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Alles schwarz-rot-gold oder was?

 

© Bongarts

Heute (endlich) beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Doch erst am Sonntag werden die meisten von Euch beim ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Australien so richtig mitfiebern. Schon jetzt laufen Verhandlungen mit den Eltern, wie lange man denn als Schulkind das Spiel sehen darf. Anpfiff ist um 20.30 Uhr – zu einer Zeit, wo viele Kinder schon im Bett liegen sollen. Aber nur die erste Halbzeit sehen zu dürfen, ist auch blöd.
Als vor vier Jahren die Weltmeisterschaft in Deutschland stattfand, verwandelten sich die Städte und Straßen plötzlich in ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer. Flaggen, die an den Autofenstern befestigt werden können, zierten auf einmal flotte Flitzer und Familienkutschen. Die gemeinsame Begeisterung für das große Fußballfest im eigenen Land und das überraschend gute Abschneiden der eigenen Nationalelf entfachte einen wahren Boom nach schwarz-rot-goldenen Fanartikeln, die bald überall restlos ausverkauft waren.

Von dem guten Geschäft und der Begeisterung von vor vier Jahren angestachelt, wollen jetzt die Fanartikelhersteller und Süßwarenproduzenten einen satten Gewinn mit dem Verkauf von Produkten für die WM in Südafrika erwirtschaften. Schwarz-rot-gold-total scheint die Devise 2010 zu sein. Für das Auto gibt es nun viel mehr als die schon bekannten Flaggen fürs Fenster. Gestreifte Überzüge für die Außenspiegel sind genauso im Angebot wie Hawaii-Ketten in unseren Nationalfarben, die nun anstelle des längst aus der Mode gekommenen Fuchsschwanzes oder ein Paar Babyschühchen vom Rückspiegel herabbaumeln.

Und auch sonst gibt es fast nichts, was es aktuell nicht in den drei Farben oder zumindest mit einem Fußballemblem gibt. Beim Klopapier haben sich die Hersteller gerade noch beherrschen können und statt farbiger Sondereditionen (wobei dann wirklich die Frage wäre, ob der deutsche Fußball für den A… ist) nur kleine Fußbälle aufgedruckt. Dazu gibt es für das durchdekorierte Fan-Klo beim Kauf eines Frischespülers einen dreigestreiften Fanschwamm. Und auch Taschentuchboxen sind nun fußballmäßig bedruckt.

Dazu gibt es alles, was aus dem gemeinsamen Fußballsehen eine echte Bufferparty macht. Tröten (die südafrikanischen Vuvuzelas sind auch von Deutschen nachgemacht noch immer gigantisch laut), gestreifte Clownsnasen, Schminkstifte für Fanfarben auf der Wange, Nagelaufkleber mit Glitter und schwarz-rot-goldenen Streifen, Hüte, Schals, Socken, Becher… „In diesem Jahr ist alles ein bisschen schicker geworden als bei der letzten WM, es gibt nun falsche lange Wimpern in schwarz-rot-gold, Fußball-Ohrringe und Federboas“, hat Birgit Born-Neubert beobachtet. „Doch den größten Umsatz machen bei uns Radauartikel wie Vuvuzelas, Trompeten, Trillerpfeifen und Airblaster.“

Birgit Born-Neubert sieht seit Tagen nur noch schwarz-rot-gold und hat sehr viel zu tun. Sie arbeitet bei Fahnenfleck in Hamburg, einem Geschäft für Kostüme und Dekorationsartikel, in dem man fast zu jedem Motto etwas findet. In der letzten Woche war auch bei ihr im Geschäft alles auf Fußball ausgerichtet, neben Kleinigkeiten zum Schminken und Verkleiden kaufen bei ihr vor allem Restaurantbetreiber für die WM passende Tischdecken, Servietten und Wimpel. Auch wer nur ein paar Kleinigkeiten für den heimischen Fußball-Abend kauft ist schnell 20 Euro los. Als kleiner Trost: Die nächste WM findet in vier Jahren statt, und bisher war die deutsche Nationalelf immer bei diesem Turnier dabei. Man kann also den ganzen Schnickschnack in einen Karton verpackt im Keller neben den Weihnachts- und Osterkisten aufbewahren.

© Haribo

Wer selbst bei der Dekoration für seine Fußballparty kreativ werden möchte, kann in entsprechenden Förmchen Fußballmuffins backen und diese dann mit gefärbtem Zuckerguss verzieren. Außerdem sind auch die Süßwarenhersteller dem Trend zu schwarz-rot-gelb gefolgt. „Bei der WM haben wir zum ersten Mal schwarz-rot-Goldbärchen produziert, die waren sofort ausverkauft“, erzählt Marco Alfter von Haribo. „Nun gibt es neben den besonderen Gummibären in schwarz mit Johannisbeergeschmack noch saure Pasta-Flagga und Maoam-Kracher.“ Sorgen, dass die Händler auf den Süßigkeiten sitzen bleiben, falls „unsere Jungs“ grottenschlecht spielen und schon nach der Vorrunde aus dem Turnier ausscheiden, hat Alfter nicht. „Das ist ein Saisonartikel wie zu Ostern oder Halloween, das meiste ist jetzt schon verkauft, nachproduzieren werden wir nicht, egal wie weit die deutsche Mannschaft kommt.“

Wer im Garten auf einer großen Leinwand zusammen mit Freunden die Spiele im Fernsehen sieht, sollte beim konzentrierten Blick auf das Spiel nicht vergessen, auch die Würstchen auf dem Grill im Auge zu behalten. Sonst habt Ihr zusammen mit Ketchup und Senf auf einmal schwarz-rot-gelbe, aber leider ungenießbare, „Deutschland“-Würstchen.