Ein Fall „Hoder“? Der bekannteste iranische Blogger auf Abwegen?

Je angespannter die Lage im Iran, um so tiefer werden auch die Risse in den Dissidentenzirkeln im Ausland.
Derzeit ist die Bewertung des Falles Jahanbegloo (siehe vorherige Posts) die Frage, an der sich die Geister scheiden.

Der iranische Blogger Hossein Derakshan (aka „Hoder“: www.hoder.com), eine wichtige Figur der jüngeren iranischen Exilopposition, gewinnt dem „Geständnis“ von Ramin Jahanbegloo jetzt andere Seiten ab: Derakshan erklärt das „Geständnis“ zum Zeichen eines wirklichen Umdenkens.
Jahanbegloo habe sich von der Idee des „regime change“ verabschiedet, die er als falsch erkannt habe. Zum Interesse des Regimes, Jahanbegloo als Regime-change-Advokaten hinzustellen, siehe meine früheren Posts.
Unter anderen reformgesinnten Exilanten (die durchaus nicht für gewaltsamen Regimewechsel, sondern demokratischen Wandel von innen stehen) Hoders Deutung heftigen Widerwillen, ja sogar Abscheu ausgelöst.

Die Tatsache, daß Jahanbegloos „Undemkungsprozeß“ nach 4 Monaten Einzelhaft stattfand und daß das Regime nachhalf, indem es Ramin Jahanbegloo das eigene Haus und das seiner Mutter als Sicherheit abverlangte, spielt in Hoders Deutung seltsamer Weise keine Rolle.
KÜRZLICH ERST HAT HODER DAS ATOMPROGRAMM DES IRAN GERECHTFERTIGT, UND ZWAR AUCH EINDEUTIG ALS WAFFENPROGRAMM.
Im letzten Jahr war Hoder im Iran, um über die Wahlen zu berichten. Er durfte selbst erst nach intensiver Befragung durch den Geheimdienst ausreisen.
Es gibt gute pragmatische Gründe, gegen eine aggressive Regime-change-Politik im Iran zu sein. (Vor allem, weil sie in einem Land nichts fruchtet, das sich sehr zu Recht vom Westen, besonders von den USA, verraten und verkauft fühlt – seit der Unterstützung des Schahs und schließlich Saddam Husseins, selbst noch als dieser Giftgasangriffe auf iranische Truppen ausführen ließ.)
Aber man muß die Falschheit der Regimewechsel-Propaganda nicht an jemandem zu belegen versuchen, der mit ihr nie etwas zu tun hatte und nun vom iranischen Geheimdienst in durchsichtiger Weise als „reuiger“ Einflußagent hingestellt wird.

 

Die öffentliche Vernichtung eines Intellektuellen als Schauspiel vor der Weltöffentlichkeit

Das Transskript des „Geständnisses“ von Ramin Jahanbegloo (siehe Link in der Titelzeile) läßt keinen anderen Schluß zu, als daß wir Zeugen einer öffentlichen (Selbst-)Vernichtung eines hervorragenden Intellektuellen werden.
Es ist ein erschütterndes, abstoßendes Schauspiel.
Es wird auch offenbar, dass diese erzwungene Selbstzerstörung eines integren und mutigen Philosophen nicht nur auf die iranische Öffentlichkeit zielt. Austauschorganisationen, westliche Medien und Individuen, die Kontakt mit unabhängigen Köpfen wie Jahanbegloo suchen, sollen abgeschreckt werden.
In diesem Fall ist der German Marshall Fund in die Schußlinie geraten, mit dem Ramin kooperieren wollte. Der GMF ist eine integre, unabhängige und überparteiliche Institution, die den transatlantischen Austausch pflegt. In Jahanbegloos „Geständnis“ erscheint er als sinistere Organisation, die den Umsturz im Iran vorbereitet.
Das ist grotesk, doch es geht hier nicht um Tatsachenfeststellungen. Es sollen schlichtweg alle abgeschreckt werden, die sich für die Dissidenten des Landes einsetzen.
Die Botschaft lautet: Wenn ihr sie druckt, wenn ihr sie einladet, wenn ihr auch nur Kontakt mit ihnen aufnehmt, kann das für uns Grund genug sein, sie fertigzumachen!