Es gibt Neues von Jean-Claude Kibala, dem Vizegouverneur der kongolesischen Provinz Süd-Kivu, über den die ZEIT seit 2006 regelmäßig berichtet. „Herr Kibala kriegt die Krise“, gerade in der ZEIT erschienen, beschreibt nicht nur die alltäglichen Kämpfe und Krämpfe beim Staatsaufbau, sondern auch die Folgen der Weltwirtschaftskrise, die mit voller Wucht im Kongo zu spüren sind.
Ein Desaster kommt in diesem Land bekanntlich selten allein, weshalb Kibala schon das nächste Drama bevorsteht. Die Region steht am Rande eines Krieges. Nicht schon wieder, stöhnen da die Krisenmanager bei den Vereinten Nationen in New York, der EU in Brüssel, in Washington und Pretoria.
Dabei schien doch im Januar die große Zeitenwende eingeläutet. Da beendeten die Präsidenten des Kongo und Ruandas, Joseph Kabila und Paul Kagame, ihre Erzfeindschaft und handelten einen sensationallen Deal aus: Ruanda zog den kongolesischen Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda aus dem Verkehr, der Ende vergangenen Jahres die halbe Provinz Nord-Kivu überrannt und etwas zu großspurig einen Vormarsch auf Kinshasa angekündigt hatte. Dessen Miliz, die CNDP, sollte nun in die kongolesische Armee integriert werden.
Im Gegenzug erlaubte Kabila der ruandischen Armee, auf kongolesischem Boden gegen die Hutu-Milizen der FDLR vorzugehen. In deren Reihen befinden sich bekanntlich zahlreiche Täter des Völkermordes in Ruanda 1994. Seit fünfzehn Jahren haben sich diese Milizen in den Kivu-Provinzen festgesetzt, kontrollieren rohstoffreiche Gebiete samt der dort lebenden Bevölkerung.
Fazit dieser Operation: Nkunda ist (noch) unter Hausarrest. Die ruandische Armee nahm kurzzeitig ein paar Stellungen der FDLR in Nord-Kivu ein, die diese inzwischen wieder zurückerobert hat. Außerdem rächen sich Hutu-Milizen für diese Militäraktion mit Überfällen auf Zivilisten in Nord-Kivu. Die ersten CNDP-Kämpfer sind bereits wieder aus der Armee desertiert, weil es dort keinen Sold und nichts zu essen gibt. Folglich ist es besonders schwierig, Rebellen in eine Armee einzugliedern, die sie vor kurzem noch aus allen Rohren beschossen haben.
Was von diesen „integrierten Brigaden“ noch übrig ist, soll nun mit Unterstützung der Blauhelme der UN in Süd-Kivu versuchen, was in Nord-Kivu schon nicht gelungen ist: die Entwaffnung der FDLR. Diese hat – gewissermaßen präventiv – mit ersten Massakern und Plünderungen in mehreren Dörfern deutlich gemacht, wer den Preis auch für diese Aktion bezahlen wird: die Zivilbevölkerung. Die muss nicht nur die Hutu-Rebellen fürchten, sondern auch ihre eigenen notorisch plündernden Soldaten. Deren Sold wird noch seltener als bisher ausgezahlt – nicht zuletzt eine Folge der Weltwirtschaftskrise, welche die kongolesische Regierung an den Rand der Zahlungsunfähigkeit getrieben hat. Die Hilfsorganisation Oxfam warnte schon vor Wochen vor mehreren Hundertausend neuen Binnenflüchtlingen.
Und nun? Man kann ja durchaus der Meinung sein, dass gegen die FDLR, unbestritten das größte Hindernis für eine Befriedung des Ostkongo, auch Militär eingesetzt werden muss. Aber in diesen Fällen muss gelten: Der Militäreinsatz darf die Lage nicht schlimmer machen, als sie ohnehin schon ist. Und der Schutz der Zivilbevölkerung hat absolute Priorität. Wessen Verantwortung ist das? Nun, laut Völkerrecht die der Kombattanten. Vor denen aber kann man, wie gesagt, nur weglaufen. Bleibt die Blauhelm-Mission. Die ist notorisch unterbesetzt und für diese Aufgabe erbärmlich schlecht ausgerüstet. Die Moral der Truppe sinkt und die Wut der Bevölkerung auf ihre vermeintlichen Beschützer wächst. Jean-Claude Kibala, der Vizegouverneur in Süd-Kivu, fürchtet, dass „es zu Ausschreitungen gegen die UN kommen kann.“
Zur Erinnerung: Im Herbst vergangenen Jahres, als Nkundas CNDP die kongolesische Armee aufrieb und zehntausende von Flüchtlingen vor sich her trieb, diskutierten die Mitgliedsländer der Europäischen Union, eine ihrer battle groups zum Schutz der Bevölkerung zu entsenden. Daraus wurde nichts – unter anderem, weil die deutsche Regierung sich mit Händen und Füßen sträubte. Stattdessen beschloss der UN-Sicherheitsrat or vier Monaten, die Blauhelm-Mission um weitere 3000 Soldaten aufzustocken. Wie viele sind bislang im Ost-Kongo eingetroffen? Kein einziger. So kommt das Prinzip des Peacekeeping langsam, aber sicher auf den Hund.