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Die Tage der Penis-Panik

 

Erstaunlich widerspruchslos haben die Anhänger von Jean Pierre Bemba am Samstag in Kinshasa das Demonstrationsverbot hingenommen. Nicht einmal ein parlement de boue, eines der „Straßenparlamente“ konnte ich finden, auf denen die Leute sonst so gerne Dampf ablassen. Offenbar haben die meisten Kinois, ganz einfach die Vorteile des Verbots genutzt. Keine Demonstration bedeutet: die Märkte bleiben geöffnet, die Sammeltaxis fahren, die Telefonkartenhändler und Benzinverkäufer bleiben im Geschäft. Das lief in den vergangenen Wochen schon schlecht genug. Nicht nur wegen der steigenden Benzin –und Lebensmittelpreise.

Vor einigen Wochen hatte die „Penis-Panik“ die Umsätze von Bars, Märkten und den tausenden Kleinunternehmern offenbar drastisch gesenkt. Irgendwann Anfang Mai hatte sich in Windeseile die Nachricht verbreitet, die feticheurs, also die Meister, der Magie, des Wahrsagen, Heilens, aber auch des Verhexens, würden auf Kinshasas Straßen Organe klauen. Nicht irgendwelche, sondern Fortpflanzungsorgane. „Es waren nur Männer betroffen“, sagt Monsieur Vicky, mein Taxifahrer, und seine Stimme klingt immer noch fassungslos. „Sie haben den Männern den Sex gestohlen.“ Eine Berührung, ein Rempler, so meldete die Gerüchteküche und das Opfer sah sich angeblich seines kleinen Unterschieds beraubt. „Die Stadt“, sagt Monsieur Vicky, „war in Panik.“

Verständlich. In Kinshasa wird jeder Mann und jede Frau täglich unzählige Male angerempelt: im überfüllten Sammeltaxi, auf dem Markt, in den parlements de boue, in der Kirche. Es kam zu Mobaktionen. Aufgebrachte Menschenmengen verprügelten vermeintliche Hexer. Die Polizei musste einschreiten.

Nachdem die weniger seriöse Presse in Kinshasa immer wieder neue Geschichten über vermeintlich entmannte Opfer kolportierte, habe sich, behauptet Monsieur Vicky, das Straßenbild Kinshasas dramatisch verändert. „Die Männer haben sich nicht mehr aus dem Haus getraut. Ich hatte fast nur noch Frauen im Taxi.“ Die Straßenparlamente seien leer gewesen. Die Bars im Musikviertel Matonge hätten Umsatzeinbußen verzeichnet, in seiner protestantischen Kirche hätten sich die Männerchöre gelichtet. „Was hat Ihr Pastor zu dieser Angelegenheit gesagt?“ „Er hat gesagt, da hilft nur beten.“

Im Kongo gibt es keine Grabstätten christlicher Heiliger, deren Besuch Wunder verspricht. Also muss man im Kampf gegen böse feticheurs schon den direkten Draht zu Gott suchen.

Irgendwann war der Spuk dann so schnell vorbei wie er angefangen hatte: Radio Okapi, Kongos wichtigstes Massenmedium und eine Stimme der Vernunft in diesem Land, hatte seine Journalisten ausschwärmen lassen, um nach Opfern der feticheurs zu suchen. Einige Betroffene erklärten sich zum Interview bereit und räumten ein, dass sie durchaus noch im Besitz aller Organe seien, nur sei dieses eine offensichtlich durch Hexerei verdächtig „geschrumpft“. Da platzte dann Kinshasas Polizeichef der Kragen. Das ganze sei ja wohl ein schlechter Witz, ließ er über alle Kanäle verbreiten. Ihm sei noch kein angebliches Opfer präsentiert worden, dem der Penis abhanden gekommen sei. Um ganz sicher zu gehen, ließ er noch verlauten, die Polizei habe alle verdächtigen feticheurs festgenommen. Schade eigentlich. Für Kinshasas Frauen müssen die Tage der Penis-Panik eine schöne Zeit gewesen sein.