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Müssen wir Angst haben?

 

Polizisten errichten Barrieren vor dem Reichstagsgebäude/ Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Terroristen wollen Schrecken verbreiten, um ihre politischen oder religiösen Ziele durchzusetzen. Dagegen hilft nur Wachsamkeit

Von Christian Denso und Katrin Hörnlein

Vielleicht habt Ihr in diesen Tagen an einem Bahnhof oder auf einem Flughafen Polizisten mit Schutzwesten
und Maschinenpistolen gesehen. Vielleicht sind bewaffnete Polizisten auf Polizeipferden durch Eure Straße geritten. Vielleicht habt Ihr auch in den Nachrichten gehört, dass die Menschen in Deutschland aufmerksam sein sollen. Vielleicht machen sich Eure Eltern Sorgen, dass etwas Schlimmes passiert. Was ist eigentlich los in unserem Land?

Die Polizisten sind im Einsatz, um zu zeigen: Wir passen auf. Warum ist das nötig? Thomas de Maizière, der Bundesinnenminister, der für die Sicherheit im Land zuständig ist, hat in der vergangenen Woche gesagt, dass es Hinweise darauf gebe, dass Terroristen in Deutschland Anschläge verüben könnten. Wer sind diese Terroristen, und warum bedrohen sie Deutschland? Das Wort Terror kommt aus dem Lateinischen und bedeutet »Schrecken «. Terroristen wollen Schrecken verbreiten. Sie verüben Anschläge, zünden
zum Beispiel Bomben, bei deren Explosion oft Menschen sterben. Terroristen können einzelne Personen sein, es gibt aber auch kleine oder große Terrorgruppen.

Manche Terroristen sind verrückt. Oft sagen Terroristen aber auch, dass sie bestimmte politische oder religiöse Ziele haben. Doch statt zu reden und andere von ihrer Meinung zu überzeugen, versuchen sie, sich mit Gewalt durchzusetzen. In vielen Ländern und Regionen der Welt gab und gibt es solche terroristischen Gruppen. In Deutschland verbreitete vor etwa 30 Jahren zum Beispiel die Rote Armee Fraktion, kurz RAF, große Furcht. Die Mitglieder dieser Gruppe sagten, dass sie eine andere Politik für Deutschland wollten. Um das durchzusetzen, entführten sie Politiker, Beamte und Wirtschaftsvertreter und töteten viele Menschen.

Die RAF gibt es nicht mehr. Wenn heute von Terrorismus die Rede ist, dann geht es oft um die Gruppe al-Qaida. Sie verübte zum Beispiel die Anschläge auf das World Trade Center in New York vor neun Jahren, am 11. September 2001. Damals schlugen Flugzeuge in zwei Hochhäuser ein und brachten sie zum Einsturz. Viele Menschen kamen dabei ums Leben. Die Gruppe war auch verantwortlich für brutale Attentate in zahlreichen anderen Ländern. Ob al- Qaida die Anschläge plant, vor denen jetzt in Deutschland gewarnt wird, ist nicht sicher. Aber Fachleute sind ziemlich überzeugt davon.

Mitglieder von al-Qaida gibt es in vielen Ländern. Sie sind nicht nur davon überzeugt, dass der Islam die einzig richtige Religion ist, sondern sie wollen auch erreichen, dass alle Menschen so leben, wie sie sich das vorstellen. Länder, in denen der Großteil der Menschen einen anderen Glauben hat, sehen sie als ihren Feind an, den sie bekämpfen müssen: so auch Deutschland. Deshalb nennen manche diese Terroristen »Glaubenskrieger«. Ermittler konnten viele Anhänger von al-Qaida inzwischen aufspüren – überall auf der Welt. Einige sitzen im Gefängnis. Auch geplante Anschläge konnten schon verhindert werden. Dennoch sind die Terroristen gefährlich, weil sie gut versteckt und unauffällig in vielen Ländern leben.

Woher weiß der Innenminister dann überhaupt, dass Gefahr droht? Überall auf der Welt gibt es Geheimdienste, von deren Arbeit wir oft nichts mitbekommen. Sie arbeiten meist ganz unauffällig, sammeln Informationen, beobachten Verdächtige und tauschen sich untereinander aus. Agenten in den USA erzählen zum Beispiel den Kollegen in Europa, wenn sie etwas Ungewöhnliches beobachten. Und sie sagen sofort Bescheid, wenn sie denken, dass Gefahr droht. Manchmal erfahren wir nichts davon, weil die Geheimdienstleute keine Panik auslösen wollen. Dann liest man erst hinterher in der Zeitung, dass eine Bombe gefunden oder ein Terrorist festgenommen wurde.

In der vergangenen Woche aber hatten Experten offenbar den Eindruck, dass die Menschen in Deutschland Bescheid wissen sollten. Genaueres kann man nicht sagen, weil der Innenminister, wenn man ihn fragt, stets antwortet: Das ist geheim. Er hat ja auch ein echtes Problem: Wenn er die Öffentlichkeit nicht warnt, und es passiert etwas, bekommt er die Schuld dafür. Aber seine Warnungen können eben auch Panik auslösen, und die hilft niemandem.

Müssen wir also Angst haben? Innenminister Thomas de Maizière hat oft wiederholt, dass sich niemand fürchten muss. Alle sollen weiterhin normal leben, also mit dem Bus fahren oder auf den Weihnachtsmarkt gehen. Die Polizei tut, was sie kann, um die Bevölkerung zu schützen. Deshalb sind die Beamten
an den Bahnhöfen und Flughäfen im Einsatz, weil dies Orte sind, an denen sich viele Leute aufhalten. Terroristen greifen gern solche Orte an, weil man sie nicht so einfach bewachen kann wie etwa das Bundeskanzleramt in Berlin. Und weil die Terroristen dort besonders viel Entsetzen verbreiten, wo sie viele Menschen verletzen oder gar töten.

Die Bürger sollen deshalb aufmerksam sein. Wer eine Tasche herumstehen sieht, die niemandem gehört, soll der Polizei Bescheid sagen. Auch an den Grenzen gibt es mehr Kontrollen. Die Polizei will so nicht nur direkte Gewalt verhindern. Sie will auch den Terroristen zeigen: Seht her, wir haben Euch im Blick. Vielleicht werden sie dadurch nervös, machen Fehler – oder geben ihre Pläne auf.

Sicher sein, dass gar nichts passiert, kann man leider nie. Vielleicht sind auch Eure Eltern deshalb beunruhigt. Das ist verständlich. Aber wenn alle Menschen Angst bekämen, hätten die Terroristen schon gewonnen. Und wenn wir plötzlich allen Menschen misstrauen würden, die fremd aussehen oder eine fremde Sprache sprechen, erst recht, denn so kann man nicht friedlich zusammenleben.

Aber genau das ist ja das Ziel der Terroristen: Angst und Schrecken zu verbreiten und das friedliche Zusammenleben zu zerstören.