Im April stürzte in Bangladesch ein Haus mit Nähfabriken ein. Ist die Arbeit dort seitdem sicherer geworden? Die KinderZEIT hat nachgefragt
Von Sarah Schaschek
Made in Bangladesh« – hergestellt in Bangladesch: Für viele war das bis zum letzten April nur ein Aufdruck auf einem Schildchen an ihrer Kleidung. Dann stürzte in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, ein Gebäude ein, in dem mehrere Nähfabriken untergebracht waren. Mehr als tausend Menschen starben. Plötzlich schaute die ganze Welt auf das kleine asiatische Land. Viele waren schockiert, als sie sahen, wie gefährlich die Arbeit in den Nähereien dort ist. Und sie fragten sich, ob es auch ihre Schuld war. Denn fast jeder hat schon einmal ein Kleidungsstück aus Bangladesch getragen. Nirgendwo sonst auf der Welt kann man so billig T-Shirts nähen lassen.
»Kann ich etwas tun, damit es den Näherinnen in Bangladesch besser geht?« Das fragten uns viele Kinder in den vergangenen Monaten. Dass man fragt, ist gut. Weil sich viele Leute für die Näherinnen interessierten, versprachen Firmen und Politiker, etwas zu ändern. Fast sieben Monate ist das her. Wir von der KinderZEIT haben bei Firmen und Hilfsorganisationen nachgefragt: Was hat sich in Bangladesch verbessert?
Anzeige
Es gibt tatsächlich ein paar gute Nachrichten: Die Regierungen in Europa haben der Regierung von Bangladesch mit Strafe gedroht, wenn sie die Menschen in den Fabriken nicht besser schützt. Die Näherinnen arbeiten häufig in viel zu kleinen Räumen, »Schwitzbuden« nennt man sie auch. Es ist so feucht und stickig, dass die Wände schimmeln; Stromkabel hängen von der Decke und können Kurzschlüsse auslösen. Weil überall Stoffe liegen, kommt es deshalb oft zu Bränden. Seit dem Unglück haben sich mehr als 100 Modefirmen bereit erklärt, die Fabriken vor Bränden zu sichern. Auch alle beschädigten und gefährlichen Gebäude wurden gesperrt.
Doch die Dinge verändern sich nur langsam. Das liegt daran, dass alles, was den Näherinnen hilft, Geld kostet. Wenn die Firmen die Gebäude sicherer machen, die Arbeiter besser bezahlen und die Verletzten versorgen, ist das teuer. Politiker in Bangladesch haben Angst, dass man dann bei ihnen nicht mehr so billig Kleidung nähen lassen kann wie bisher. Und dass die Firmen woanders hingehen.
Bangladesch ist ein sehr armes Land. Nirgends verdienen Näherinnen so wenig wie hier. Viele bekommen gerade einmal 30 Euro im Monat. Experten haben ausgerechnet, dass man dreimal so viel Geld braucht, um genug zu essen und eine Wohnung bezahlen zu können. Trotzdem sind die Nähfabriken wichtig für das Land: Es klingt verrückt, aber ohne die »Schwitzbuden«, in denen die Menschen für so wenig Geld schuften, wäre die Armut noch größer.
»Würde es helfen, wenn jeder von uns mehr Geld für ein T-Shirt bezahlen würde?«, wollten viele Kinder von uns wissen. Ja und nein. Manche Hilfsorganisationen sagen zwar, dass ein T-Shirt nur 25 Cent teurer sein müsste, damit die Näherinnen besser leben könnten. Doch kaum einer kann versprechen, dass das Geld tatsächlich bei ihnen ankommt. Ob wir T-Shirts für 5 Euro von einer großen Kette kaufen oder Markenshirts für 30 Euro – beide werden oft gleich billig hergestellt. Die Markenfirma verdient lediglich mehr.
Was die Hilfsorganisationen am meisten ärgert, ist, dass viele Modefirmen sich weigern, den Familien zu helfen, die bei dem Einsturz des Gebäudes im April einen Menschen verloren haben. Vielen Familien geht es jetzt noch schlechter als vorher, weil jemand fehlt, der Geld verdient. Andere Näherinnen wurden so schwer verletzt, dass sie nicht mehr arbeiten können. Wäre dasselbe in Deutschland passiert, bekämen die Familien Geld. In Bangladesch gibt es dafür keine Regeln. Einige große Firmen haben zwar Geld bezahlt, damit die Verletzten behandelt werden konnten, aber die meisten Familien warten immer noch auf Hilfe. Und viele Firmen behaupten einfach, sie hätten mit der eingestürzten Fabrik gar nichts zu tun gehabt – obwohl man im Schutt Aufträge von ihnen gefunden hat.
Die Modefirmen verdienen viel Geld damit, dass die Menschen in Bangladesch unter so schlechten Bedingungen arbeiten. Doch wenn etwas passiert, schieben sie die Verantwortung gern auf andere ab. Sie sagen: »Wir finden das auch falsch, aber auf die Fabriken in Bangladesch haben wir keinen Einfluss.« Das könnte man allerdings leicht ändern und die Fabriken regelmäßig überprüfen lassen. Viele Firmen wehren sich aber bislang gegen Kontrollen.
Wichtig ist deshalb, dass sich die Politik einmischt. Wenn es feste Regeln gibt, an die sich alle halten müssen, kann sich für alle Näherinnen etwas ändern. Und wir T-Shirt-Käufer dürfen das Thema nicht vergessen. Das ist gar nicht so schwer: Schließlich tragen wir alle fast jeden Tag ein T-Shirt.