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Dein Gott, mein Gott

 

Das Kreuz, in Erinnerung an den sterbenden Jesus, ist Symbol der Christen/ Foto: AFP

Wir haben mit christlichen, muslimischen und jüdischen Kindern über ihren Glauben gesprochen. Und festgestellt: Es gibt viele Gemeinsamkeiten

Von Monika Klutzny

Groß und ziemlich füllig, langer Bart, noch längere Arme und Riesenhände: So sieht Gott auf einem Bilderbuchumschlag aus. An seinem linken Zeigefinger baumelt eine Katze, die er wahrscheinlich gerade erschaffen hat, und ein kleines Männlein schaut ihm bewundernd zu. Der Künstler denkt sicher, dass Kinder sich Gott so vorstellen. Aber das stimmt nicht.

Ein Gott, der aussieht wie ein Weihnachtsmann? »Das geht gar nicht!«, sagen die Kinder, mit denen wir gesprochen haben. Als Alina (11 Jahre) in ihrem Religionsunterricht vor Kurzem die Aufgabe bekam, ein Bild des christlichen Gottes zu malen, schrieb sie stattdessen einen Text. Sie könne nicht malen, was sie sich unter Gott vorstelle, sagt sie: »Ich glaube gar nicht, dass Gott irgendwie aussieht, sondern ich glaube, er ist einfach nur eine Kraft, eine unglaublich große Kraft.« Auch die Muslimin Ilayda (11 Jahre) kann sich Allah nicht vorstellen. »Ich glaube, er ist unsichtbar.« Aber dass man Gott sehen werde, wenn man sterbe – vorausgesetzt man sei ein guter Mensch gewesen –, das hat man ihr erzählt. Jahwe, da ist sich das jüdische Mädchen Sharon (9 Jahre) ganz sicher, kann man nicht sehen. Sie stellt ihn sich auch niemals vor. Wenn sie bete, konzentriere sie sich auf die Wörter, damit sie auch genau wisse, was sie sage, erzählt sie. Andreas (11 Jahre) dient als Messdiener. Er kennt sich mit Glaubensregeln aus: Man dürfe sich gar kein Bild von Gott machen, sagt er. Diese Regel stehe zwar nicht direkt in den Geboten, aber man könne das heraushören.

Viele »Ich glaube«-Sätze der Kinder klingen ähnlich, und man wundert sich, dass sie drei verschiedenen Religionen angehören: dem Christentum, dem Judentum und dem Islam. Alle drei haben Gemeinsamkeiten. Die wichtigste ist der Monotheismus: Das bedeutet, dass Christen, Muslime und Juden alle an einen einzigen Gott glauben und nicht an mehrere, wie zum Beispiel die Menschen in der Antike. Die stellten sich vor, dass viele Götter auf dem hohen Berg Olymp wohnten.

Weil Abraham von allen drei Religionen als Stammvater angesehen wird, nennt man sie abrahamitisch – Abraham kommt in der Bibel, im Talmud und im Koran vor. Noch eine Gemeinsamkeit ist: Gott gilt allen dreien als Schöpfer des Universums, ist also allmächtig, allwissend und allgegenwärtig. Das bedeutet, dass selbst die schlauesten Professoren winzige Lichter gegen ihn sind, dass kein Mensch oder Staat mächtiger ist als er und dass er immer da ist.

Andreas sagt, er spüre diese Anwesenheit Gottes manchmal, besonders in der Kirche. Er fühle sich von ihm beschützt. Aber nicht nur Gott, sondern auch die Engel, glaubt Ilayda, seien für das Beschützen zuständig.

Das Minarett einer Moschee in Istanbul. Von hier aus ruft der Muezzin die Gläubigen zum Gebet auf/ Foto: Mustafa Ozer/ AFP

Für manch einen könnte diese ständige Anwesenheit Gottes ja ganz schön unangenehm werden, aber »Gott hat alle lieb, auch die Bösen«, sagt Alina. Allerdings stehe in der Bibel auch, dass er Leute bestraft habe: »Kain zum Beispiel, als der seinen Bruder erschlagen hat.« Mord ist nicht nur für Christen eine schreckliche Sünde, sondern auch für Juden und Muslime. »Morden, stehlen und lügen, das ist streng verboten«, sagt Sharon. Sie selbst fürchtet sich kein bisschen vor Gottes Strafe, denn sie tut nichts Schlimmes. Außerdem, sagt Andreas, verzeihe Gott am Anfang den Sündern, was er auch sehr gut finde, aber »wenn einer das immer wieder macht, dann kann man nicht mehr verzeihen. Irgendwann ist ja auch Schluss.« Und was macht Gott dann? »Ich weiß es nicht«, sagt Andreas. Auch die muslimischen Kinder wissen es nicht, aber sie glauben, dass man Gott nach seinem Tod Rechenschaft ablegen müsse über seine Taten und dass er dann über den Platz eines jeden Menschen nach dem Tod befinde. Ilayda ist noch eines wichtig: Sie fragt sich, ob »er« überhaupt das richtige Wort sei. Das wisse man doch gar nicht. Sie hat recht, es könnte ja auch »sie« heißen. Ece (11 Jahre), die auch eine Muslima ist, hält das aber für nicht sehr wahrscheinlich.

Die Menora, ein siebenarmiger Leuchter, in der Synagoge in der Rykestraße in Berlin/ Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Neben den vielen Gemeinsamkeiten von Christentum, Judentum und Islam gibt es auch einen wichtigen Unterschied. Er betrifft Jesus, den die Christen als Gottes Sohn ansehen, der für sie gekreuzigt wurde, gestorben ist und begraben wurde, wie sie in ihrem Glaubensbekenntnis beten, und der von den Toten auferstanden sei. Die Auferstehung wird in diesen Tagen gefeiert und macht Ostern zum wichtigsten christlichen Fest. Für Juden und Muslime hingegen gibt es Ostern nicht. Jesus sei ein Prophet gewesen, glauben Muslime – und sich vorzustellen, dass Allah einen Sohn hatte, finden sie gotteslästerlich. Ein Teil der Juden kennt Jesus als falschen Propheten und Verführer Israels, aber viele von ihnen sehen ihn heute anders, als ein Vorbild im Glauben an Gott.

Eines ist bemerkenswert an den religiösen Festen. Sie sind zahlreich und haben unterschiedliche Anlässe. Nehmen wir Pessach. Es ist ein mehrtägiges Fest der Juden, das mit dem Sederabend beginnt. Da werden viele Speisen gegessen, die eine Bedeutung haben, so zum Beispiel Eier und das Pessachlamm. Die Muslime feiern ihr Opferfest nach dem Fastenmonat Ramadan. Auch sie schlachten zur Feier dieses Tages ein Lamm. Die Christen essen am Ostersonntag ein Osterlamm und suchen Ostereier. Sind das nun Unterschiede oder Gemeinsamkeiten?