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Joschka Fischers langes Rohr

 

Ein Kommentar aus der ZEIT von morgen:

Joschka Fischer kümmert sich jetzt auch um eine Pipeline. Und sie ist sogar bedeutend länger als die seines früheren Chefs: Das »Nabucco«-Rohr soll Gas vom Kaspischen Meer bis nach Österreich führen – über 3300 Kilometer. Gerhard Schröders »Nord Stream«, die russisches Gas über die Ostsee nach Greifswald bringen wird, ist nur 1200 Kilometer lang. Der alte rotgrüne Knatsch darum, wer von beiden »Koch und Kellner« sei, geht in die nächste Runde – und zwar volles Rohr.
Schon erstaunlich, wie viele Wege aus dem rotgrünen Kabinett in die Energiewirtschaft führen: Schon die Minister Müller und Clement machten in Kohle und Atom, und Kanzler Schröder in Gas. Und nun eben Joschka Fischer: Anders als Gerhard Schröder, der übergangslos vom deutschen Regierungschef zum Interessenvertreter Gasproms mutierte, hat er drei Jahre Schamfrist verstreichen lassen. Und er wird immerhin nicht unter Verdacht stehen, als Einflussagent einer fremden Regierung arbeiten.
Der Ex-Außenminister wird Berater für das große Zukunftsprojekt der europäischen Energieversorgung: »Nabucco« soll zentralasiatisches Gas über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Europa bringen. Die Kanzlerin, wird gemunkelt, hat Fischers neuen Job abgesegnet, im Zeichen schwarz-grüner Harmonie. Das Nabucco-Projekt soll Europa aus der russischen Energie-Umklammerung befreien. (Und die Russen arbeiten, wo immer sie können, dagegen an.) Die Assoziation an den Gefangenenchor aus Verdis Oper, der über die babylonische Gefangenschaft klagt, ist Absicht. Während der Ex-Bundeskanzler mit der Unterwasser-Röhre den westeuropäischen Markt immer fester an Russland bindet, wird sein Ex-Vizekanzler nun daran arbeiten, Russlands Marktdominanz im wahrsten Wortsinn zu untergraben.
Fischers Mission hat geopolitische Tücken. Das wichtigste Transitland für Nabucco ist die Türkei. Und dort betrachtet man die Pipeline als Mittel, den EU-Beitritt zu beschleunigen. Joschka Fischer war als Aussenminister schon Befürworter dieses Beitritts. Nun aber hat er einen guten Grund mehr, dafür zu trommeln. Dass er es sich ansehnlich (»sechsstellig«) bezahlen läßt, hat einen faden Beigeschmack.

Der eigentliche Haken aber liegt hier: Iran hat nach Rußland die zweitgrößten Gasreserven. So richtig rentabel kann Nabucco auf Dauer nur sein, wenn dereinst nicht nur turkmenisches und aserbaidschanisches, sondern iranisches Gas durch sie fließt. Iran als Lösung unserer Energieprobleme? Nach den brutalen Szenen der letzten Wochen ist das ein schwer erträglicher Gedanke. Herr Fischer, übernehmen Sie.