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Verteidigungsminister zu Guttenberg: Die Transall ist kein Laufsteg

 

Mit meiner Kollegin Tina Hildebrandt habe ich ein Porträt des neuen Verteidigunsgministers in seiner ersten Bewähungsprobe geschrieben. Aus der ZEIT von morgen:

Ein Wortspiel in einer Fremdsprache kannleicht danebengehen. Doch
Karl-Theodor zu Guttenberg fühlt sich hier, in der gediegenen Welt der Washingtoner Thinktankswie zu Hause. Viele Anwesende kennt er aus seinem früheren Leben als Außenpolitiker. »It¹s great to be back!«, ruft er amcDonnerstag vorletzter Woche einem Saal voller Diplomaten und Militärs an der K Street zu, dem Sitz zahlreicher Lobby-Büros: »Ich war etwas abgelenkt in den letzten Monaten durch die Witschaftspolitik. Doch jetzt bin ich von General Motors wieder zu Generälen und echten Motoren zurückgekehrt.«
Alle lachen, Guttenberg wackelt ein wenig kokett mit den Schultern, wie er das immer tut bei seinen provozierend angstfreien Auftritten. Er fühlt sich wohl in seiner Haut als Verteidigungsminister.
Eine Woche und drei Rücktritte später findet sich der Star der Kabinetts im Zentrum der bisher größten Krise der noch frischen Regierung Merkel.

Zunächst hat es andere getroffen. Doch ob er unversehrt aus der Sache hervorgeht, ist offen. Er hat selber keine Gefangenen gemacht: Für nur vier Wochen im Amt eine beachtliche Bilanz, einen General, einen Staatssekretär, und in der Folge einen Ministerkollegen ins politische Jenseits befördert zu haben. Treffer, versenkt.

Guttenbergs Rückkehr zu echten »Generälen und Motoren« bedeutete zuerst für Deutschlands höchstrangigen Soldaten, den Generalinspekteur, das jähe Ende. Der Minister zwang Wolfgang Schneiderhan letzten Donnerstag zum Rücktritt.

Auch den mächtigen Staatssekretär Peter Wichert schickte er in den
vorzeitigen Ruhestand. Die beiden sollen ihrem neuen Dienstherrn interne Berichte über das Bombardement zweier Tanklaster bei Kundus am 4. September in Afghanistan vorenthalten haben. Erst durch Zeitungsberichte, heißt es, habe Guttenberg von den belastenden Dokumenten Wind bekommen. Deutsche Feldjäger aber hatten bereits zwölf Stunden nach dem Bombenangriff auf die von Taliban entführten Tanker den Tatort besucht. In ihrem Bericht finden sich klare Hinweise auf zivile Opfer unter den 142 Tote.
Einen Tag später kostete die Affäre auch Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung seinen Posten als Arbeitsminister. Jung hatte behauptet, ausschließlich terroristische Taliban« seien getroffen worden.
Kurze Zeit sah es so aus, als hätte Guttenberg durch sein entschlossenes Handeln eine Brandmauer zwischen sich und der Affäre Kundus ziehen können. Er versprach Aufklärung und Konsequenzen und leitete eine Untersuchung ein.

Doch durch Jungs, Schneiderhans und Wicherts Abgang rückt er selbst in die Schusslinie. Es geht darum, ob Guttenberg mit einer kapitalen Fehleinschätzung in das Amt gestartet ist, in dem er sich so heimisch fühlt.
Denn auf seiner ersten Pressekonferenz hatte Guttenberg den Luftschlag demonstrativ verteidigt. Am 6. November sagte der 37-jährige, Oberst Klein, der den Angriff angeordnet hatte, habe »militärisch angemessen« gehandelt.
Mehr noch: »Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum Luftschlag kommen müssen.«
Müssen? Das lässig ausgesprochene Wort hat durch die Woche voller Rücktritte einen gefährlichen Nachhall bekommen. Warum hat Guttenberg sich so exponiert? Er kannte doch den Nato-Bericht, in dem von 30 bis 40 zivilen Opfern die Rede ist. Und von mehr als »Verfahrensfehlern«. Aus dem Isaf-Bericht geht nach Aussagen derer, die ihn gelesen haben, hervor, dass Oberst Klein fälschlicherweise eine unmittelbare Bedrohung und Feindberührung behauptet hatte, um Luftunterstützung zu bekommen.

Guttenberg, heißt es nun im Ministerium, habe den Bericht zwar aufmerksam gelesen. Er habe aber keinen Anlass gesehen, sich von der Linie des Generalinspekteurs abzusetzen. Er wollte sich wie jener rückhaltlos vor die Soldaten stellen.
Nun steckt Guttenberg selbst in der Bredouille: Er behauptet, er müsse eine Neueinschätzung vornehmen, weil ihm neue Dokumente vorenthalten worden seien. Kenner dieser Dokumente aber sagen, sie enthielten gar keine neuen Infromationen gegenüber dem Isaf-Bericht. Revidiert Guttenberg seine Position, setzt er selbst sein Vorpreschen ins Zwielicht. Schlimmer noch: Er würde Oberst Klein belasten, den er schützen wollte. Gegen den Oberst läuft ein Ermittlungsverfahren. Einen Rückzieher würde die Truppe dem Minister als Illoyalität auslegen. Bleibt er bei seiner Position, sieht er selbst dumm aus von wegen Klartext-Minister.

Guttenberg hat sich in dem klassischen Zielkonflikt jedes Wehrministers verheddert: Loyalität zur Truppe oder Offenheit gegenüber Parlament und Öffentlichkeit. Er wollte ihn eigentlich auflösen und damit mehr Verständnis für die Truppe und ihre Einsätze erzeugen, die sich von einer Öffentlichkeit im Stich gelassen fühlt, die den Selbstmord eines Torwarts Tage lang betrauert, aber von gefallenen Soldaten nichts wissen will.

Guttenbergs Aufstieg ist einmalig: Von der unbekannten Nachwuchskraft zum beliebtesten Politiker der Republik. Vom CSU-Generalsekretär zum Wirtschafts- und Verteidigungsminister, und das alles in weniger als einem Jahr. Beobachter und Kollegen rätseln über das Phänomen Guttenberg. Was nur hat der Baron, was die anderen nicht haben?
Eine ganze Menge: Neben einem Adelstitel, einem Schloss, einer schönen Frau nebst zwei Töchtern, respektablen Englischkenntnissen und perfekten Manieren hat er auch ein beachtliches Talent zur Selbstvermarktung. Keine Rede seit Mai, in der Guttenberg nicht an sein Nein zur Opelrettung erinnert und dieses zum Beleg für seine besondere Standfestigkeit überhöht hätte. Seine Profilierung als letzter Ordnungspolitiker fand auf Kosten der
Kabinettskollegen und der Kanzlerin statt. Wenn einer sich als der
Letzte mit klaren Grundsätzen darstellt, haben die anderen im Umkehrschluss wohl keine mehr. Damit kommt man aber nur einmal durch.
Im neuen Amt liegt nun die Messlatte höher. Guttenberg muss nicht nur eine Strategie für das weitere Vorgehen in Afghanistan formulieren, einen Einsatz, dem sowohl die Bevölkerung als auch große Teile der CSU skeptisch gegenüberstehen. Die Schonfrist ist vorbei.
Er hat sich auch im neuen Amt wieder von Beginn als Klarsprecher zu inszenieren versucht. Dass er unumwunden einräumte, in Afghanistan herrschten »kriegsähnliche Zustände«, kam in der Öffentlichkeit und bei den Soldaten gut an. Guttenberg sprach aus, was jeder sehen konnte, was aber
nicht gesagt werden durfte, teils aus rechtlichen Gründen, teilweise, weil
man in der Regierung fürchtete, die Zustimmung zu dem Einsatz werde weiter bröckeln.
In Washington sagte er, Auslandseinsätze müssten künftig »zur Selbstverständlichkeit werden.« Doch davon ist die Debatte nach dieser Woche weiter entfernt denn je. Nun findet sich ausgerechnet Guttenberg, der doch mit der verschleiernden Rhetorik seines Vorgängers aufräumen wollte, vor einem Untersuchungsausschuss wieder. Da werden zwar die Verfehlungen Jungs im Mittelpunkt stehen. Doch auch Guttenberg wird sich fragen lassen müssen, wie er zu seiner Einschätzung kam, der Luftangriff sei angemessen gewesen.

Eine Einschätzung, die dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD, Rainer Arnold, nach Lektüre des NATO-Berichts »schleierhaft« ist. Die Opposition hat die Fährte aufgenommen: »Er präsentiert sich gerne als Herr der Sache. Auch wenn er längst Getriebener ist«, sagt der grüne Afghanistan-Kenner Tom Koenigs über zu Guttenberg. Der ist bislang auf einer Welle des Wohlwollens durch seine Ämter gesegelt. An Opposition wird er sich gewöhnen müssen.
Guttenberg hat der Kanzlerin nicht nur eine Kabinettsumbildung aufgezwungen: Nun will die Opposition Merkel nachweisen, dass sie sich um den schwersten Zwischenfall in der Geschichte der Bundeswehr nicht gekümmert hat. »Sollte sich herausstellen, dass die Bundesregierung Informationen wegen des Wahlkampfs unterdrückt hat, wäre das ein Skandal«, so Arnold.
So wie bisher, als smarter Glamourboy des Kabinetts, wird Guttenberg seine
Rolle nicht weiter spielen können. Nahezu jede Woche seit seinem Amstantritt war der Minister auf Hochglanzfotos in bunten Gazetten zu sehen, wie er gerade irgendeinen Bambi entgegennahm oder im feinen Zwirn vor Soldaten posierte. Doch wer Soldaten in kriegsähnliche Zustände schickt, für den gelten andere Grenzen des guten Geschmacks als für »zivile« Minister. »Eine Transall ist kein Laufsteg«, ätzt Koenigs.
Am vergangenen Dienstag musste Guttenberg dem Auswärtigen Ausschuss Rede und Antwort stehen. Der Minister gelobte volle Kooperation und Aufklärung.
»Angespannt wie noch nie« haben die Parlamentarier den smarten Franken
erlebt. Wann genau denn das Kanzleramt über den Feldjägerbericht informiert gewesen sei, wollten mehrere Abgeordnete wissen. Das, so Guttenberg kleinlaut, interessiere ihn auch.