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Die Vogelretterin

 

Die elfjährige Olivia Bouler war entsetzt über die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko. Sie fand einen ungewöhnlichen Weg, um ölverseuchten Tieren zu helfen

Von Magdalena Hamm

Seit mehr als zwei Monaten sprudeln nun schon Millionen Liter Erdöl aus einem Loch im Meeresboden vor der Küste der USA. Am 20. April gab es dort eine Explosion auf einer Ölplattform, die weit draußen im Golf von Mexiko auf Stelzen stand und von der aus in über tausend Meter Tiefe nach Erdöl gebohrt wurde. Solche Bohrungen sind sehr gefährlich und aufwendig, sie werden aber trotzdem gemacht, weil Öl sehr wertvoll ist. Man nennt es auch das schwarze Gold, viele Dinge, die wir täglich brauchen, werden daraus gemacht: Plastik für Spielzeug, Flaschen oder Tüten, Dünger für Getreidefelder und Benzin für Autos. Zwei Tage lang hat es auf der Plattform gebrannt, dann ist sie im Meer versunken, elf Menschen sind dabei gestorben. Zuerst hat die Firma BP, der die Plattform gehörte, gesagt, es würde nur ganz wenig Öl ausströmen – und dass keine Gefahr für die Umwelt bestehe. Aber schon bald konnte man im Fernsehen riesige Ölteppiche sehen: Öl ist leichter als Wasser und treibt deshalb an die Oberfläche. Mittlerweile ist es an den Küsten von mehreren amerikanischen Bundesstaaten angekommen, als klebrige braune Masse. Die Fischer dürfen keine Fische mehr fangen, weil diese vergiftet sein könnten und dann nicht mehr essbar wären. Auch viele andere Tiere sind bedroht, darunter Schildkröten, Delfine, Wale.

Das Erste, woran die elfjährige Olivia Bouler dachte, als sie die schrecklichen Bilder von der Ölpest im Fernsehen sah, waren die Vögel, die dort an der Küste leben: »Es ist Brutzeit, sie werden alle sterben!« Olivia lebt mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Jackson in Islip, einer Stadt im amerikanischen Bundesstaat New York, Hunderte Kilometer vom Ort der Katastrophe entfernt. Doch Olivia hat mit ihrer Familie oft Urlaub an der Südküste gemacht, stundenlang hat sie dort die Vögel beobachtet: Braunpelikane, Rötelreiher und Königsseeschwalben. All diese schönen Tiere sollten nun in der schmierigen Ölpampe verenden? Olivia setzte sich in ihrem Kinderzimmer an den Schreibtisch und schrieb einen Brief an eine große amerikanische Vogelschutzorganisation. »Liebe Audubon Society, meine Mama hat schon Geld gespendet, aber ich will auch etwas tun«, erklärte sie darin. »Ich bin eine ganz gute Zeichnerin, ich könnte doch Vogelbilder malen und für euch verkaufen.« Unter den Brief setzte sie noch die Zeichnung eines Roten Kardinals, eines hübschen Vogels, dessen Lebensraum vom Öl bedroht wird. Bald darauf bekam Olivias Familie Besuch von den Vogelschützern, sie waren sehr beeindruckt von Olivias Bildern. Also schickte das Mädchen von da an jedem, der Geld für den Vogelschutz spendete, zum Dank ein farbenfrohes Gemälde. Zuerst waren es nur ein paar, dann aber wurden Olivia und ihre Bilder in den Nachrichten gezeigt, große Zeitungen berichteten über sie, Olivia war sogar schon mehrmals im Fernsehen. Immer mehr Menschen hörten von der Geschichte des kleinen blonden Mädchens, das sich für die Vögel einsetzt. Und immer mehr Menschen wollten ihre Bilder haben und spendeten Geld. So sind schon mehr als 100000 Euro zusammengekommen, eine große Summe, die sich Olivia kaum vorstellen kann: »Ich bin ganz verblüfft darüber, wie viel Geld die Menschen gespendet haben, und hoffe, dass wir damit ganz viele Vögel retten können!«

Doch den Vögeln zu helfen ist gar nicht so einfach, man muss sie erst einmal finden. Viele Meeresvögel ernähren sich von Fisch, sie fliegen weit hinaus aufs Meer, um zu jagen. Geraten sie dabei in den Ölteppich, kommen sie nicht mehr los. Wenn nicht rechtzeitig ein Boot vorbeikommt, verhungern oder ertrinken sie. An Land angeschwemmtes Öl verklebt den brütenden Vögeln das wärmende Gefieder, sie können sich dann nicht mehr bewegen und erfrieren schnell. Die Vögel, die von den Tierschützern lebend eingesammelt werden, kommen in eine Rettungsstation. Die ölverschmierten Tiere zu reinigen ist sehr mühselig. Um einen Braunpelikan zu waschen, müssen drei oder vier Menschen anpacken. Der Pelikan schlägt nämlich wild um sich und versucht zu beißen, er weiß ja nicht, dass man ihm nur helfen will. Mit Zahnbürsten und Spülmittel muss er mindestens eine Stunde lang geschrubbt werden, das ist sehr stressig für ein wildes Tier. Und wenn ein Vogel sauber ist, heißt das noch lange nicht , dass er auch überlebt. Wenn er zuvor große Mengen Öl verschluckt hat, kann er sich auch vergiftet haben. Schließlich besteht die Gefahr, dass die freigelassenen Vögel nach kurzer Zeit wieder mit Öl in Berührung kommen. Auch Olivia weiß über all diese Schwierigkeiten Bescheid. Aber sie gibt nicht auf, 500 Bilder hat sie schon gemalt. Als Vorbild dienen ihr die Zeichnungen, die der Vogelkundler James Audubon vor über 150 Jahren in dem Buch Die Vögel Amerikas zusammengetragen hat. »Ich war schon immer von Vögeln fasziniert, und James Audubon ist ein Held für mich«, erzählt sie. Wenn Olivia mit der Schule fertig ist, möchte sie selbst Ornithologin, also Vogelkundlerin werden.

Wie lange das Öl noch sprudeln wird, kann niemand sagen. Die Ölfirma BP hat versucht, es mit einer riesigen Glocke aufzufangen oder das Loch im Meeresboden mit Zement zu stopfen. Bisher hat nichts geklappt. Und selbst wenn es in einigen Monaten gelingen sollte, das Öl zu stoppen, bleibt die Ölförderung eine große Gefahr für die Umwelt: Überall auf der Welt stehen Plattformen, von denen aus in der Tiefsee nach dem schwarzen Gold gebohrt wird.

Die Zeichnungen der Vögel stammen von Olivia Bouler