Die türkische Zeitung Sabah vermeldet, der Migrahigru sei nun fest definierter offizieller Amtssprachgebrauch. Die Zeitung macht auf eine Verordnung des Arbeitsministeriums aufmerksam, nach der erstmalig die Bezeichnung «Migrationshintergrund» definiert werde. Demnach weisen alle Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, deren Geburtsort außerhalb der heutigen Grenzen Deutschlands liegt, deren Zuwanderung in das heutige Gebiet Deutschlands nach 1949 erfolgte oder bei denen der Geburtsort mindestens eines Elternteiles außerhalb der heutigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschlands liegt, einen Migrationshintergrund auf.
Für mich heißt das, meine Kinder haben einen Migrationshintergrund. Ihre Kinder werden (offiziell) keinen mehr haben. Aber so ein Migrahigru, der schmutzt noch lange nach. Den wirst du so leicht nicht los. Der kann, bei langem Leben, schon nach der offiziellen Definition locker über hundert Jahre nach der Migration halten.
Die ganze Sache klingt ohnehin irgendwie nach nichts Gutem. Das ganze Gequälte und Unfreie unserer Debatte über Einwanderung liegt in diesem Wort. Einwanderer sind ja aktive, wagemutige Leute. Menschen mit einem „Hintergrund“ sind ja eher welche, die was zu verbergen haben, oder die ein belastendes Erbe mitbekommen haben („he came from a background of poverty, substance abuse and crime…“). Ein Schatten liegt über ihrem Leben, ein Migrationshintergrund, den man nicht durch einen Pass los wird, nicht durch exzellente Leistungen und nicht durch Liebe zur Weißwurst. Herkunft toppt hier allemal die Ambition. Ist schon immer so gewesen, und darum war Deutschland ja auch in vielen Phasen der Geschichte so ein fruchtbares Auswanderungsland.
Und so werden meine Kinder einen Migrationshintergrund haben, bis ans Ende ihres Lebens. Zum Glück wissen sie noch nichts davon. Sie halten die märchenhafte Herkunft eines Teils der Familie aus weiten Fernen für etwas Aufregendes und Interessantes. Wenn sie wüssten.