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FDLR-Führer soll vor den Haager Strafgerichtshof

 

Das ist mal wirklich eine gute Nachricht – für den Kongo und für den Internationalen Strafgerichtshof (ICC): Callixte Mbarushimana, Exekutivsekretär der Hutu-Miliz der FDLR, ist am Montag in Paris festgenommen worden  und soll nun an den ICC in Den Haag überstellt werden. Der Gerichtshof hatte Ende September einen zunächst versiegelten Haftbefehl gegen Mbarushimana erlassen wegen Verdachts auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dabei geht es um Morde, Vergewaltigungen, Folter, Plünderungen, also um eine Terrorkampagne gegen die Zivilbevölkerung, begangen von Mitgliedern der FDLR im Ostkongo zwischen Januar und September 2009.

In diesem Zeitraum hatte die kongolesische Armee, zunächst mit Unterstützung von Truppen aus Ruanda, eine Militäroffensive gegen die FDLR gestartet. Die überwiegend aus Hutu bestehende Miliz ist eine Nachfolgeorganisation jener Militärs und Milizen, die 1994 den Völkermord in Ruanda durchführten und nach ihrer Flucht in den Ostkongo Teile der Kivu-Provinzen unter Kontrolle gebracht haben. Auf die Militäroffensive 2009 reagierte die FDLR mit einer Eskalation der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, um, so der Strafgerichtshof, „eine humanitäre Katastrophe“ zu provozieren und auf diese Weise internationalen Druck zu erzeugen, um politische Zugeständnisse zu erzwingen. Mbarushimana habe als Exekutivsekretär der FDLR „persönlich und vorsätzlich“ an diesem Plan mitgewirkt.

Mit seiner Festnahme verliert die FDLR nun auch den dritten Kopf ihres Führungstrios in Europa. Im November vergangenen Jahres verhafteten die deutschen Behörden den Präsidenten der FDLR, Ignace Murwanashyaka, und seinen Stellvertreter Straton Musoni wegen Verdachts auf Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung sowie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sollte es, wie erwartet, demnächst zum Prozess kommen, wäre es das erste Verfahren in Deutschland nach dem Völkerstrafgesetzbuch.

Anders als Murwanashyaka, der zu Zeiten des Völkermords bereits in Deutschland lebte, steht Mbarushimana im Verdacht, am Genozid 1994 beteiligt gewesen zu sein. Als Mitarbeiter des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) soll er damals für die Ermordung von Tutsi-Kollegen mit verantwortlich gewesen sein. Das UN-Ruanda-Tribunal (ICTR) ermittelte kurzzeitig, erhob aber nie Anklage gegen ihn. Mbarushimana blieb bis 2001 Mitarbeiter der UN und setzte nach seiner Entlassung sogar noch Entschädigung für Lohnausfall durch. Er bekam schließlich politisches Asyl in Frankreich, dessen Behörden ohne den Haftbefehl des ICC wohl bis heute nichts in seinem Fall unternommen hätten.

Mit dem Haftbefehl gegen Mbarushimana hat der ICC erstaunlich schnell auf die aktuelle Lage im Ostkongo reagiert. Dass er den Ruander „nur“ wegen der Verbrechen der FDLR und nicht für seine mögliche Tatbeteiligung am Genozid 1994 anklagen will, hat einen ganz einfachen Grund: Der ICC kann ausschließlich bei Verbrechen ermitteln, die nach dem Inkrafttreten seines Statuts 2002 begangen worden sind.