Von Madonna und ihren Adoptionsplänen in Malawi gibt es nichts Neues zu berichten. Wohl aber von der „Wir-und-die-armen-Afrikaner“- Debatte. Dambisa Moyo, eine sambische Harvard-Ökonomin, macht in den USA und Kanada gerade Furore mit ihrem Buch „Dead Aid“, in dem sie mit der westlichen Politik einer vermeintlich falschen Fürsorge gegenüber Afrika abrechnet.
Wer sich ein wenig mit der Debatte um Sinn und Unsinn von Entwicklungshilfe befasst, wird sich erinnern, dass vor vier Jahren schon einmal ein afrikanischer Ökonom, der Kenianer James Shikwati, Hilfsgelder an afrikanische Staaten für Gift erklärte. Moyos Argumente lauten ähnlich: Entwicklungshilfe befördere eine Mentalität der Abhängigkeit, nähre Korruption und gewalttätige Konflikte, halte Länder in Armut statt sie daraus zu befreien. Kurzum: Sie verursache mehr Schaden als Nutzen. Stoppt die Hilfe – so die Schlussfolgerung – und die Afrikaner lernen ganz schnell, sich selbst zu helfen, auf die Kräfte des freien Marktes und auf den Handel mit China zu setzen.
Die Praxis der Entwicklungshilfe kann einen oft zur Weissglut bringen, aber Moyo übersieht mit ihren ebenso plakativen wie provokanten Thesen ein paar wesentliche Details: Der freie (Finanz)markt hat soeben der Welt und vor allem Afrika einen schweren Schlag in die Magengrube verpasst; Chinas wirtschaftlicher Segen in afrikanischen Ländern ist höchst umstritten; und dass Entwicklungshilfe gewalttätige Konflikte befördert, hat bislang noch niemand nachweisen können.
Interessanter wird es, wenn sich Moyo die weiße Pop-und Film-Prominenz vorknöpft, unter anderem U2-Sänger Bono, den Schutzheiligen der „Save Africa“-Bewegung.
„They have become the de facto faces of Africa. The fact that they globally are viewed as the people defining the policy agenda, attending the G8 and the G20, is completely absurd.“
Moyo empört sich dabei nicht nur über die fehlende demokratische Legitimation solcher selbst ernannter Vertreter der Armen. Sie empört sich – wie in diesem Interview mit der kanadischen Zeitung National Post – auch über afrikanische Regierungen, die sich das gefallen lassen.
„We, as Africans and as a global society, should want to hear from the African governments — what their plan is, what their strategy is. I don’t want to hear from the celebrity about what they think Africans should be doing any more than a Canadian would want to hear from Michael Jackson about the credit crisis.“
Was nicht heisst, dass sich jeder afrikanische Regierungchef oder jede Regierungschefin von irischen Rocksängern erzählen lässt, wo es lang gehen soll. Ellen Johnson-Sirleaf, Präsidentin von Liberia, hat unlängst in der „Washington Post“ beschrieben, dass Afrika eben nicht nur aus Flüchtlingen in Darfur, Piraten in Somalia und Diktatoren in Zimbabwe besteht. Sondern auch aus Ländern wie „Ghana, Tanzania, Mozambique und Liberia, in denen sich leise eine Wende zum Besseren vollzieht.“ Afrika, sagt Johnson-Sirleaf, dazu gehörten auch 34 Millionen Kinder, die seit 2000 eingeschult worden sind, dazu gehörten sinkende Malaria-Raten in Ruanda, Äthiopien und Sansibar und sinkende Armutsraten. Nicht alles, aber einiges davon ist übrigens das Ergebnis vernünftiger Entwicklungshilfe.
All diese Fortschritte sind durch die Weltwirtschaftskrise gefährdet, für die die afrikanischen Länder am allerwenigsten können. „Eine bittere Ironie“, sagt Johnson-Sirleaf. Sie fordert besser abgestimmte internationale Hilfe, mehr Direktinvestitionen und vor allem faire Handelsbeziehungen. Letzteres verlangt auch Moyo und weist darauf hin, dass fairer Handel nicht nur darin besteht, ökologisch und politisch korrekten Tee aus dem Dritte-Welt-Laden zu kaufen. Fairer Handel – das hieße, westliche Märkte für afrikanische Agrarprodukte zu öffnen und Subventionen an unsere Bauern zu stoppen. Das hieße, Afrikas Märkte nicht mehr mit unseren Altkleider zu überschwemmen. Faire Wirtschaftsbeziehungen hieße, europäische Fangflotten zurück zu pfeiffen, bevor sie Afrikas Küstengewässer endgültig leer gefischt haben. All diese Schritte würden afrikanische Volkswirtschaften tatsächlich sehr viel schneller und nachhaltiger voran bringen als Entwicklungshilfe. Aber sie würden dem Westen – also uns – auch sehr viel mehr weh tun.