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Hello, Mr. President!

 

So sieht unser Zeichner den Besuch von Barack Obama/ © golden-cosmos.com
So sieht unser Zeichner den Besuch von Barack Obama/ © golden-cosmos.com


In zwei Wochen kommt der amerikanische Präsident Barack Obama nach Berlin. Dort herrscht dann »Sicherheitsstufe 1«. Aber was bedeutet das eigentlich?

Von Peter Dausend

Wenn ein Journalist in diesen Tagen bei der Berliner Polizei anruft und fragt, wie viele Beamte bei dem Besuch von US-Präsident Barack Obama im Einsatz sein werden, so bekommt er zu hören: »Darüber geben wir keine Auskunft – bei dem Besuch herrscht Sicherheitsstufe 1.« Fragt man nach, welche Straßen abgesperrt werden und welche Züge und Busse an den beiden Besuchstagen nicht fahren dürfen, so sagt der Polizeisprecher: »Das geben wir erst kurzfristig bekannt – es herrscht Sicherheitsstufe 1.« Und wenn man dann noch wissen will, welche Route der amerikanische Präsident vom Flughafen Berlin-Tegel ins Regierungsviertel nehmen wird, dann heißt es: »Tut uns leid – Sicherheitsstufe 1.«

Nach dem Gespräch ist man nicht unbedingt schlauer, aber um zwei Fragen reicher: Was heißt eigentlich Sicherheitsstufe 1? Und warum herrscht sie, wenn der US-Präsident zu Besuch kommt?

Barack Obama wird am 18. und 19. Juni in Berlin sein, es ist das erste Mal, dass er als Präsident der USA Deutschland besucht. Vor ziemlich genau fünf Jahren, am 20. Juli 2008, war er zwar schon einmal in Berlin, damals war er aber noch nicht der Präsident, sondern der Kandidat der Demokratischen Partei Amerikas für dieses Amt. Vier Monate später gewann er die Wahl. Vor fünf Jahren sprach Obama vor der Siegessäule im Berliner Tiergarten zu 200000 Menschen – aber die Sicherheitsvorkehrungen waren nicht so streng, wie sie in zwei Wochen sein werden.

Der amerikanische Präsident gilt als der mächtigste Mann der Welt, weil die USA das politisch einflussreichste, militärisch stärkste und wirtschaftlich bedeutendste Land der Erde sind. Obama kann daher leicht eine Zielscheibe von Gegnern der USA sein, zum Beispiel aus Ländern, gegen die Amerika Krieg geführt hat. Der Präsident ist aber auch ein mögliches Ziel von politischen Fanatikern in den USA, zum Beispiel von Rassisten, die ihn ablehnen, weil er dunkle Haut hat. Obama ist der 44. Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten – vier seiner Vorgänger wurden ermordet: Abraham Lincoln (16. Präsident) im Jahr 1865, James A. Garfield (20. Präsident) im Jahr 1881, William McKinley (25. Präsident) im Jahr 1901 und John F. Kennedy (35. Präsident) 1963. Daher gibt es nirgends so strenge Sicherheitsvorschriften und -maßnahmen wie an den Orten, an denen der US-Präsident auftaucht. Sicherheitsstufe 1 halt.

Was das konkret bedeutet – und was auf Berlin jetzt zukommt –, erkennt man, wenn man sich an die letzten Besuche von amerikanischen Präsidenten in Deutschland erinnert. Vor sieben Jahren lud Bundeskanzlerin Angela Merkel Obamas Vorgänger, George W. Bush, in die kleine Hansestadt Stralsund an der Ostsee ein. Für die Menschen in Stralsund war das nicht unbedingt angenehm.

12500 Polizisten aus allen Bundesländern wurden für diesen Tag an die Ostsee geschickt. Drei Tage zuvor hatten Sicherheitsbeamte damit begonnen, die 2200 Gullydeckel in der Stadt zuzuschweißen, damit kein ungebetener Gast durch die Kanalisation kriechen und plötzlich vor Bush auftauchen konnte. Die Polizei durchsuchte die Häuser rund um den Stralsunder Marktplatz, wo sich Merkel und Bush treffen wollten, und überprüfte die Bewohner. Am Abend vor dem Besuch mussten die Stralsunder ihre Autos aus der Innenstadt wegfahren und woanders parken. Bis 18 Uhr mussten im Stadtzentrum alle Bänke und Stühle, alle Blumenkästen und Papierkörbe von den Straßen geräumt sein. An oder in ihnen hätte man ja eine Bombe verstecken können. Auch die Fenster durften die Bewohner nicht mehr öffnen.

Am Besuchstag herrschte ab sieben Uhr morgens Ausgangssperre in der Innenstadt: Niemand durfte mehr ins Stadtzentrum, und die Menschen, die dort lebten, durften ihre Häuser nicht verlassen. Nur einige extra ausgewählte und überprüfte Leute durften zum Marktplatz, um dem Präsidenten zuzuwinken. Bush fuhr mit einer Autokolonne aus 40 Wagen vor. Politische Mitarbeiter saßen darin, Übersetzer – und viele amerikanische Sicherheitsbeamte, die in aller Welt als Secret Service bekannt sind. Auf den Dächern standen Menschen mit Maschinengewehren zum Schutz des Präsidenten.

Knapp eineinhalb Jahre zuvor war Bush schon einmal in Deutschland, damals besuchte er unter anderem die Stadt Mainz. Als er in Frankfurt gelandet war, waren mehrere S-Bahn- und Bus-Linien für Stunden stillgelegt, zwei Autobahnen auf der Strecke nach Mainz, auf denen pro Tag mehr als 120000 Autos unterwegs sind, wurden gesperrt – hier durfte nur die Kolonne des Präsidenten fahren. Und die Innenstadt von Mainz war komplett abgeriegelt, kein Geschäft geöffnet. Wer als Journalist Bush an diesem Tag begleiten wollte, hatte sich Wochen zuvor anmelden müssen – und wurde auf seinem Weg zum US-Präsidenten insgesamt fünf Mal kontrolliert.

Im Kanzleramt sind nun alle ganz aufgeregt, da gerade Obamas Besuchsprogramm auf die Minute genau durchgeplant wird. Der Präsident kommt zu einem sogenannten Arbeitsbesuch nach Berlin. Das bedeutet, dass Obama viele politische Gespräche führen wird und dabei wenig Zeit hat für große Zeremonien, wie sie bei förmlichen Staatsbesuchen üblich sind. Es wird also viele Kontrollen geben – und wenig Feiern: kein Festessen beim Bundespräsidenten, keinen Empfang mit rotem Teppich, Musik und militärischen Ehren.

Der Protokollchef, ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, achtet darauf, dass Obama rechtzeitig zu seinen Terminen kommt. Und falls doch mal ein Gespräch länger dauert als geplant, kümmert er sich darum, dass alle Betroffenen informiert werden. Obama ist aber auch nach besonders langen Unterhaltungen meistens pünktlich, weil für ihn Straßen kurzfristig abgesperrt werden und eine Polizeieskorte auf Motorrädern ihn von Termin zu Termin begleitet.

Gespannt darf man darauf sein, ob Obama einen Satz auf Deutsch mitbringt. Wenn er nach Berlin kommt, ist es fast auf den Tag genau 50 Jahre her, dass ein anderer Präsident an diesem Ort den wohl berühmtesten Satz gesprochen hat, den je ein Amerikaner auf Deutsch sagte. Das war John F. Kennedy, der Satz hieß: »Ich bin ein Berliner.«