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Warum Assad vor einer Intervention in Syrien warnt

 

Mein Kommentar aus der ZEIT von morgen zur Eskalation in Syrien und den Befürchtungen Assads:

Ein Krieg, den niemand will, beginnt die politische Fantasie heimzusuchen. Merkwürdigerweise hat einer ihn ins Gespräch gebracht, der am wenigsten Interesse daran haben sollte – der syrische Präsident Assad. Der Westen werde »den Druck erhöhen«, sagte er dem Londoner Sunday Telegraph. Eine Intervention in Syrien aber würde »ein Erdbeben auslösen. Wollen Sie ein weiteres Afghanistan, wollen Sie Dutzende Afghanistans?«
Warum warnt Assad vor etwas, das der Nato-Generalsekretär Rasmussen ausschließt? Syrien gilt als potenzieller Treibsand ethnisch-religiöser Konflikte. Ein UN-Mandat für eine Intervention ist unwahrscheinlich. Israels Sicherheit will niemand riskieren, Syrien könnte über die radikalen islamischen Milizen Hisbollah und Hamas Ärger machen. Zudem steckt der Nato Libyen noch in den Knochen. Sie ist heilfroh über den zäh errungenen Sieg und zieht sich nun zurück, um nicht in einen Bürgerkrieg gezogen zu werden. Ein weiterer Krieg in Nahost? Undenkbar.
Wirklich? Auch die Kriege im Kosovo, in Afghanistan und in Libyen waren einst undenkbar. Paul von Maltzahn, ehemaliger deutscher Diplomat in Damaskus, sieht das syrische Regime unter Schock, seit die Bilder vom Tod Gadhafis gezeigt haben, dass die arabischen Revolten auch für die Herrscher tödlich enden können. »Vielleicht hat der syrische Präsident aber auch einen realistischeren Blick auf westliche Interventionen als wir selber«, gibt zudem Markus Kaim zu bedenken, sicherheitspolitischer Experte des Berliner Thinktanks SWP. Die Eskalation in Syrien könnte die Welt in die Lage bringen, »nicht länger zusehen zu können« – wenn die Bekenntnisse zur »Schutzverpflichtung«, die in Libyen das UN-Mandat begründeten, nicht völlig heuchlerisch wirken sollen.
Für die syrische Opposition ist der Libyen-Krieg zweischneidig: Man hofft, das Prinzip der »Schutzverantwortung« könnte eine Intervention geboten erscheinen lassen, ahnt aber, dass die politisch-militärische Erschöpfung der Nato eine Wiederholung unwahrscheinlich macht. Umgekehrt gilt: Libyen ist zwar kein Modell künftiger Interventionen. Aber wenn es welche geben wird, werden sie humanitär begründet sein.
Assad sieht offenbar, dass ein Punkt kommen kann, an dem auch die Furcht vor dem Chaos, das eine Intervention auslösen könnte, ihn nicht schützen kann. Er hat sich durch brutalste Repression den Weg zur Reform abgeschnitten. Die Opposition ist nach mehr als 2000 Toten nicht gesprächsbereit. Russen und Chinesen werden zwar so bald keine In­ter­ven­tion mehr durch Enthaltung im Sicherheitsrat ermöglichen. Sie fühlen sich durch die weite Auslegung der Libyen-Resolution getäuscht. Doch Russland hat in Syrien eigene strategische Interessen, die wichtiger sind als das Regime: eine Marinebasis am Mittelmeer, einen erstklassigen Kunden russischer Waffenproduktion und einen Einflusshebel in Nahost. Jedes Post-Assad-Arrangement wird darum nur in Übereinkunft mit Moskau zu haben sein.
So weit ist es noch nicht. Aber auch für Russland kann der Moment kommen, in dem man sich die Patenschaft für den »Schlächter von Homs« nicht mehr leisten kann.