Noch etwas Kleines aus der ZEIT von morgen:
In Berlin, am Rand des Tiergartens, erinnert jetzt ein Denkmal an die Verfolgung der Homosexuellen im Nationalsozialismus. Es ist ein eher dezentes Monument, das sich die äußere Form einer Stele vom gegenüberliegenden Holocaust-Mahnmal borgt. Die Skulptur der beiden Künstler Elmgreen und Dragset hat jedoch ein Innenleben: Wer durch das Loch an der Stirnseite schaut, sieht zwei sich küssende Männer.
Wie das Ensemble so zurückgenommen unter Bäumen daliegt, spricht es beredt von der lange verweigerten Empathie mit den verfolgten Schwulen und Lesben. Noch im Moment der Anerkennung steht man abseits des Weges und abgesondert vom viel besuchten Hauptgedenk-Ort.
Als der Kulturstaatsminister Neumann diese Woche das Mahnmal einweihte, waren keine Überlebenden der Verfolgung dabei. Sie sind alle gestorben, bevor die überfällige Kenntnisnahme ihres Martyriums geschah. Sie kam so spät, weil mit dem NS-Staat zwar das Morden aufhörte, die Verfolgung aber weiterging. Völlig zu Recht nannte darum ein Redner die Schwulenverfolgung der Nachkriegszeit unter dem bis 1969 gültigen Paragrafen 175 einen »monströsen Schandfleck unserer Demokratie« und eine »schlimme Menschenrechtsverletzung«. Ihre Aufarbeitung steht aus, wie die bis heute grassierende Homophobie beweist. Auch dafür steht das Denkmal.
Wer den CDU-Staatsminister einfühlsam klagen hörte über das sinnlos zerstörte Lebensglück und die »zerschlagenen Lebenswelten« von Lesben und Schwulen, der konnte kaum fassen, dass die Bundesrepublik sich so lange schwergetan hat mit dem Homo-Mahnmal. Was wurden nicht alles für Bedenken geltend gemacht, um es zu verhindern! Vor der Zersplitterung des Gedenkens, vor einer fatalen Konkurrenz und Hierarchisierung der Opfergruppen wurde gewarnt. Nichts davon trat ein.
Die abstrakte Toleranz gegenüber Schwulen, die vielerorts heute zum guten Ton gehört, ist mit echter Empathie nicht zu verwechseln. Aber etwas ändert sich: An einem Sommerdienstag in Berlin konnte man Generäle in Uniform, Abgeordnete und ein buntes Gemisch von A- und B-Promis erleben, die sich zu dem traurigen und doch lebenslustigen Denkmal mit dem küssenden Paar im Zentrum bekannten.