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Ein Abend in der Iranischen Botschaft

Ich habe ein Geständnis zu machen: Ich war in der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin. Ich habe mich einladen lassen. Anlass war der  Jahrestag der Islamischen Revolution. Das ist jetzt schon wieder mehr als zwei Wochen her, aber ich denke gelegentlich an diesen Abend, der doch sehr lehrreich war.

Ich finde eigentlich nicht, dass das Revolutionsjubiläum ein Grund zum Feiern ist. Es ist ein Unglücksdatum für die Welt, und mehr noch für die iranische Nation. Ich bin dennoch zu der Diskussionsveranstaltung hingegangen, bei der es um „Iran – anders betrachtet“ gehen sollte. Mal sehen, wie die das machen: Propaganda unter schwierigsten Bedingungen. Sanktionen, die nächste Runde Atomverhandlungen droht, Assad begeht Völkermord unter kräftiger Hilfe der Revolutionsgarden, Hisbollah sieht sich wegen Terrors in Europa an den Pranger gestellt. Läuft alles nicht rund zur Zeit.

Nach der obligatorischen Koran-Rezitation eröffnete der Boschafter Sheikh Attar den Abend mit dem Bekenntnis: Es soll hier keine Propaganda geben, wir wollen offen diskutieren. Der ist gut, dachte ich. Mal sehen, wie „keine Propaganda“ sich anhört. (Nach einer Weile wurde mir klar, er hatte wohl „keine westliche Propaganda“ gemeint.)

Das beruhigende Ergebnis des Abends vorweg: Sie können es einfach nicht. Das iranische Regime ist vollkommen unfähig darin, einem westlichen Publikum irgend etwas vorzumachen. Sie wissen einfach nicht, wie unsere Öffentlichkeit funktioniert. Sie haben keine Kontakte, und sie haben keine Ahnung, wie so eine Veranstaltung wirkt. Es war die Mutter aller Rohrkrepierer. Beruhigend mag das einerseits sein, andererseits liegt in der Blindheit des Regimes für die Außenwahrnehmung auch eine Gefahr.

Der Saal in dem neuen Botschaftsgebäude an der Podbielskiallee in Dahlem war voll. Als der Botschafter die Gäste auf dem Podium vorzustellen begann, ahnte ich schon, das wird nichts. Sadegh Tabatabai, ein Veteran der Revolution und erster Sprecher der Regierung, ist eine interessante Persönlichkeit. (Er verlor sich aber in lauter Anekdoten.) Irmgard Pinn, eine deutsche Konvertitin und Islamwissenschaftlerin, sollte zur Lage der Frau im Iran sprechen.

Eine so absurde Rechtfertigungslitanei für Frauen-Unterdrückung habe ich noch nie gehört. Frau Pinn lobte in ihrem endlos mäandernden Vortrag den Familiensinn der iranischen Frau, die gar nicht unbedingt Karriere machen wolle, weil sie eben anderen Werten verpflichtet sei als die dekadente Westlerin. (Zugleich sagte Frau Pinn, dass die Emazipation der iranischen Frau viel weiter vorangeschritten sei als im Westen, ohne freilich diesen Befund mit dem anderen abzugleichen.) So etwas in der Iranischen Botschaft vorzutragen, der Repräsentanz eines Regimes, das Geschlechter im öffentlichen Leben trennt wie einst die Südstaaten die Rassen – das ist schon sagenhaft. Reisende wie Frau Pinn werden im Iran nicht wegen „bad hijab“ belästigt und eingesperrt – Iranerinnen sehr wohl. Was ist mit denen? Haben die es sich redlich verdient?

Nicht besser Udo Steinbach, der ehemalige Leiter des Deutschen Orient Instituts: Er hielt einen Vortrag zu strategischen Lage im Nahen Osten hielt, den das iranische Außenministerium sich wahrscheinlich einrahmen lassen wird. Steinbach erging sich im „Scheitern“ der amerikanischen Nahostpolitik, das er genüsslich ausbreitete. Die „Atomfrage“ sieht Steinbach als Teil des Machtspiels im Nahen Osten: Weil sowohl Bush als auch Obama gescheitert sind, rückt nun Irans Atomprogramm in den Fokus. Steinbach gibt im Grunde der iranischen Sicht Recht, dass der Westen dem Land die Atomtechnik nur darum nicht geben will, damit es klein gehalten werden kann.

Zum Thema syrischer Bürgerkrieg sagte er, „Iran hat seine Rolle noch nicht gefunden, das sehen wir in Syrien“. Iran sei „noch nicht auf die neue Welle der Demokratisierung (in der arabischen Welt) eingegangen“. Wirklich? Mir scheint, die Rolle ist sehr klar: Unterstützung für Assad um jeden Preis, bis in die letzten Stunden des Führerbunkers in Damaskus.

Die Atomfrage, befindet Steinbach, sei in einer Sackgasse: „Über Sanktionen wird es nicht gelöst.“ Es müssen Angebote des Westens her, und zwar umfassende. Obama wolle den Krieg nicht, „die israelische Politik schuf die Gefahr eines Krieges“. Damit hätte der iranische Botschafter eigentlich sehr zufrieden sein können. Steinbach machte ja seinen Job. Aber Sheikh Attar setzte noch einen drauf, was vielleicht etwas über die Stimmung im Regime sagt: Er forderte eine Absage an regime change, eine Sicherheitserklräung für Iran, und schließlich müssten sowohl die Atomfrage als auch die Palästinafrage „im Kontext der Gerechtigkeit“ diskutiert werden. Dass den Palästinensern ein Staat verwehrt wird und dem Iran die Bombe (Pardon: das friedliche Atomprogramm), sieht der Botschafter als Teil der gleichen westlichen Weltverschwörung, gegen die nur der tapfere Iran Widerstand leistet.

Es ist eine Schande, dass sich Steinbach für so etwas hergibt – ohne ein Wort über die Menschenrechtslage im Iran zu sagen, ohne auch nur eine Bemerkung über Irans Rolle in Syrien und im Libanon zu verlieren. Eine Bankrotterklärung, so ein Auftritt.

Dann sprach der vierte Gast: „Dr“. Yavuz Özoguz, der Betreiber von Muslim-Markt, vorgestellt als Publizist und Theologe, verbreitete sich über „Islam und Demokratie“. Es war eine so plumpe Apologie des theokratischen Systems des Iran als Erzdemokratie, dass ich dann doch lieber meinen Kram packte und aufbrach. Unerträglich.

Ein Regime, das eine solche plumpe Propagandaveranstaltung als Teil eines gewagten „Outreach-Versuchs“ begreift – wie isoliert muss es wohl sein? Nicht nur von außen her, sondern von innen her abgeschottet. Ich würde mir nach wie vor wünschen, man könnte eine diplomatische Lösung des Atomstreits finden. Nach diesem denkwürdigen Freitagabend geht meine Hoffnung gegen Null.