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Kein Sex für Kenias Männer (und Frauen, natürlich)

 

Dramatische Situationen erfordern dramatische Maßnahmen – auch wenn der Effekt eher symbolisch sein mag. Weil Kenias politische Elite das Land erneut an den Rand eines Gewaltausbruchs zu manövrieren droht, haben mehrere Frauenorganisationen zu einem einwöchigen Sex-Boykott aufgerufen. Sieben Tage tote Hose oder getrennte Betten, so die Hoffnung der Gruppe G-10, eines Zusammenschlusses mehrerer Frauenverbände, soll die überwiegend männliche politische Elite zur Vernunft bringen.

Die besteht derzeit aus einer Regierungskoalition zweier Erzfeinde, des Präsidenten Mwai Kibaki und des Premierministers Raila Odinga. Ausgelöst durch massive Manipulationen Kibakis bei den Wahlen am 30. Dezember 2007 brach im Januar 2008 für mehrere Wochen ein Bürgerkrieg aus, in dessen Verlauf über 1500 Menschen starben und über 300.000 vertrieben wurden. Erst unter Vermittlung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan kam es zu einem politischen Kompromiss: eben jener Koalitionsregierung, die aber seither nur durch Skandale auffällt.

Staatliche Korruption und Selbstbereicherung hat in Kenia legendäre Ausmaße . Kartelle mit hochrangigen Politikern treiben Nahrungsmittelpreise in die Höhe – und sahnen ab. Der Premierminister und andere Kabinettsmitglieder begeben sich mit großem Gefolge auf wochenlange Auslandsreisen. Das Parlament gönnt sich regelmäßig eine saftige Erhöhug seiner Diäten. Umso weniger bleibt übrig, um die schweren ökonomischen Folgen des Gewaltausbruchs von 2008 und der globalen Weltwirtschaftskrise zu lindern. Während in Teilen des Landes Hungersnöte drohen, streiten sich Kibaki und Odinga bis auf’s Messer – unter anderem über angeblich fehlende Toiletten während Auslandsreisen. Es reicht! erklärte Patricia Nyaundi, Vorsitzende der kenianischen Federation of Women Lawyers und Mitinitatorin des Boykotts. Seit Mittwoch, dem 29. April läuft angeblich nichts – oder nicht mehr viel in kenianischen Schlafzimmern.

Die Kenianerinnen berufen sich auf ein antikes Vorbild: In seiner Komödie Lysistrata von Aristophanes verschwören sich die Frauen Spartas und Athens zu einem Sexboykott gegen ihre kriegstreibenden Männer, um diese zum Frieden zu zwingen – eine sehr frühe und sehr andere Form des peace enforcement. Bei Aristophanes gibt’s eine Happy End. In Kenia bleibt der Ausgang dieser Aktion ungewiss. Vergewaltigung in der Ehe ist hier immer noch ein Kavaliersdelikt.

Aber die Aktivistinnen der G-10 haben einen ersten PR-Erfolg gelandet: Ida Odinga, die Ehefrau von Raila Odinga, hat sich nach Angaben der kenianischen Zeitung „The Standard“ der Kampagne angeschlossen. Und aus den männlichen Reihen des Parlaments kommen erste giftige Reaktionen: Ein solcher Boykott sei „unafrikanisch“, erklärte der Abgeordnete David Musila gegenüber „Voice of America“. „In Afrika redet man nicht öffentlich über Sex.“ Was so nun wirklich nicht mehr stimmt.

Ansonsten sind die Reaktionen in der kenianischen Öffentlichkeit gemischt. Der Sprecher der Männergruppe „Maendeleo Ya Wanaume“ sprach von einer Verletzung „fundamentaler Männerrechte“. Andere prominente männliche Vertreter der Zivilgesellschaft finden die Aktion in Anbetracht der politisch brisanten Lage durchaus angemessen. Wieder andere halten bereits zwei Tage Enthaltsamkeit für unzumutbar.

Ihr Problem ist: Sollte die Kampagne wirklich funktionieren, bleibt Männern auch die Flucht ins Bordell versperrt. Denn die Frauen von G-10 wollen allen Prostituierten Ausfallhonorare bezahlen, damit diese bis kommenden Mittwoch die Arbeit verweigern.