„Politik ist nicht mein Leben.“ Das hat Roland Koch (CDU), der Ministerpräsident von Hessen, in der vergangenen Woche gesagt. Und angekündigt, dass er von August an nicht mehr Ministerpräsident sein will. In der Politik ist es ungewöhnlich (und auch nicht so gedacht), dass man sein Amt aufgibt, bloß weil man keine Lust mehr hat weiterzuarbeiten. Rücktritte gibt es meistens, weil ein Politiker einen Fehler gemacht hat. Oder weil er die Verantwortung für etwas übernimmt, was seine Mitarbeiter falsch gemacht haben. Doch Roland Koch behauptet, Politik könne und solle nicht sein ganzes Leben bestimmen. Sein Nachfolger wird der bisherige hessische Innenminister Volker Bouffier. Der hat dann bis zur nächsten Landtagswahl in Hessen 2013 genug Zeit, das neue Amt auszuüben, um sich dann zur Wiederwahl zu stellen. Und die SPD, die in Hessen nicht regiert, sondern in der Opposition sitzt, wird bis dahin einen Gegenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorstellen und „ins Rennen um die Macht in Wiesbaden“ schicken.
So einfach kann das in der Politik sein, wenn ein Politiker sich überlegt, sein Amt aufzugeben und zurückzutreten. (Wobei keiner so genau weiß, was Roland Koch als nächstes vorhat. Vielleicht möchte er auch nur in Hessen einen guten Nachfolger haben, um in der Berliner Regierung von Angela Merkel eine wichtige Rolle zu übernehmen?)
Viel spektakulärer und ungewöhnlicher ist dagegen der Rücktritt unseres Bundespräsidenten Horst Köhler, der am Montag den überraschten Hauptstadtjournalisten seinen sofortigen Rücktritt vom höchsten Amt unseres Staates erklärte. Bisher hat noch keiner seiner acht Vorgänger sich vor Ablauf der Amtszeit von fünf Jahren frühzeitig aus dem Amt zurückgezogen. Zur Begründung sagte Köhler, dass er von vielen Politikern und Journalisten in einer Form kritisiert worden sei, die dem hohen Amt des Bundespräsidenten schade. Anlass für diese harte Kritik waren sehr missverständliche Aussagen Köhlers nach einem Besuch in Afghanistan. Wer wollte, konnte in seine Sätze hineininterpretieren, dass er auch für einen Einsatz unserer Bundeswehrsoldaten ist, wenn es darum geht, freie Handelswege und wirtschaftliche Interessen Deutschlands in Afghanistan zu verteidigen. Köhler meinte allerdings den Einsatz der Marine vor Somalia, um Handelsschiffe vor Piratenangriffen zu verteidigen.
Doch Köhler fühlte sich gründlich missverstanden, sah das hohe Amt des Bundespräsidenten beschädigt und – schmiss den Brocken hin. Aber anders als Roland Koch kann er keinen Nachfolger bestimmen. Das ist nun Sache der Regierungskoalition um Angela Merkel, die innerhalb von 30 Tagen die Neuwahl eines Bundespräsidenten organisieren muss. Und dass, obwohl die Regierung mit Weltwirtschaftskrise, Griechenland-Pleite, sinkendem Wert des Euro und viel weniger Steuereinahmen als erwartet schon genug Probleme hat.
Ein Termin für die Neuwahl des Bundespräsidenten ist mittlerweile gefunden: Am 30. Juni (damit ist die Frist von 30 Tagen genau ausgereizt) wird die Bundesversammlung tagen und einen neuen Präsidenten wählen. An dem Tag ist auch spielfreier Tag der Fußball-Weltmeisterschaft, damit genug Wahlfrauen- und Männer an der Wahl teilnehmen. Vermutlich wird es einen Kandidaten der Regierungskoalition von CDU, CSU und FDP geben und einen Gegenkandidaten der SPD, vielleicht stellen auch noch die Grünen und die Linken einen Kandidaten auf.
Wobei der Bundespräsident gar nicht unbedingt ein Mann sein muss. Bisher waren es aber immer ältere Männer, die in ihrem Leben viel erfahren und gesehen haben, und denen man zutraute mit Weitsicht, Ruhe und immer den richtigen Worten dieses hohe Amt auszuüben. Eigentlich kann das auch eine Frau sein, vorausgesetzt sie ist über 40 Jahre alt und deutsche Staatsbürgerin. Das denken sich auch die Politiker von der CDU und diskutieren im Moment darüber, ob nicht Arbeitsministerin Ursula von der Leyen den Job machen sollte.
Der neue Bundespräsident (oder eben die Bundespräsidentin) residiert im Berliner Schloss Bellevue. In die Politik darf er sich nicht einmischen, aber kein neues Gesetz ist ohne seine Unterschrift gültig. Er darf aber auch Gesetze ablehnen. Außerdem ernennt er den Bundeskanzler und die Minister. Er reist oft zu Staatsbesuchen in andere Länder oder empfängt ausländische Gäste.
Sandra-Valeska Bruhns