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Fieser Neffe und störrischer Gaul

 

Filmszene
© Filmszene

In »Hände weg von Mississippi« dreht sich alles um ein Pferd, für das sich Emma und Leo sogar mit einem Gauner anlegen

Von Sabine Rückert

Für alle, die es interessiert: Emma hat Sommerferien. Und deshalb fährt sie aus der Stadt zu ihrer Oma aufs norddeutsche Land. Das ist das Allerschönste für die Neunjährige, weil Emmas Mutter eine doch recht hektische Person ist, die in einem fort zu tun hat: Zum Beispiel wechselt sie dauernd ihre Männer und ihre Wohnungen – immer in der Angst, etwas zu verpassen. Auch jetzt hat sie gerade wieder einen neuen Freund und zieht um. Und Emma flüchtet. Zur Oma. Oma ist ihr Leben lang nie umgezogen. Hat nie Angst, etwas zu versäumen oder nicht genug abzukriegen von der Welt. Braucht sie auch nicht: Oma trägt die ganze Welt im Herzen.
Auf dem Land bei Oma ist alles, wie es immer war. Die Häuser haben immer noch Reetdächer, die Blumen schaukeln immer noch im Sommerwind. Es gibt einen See, einen kleinen Bäcker, einen Fischladen, einen Kolonialwarenhändler. In Omas Dorf leben viele alte Schachteln, die jede Menge Zeit haben, über Gartenzäune hin-weg-zu-lugen und das Erspähte bei Kaffee und Kuchen zu besprechen. Es gibt lustige Kinder, die Unfug machen und auf Schweinen reiten. Die sich in den Dreck schmeißen und essen, was sie wollen. Und natürlich gibt es Tiere: Kühe, Enten, Schafe, Moskitos, Katzen, ziemlich viele Hunde (die meisten leben bei Oma) und Pferde. Ja, Pferde traben auch durchs Dorf, vor allem eine nicht mehr ganz junge, nicht übermäßig attraktive und nicht sehr wohlerzogene Haflinger-Stute mit dem schönen Namen Mississippi. Und damit sind wir beim Thema des Films – jetzt wird es spannend.
Auf dem Lande soll nämlich nicht länger alles so heil bleiben, wie es ist. Die Bedrohung naht in Gestalt eines rüden Herrn im roten Sportcoupé. Mississippis Besitzer, der alte Bauer Klipperbusch, ist kürzlich gestorben, und von irgendwoher taucht jetzt dessen fieser Neffe auf, um sich den Hof des Onkels unter den Nagel zu reißen. Auf dem Gelände mitten im Dorf will er einen Su-per-markt hinklotzen mit elektronischen Kassen und Parkplatz. Dass er damit den Fischhändler und den Bäcker ruiniert und obendrein die Landschaft kaputt macht, ist diesem Gauner herzlich egal. Als erste Amtshandlung bestellt der Neffe den Schlachter RuckZuck, der die scheinbar nutzlos herumstehende Mississippi zu Wurst verarbeiten soll. Gott sei Dank können Emma und Oma das Pferd retten: Sie kaufen es dem Neffen ab. Aber damit fangen die Probleme erst richtig an.
Es stellt sich nämlich heraus: Der verblichene Bauer Klipperbusch hat im Testament verfügt, dass Grundstück und Haus demjenigen zufallen sollen, der sich nach seinem Tode um Mississippi kümmert. Als der Neffe das erfährt, begreift er, welche Eselei er begangen hat, und versucht von jetzt an mit allen Mitteln, Mississippi wieder zurückzubekommen. Es wird gestohlen, eingebrochen, eingeschüchtert, erpresst. Doch Emma und Oma obsiegen zu guter Letzt und legen dem üblen Neffen mit einer Falle das Handwerk. Ihr Plan gelingt, weil sie wissen, dass der Neffe für alles außer Geld blind ist. »Ja«, sagt Emmas Oma immer, »ein Hund ohne Ohren ist besser als ein Mensch ohne Verstand.« Und da hat sie recht.
Was für ein herrlicher Sommerfilm! Ihr müsst bestimmt viel lachen und manchmal auch ein bisschen weinen vor Rührung. Emma (gespielt von Zoë Mannhardt) erinnert irgendwie an Pippi Langstrumpf, ihr ständiger Begleiter Leo (gespielt von Karl Alexander Seidel) ist ein echter Freund, der sich Emma zuliebe sogar zum Reiten überwindet. Im Zentrum des Geschehens: die berühmte Schauspielerin Katharina Thalbach als eine Oma, die sich nicht in die Suppe spucken lässt. Und weil der Regisseur des Films, Detlev Buck, schon von jeher eine Schwäche hat für ulkige, verdrehte und bizarre Figuren, wandern außer dem Kernpersonal noch jede Menge absonderlicher Gestalten durchs Bild, die schrullig sind, immer die Hose voll haben oder gar nichts auf die Reihe kriegen. Und die gleichzeitig lustig sind und einzigartig und liebenswert, sodass man schon eine Wut kriegen kann auf all die Neffen, die aus jedem Fleckchen Land Profit herauspressen und jeden Quadratmeter mit Discountern vollstellen wollen – bis auf der Welt kein Platz mehr ist für solch wunderliche Leute.

© Cover ZEIT Kinderfilm-Edition

Hände weg von Mississippi
Regie: Detlev Buck
Deutschland, 2007
96 Minuten
empfohlen ab 6 Jahren