Warum es manchmal richtig sein kann, unglaublich viel Geld auszugeben
Von Mark Schieritz
Eine Million Porsche, fast 500 Millionen iPods oder 25 Milliarden Tageszeitungen – das alles könnte man von 50 Milliarden Euro kaufen. So viel kostet das neue Konjunkturprogramm der Bundesregierung, von dem in diesen Wochen dauernd in den Nachrichten zu hören ist. Was hat der Staat mit so viel Geld vor? Und wo kommt es überhaupt her?
Der Staat will das Geld ausgeben, zum Beispiel Straßen bauen und Schulen renovieren. Und er will die Steuern senken, die jeder, der arbeitet, bezahlen muss. Der Staat macht das, um die Konjunktur anzukurbeln. Konjunktur ist ein Fremdwort, das die Antriebskraft der Wirtschaft beschreibt – wenn es der Wirtschaft gut geht, werden viele Waren hergestellt und verkauft, viele Menschen haben Arbeit und somit Geld. Im Moment geht es der Wirtschaft aber nicht so gut. Viele Menschen verlieren ihre Arbeit, haben also auch weniger Geld. Wenn sie weniger Autos, Fahrräder oder Bücher kaufen, stellen die Unternehmen auch weniger her und entlassen noch mehr Menschen. Denn wenn man statt zwei Autos nur noch ein Auto pro Woche produziert, braucht man weniger Leute. So werden weitere Menschen arbeitslos, und die Lage verschlechtert sich immer weiter.
Es sei denn, der Staat sorgt dafür, dass wieder mehr Waren gekauft werden. Indem er Schulen baut. Oder Straßen. Denn zum Straßenbau braucht man zum Beispiel Bagger. Die bestellt das Straßenbauunternehmen bei den Baggerfirmen. Diese müssen mehr Leute einstellen, um die Bagger zusammenzubauen. Die Arbeiter in der Baggerfirma verdienen Geld und können selbst einkaufen gehen. Sie kaufen zum Beispiel Schuhe. So muss auch das Schuhunternehmen mehr Leute einstellen.
Um das zu tun, braucht der Staat Geld. Er könnte es den Leuten abnehmen, zum Beispiel, indem er die Steuern erhöht. Dann hätte der Staat mehr Geld, die Bürger hätten allerdings weniger. Damit wäre der Konjunktur nicht geholfen. Denn der Staat würde zwar mehr einkaufen, die Bürger aber weniger. Die Gesamtmenge bliebe also gleich.
Wenn der Staat will, dass auch die Bürger einkaufen können, muss sich der Staat das Geld leihen. Er muss Schulden machen. Anders geht das nicht. Der Staat holt sich Geld, das auf Bankkonten liegt. Dieses Geld wird ja nicht benutzt. In einer Krise liegt besonders viel Geld nutzlos herum, weil die Leute aus Angst vor der Zukunft viel sparen. Das Geld gehört den Sparern, also den Bürgern, die es zur Bank gebracht haben. Damit die es dem Staat überlassen, bezahlt er ihnen eine Leihgebühr: die Zinsen. Der Staat schließt eine Art Mietvertrag mit den Bürgern ab, man nennt ihn Staatsanleihe.
Jetzt hat der Staat also Geld, das er ausgeben kann. Und er hat niemanden davon abgehalten, selbst Geld auszugeben, denn er hat sich ja nur das Geld genommen, das nutzlos herumlag. Irgendwann wollen die Bürger aber ihr Geld zurück. Und irgendwann gibt es auch kein nutzlos herum
liegendes Geld mehr. Der Staat kann also nicht immer neue Schulden machen, er muss sie irgendwann auch zurückzahlen. Wenn ein Staat seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann, sagt man, er ist bankrott. Das hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Ein Staat kann seine Schulden nur zurückzahlen, wenn er weniger Geld ausgibt oder mehr Geld einnimmt. Er wird weniger Straßen und Schulen bauen können und die Steuern anheben.
Das muss nicht schlimm sein: Denn der Staat hat Geld ausgegeben, als es den Menschen schlecht ging. Dieses Geld holt er sich wieder, wenn es den Menschen besser geht. Dann fällt es weniger ins Gewicht, wenn der Staat weniger Straßen baut, weil die Bürger selbst mehr Geld haben. Wenn alles gut geht, hat der Staat durch das Hin-und-her-Schieben von Ausgaben und Steuern die Wirtschaft im Gleichgewicht gehalten, man sagt auch stabilisiert. Das ist wie beim Fahrradfahren: Droht das Fahrrad auf eine Seite zu kippen, verlagert man sein Gewicht auf die andere.
Es kann aber auch sein, dass der Staat schon heute viel mehr Geld braucht als nutzlos herumliegt. Etwa, weil die Unternehmen so viele Menschen entlassen, dass der Staat unglaublich viele Straßen und Schulen bauen müsste, damit die Leute wieder genug Arbeit haben.
Nehmen wir an, der Staat passt auf und leiht sich nur so viel Geld, wie er zurückzahlen kann, er geht also nicht pleite. Trotzdem hat er möglicherweise ein Problem. Denn das Geld würde knapp werden. Und wenn etwas knapp wird, dann wird es teurer. Wenn zu wenig Geld da ist, steigen die Zinsen. Dann müssen plötzlich alle mehr bezahlen, wenn sie sich Geld ausleihen wollen. Also auch die Unternehmen und die Bürger. Sie können vielleicht das Haus nicht mehr bauen, dass sie eigentlich bauen wollten. Genau das aber will der Staat verhindern: Er will ja, das insgesamt mehr gekauft wird. Er will nicht, dass staatliche Ausgaben nur die privaten Ausgaben verdrängen.
Deshalb gibt es staatliche Zentralbanken. Eine Zentralbank druckt das Geld. Sie druckt also Euro in Europa, Dollar in Amerika und Yen in Japan. Dieses Geld verleiht sie normalerweise an Banken, und die verleihen es weiter an die Bürger. Wenn der Staat sich mehr Geld leihen will als nutzlos herumliegt, kann die Zentralbank einfach zusätzliches Geld drucken und es dem Staat direkt leihen. Jetzt gibt es insgesamt mehr Geld für alle, und die Zinsen bleiben niedrig.
Wenn das alles wäre, hätte der Staat ein einfaches Leben. Er würde sich schlicht das Geld drucken lassen, das er braucht. Das Problem ist, dass das sehr gefährlich werden kann. Denn wenn die Zentralbank zu viel Geld druckt, kann man sich für die Euro immer weniger echte Güter kaufen. Autos zum Beispiel. Oder Spielzeug. Es gäbe plötzlich so viele Scheine und Münzen, dass sie wertlos wären. Wenn das passiert, spricht man von Inflation.
Deshalb wird die Zentralbank ihre Druckmaschinen nur im äußersten Notfall anwerfen. Und sie wird das Geld, das sie gedruckt hat, schnell wieder einsammeln, wenn es der Wirtschaft besser geht. Das macht sie zum Beispiel, indem sie eine höhere Gebühr verlangt, wenn sich die Banken bei ihr Geld leihen wollen. Indem sie also die Zinsen erhöht und damit dafür sorgt, dass weniger Geld in die Wirtschaft strömt. Wieder bremst der Staat – über seine Zentralbank – in guten Zeiten und schiebt in den schlechten an. Genau wie beim Fahrradfahren.