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Mord in Palermo

 

Foto: Arne Mayntz
Foto: Arne Mayntz

Wenn zu den Feiertagen die Familie zusammenkommt, ist endlich mal Zeit zum Spielen. Etwa dieses blutrünstige Rollenspiel für Mafiosi und unbescholtene Bürger mit Spürsinn. Ihr müsst klug kombinieren und gut argumentieren können

Von Susanne Gaschke

Bei diesem Spiel müssen alle ran! Am meisten Spaß macht es, wenn Kinder und Erwachsene gemeinsam spielen. Zehn Personen wären am besten, zur Not geht es aber auch mit acht oder neun Spielern.
Zuerst wird ein Spielleiter bestimmt. Es sollte jemand sein, der gern viel redet und gut Geschichten erzählen kann. Der Spielleiter wählt aus einem gewöhnlichen Kartenspiel zwei Buben, eine Dame und so viele Siebenen, Achten und Neunen aus, dass für jeden Mitspieler eine Karte da ist. Jeder Mitspieler zieht verdeckt eine Karte. Die anderen dürfen sie nicht sehen! Die beiden Buben sind die Mörder, die Dame ist der Detektiv. Alle anderen sind unbescholtene Bürger der Stadt Palermo.
Alle sitzen im Kreis, und der Spielleiter beginnt zu erzählen: „Die Nacht senkt sich über Palermo. Es ist stockfinster. Ahnungslos liegen die Bürger in ihren Betten und schlafen.“ Dabei halten alle Mitspieler die Augen fest geschlossen. „Nur zwei finstere
Mafiosi treffen sich in den Strassen Palermos“, erzählt der Spielleiter weiter: „Sie wollen ein schreckliches Verbrechen begehen…“ An dieser Stelle öffnen nur (!) die beiden Mafiosi die Augen und erkennen einander, und auch der Spielleiter weiß, wer die Verbrecher sind. Dann schlafen die Mafiosi wieder ein.
„Immer noch ahnen die Bürger nichts von der entsetzlichen Gefahr“, fährt der Spielleiter fort. „Nur eine wackerere Spürnase, Wächter über die Tugend der Bürger in der Stadt, erkennt die Übeltäter…“ Nur (!) der Detektiv öffnet nun die Augen, der Spielleiter zeigt ihm stumm die beiden Mafiosi. Der Detektiv schläft wieder ein. Im weiteren Verlauf des Spiels muss er versuchen, den Verdacht auf die beiden Mafiosi zu lenken, ohne sich selbst als Detektiv zu erkennen zu geben und ohne sie direkt zu benennen.
„Die beiden Mafiosi sind zusammen unterwegs“, nimmt der Spielleiter die Geschichte wieder auf. „Und gerade in diesem Moment suchen sie sich ihr wehrloses Opfer aus…“ Nur (!) die Mafiosi machen die Augen auf und verständigen sich stumm auf ein Opfer. Da sie ihn nicht kennen, kann das natürlich auch der Detektiv sein (das Spiel geht dann trotzdem weiter).
Nachdem die Mafiosi dem Spielleiter ihr Opfer gezeigt und noch einmal die Augen geschlossen haben, lässt der Erzähler die ganze Stadt aufwachen. „Die Sonne geht auf über Palermo“, kann er zum Beispiel sagen, „die Läden öffnen, Zeitungen werden ausgetragen, die Menschen machen sich auf den Weg zur Arbeit. Und dort, hingestreckt auf den Treppen der Kathedrale, liegt in seinem Blute – Tim!“ (Oder Torsten oder Sabine, oder wer immer das ausgewählte Opfer ist.)
Jetzt müssen die Bürger (und natürlich auch der Detektiv und die Mörder) anfangen zu diskutieren: Wer kann die schreckliche Tat verübt haben? Wer ist dazu fähig? Wer ist ganz einfach ein verdächtiger Typ? In dieser Phase des Spiels kommt es darauf an, möglichst unterhaltsam und überzeugend zu reden. Die wahren Mörder werden selbstverständlich versuchen, von sich abzulenken. Und der Detektiv muss geschickte Hinweise streuen.
Am Ende der Diskussion spricht die Runde einen Verdacht gegen mehrere Personen aus: Das können alle oder einige Teilnehmer sein, mindestens aber zwei. Alle Verdächtigen dürfen sich kurz verteidigen. Dann wird abgestimmt: Angeklagt werden die beiden Verdächtigen mit den meisten Stimmen. Diese beiden dürfen sich noch einmal rechtfertigen. Dann stimmen alle darüber ab, wer von den beiden hingerichtet wird – natürlich nur im Spiel. Der Verurteilte deckt seine Spielkarte auf und scheidet aus dem Spiel aus.
Meist ist der Jubel groß, wenn es einen echten Mörder erwischt hat. Aber ebenso oft hat die Runde einen völlig unschuldigen Mitbürger hingerichtet. Jetzt geht es weiter: Die Mörder bestimmen ihr nächstes Opfer. Ist nur noch ein Mörder übrig, mordet er allein weiter. Das Spiel endet, wenn beide Mörder gefasst sind – oder alle Bürger tot …