Im rasenden Karussell der Krisen, Umbrüche und sonstigen Erschütterungen(Banken immer noch nicht reguliert, Bangkok unter Wasser, Griechenland vor dem Kollaps, Libyen einigermaßen befreit, Syrien vor dem Bürgerkrieg, Dürre in Ostafrika) muss man schon ziemlich gute Verstärker haben, um anderen Problemen Aufmerksamkeit zu verschaffen. 41 Nicht-Regierungsorganisationen versuchen es mit einem gemeinsamen Weckruf genau vier Wochen vor den Wahlen im Kongo. „Es ist der ultimative Test“ sagt Thierry Vircoulon, bei der International Crisis Group (ICG) zuständig für die Region Zentralafrika. „Schafft es das Land, seine junge Demokratie zu konsolidieren oder fällt es zurück in einen Zustand weit verbreiteter Instabilität, Unsicherheit und Gewalt?“
Kongo-Pessimisten behaupten, dass es aus diesem Zustand nie herausgekommen sei. Schließlich ist der der Ostkongo immer noch nicht befriedet und die soziale Lage immer noch horrend. Stimmt alles, und ist in der Schlussfolgerung des „Nichts-ist-besser-geworden“ doch falsch. 2006 im Jahr der ersten, halbwegs freien Wahlen nach vier Jahrzehnten Kleptokratie und Krieg, konnte der Kongo so am Boden, er konnte nur gewinnen. Jetzt, fünf Jahre später, hat er etwas zu verlieren. Nicht nur neue Straßen, einige renovierte Krankenhäuser und einen wilden Bauboom in den Städten, sondern, wenn auch sehr wackelige Gehversuche in parlamentarischer Kontrolle, eine Presse, die sich recht despektierlich über die politische Klasse äußern kann, und eine Zivilgesellschaft, die selbstbewusster und frecher auftritt als in einigen Nachbarländern. Kritik an den Herrschenden ist im Kongo mit Risiken verbunden. Aber anders als in Ruanda oder Angola ist sie möglich.
Gerade deswegen, rufen die 41 NGOs, muss man den Kongo jetzt wieder ins Scheinwerferlicht stellen. Enden diese zweiten Wahlen in Manipulation, Chaos und Gewalt, bedeutete das eine Katastrophe für die Kongolesen, eine neue Krise für die gesamte Region und ein Desaster für die internationale Gemeinschaft, allen voran die UN-Mission (MONUSCO) und die Europäische Union. Gerade die EU hat versucht, sich im Kongo als globaler Akteur in Sachen Sicherheit und Staatsaufbau zu etablieren. Ob ihr das gelungen ist, wird demnächst ausführlicher zu diskutieren sein. Fest steht jedenfalls: es hat ordentlich Geld gekostet – und der europäische Steuerzahler sollte sich durchaus dafür interessieren, ob dies nach diesen zweiten Wahlen als Fehlinvestition abgehakt werden muss.
Was fordern die NGOs (darunter, außer der ICG, das Ökumenische Netzwerk Zentralafrika, die International Federation for Human Rights, das Open Society Institute, die Église du Christ au Congo, das Pole Institute in Goma und die Menschenrechtsorganisation Voix des sans Voix)?
– mehr Transparenz und Dialogbereitschaft seitens der Wahlkommission CENI, gegen die sich in den vergangenen Monaten viel Wut und Frust seitens der Kabila-Konkurrenten gerichtet hat, allen voran der Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Etienne Tshisekedi.
– Mehr politischen Druck seitens westlicher Diplomaten
– ein klares Bekenntnis von Präsidentschaftskandidaten und Parteien, das Wahlergebnis, so es denn als frei und fair attestiert wird, zu akzeptieren und ihre auf Krawall gebürsteten Jung-Anhänger im Zaum zu halten (was vor allem, aber nicht ausschließlich an die Adresse des Kabila-Lagers geht)
– Eine UN-Mission, die notfalls Eingreiftruppen und Polizei einsetzt, um mögliche Ausschreitungen vor allem in den Großstädten zu verhindern, und die notfalls zwischen (Konflikt)Parteien vermittelt
Schief gehen kann vieles. Man muss sich nur die Zahlen ansehen: Über 32 Millionen registrierte WählerInnen sollen am 28. November zwischen elf Präsidentschaftskandidaten und 19010 Bewerbern um 500 Parlamentssitze entscheiden. Vorausgesetzt, die teilweise Arm langen Wahlzettel (Gesamtgewicht: 4000 Tonnen) samt Wahlurnen werden rechtzeitig an die 62000 Wahlbüros ausgeliefert. Gab es 2006 noch 300 Wahlbeobachter der EU (ein Klacks bei der Größe des Landes) wird Europa dieses Mal nur 148 Beobachter entsenden (ein Witz). Dazu kommen angeblich mehrere Zehntausend Beobachter von Kirchen und Zivilgesellschaft, sowie die Experten des Carter-Center, das auch gerade erst vor mangelnder Vorbereitung durch die CENI und wachsender Gewaltbereitschaft der Kontrahenten gewarnt hat.