Erfreulicher Weise ist der Weblog Sicherheitspolitik wieder online – das Forum für die verteidigungspolitische Debatte jenseits von Berliner Aufgeregtheiten. Hier schreiben kühle Beobachter und Kenner – oft auch aus der Perspektive der Soldaten, die in Auslandseinsätzen dienen.
Angesichts der bedauerlichen Tode deutscher Soldaten im Gefolge von Kämpfen in Nordafghanistan mahnen die Blogger dort zu einem anderen Ton beim Gedenken und in der politischen Debatte. Sie stören sich daran, dass auch Soldaten, die im Kampf gefallen sind, als bloße Opfer eines tragischen Geschehens dargestellt werden – ganz so als wären sie einem Unfall oder einer Naturkatastrophe zum Opfer geworden.
Ich finde das sehr verständlich und glaube, dass sich hinter dem Problem des richtigen Gedenkens ein tiefer liegendes Problem mit dem Einsatz in Afghanistan verbindet. Immer noch zögert die Politik und die weitere Öffentlichkeit, ehrlich und realistisch mit dem Konflikt umzugehen – „Kriegs“-Terminologie hin oder her.
Gestern wurde folgender Kommentar auf dem Blog gepostet:
Mit der offenbar wachsenden Präsenz möglicherweise professionellerer internationaler Kämpfer im Norden Afghanistans, der stärkeren Präsenz von Aufständischen im Kunduz-Baghlan-Korridor und der angekündigten stärkeren Präsenz der Bundeswehr dort wird möglicherweise auch ein Anstieg der deutschen Verluste verbunden sein. Die Politik könnte spätestens jetzt damit beginnen, die Öffentlichkeit besser darauf vorzubereiten. Die Betroffenheitswellen, die nach jedem Vorfall durch Deutschland gehen, mögen gut gemeint sein, sind aber letztlich Ausdruck einer Einstellung, auf deren Grundlage möglicherweise noch höhere Opferzahlen kaum bewältigt werden können.
Wiederholt haben wir die deutsche Afghanistan-Diskussion kritisiert, weil sie aus unserer Sicht durch die Demonstration von Schwäche die Motivation der Aufständischen stärkt. Leider wird den Aufständischen von Politik, Bundeswehr und Gesellschaft weiterhin vermittelt, dass Deutschland auch relativ niedrige Verluste in Afghanistan kaum erträgt und sowohl Bundeswehr als auch Politik dabei sind, den Willen zur Fortsetzung des Einsatzes zu verlieren. Einen stärkeren Anreiz für weitere Anschläge könnte es kaum geben.
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Über die Ursache dafür können wir nur spekulieren: Passen Profis nicht in das bei den Medien beliebte Klischee des Soldaten als Opfer?
Ansonsten zeigt der aktuelle Vorfall, dass die Gegenüberstellung von Kampfeinsatz einerseits und Ausbildungseinsatz andererseits in der Praxis nicht funktioniert. Die Politik erweckt gerne den Eindruck, als sei die vorgesehene Verstärkung der Ausbildung der ANA eine Fortsetzung jener Politik, die eigene Risiken durch Passivität minimieren will und dies hinter Euphemismen wie “Vorrang vor zivilen Mitteln” etc. versteckt. Die Begleitung der afghanischen Soldaten im Einsatz durch deutsche Mentoren bringt jedoch fast selbstverständlich auch Situationen mit sich wie jene, bei der gestern mindestens vier deutsche Soldaten fielen.
Es hat Jahre gedauert, bis die Politik minimale Kompromisse an die Realität in Afghanistan eingegangen ist und z.B. den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt dort als solchen (und auch erst nach gerichtlicher Entscheidung) anerkannt hat oder die Verlegung von Panzerhaubitzen ermöglichte. Immer noch leugnet man eine zentrale Realität: In Afghanistan gibt es neben anderen Herausforderungen auch einen militärischen Gegner, der auch deutsche Soldaten in möglichst großer Zahl töten will und dessen zu dessen Überwindung deutsche Soldaten nicht nur in Selbstverteidigung kämpfen müssten.
Wer eine andere Art der Thematisierung kennenlernen will, lese die Aussage von Haupftfeldwebel Daniel Seibert, die hier auf dem Weblog zitiert wird.