Letzte Woche hatte ich Gelegenheit, mit einigen anderen Kollegen in Berlin den israelischen Sozialminister Isaac Herzog zu sprechen. Er ist der Sohn von Chaim Herzog, des sechsten Präsidenten Israels (’83-’93) und ein Hoffnungsträger der Arbeitspartei.
Herzog begründete den umstrittenen Einstieg der Sozialdemokraten in die Regierung Netanjahu/Lieberman mit zwei Umständen: Iran und Weltwirtschaftskrise. Beides seien existentielle Bedrohungen des Staates Israel, und darum müßten alle Kräfte zusammenstehen. Im übrigen sei die Arbeitspartei in der Regierung um klar zu machen, dass Israel weiter an der Zweistaatenlösung mit den Palästinensern festhalte, für die auch eine „überwältigend Mehrheit der Israelis“ sei..
Wie eine solche Lösung möglich sein solle mit einem Aussenminister Lieberman, der den Friedensprozess offenbar für gescheitert hält? „Lieberman’s bark is bigger than his bite“, sagte Herzog. (Er liebt großspurige Ankündigungen, hinter denen seine Taten zurückbleiben.) Lieberman sei kein Extremist, sondern ein Populist, der ein breites Publikum mit seinen Sprüchen fesseln müsse. Man solle der Regierung einige Wochen Zeit geben, es würden schon bald einige „unerwartete Vorschläge“ folgen, spätestens bei Netanjahus USA-Besuch Mitte Mai.
Isaac Herzog Foto: Knesset
Menachem Begin hätte auch niemand zugetraut, dass er einmal Frieden mit den Ägyptern machen würde und den Sinai zurückgeben würde, sagte Herzog. Vielleicht könne auch Netanjahu Dinge tun, die man ihm nicht zutrauen würde.
Die Bedrohung der Region durch das neue iranische Vormachtstreben habe eine de facto-Koalition zwischen den „moderaten arabischen Staaten“ und Israel geschaffen, die es zu nutzen gelte. Man sei vereint in dem Willen, den iranischen Einfluß zurückzudrängen.
Über Obamas neuen Ansatz, den Dialog zu suchen, sagte Herzog: „Wir respektieren die Tatsache, dass Obama die Lage sondieren möchte (wants to check out things). Aber eine westlich geprägte Vorstellung von freundlichem Händeschütteln und Umarmungen führt nicht weit. Wir warnen: Tappt nicht in eine Falle!“
Der Minister äußerte sich sehr viel optimistischer über die Möglichkeit einer Einigung mit Syrien als über ein mögliches Einvernehmen mit den Palästinensern, weil die Hamas in Gaza dem entgegenstehe. Die Palästinenser in Gaza müssten erst ihre Debatte zuende führen, welche Art von Staat sie wollen: einen säkularen, demokratischen Staat, der gut nachbarschaftlich mit Israel zusammen lebt. Oder eine Theokratie iranischer Art nach dem Gusto mancher in der Hamas.
Die Verständigung mit Syrien sei bereits „somwhere out there“, man sei weit gediehen mit den Verhandlungen. Leider seien die Syrer ein bißchen zu sehr „full of themselves“, weil die ganze Welt derzeit um sie werbe.
In Gaza, so Herzog, gebe es massive Kritik an der Hamas-Führung vonseiten der Bevölkerung. Man stelle die Frage, was die Taktik der Hamas dem palästinensischen Volk gebracht habe.
In der israelischen Führung habe es während des Krieges eine heftige Debatte über die Frage gegeben, ob man Gaza vollständig erobern sollte. Man habe sich aber schließlich dafür entschieden, nur gegen die Hamas vorzugehen, der Terrororganisation eine „Lehre zu erteilen“ und auf den Abschreckungseffekt zu setzen. Maßgeblich für die Ablehung des Planes zur vollständigen Eroberung sei Ehud Barak gewesen.
Eine interessante Bemerkung des Ministers zu Obamas Ankündigung, Guantanamo zu schliessen:
„In Israel hätte eine Einrichtung wie Guantanamo keinen Tag überlebt, weil unser Verfassungsgericht diese Form der Inhaftierung sofort untersagt hätte.“