Warum Männer und Hunde das liebste Haustier von Frauen und Kindern nicht leiden können
Von Rudyard Kipling
Illustration: Erhard Dietl |
Der Hund war wild, und das Pferd war wild, und die Kuh war wild, und das Schaf war wild, und sie wanderten auf ihre wilde Weise durch die weiten wilden Wälder. Aber das wildeste von allen wilden Tieren war die Katze. Sie blieb für sich, und ein Ort war für sie so gut wie der andere. Natürlich war auch der Mensch wild. Der Mann war schrecklich wild. Er fing noch nicht mal an, zahm zu werden, bis er der Frau begegnete und sie ihm sagte, dass sie auf seine wilde Weise nicht leben mochte. Sie suchte zum Schlafen eine trockene Höhle; sie streute Sand auf den Boden; sie zündete ein Holzfeuer an; sie hängte ein Wildpferdfell vor die Höhlenöffnung; und sie sagte: »Putz dir die Füße ab, eh du hereinkommst.« An diesem Abend, allerliebster Liebling, aßen sie Wildschaf, das sie auf den heißen Steinen brieten. Danach schlief der Mann vor dem Feuer ein. Die Frau aber blieb noch auf und kämmte sich ihr Haar. Sie nahm den Schulterknochen des Hammels und betrachtete die wunderbaren Zeichen darauf, sie legte Holz aufs Feuer, und sie zauberte.
Draußen in den weiten wilden Wäldern versammelten sich alle wilden Tiere. Das Wildpferd stampfte mit dem Fuß auf und sagte: »O meine Freunde, warum haben der Mann und die Frau das große Licht in der Höhle gemacht?« Der Wildhund hob wild die Nase und roch den Geruch von gebratenem Hammel und sagte: »Ich will hingehen und nachschauen. Katze, komm mit.« – »Nein!«, sagte die Katze. »Ich bin die Katze, die für sich bleibt. Ich komme nicht mit.« Doch als der Wildhund ein Stück weit gelaufen war, sagte sich die Katze: Warum soll ich nicht gehen und sehen und wieder gehen, wie es mir beliebt? Ganz leise schlich sie dem Wildhund nach. Am Höhleneingang hob der Wildhund mit der Schnauze das Pferdefell hoch und roch den herrlichen Geruch von Hammelbraten, und die Frau hörte ihn und sagte: »Da kommt der Erste. Wildes Wesen, was willst du?«
Der Wildhund sagte: »O meine Feindin und Frau meines Feindes, was riecht so gut?« Die Frau warf dem Wildhund einen gebratenen Hammelknochen hin und sagte: »Probier’s.« Der Wildhund nagte den Knochen ab, und das schmeckte köstlicher als alles, was er je gegessen hatte. Die Frau sagte: »Hilf meinem Mann am Tag beim Jagen, und bewache nachts seine Höhle, dann gebe ich dir so viele gebratene Knochen, wie du brauchst.«
Ah!, sagte sich die Katze, die zugehört hatte. Das ist eine kluge Frau, aber sie ist nicht so klug wie ich. Der Wildhund kroch in die Höhle, legte den Kopf in den Schoß der Frau und sagte: »O meine Freundin und Frau meines Freundes, ich will deinem Mann am Tag beim Jagen helfen und in der Nacht deine Höhle bewachen.« Ah!, sagte sich die Katze, die zugehört hatte. Das ist ein sehr dummer Hund.
Als der Mann erwachte, sagte er: »Was tut der Wildhund hier?« Und die Frau antwortete: »Er heißt nicht mehr Wildhund, sondern erster Freund. Nimm ihn mit auf die Jagd.« Am nächsten Abend schnitt die Frau große Büschel frischen Grases auf den Wiesen und trocknete es vor dem Feuer, so dass es roch wie frisches Heu. Sie setzte sich an den Eingang der Höhle und flocht ein Halfter aus Pferdefell, und sie betrachtete den Schulterknochen des Hammels und zauberte.
Draußen in den wilden Wäldern fragten sich alle Tiere, was wohl aus dem Wildhund geworden sei, und schließlich stampfte das Wildpferd mit dem Fuß auf und sagte: »Ich will hingehen und nachschauen. Katze, komm mit.« – »Nein!«, sagte die Katze. Dennoch folgte sie dem Wildpferd leise und versteckte sich. Als die Frau vernahm, wie das Wildpferd näherkam, lachte sie und sagte: »Hier kommt der Zweite. Du bist wegen dieses guten Grases gekommen.«
Ah!, sagte sich die Katze, die zugehört hatte. Das ist eine kluge Frau, aber sie ist nicht so klug wie ich. Das Wildpferd beugte den Kopf, die Frau streifte ihm das geflochtene Halfter über, und das Wildpferd sagte: »O meine Herrin und Frau meines Herrn, ich will euer Diener sein um dieses wunderbaren Grases willen.«
Ah!, sagte sich die Katze, die zugehört hatte. Das ist ein sehr dummes Pferd. Als der Mann und der Hund von der Jagd zurückkamen, fragte der Mann: »Was tut das Wildpferd hier?« Und die Frau sagte: »Es heißt nicht mehr Wildpferd, sondern erster Diener. Reite auf seinem Rücken, wenn du auf die Jagd gehst.« Am nächsten Tag kam die Wildkuh zur Höhle; die Katze folgte ihr und versteckte sich wie zuvor; und alles geschah genau wie zuvor. Als der Mann mit dem Pferd und dem Hund von der Jagd nach Hause kam und die gleichen Fragen stellte wie zuvor, sagte die Frau: »Sie heißt nicht mehr Wildkuh, sondern Spenderin guter Nahrung. Sie wird uns immer und ewig die warme weiße Milch geben.«
Am nächsten Tag wartete die Katze darauf, dass ein anderes wildes Wesen zur Höhle gehen würde, aber niemand rührte sich, und so lief die Katze selbst hin. Sie sah, wie die Frau die Kuh molk, und sie roch die warme weiße Milch. Die Frau lachte sie an und sagte: »Geh zurück in die Wälder, wir brauchen weder weitere Freunde noch Diener in unserer Höhle.« Die Katze sagte: »Ich bin keine Freundin, und ich bin keine Dienerin. Ich bin die Katze, die für sich bleibt, und ich möchte in deine Höhle.« – »Du bist die Katze, die für sich bleibt. Du bist weder Freundin noch Dienerin. Du hast es selbst gesagt«, erwiderte die Frau. Die Katze tat, als schämte sie sich, und sagte: »Darf ich nie in die Höhle kommen? Darf ich nie von der Milch trinken? Du bist klug und schön. Du solltest nicht grausam sein.«
Die Frau sagte: »Ich wusste, dass ich klug bin, aber dass ich schön bin, wusste ich nicht. Also will ich einen Handel mit dir schließen. Wenn ich jemals ein Wort zu deinem Lob sage, darfst du in die Höhle kommen.« – »Und wenn du zwei Worte zu meinem Lob sagst?«, fragte die Katze. »Das wird nicht geschehen«, sagte die Frau, »aber wenn ich zwei Worte sage, darfst du beim Feuer in der Höhle sitzen.« – »Und wenn du drei Worte sagst?«, fragte die Katze. »Dann darfst du immer und ewig dreimal täglich von der warmen weißen Milch trinken«, sagte die Frau.
Als an diesem Abend der Mann und der Hund nach Hause kamen, erzählte ihnen die Frau nichts von dem Handel. Die Katze ging weit, weit weg und versteckte sich so lange, bis die Frau sie vergessen hatte. Nur die kleine Fledermaus, die mit dem Kopf nach unten in der Höhle hing, wusste, wo sich die Katze verbarg; und jeden Abend flog sie zur Katze und erzählte ihr, was es Neues gab. Eines Abends sagte die Fledermaus: »In der Höhle ist ein Baby. Es ist neu und rosig, und die Frau hat es sehr gern.« – »Ah«, sagte die Katze. »Was hat das Baby gern?« – »Es hat alles gern, was weich ist und kitzelt«, sagte die Fledermaus. »Es hat warme Dinge gern, die es beim Einschlafen in den Armen hält.«
Die Frau war am nächsten Morgen mit Kochen beschäftigt, und das Baby weinte und störte sie. Deshalb trug sie es vor die Höhle und gab ihm Steine zum Spielen. Aber das Baby weinte immer noch. Da streckte die Katze ihre weiche Pfote aus und streichelte dem Baby die Backe und kitzelte es mit dem Schwanz an seinem runden Kinn. Das Baby lachte, und die Frau hörte es und lächelte. Da sagte die Fledermaus: »Ein wildes Wesen aus den wilden Wäldern spielt mit deinem Baby.« – »Dem Himmel sei Dank für das wilde Wesen, wer es auch sein mag«, sagte die Frau, »denn ich hatte heute Morgen viel zu tun, und es hat mir einen Dienst erwiesen.« In dieser Sekunde, allerliebster Liebling, saß die Katze ganz behaglich in der Höhle.
»O meine Feindin und Frau meines Feindes und Mutter meines Feindes«, sagte die Katze, »ich bin’s: Denn du hast ein Wort zu meinem Lob gesagt, und jetzt kann ich in der Höhle sitzen. Aber ich bin immer noch die Katze, die für sich bleibt.« Die Frau wurde sehr wütend. Sie setzte sich an ihr Spinnrad und fing an zu spinnen. Doch das Baby weinte, weil die Katze weggegangen war, und die Frau konnte es nicht beruhigen; es strampelte und fuchtelte und wurde dunkel im Gesicht.
»O meine Feindin und Frau meines Feindes und Mutter meines Feindes«, sagte die Katze, »nimm ein Stück von dem Faden, den du spinnst, und binde ihn an deine Spinnwirtel, und zieh sie über den Boden, dann zeige ich dir einen Zauber, der dein Baby so laut lachen lässt, wie es jetzt weint.« – »Ich will es tun«, sagte die Frau, »weil ich mit meiner Weisheit am Ende bin.« Sie band den Faden an die kleine Spinnwirtel und zog sie über den Boden, und die Katze sprang danach bis das Baby so laut lachte, wie es geweint hatte. »Jetzt«, sagte die Katze, »singe ich dem Baby ein Lied, das es schlafen lässt.« Und sie fing an zu schnurren, bis das Baby eingeschlafen war. Die Frau betrachtete die beiden lächelnd und sagte: »Das hast du fabelhaft gemacht. Wirklich, du bist klug, Katze.«
In dieser Sekunde saß die Katze ganz behaglich dicht am Feuer. »O meine Feindin und Frau meines Feindes und Mutter meines Feindes«, sagte die Katze, »ich bin’s: Denn du hast ein zweites Wort zu meinem Lob gesagt, und jetzt kann ich für immer beim warmen Feuer in der Höhle sitzen. Aber ich bin immer noch die Katze, die für sich bleibt.«
Da wurde die Frau sehr, sehr wütend; sie holte den Blattknochen von der Hammelschulter hervor und fing an zu zaubern, damit sie kein drittes Wort zum Lob der Katze sagte. Es war ein stiller Zauber; und es wurde so still in der Höhle, dass eine winzige Maus aus einer Ecke kroch und über den Boden lief. »O meine Feindin und Frau meines Feindes und Mutter meines Feindes«, sagte die Katze, »gehört diese Maus zu deinem Zauber?« – »Huch! Igitt! Natürlich nicht«, rief die Frau. »Ah«, sagte die Katze, die alles genau beobachtete. »Dann wird mir die Maus nicht schaden, wenn ich sie fresse?« – »Nein«, sagte die Frau, »friss sie rasch, und ich werde dir immer dankbar sein.« Die Katze machte einen Satz und fing die kleine Maus, und die Frau sagte: »Tausend Dank. Selbst der erste Freund ist nicht flink genug, Mäuse so wie du zu fangen.«
In dieser Sekunde schleckte die Katze beim Feuer die Milch auf. »Ich bin’s«, sagte die Katze: »Denn du hast drei Worte zu meinem Lob gesagt, und jetzt kann ich immer und ewig die warme weiße Milch trinken. Aber ich bin immer noch die Katze, die für sich bleibt.« Da lachte die Frau und setzte der Katze noch mehr Milch vor und sagte: »O Katze, du bist so klug wie ein Mensch, aber denk daran, dass dein Handel nicht mit dem Mann oder mit dem Hund geschlossen wurde.«
Als am Abend der Mann und der Hund in die Höhle kamen, erzählte die Frau ihnen die ganze Geschichte, während die Katze am Feuer saß und grinste. Da sagte der Mann: »Ja, aber mit mir hat sie keinen Handel geschlossen.« Dann zog er seine Lederstiefel aus und nahm seine Steinaxt und holte ein Stück Holz und ein Beil und legte alles in eine Reihe und sagte: »Jetzt schließen wir unseren Handel. Falls du nicht immer und ewig Mäuse fängst, werfe ich diese fünf Dinge nach dir, sobald ich dich sehe, und alle richtigen Männer nach mir werden das Gleiche tun.« Die Katze zählte die fünf Gegenstände (die sahen sehr hart aus) und sagte: »Ich werde immer und ewig Mäuse fangen, wenn ich in der Höhle bin; aber ich bin immer noch die Katze, die für sich bleibt.« – »Nicht, wenn ich in der Nähe bin«, sagte der Mann. »Hättest du das Letzte nicht gesagt, dann hätte ich alle diese Dinge für immer und ewig weggetan; so aber werde ich sie nach dir werfen, sobald ich dich sehe.«
Da sagte der Hund: »Moment mal. Mit mir hat sie keinen Handel geschlossen.« Und er zeigte seine Zähne und sagte: »Wenn du nicht immer nett zu dem Baby bist, werde ich dich jagen, und wenn ich dich gefangen habe, werde ich dich beißen. Und alle richtigen Hunde nach mir werden das Gleiche tun.« Die Katze zählte die Zähne des Hundes (sie sahen scharf aus) und sagte: »Ich werde immer und ewig nett zu dem Baby sein, solange es mich nicht zu sehr am Schwanz zieht. Aber ich bin immer noch die Katze, die für sich bleibt.« »Nicht, wenn ich in der Nähe bin«, sagte der Hund. »Hättest du das Letzte nicht gesagt, dann hätte ich meinen Mund gehalten; so aber werde ich dich den Baum hinaufjagen, sobald ich dich sehe.«
Da warf der Mann seine Stiefel und seine Steinaxt nach der Katze, und die Katze lief aus der Höhle, und der Hund jagte sie einen Baum hinauf; und von jenem Tag an bis zum heutigen, mein allerliebster Liebling, werfen immer drei von fünf Männern Dinge nach einer Katze, und alle Hunde jagen sie einen Baum hinauf.