Von Sonntag bis Dienstag war ich mit dem Aussenminister unterwegs in Israel, Syrien und Libanon. Ich will keinen Reisebericht schreiben, sondern werde mir die Eindrücke aufheben für ein späteres Stück. Darum habe ich mich für eine Bildergeschichte entschieden, um der lieben Blog-Gemeinde meine vorläufigen Impressionen mitzuteilen. Es ist Steinmeiers 14. Nahostreise, und womöglich seine letzte.
Am Montagmorgen, gleich nach dem Besuch beim israelischen Präsidenten Peres, geht Steinmeier nach Yad Vashem, um der Opfer des Holocaust zu gedenken. Ins Kondolenzbuch schreibt er den trockenen und doch eben drum auch angemessenen Satz: Das Gedenken an die Schoah führt uns nach Israel. Die Gedenkfeier ist streng ritualisiert – Kranzablage, Entzünden der Gedenkflamme, Schweigeminute, fertig. Sie hat auch die Funktion, eine Quelle der Legitimität des Staates Israel zu bekräftigen – das „Nie wieder“.
Unmittelbar nach dem Gedenkakt läßt sich Steinmeier auf den Mount Scopus fahren, von wo aus man Siedlungsaktivitäten in den Blick nehmen kann. Sein Nahostspezialist, Botschafter Andreas Michaelis, erklärt ihm anhand von Karten, wie die Siedlungen das Westjordanland zerschneiden. Natürlich ist das eine politische Geste vor dem folgenden Besuch bei Benjamin Netanjahu in der Knesset: Dass wir uns ohne Einschränkung zur Legitimität des Staates Israel bekennen, heisst eben nicht (mehr), dass wir die Siedlungspolitik hinnehmen. So ein Zeichen zu setzen hat sich die Bundesregierung bisher nicht getraut.
Bei Netanjahu und – später am Tag – Lieberman geht es sehr frostig zu. Steinmeier nutzt jede Gelegenheit, um die Worte „Zweistaatenlösung“ und „Siedlungspolitik“ zu sagen. Er ist gekommen, um dafür zu werben, dass man die neue Nahostpolitik Obamas als Chance begreifen möge. In Israel wird in diesen Tagen über einen Militärschlag gegen Iran spekuliert. Hat der amerikanische Vizepräsident Biden mit seinen Äusserungen vom Sonntag dafür grünes Licht gegeben? Oder hat er eigentlich sagen wollen: Wenn ihr (Israel) das macht, seid ihr auf euch allein gestellt? Über Lieberman schreiben die israelischen Zeitungen, er sei als Aussenminister irrelevant: Barak verhandelt als Verteidigungsminister mit Mitchell über die Siedlungen, Netanjahu ist fürs Verhältnis mit Amerika zuständig, und die Araber wollen mit Lieberman nicht reden, weil er einen Wahlkampf mit rassistischen Untertönen gegen sie gemacht hat. Lieberman will unbedingt eine Pressekonferenz mit Steinmeier, um endlich wieder einmal mit einem anderen Aussenminister ins Bild zu kommen. Israel, scheint mir, ist in einem Zustand äusserster Verwirrung: Unter Druck durch seine Freunde, und dies in einem Moment, in dem die iranische Gefahr die öffentliche Debatte bestimmt – und dann auch noch regiert von einer Koalition der Angst und des Kleinmuts. Schlechte Voraussetzungen für den Wandel, den Steinmeier predigt.
In der Jerusalemer Altstadt verkaufen (siehe Fotos oben und unten) arabische Händler diese T-Shirts mit zionistischen Spassbotschaften. Verrückte Stadt.
Man kann nicht direkt von Israel nach Syrien fliegen, nicht einmal mit einer Regierungsmaschine, weil zwischen beiden Ländern seit 1973 der Kriegszustand herrscht. Dabei wäre es von Jerusalem nach Damaskus nur ein paar Stunden Autofahrt. Also muss auch der deutsche Aussenminister eine Schleife über Zypern fliegen, um dann den syrischen Luftraum anzusteuern. Beim Anflug auf Damaskus erwische ich mich beim Suchen nach Bombenkratern in der syrischen Wüste (Foto unten). Aber natürlich werden die Geheimdienste dafür gesorgt haben, dass man nicht mehr sieht, wo die Israelis das syrische Atomprogramm beendet haben.
Der Präsident grüßt allenthalben in Damaskus, so auch hier auf dem Hausberg der Stadt, dem 1200 Meter hohen Kassioun. Aber es heißt, ihm gefalle der Personenkult nicht, und darum habe er die meisten Plakate in der Stadt abmontieren lassen.
Hier residiert nicht Dr. No, sondern Präsident Assad. In dem monumentalen Palast empfängt er seine (wenigen, aber es werden mehr) Gäste. Seine Wohnung liegt allerdings mitten in der Stadt, in einem besseren Viertel.
Das syrische Aussenministerium ist von erstaunlicher Schäbigkeit. Nicht mehr als ein umgebautes Apartmenthaus im Diplomatenviertel der Stadt. Seit den siebziger Jahren ist hier nicht mehr renoviert worden. Auf dem Foto ist das Foyer zu sehen, in dem Steinmeier seine Pressekonferenz mit dem Aussenminister Muallim abhalten wird. In dem Warteraum, in dem wir Journalisten auf die Minister warten, steht die „Great Soviet Encyclopedia“ in den Regalen, staubbeladen.
Schärfer könnte der Kontrast nicht ausfallen als zu dem Palast der Familie Hariri in Beirut, wo Steinmeier den designierten Ministerpräsidenten trifft, Saad Hariri, Sohn des (vermutlich von syrischer Hand) ermordeten Rafik Hariri. Ein wunderschöner Stadtpalast, mitten im mediterranen Gewimmel Beiruts, bewacht von Dutzenden schwer bewaffneter Männer. Der junge Hariri will einen nationalen Versöhnungsprozess beginnen. Seine Wahl ist erst möglich geworden durch die Nichteinmischung der Syrer, die den Libanon offenbar langsam aufzugeben bereit sind. Die Belohnung dafür ist das Nachlassen der diplomatischen Isolation. Steinmeier hat diese Politik schon früh forciert, als sie noch sehr unpopulär war. Jetzt erweist sie sich auch als klug, weil Syrien damit aus der iranischen Umklammerung geholt werden kann – und der Iran somit weiter isoliert.
Allerdings hat das Setting im Hariri-Palast etwas von „Der Pate 2“. Überall hängen die Bilder des ermordeten Vaters, und der Sohn füllt nun seine Fußstapfen aus. Wird er sich mit dem Oberhaupt der anderen großen Familie vertragen, die seinen Vater hat ermorden lassen (siehen oben)? Der junge Hariri macht den Eindruck, die Dinge anders angehen zu wollen. Aber kann er der Clanpolitik entkommen?
Alle Fotos: Jörg Lau