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Das Kreuz mit den Friedenshütern – in Afrika häufen sich die Skandale um Blauhelme der UN

 

Der Mann ist um seinen Job nicht zu beneiden. Jean-Marie Guehenno ist im New Yorker Hauptquartier der UN verantwortlich für die Abteilung Peacekeeping. Im Moment hat es den Anschein, als sei der Franzose mehr mit den Skandalen seiner Truppen als mit ihren friedenserhaltenden Maßnahmen beschäftigt.

Beginnen wir mit ein paar Details zu den Schwierigkeiten dieses Jobs: Wann immer der Sicherheitsrat eine Blauhelm-Mission beschließt (was er seit Ende des Kalten Krieges vergleichsweise häufig tut), muss Guehenno die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen um Soldaten anbetteln. Natürlich ist jeder irgendwie für den Frieden, wenn es aber darum geht, Soldaten für Friedensmissionen abzustellen, hört Guehenno vor allem aus den reichen Ländern oft ein „Sorry, wir sind beschäftigt.“
Deutlich kooperativer sind Regierungen der Armenhäusern dieser Welt. Schließlich werden ihre un(ter)bezahlten Soldaten und Polizisten auf Missionen von der UN durchgefüttert und bezuschusst. Kurzum: Nicht das Personal, das man sich für komplizierte Einsätze wie im Kongo, Haiti oder Kashmir wünscht.
Umso dankbarer muss Guehenno also für Blauhelm-Soldaten aus Ländern sein, in denen die Armee gut versorgt, gut ausgerüstet und dank Übung in (Bürger)kriegen einigermaßen diszipliniert ist. Da sind vor allem drei Nationen zu nennen, die derzeit auch das Gros der rund 100.000 UN-Soldaten stellen: Pakistan, Indien und Bangla Desh.

Dies also muss man wissen, um den jüngsten Untersuchungsbericht der UN über einen Blauhelm-Skandal im Kongo zu interpretieren: Im Mai ging es in diesem Blog um pakistanische Blauhelme, die im Osten des Kongo einen lebhaften Gold-und Waffenschmuggel mit eben jenen Rebellen organisiert haben sollen, für deren Kontrolle und Entwaffnung sie zuständig waren. Die Organisation Human Rights Watch (HRW) hatte 2005 recherchiert, dass ein Netzwerk aus kongolesischen Offizieren, kenianischen Geschäftsleuten und pakistanischen Blauhelmen Gold im Wert mehrerer Millionen Dollar aus dem rohstoffreichen Bezirk Ituri geschmuggelt hatten. Beteiligt am Geschäft waren auch Kämpfer der „Front des nationalistes intégrationistes“, einer Miliz, die während des Krieges in Ituri Massaker an der Zivilbevölkerung verübt hat. Ausgerechnet der FNI sollen pakistanische Blauhelme Waffen und Munition geliefert haben. FNI-Führer haben das selbst in der Öffentlichkeit zugegeben. Außerdem hat ein Reporterteam der BBC nach eigener Recherche die Berichte von HRW bestätigt.

Umso verblüffender die Essenz des Abschlußberichts der UN-Untersuchung dieser Vorfälle (der gesamte Wortlauft des Berichts ist bislang vertraulich), der nun, über zwei Jahre nach den Berichten durch Human Rights Watch, fertig gestellt worden ist: Waffenlieferungen? Haben nicht stattgefunden. Goldschmuggel? Ein bißchen, aber nur ein pakistanischer Offizier soll sich schuldig gemacht haben. Konsequenzen? Offenbar keine. „Der Fall ist abgeschlossen“. erklärte Guehenno der Presse. ‚Das kann ja wohl nicht wahr sein‘, antwortete sinngemäß Human Rights Watch in einem etwas diplomatischer formulierten Brief
Ist wirklich zynisch, wer nun vermutet, dass hier ein Skandal klein gekocht wird, um einen wichtigen Truppengeber nicht zu verprellen?

Zugegeben: Guehenno und die UN haben wenig Handhabe gegen Blauhelme, die in ihren Einsatzgebieten Straftaten begehen. Die UN kann ermitteln, sie kann kriminelle Soldaten nach Hause schicken. Doch die Strafverfolgung obliegt allein der Justiz der Entsendeländer, und die scheren sich in der Regel nicht darum, wie ihre Soldaten sich bei Friedenseinsätzen aufführen.

Bloß spielen UN-Truppen zur Zeit in keinem Land eine so wichtige Rolle wie im Kongo, in dessen Ostteil immer wieder Kämpfe ausbrechen und der fragile Frieden seit den Parlaments-und Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr wirklich auf der Kippe steht. Gerade hier macht aber ein UN-Skandal nach dem anderen Schlagzeilen: In der Provinz Nord-Kivu sollen indische Blauhelme in Goldschmuggel verwickelt sein. In Ituri wiederum wächst zusätzliche Wut auf die Blauhelme, weil Soldaten aus Bangla Desh, zuständig für das UN-Gefängnis, zwei kongolesische Insassen getötet und mehrere andere verletzt haben sollen. Hinzu kommt noch die Nachricht aus der Elfenbeinküste, wo das gesamte UN-Kontingent von rund 9000 Soldaten unter Kasernenarrest gestellt worden ist, weil eine Einheit marokkanischer Blauhelme des sexuellen Mißbrauchs einheimischer Mädchen verdächtigt wird.

Angesichts der Häufung solcher Meldungen in den letzten Jahren bekommen Blauhelme langsam den Ruf eines hoffnungslosen Haufens aus Freiern, Zuhältern und Schwarzmarktdealern. Das ist mitnichten der Fall. Erstens gilt das Offensichtliche: die UN haben derzeit 100.000 Blauhelme im Einsatz. Die Mehrheit befolgt herrschende Gesetze und Vorschriften, und das schlimmste, was man ihr vorwerfen kann, ist Hilflosigkeit in Krisensituationen. Aber das ist ein anderes Thema.

Nein, das Problem liegt in einer Diskrepanz zwischen lokalem öffentlichem Bewusstsein und fehlender internationaler Bereitschaft zur Aufklärung. Soll heißen: Menschenrechtsgruppen und Journalisten in den Krisenländern achten inzwischen sehr aufmerksam auf das Verhalten jener Soldaten, die im Auftrag der Weltgemeinschaft Frieden und Menschenrechte sichern sollen. Verbrechen seitens der Blauhelme werden schneller und öfter aufgedeckt als früher. Aber innerhalb der Vereinten Nationen herrscht nach wie vor einer Kultur des Vertuschens. Die hält sich umso hartnäckiger, je mehr Blauhelm-Missionen es gibt und je schwieriger es deshalb wird, genügend Soldaten zu finden.

Selbst wenn intern endlich einmal Klartext geredet wird, hat das wenig praktische Konsequenzen.
Im Jahr 2005 leitete der damalige jordanische UN-Botschafter Prinz Zeid al Hussein eine Untersuchung über die Beteiligung von Blauhelmen an Zwangsprostitution und sexuellem Missbrauch in ihren Einsatzländern. In seinen Schlußfolgerungen bezeichnete der Jordanier die militärische Hierarchie bei UN-Missionen als „zutiefst kompromittiert“ und empfahl, ranghohen Verantwortlichen den Sold zu sperren und bei ihren Entsendeländern mit Nachdruck auf Strafverfolgung zu drängen. Als der Prinz seinen Bericht den Delegierten der Mitgliedsländern präsentierte, stieß er auf demonstratives Gähnen und Schweigen.