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Aladins Lampen

 

© Getty Images

Im »Großen Basar« in Istanbul findet man viele seltene und schöne Gegenstände. Doch egal ob es um Teppiche, Gewürze oder Wunderlampen geht, eins muss man hier in der Türkei auf jeden Fall können: Feilschen!

Von Michael Thumann

Auf meinem Weg zur Arbeit steht ein Mann mit Lockenbart und grüner Filzjacke am Straßenrand. Auf seinem Holzwägelchen bietet er Wasserhähne an. „Ein Hahn kostet 40 Lira“, sagt er. Das sind 20 Euro. „Aber wenn Sie einen kaufen, kostet er nur 30 Lira.“ Erstaunlich: Wenn man kauft, ist es billiger, als wenn man nicht kauft? „Genau“, nickt er. Es gibt einen Preis für Leute, die vorbeigehen – und einen niedrigeren für die Käufer. Und nach wenigen Minuten Gespräch noch einen ganz niedrigen Preis nur für mich persönlich.
So ist das auf dem Basar, deshalb kaufen die Türken so gern dort ein. In Istanbul bieten fliegende Händler auf vielen Straßen Waren feil, Basar ist hier überall. Der „Große Gedeckte Basar“ aber ist nur an einer Stelle zu finden. Er liegt im alten Istanbul, drei Schritte von der Hagia Sofia, einem 1500 Jahre alten Kirchenbau, inmitten von Moscheen und Minaretten. Von draußen betrachtet, sieht der Basar nach nichts aus. Einige alte Kuppeln, ein paar zugestellte Geschäfte, hohe graue Mauern. Doch wer hineingeht, der taucht ein in eine Zauberwelt. Der Himmel des Basars besteht aus gelb, rot und blau bemalten Steinbögen. Darunter breitet sich ein Meer von Kleidern und Ledertaschen, Hüten und Goldschmuck, Teppichen und Decken, Messinglampen und Silberkannen aus. Eine uralte Shoppingmall!
Überall wühlen Menschen auf den Tischen, fuchteln mit den Händen, reichen Geldscheine hin und her. Wer hier hineingeht, ohne zu wissen, was er sucht, verirrt sich schnell in den Hunderten von Gängen und Gassen. Für manche Waren sollte man ganz seiner Nase vertrauen. Istanbul ist die Stadt der Gerüche. Und was riecht besser als feine Gewürze und Tees? Um die zu finden, schließe man die Augen und folge dem Geruch von Pfeffer, Koriander, Kardamom, Nelken, Safran und Thymian. Wenn man in einer dichten Wolke von Gewürzen steht, ist man angekommen, im Ägyptischen Basar. In tausend Farben leuchten die Gewürze und der Tee aus getrockneten Rosenblättern, Eisenkraut und Granatäpfeln. Die alten Mauern haben sich mit diesen Gerüchen vollgesogen. Hier wurden schon vor Jahrhunderten die Gewürze aus Indien und Zentralasien in großen Säcken ausgeladen. Händler haben sie gewogen, in Beutel umgefüllt und weiterverkauf nach Europa. Dort kauft man die Gewürze seit je in kleinsten Gläsern und Beutelchen.
Doch was ist das? In einem staubigen Regal steht eine geschwungene Lampe, sie ist aus grünlich angelaufenem Metall und hat einen Ausguss, aus dem ein Docht heraushängt. Sieht aus wie Aladins Wunderlampe. „Das ist sie auch – original!“, ruft der Händler, ein verschmitzter großer Mann mit riesigen Händen. Aber der Händler daneben hat auch eine, der nächste auch. Aladin muss ziemlich viele von diesen Lampen mit sich herumgeschleppt haben. „Nein, nein, nur meine ist echt“, sagt der Händler. Er verlangt 100 Lira dafür. Jetzt nur nicht den Fehler machen und gleich kaufen. Nun beginnt das Feilschen!
Das ist der Höhepunkt des Basar- Shoppings: Ich handele den Preis aus. Dafür muss man die Regeln kennen. Erstens, nie vor anderen Leuten feilschen.Dann geht der Händler nicht mit dem Preis runter, weil er sonst allen die Waren billiger verkaufen muss. Zweitens, erfahren wirken. Die Lampe in der Hand wiegen, ein paar kundige Worte über das spezifische Gewicht und die Farbe des Dochts verlieren. Drittens, bloß nicht hektisch werden. „Setz dich doch!“, sagt Ahmet und serviert auf einem Holzschemel einen Apfeltee im Glas. Er geht auf 80 Lira runter. Zu teuer, nun ist es Zeit, etwas beleidigt zu gucken und sich langsam zu verabschieden. Ahmet zuckt mit den Schultern. Ich gehe ganz entspannt zur Konkurrenz, betrachte ausgiebig deren Lampen und komme nach einiger Zeit wie zufällig zu Ahmet zurück. Der freut sich und gießt noch einen Tee ein. Die Lampe kostet nur noch 60 Lira. Ahmet erzählt, er habe einen Bruder in Frankfurt. „Ach, was für ein Zufall“, antworte ich, »meine Schwägerin wohnt da auch in der Nähe.« Darüber freut sich Ahmet noch mehr. Er sei gerade vor zwei Monaten in Frankfurt gewesen. Die Lampe kostet jetzt nur noch 40 Lira. Der Kauf ist perfekt, Ahmet gibt noch ein Lesezeichen mit Troddeln dazu.
Kaufen alle Türken so ein? Ehrlich gesagt, heute nicht mehr. Auf den Basar gehen die Liebhaber von Tee und Gewürzen, Menschen, die die Atmosphäre mögen. Immer mehr Türken zieht es auf den modernen Basar aus Beton und Stahl mit polierten Steinböden und gläsernen Dächern: in die Shoppingmall. Alle halbe Jahre wird in Istanbul irgendwo eine neue Mall eröffnet. Glitzernd und geputzt, mit einem riesigen Parkplatz. Hier verkaufen zur Abwechslung auch mal Frauen, nicht nur Männer. Fast wie in Westeuropa oder Amerika. Der Unterschied ist, dass in den türkischen Shoppingmalls viele Läden nebeneinander das Gleiche verkaufen. Wie auf dem alten „Gedeckten Basar“. Eine Shoppingmall in meiner Nachbarschaft hat einen Gang nur für iPods und Mobiltelefone. Neben einem Handy im Schaufenster steht ein Preis von 200 Lira. Ich gehe in den Laden und frage danach, da sagt mir der Händler: „Wenn Sie es kaufen, kostet es nur 150 Lira.“