafür mit Offenheit begegnen. Es wird einen substantiellen Wandel in der Weise geben, wie die amerikanische Aussenpolitik gemacht wird. Dialog und Multilateralismus werden keine Schimpfwörter mehr sein. Es ist eine Schande, wie Amerika in den letzten Jahre dabei versagt hat, in der Klimapolitik und bei den Menschenrechten – denken Sie an Guantanamo und den Interationalen Strafgerichtshof – seinem Anspruch auf eine Führungsrolle in der Welt gerecht zu werden.“
Tom Daschle und der Kandidat Foto: Obama Kampagne
Wird eine offene und zum Dialog bereite amerikanische Regierung für die transatlantischen Partner nicht in Wahrheit unbequemer werden als die Bush-Regierung, weil damit eine neue Arbeitsteilung in den Weltkonflikten einhergehen muß? „Ja, so ist es. Es ist wichtig, daß die Welt versteht, wie frustriert das amerikanische Volk darüber ist, daß es überall auf der Welt in Konflikten die Hauptrolle spielen muß. Wir können das einfach nicht auf Dauer durchhalten. Schon darum muß mit dem Unilateralismus Schluß gemacht werden und eine neue multilaterale Verantwortung an seine Stelle treten – gemäß unserer gemeinsamen Interessen. Amerika wird unter Obama mehr Anforderungen an unsere Freunde in Europa stellen.“
Bringt ein schneller Rückzug aus dem Irak, wie ihn Obama vorschlägt, nicht die Gefahr mit sich, noch mehr Chaos und Blutvergießen zu inspirieren? „Dazu kann ich nur sagen: Wenn die Europäer sich solche Sorgen um den Irak machen, warum sind sie dann dort nicht präsent? Ich bin überzeugt: Wir müssen anfangen, höhere Erwartungen and die irakische Regieurng zu stellen und sie allmählich in die Verantwortung für ihr eigenes Land zu entlassen.“
Wird Obama seine Ankündigung umsetzen können, er werde als Präsident den Weg für Verhandlungen mit dem Iran freimachen? „Es ist wichtig zu betonen, daß Obama die Bedeutung amerikanischer Stärke versteht. Wir dürfen keine Schwäche zeigen, wir müssen kraftvoll auftreten in solchen Konflikten. Allerdings muß man sehen, daß der Griff zur Gewalt manchmal auch den Gegner stärken kann, wie es ja im Fall des Irans – gegen die Absicht von Präsident Bush – geschehen ist. Wir haben durch unser Verhalten in den letzten Jahren dem Iran eine unvorhergesehene Position der Stärke in der Region verschafft. Wenn Obama es mit konstruktivem Engagement und einem neuen Dialogangebot versuchen wird, sollte das nicht als Politik der Schwäche verstanden werden.“
Hillary Clinton, Ted Kennedy und Tom Daschle 2002. Foto: Clinton Kampagne
„Im übrigen“, leitet Daschle über auf sein neues Arbeitsfeld, „zeigt uns auch der Konflikt mit dem Iran, dass wir eine Energiepolitik brauchen, die unsere Abhängigkeit von fossiler Energie verringert. Wir müssen mehr auf erneuerbare Energien und Effektivität setzen. Eine solche Politik ist nicht nur um der Umwelt willen nötig, sie macht uns auch sicherer. Leider sind wir Amerikaner bequem geworden und haben uns an billigen Brennstoff gewöhnt. Unser ganzer Lebensstil hängt daran, mitsamt der SUV’s und Hummer-Fahrzeuge. Amnerika muss in Energie- und Umweltfragen die Führung übernehmen. Sonst können wir auch nicht von den Chinesen verlangen, dass sie ihre Emissionen reduzieren. Sie sagen ganz zu Recht: Wenn die Amerikaner nichts tun, warum sollten wir dann voran gehen, wir sind neu in dem Rennen um Wohlstand.“
Wo wir gerade bei China sind, ein Wort zu Tibet? „Wir dürfen nicht nachlassen, für die Menschenrechte überall auf der Welt einzutreten. Ein Boykott wird dabei nicht viel helfen. Aber wir müssen den Chinesen nachdrücklich immer wieder klar machen, dass eine friedliche Lösung für alle die beste ist.“