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Bafana Bafana!

 

Bartholomäus Grill mit Sohn Leo

„Bafana, Bafana!“ – so nennen die Südafrikaner ihre Fußballmannschaft. ZEIT-Korrespondent Bartholomäus Grill und sein Sohn Leo leben in Kapstadt. Gemeinsam erzählen sie vom Land der WM

Am 11. Juni ist es endlich so weit. Dann wird die Fußballweltmeisterschaft 2010 angepfiffen, und die Südafrikaner freuen sich schon riesig darauf. Sie hoffen, dass ihre Nationalmannschaft in diesem Turnier recht weit kommt. »Bafana Bafana« heißt die Mannschaft, das bedeutet so viel wie »unsere Jungs«. Manche Südafrikaner träumen sogar davon, dass ihr Team gewinnt, aber das wäre eine große Sensation, weil die Mannschaft in der Weltrangliste weit hinten liegt, auf Platz 88. Unser Herz schlägt trotzdem für Bafana Bafana. Bastian Schweinsteiger und die deutsche Nationalelf werden wir aber auch anfeuern.
Dieser Weltcup ist ein ganz besonderer, denn zum ersten Mal in der Fußballgeschichte findet er in Afrika statt, und für die Südafrikaner ist es eine große Ehre, das größte aller Sportfeste austragen zu dürfen. Die ganze Welt wird auf ihr Land schauen.

Aber was ist das eigentlich für ein Land? In Deutschland stellen uns die Leute oft komische Fragen über Südafrika. Laufen da Elefanten auf der Straße herum? Gibt es Geldautomaten? Haben die auch richtige Fußballstadien? Ist es dort wegen der Kriminalität nicht sehr gefährlich für Ausländer? Die Leute wissen nicht viel über unsere Wahlheimat, deswegen geben wir hier ein bisschen Nachhilfeunterricht.

Südafrika liegt, wie der Name schon sagt, an der Südspitze Afrikas. Es hat 49 Millionen Einwohner, etwa so viele wie Spanien, und ist ungefähr dreieinhalb mal so groß wie Deutschland. Es ist ein wunderschönes Land mit vielen Gesichtern: Es gibt hohe Gebirge mit Schneegipfeln, eine riesige Sandwüste, die Kalahari, und eine knapp 3000 Kilometer lange Meeresküste mit vielen schönen Stränden. Dazu weite Savannen, in denen wilde Tiere frei herumlaufen, Elefanten, Löwen, Giraffen, Zebras und Nashörner.

Südafrika nennt sich die »Regenbogennation«, weil hier Menschen aller Hautfarben leben. Sie reden viele verschiedene Sprachen, Afrikaans, Zulu, Xhosa, Englisch – in keinem anderen Staat gibt es so viele Amtssprachen, nämlich elf. Wer zum ersten Mal nach Südafrika kommt, dem wird gleich auffallen, dass viele Menschen sehr arm sind und in schäbigen Hütten aus Wellblech hausen. An kaum einem anderen Ort auf der Welt sind die Unterschiede zwischen Armut und Reichtum so groß wie hier, und das hängt mit der Geschichte zusammen.

Südafrika wurde lange Zeit von Menschen mit weißer Hautfarbe regiert, die die afrikanische Bevölkerung unterdrückte. Alles war streng getrennt, die Wohnviertel, die Schulen, die Sportplätze und sogar die Friedhöfe. Schwarze durften nicht die Strände, nicht die Busse und nicht einmal die Parkbänke der Weißen benutzen. Aber sie mussten für die Weißen in den Bergwerken oder auf den Farmen schuften. Diese Politik der Rassentrennung hieß Apartheid.

Aber irgendwann ließen sich die Schwarzen das Unrecht nicht mehr gefallen. Der berühmteste Freiheitskämpfer war Nelson Mandela. Die Regierung hat ihn 27 Jahre lang eingesperrt, aber sie konnte seinen Widerstand nicht brechen. Mandela, den wir hier alle Madiba nennen (das ist der Name seines Clans), wurde 1994 zum ersten schwarzen Präsidenten gewählt, seitdem ist Südafrika ein freies Land mit einer Demokratie, in der alle Bürger die gleichen Rechte haben. Weil die Wende friedlich verlief, spricht man vom »Wunder am Kap«.

Aber die Apartheid hat viele Probleme hinterlassen, und es ist nicht so einfach, sie zu lösen. Millionen von Menschen haben keine Arbeit, sie leben in Slums, die hier Townships heißen. Viele sind schlecht ernährt und leiden an Krankheiten wie Aids. Und an der Kriminalität. Das Verbrechen ist so schlimm, weil die Ungleichheit so groß ist, sagen Wissenschaftler. Dabei zählt Südafrika eigentlich zu den wohlhabenden Staaten, es hat viele wertvolle Bodenschätze wie Gold, Diamanten oder Chrom. Aber der Reichtum kommt nicht allen Menschen zugute.

Es gibt zwar auch afrikanische Familien, denen es heute besser geht, aber die Mehrheit ist immer noch arm.
Wir wohnen in Kapstadt und sehen die Armut jeden Tag. Viele Straßenkinder treiben sich herum, die nichts zu essen haben und nicht zur Schule gehen. An den Kreuzungen warten Arbeitslose auf einen Job. Und jeden Montag, wenn unser Müll abgeholt wird, durchwühlen hungrige Männer die Tonnen, weil sie nach Essensresten suchen. Da fühlen wir uns manchmal schlecht, weil es uns, den Weißen, so gut geht.

Aber die Leute in Südafrika sind trotz aller Schwierigkeiten viel netter und fröhlicher als in Deutschland. Wir werden zum Beispiel immer sehr freundlich im Stadion empfangen – vielleicht auch, weil nicht viele Bleichgesichter hingehen. Fußball ist nämlich der Lieblingssport der Schwarzen. Wenn die Fans in ihre Plastiktröten blasen, in die Vuvuzelas, klingt das wie eine Elefantenherde. »Ke nako!«, rufen sie, es ist Zeit für den Weltcup. Viele Südafrikaner sehen die WM 2010 als Belohnung für ihr Land. Und für Nelson Mandela, der ihnen die Freiheit geschenkt hat.