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Bahai im Iran vor Verurteilung

 

Aus der ZEIT von morgen.
Wer eine religiöse Minderheit demütigen will, schändet ihre Friedhöfe. Jeder solcher Akt ist barbarisch. Doch innerhalb der letzten Monate haben die Bahai im nordiranischen Qaimshahr gleich viermal zusehen müssen, wie die Gräber ihrer Vorfahren beschädigt wurden. Zuletzt, Ende Januar, kamen Bulldozer und vollendeten das Zerstörungswerk – von offiziellen Stellen geduldet, wenn nicht gar geschickt. Im Schatten der westlichen Sorge um sein Atomprogramm betreibt das Teheraner Regime eine zunehmend radikale Repression gegen die größte religiöse Minderheit im Lande – die etwa 350 000 Anhänger des Bahai-Glaubens. Das Kalkül: Die Welt hat andere Sorgen und wird sich darum nicht für die Rechte einer kleinen Religion verkämpfen.
Vielleicht wird dieses Spiel nicht aufgehen: Letzte Woche hat das Bundeskanzleramt den Geschäftsträger der iranischen Botschaft in Berlin einbestellt und ihm die Sorge der Kanzlerin über einen in Teheran drohenden Prozess gegen Bahai verdeutlicht. Und auch das Auswärtige Amt nutzt jeden Kontakt mit iranischen Stellen, um das Schicksal der Bahai zu beklagen.
Sieben führende Mitglieder des Bahai-Glaubens sollen dieser Tage vor Gericht gestellt werden. Man wirft ihnen »Spionage für Israel« und »Propaganda gegen den iranischen Staat« vor. Seit Monaten wurden die sieben ohne formelle Anklage festgehalten und ihre Anwälte schikaniert. Selbst die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi wird unter den Augen der Behörden drangsaliert und denunziert, seit sie die Aufgabe übernommen hat, die Angeklagten zu verteidigen. Es wurden gar Gerüchte lanciert, Ebadis Tochter sei zum Bahai-Glauben übergetreten. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, droht den geistigen Führern der Bahai die Todesstrafe.
Was reizt die Mullahs so an dieser Religion? Ursprünglich als islamische Reformbewegung in Iran entstanden, hat sich die Gemeinde des Stifters Bahaullah (»Herrlichkeit Gottes«) vom Islam losgesagt und eine Lehre entwickelt, die alle Weltreligionen beerben will. Die Bahai begreifen Mohammed nicht als »Siegel der Propheten«, sondern als eine Stimme der Offenbarung unter vielen. Keine Religion sei »falsch«, alle müssten aus ihrer Zeit heraus begriffen werden. Bahai lehren die Gleichberechtigung von Mann und Frau und lehnen jedes Priestertum ab. Statt der Überlegenheit des islamischen Glaubens über die anderen »Buchreligionen« und der Unantastbarkeit des Korans vertreten sie ein Ideal des religiösen Weltfriedens und glauben an eine unabgeschlossene Offenbarung des Göttlichen in der Geschichte.
In den Bahai begegnet dem schiitischen Klerus eine Form der religiösen Aufklärung, die umso provokanter ist, als sie von innen kommt – aus der Mitte der iranischen Kultur. Von Beginn an wurden die Bahais eben darum als Einflussagenten des Auslands – der Briten, der Russen, der Amerikaner und nun eben Israels – verteufelt. Sie sind ein Ärgernis, weil in ihnen ein anderer Weg aus der islamischen Kultur in die Moderne aufscheint: ohne Ressentiment, ohne Dschihad, ohne Fundamentalismus.
Mit dem heutigen Israel verbindet die Bahai nur der historische Zufall, dass ihr Prophet ins Exil gedrängt wurde und im palästinensischen Akkon – nahe dem heutigen Haifa – starb. Dort befindet sich das Weltzentrum für sechs Millionen Gläubige weltweit – Vorwand für die Teheraner »Zionisten«-Verschwörungstheorie.
In den letzten Monaten haben die Drangsalierungen der Bahai in Iran zugenommen. Sie dürfen nicht studieren, keine Geschäfte führen und sich nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. Es scheint kaum übertrieben, von einer drohenden Vernichtung der Bahai in ihrem Ursprungsland zu sprechen. Es könnte freilich sein, dass die radikalen Kreise im Teheraner Regime, die diese Kampagne vorantreiben, sich verrechnet haben. Denn es wächst auch in der eigenen Öffentlichkeit der Widerstand gegen die Unterdrückung: Über 240 iranische Intellektuelle haben einen offenen Brief geschrieben, in dem sie sich »beschämt« darüber zeigen, dass die Bahai »seit anderthalb Jahrhunderten ihrer Rechte in Iran beraubt werden«.
Durch das beherzte – und diesmal geschlossene – Auftreten der Bundesregierung ist das Schicksal der Bahai zu einem Prüfstein für die Hoffnung geworden, der Westen könne mit Iran einen Neuanfang wagen. Das steckt hinter dem drohenden Satz der Kanzlerin, ohne korrektes Gerichtsverfahren drohe »eine Belastung der Beziehungen der Staatengemeinschaft mit Iran«.
Iran sucht nach internationaler Anerkennung. Das verträgt sich in einer von religiösen Konflikten zerrissenen Welt schlecht mit der Entrechtung einer Minderheit, deren einziges Verbrechen darin besteht, sich vom Islam gelöst zu haben. Im Teheraner Gerichtshof wird darum nicht nur über das Schicksal einer kleinen religiösen Minderheit entschieden werden – sondern auch über die Rolle, die das iranische Regime selbst künftig zu spielen gewillt ist.