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Mit Versace für den Frieden

Kongo mal anders: Auf der Website der BBC findet sich eine hübsche Foto-Reportage über kongolesische Immigranten in Südafrika, die nach den xenophobischen Ausschreitungen gegen Einwanderer im Mai 2008 nun in Johannesburg mit einem Mode-Turnier für „Multi-Kulti“ warben. Die Teilnehmer stehen ganz in der Tradition der „Sapeurs“, der Anhänger der „Societé des Ambianceurs et des Personnes Élégantes“ (S.A.P.E.). Zu deutsch: „Gesellschaft der Stimmungsmacher und eleganten Personen“.

Sape entstand in den 70er Jahren im „kleinen“ Kongo, in Brazzaville, schwappte über den Fluß nach Kinshasa und zusammen mit Musikstars wie Papa Wemba in die Clubs der Hauptstadt des „großen“ Kongo. Die Szene hat inzwischen graue Haare angesetzt (Papa Wemba feierte gerade seinen 60. Geburtstag), aber es gibt sie immer noch. Ein Sapeur kennt die aktuellen Entwürfe der teuersten Designer, kombiniert diese zu kühnen Outfits (irgendwo zwischen Harlem Hustler, britischem Dandy und Karl Lagerfeld). Der Sapeur verachtet zutiefst den Schlabberlook der globalen Hip-Hop-Szene und betet nicht zu Gott, sondern zu Versace, Armani oder Gaultier.

Nicht alle Kongolesen billigen diese Art, das ohnehin knappe Geld auszugeben.  Aber grundsätzlich gilt in Kinshasa auch für Nicht-Sapeurs (sofern sie nicht zu den ganz Elenden gehören): Chaos, Müll, Krieg und Korruption sind keine Entschuldigung für ungebügelte Hosen, fleckige Hemden oder löchrige Schuhe. Zumindest am Sonntag zum Gottesdienst werden viele Kinois zu kleinen Sapeurs wie das Bild des jungen Herrn zeigt, aufgenommen in einer Kimbanguisten-Kirche im Stadtteil Ngiri-Ngiri.

 

Zum Feiertag ein Krieg

30. Juni 2009, 49. Jahrestag der Unabhängigkeit im Kongo, Tag der Paraden und Fanfaren in Kinshasa. Eigentlich gibt es wenig Grund zum Feiern, schon gar nicht für die Menschen im Osten, wo eine neue Kriegsrunde ausgebrochen ist.

Krieg? Welcher Krieg, fragen die Leute in Kinshasa. Für die meisten Kinois sind die Kivu-Provinzen, der Schauplatz scheinbar ewiger Katastrophen, ein fremdes Land, dessen Ereignisse nichts mit ihrem täglichen Überlebenskampf zu tun haben. Dabei ist das Ausmaß der neuen humanitären Katastrophe durchaus mit den jüngsten Kriegsfolgen in Pakistan und Sri Lanka zu vergleichen.

Die Verheerung im Osten ist Folge einer politisch richtigen, aber katastrophal ausgeführten Entscheidung: Im Januar diesen Jahres hatten Kongos Präsident Joseph Kabila und sein ruandischer Amtskollege Paul Kagame – bis dahin in tiefster Feindschaft verharrend – die internationale Gemeinschaft und die eigenen Landsleute mit einem sensationellen Deal verblüfft. Kabila gestattete Kagame, ruandische Truppen nach Nord-Kivu  zu entsenden. Diese sollte innerhalb weniger Wochen zusammen mit der kongolesischen Armee die Milizen der FDLR entwaffnen. Das ist die Nachfolgeorganisation jener Hutu-Kommandos, die 1994 den Genozid in Ruanda verübten, sich seither im Grenzgebiet des Nachbarlandes Kongo festgesetzt haben, wo sie rohstoffreiche Landstriche kontrollieren und mit Dauerterror die Befriedung der Region verhindern. Ruanda zog als Gegenleistung den kongolesischen Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda aus dem Verkehr, der die Präsenz der FDLR immer wieder als Vorwand für militärische Aktionen in den Kivus genutzt hatte.

Die ruandisch-kongolesische Kooperation hat ein erstaunliches politisch-ökonomisches Tauwetter eingeleitet. Der militärische Teil jedoch war ein Fehlschlag – mit desaströsen Folgen für die Zivilisten. Weder gelang es, die Führungsstruktur der FDLR zu zerschlagen, noch eine nennenswerte Zahl der rund 6000 Kämpfer zu entwaffnen. Kaum waren die ruandischen Truppen abgezogen, nahmen Hutu-Milizen verlorene Stellungen in Nord-Kivu wieder ein. Seither rächen sie sich an der Bevölkerung – umso mehr, als nun kongolesische Truppen mit Unterstützung der UN-Blauhelme die FDLR  auch in Süd-Kivu angreifen. „Kimia II“ heißt die Operation.

In der Nacht zum 10. Mai überfielen Hutu-Kämpfer das Dorf Busurungi in Nord-Kivu und zündeten mehrere hundert Hütten an. Über 30 Menschen sollen bei lebendigem Leib verbrannt, Dutzende andere mit Äxten, Messern und Macheten massakriert worden sein. Die UN-Mission im Kongo (MONUC) sprach zunächst von 60 Toten, inzwischen ist von über 100 Ermordeten die Rede. Nach Aussagen von Flüchtlingen spießten FDLR-Milizionäre die Köpfe einiger Opfer am Dorfeingang auf – als Warnung an die Überlebenden, nie wieder mit der Armee zu kooperieren.

Mehrere hunderttausend Menschen sind inzwischen auf der Flucht. Andere werden offenbar von FDLR-Trupps mit Gewalt im umkämpften Gebiet festgehalten – offensichtlich, um sie als menschliche Schutzschilde zu benutzen. Die Zahl der Vergewaltigungen ist in den umkämpften Gebieten dramatisch angestiegen.

Die Militärkampagne gegen die FDLR erinnert an ein ähnliches Desaster, das sich erst vor wenigen Monaten im Nordosten des Kongo, im Bezirk Ituri nahe der kongolesisch-ugandischen Grenze abgespielt hat. Dorthin hat sich die ugandische Miliz der „Lord’s Resistance Army“ (LRA) zurückgezogen, deren Führer Joseph Kony vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Haftbefehl gesucht wird. Die LRA ist berüchtigt für Massaker, Verstümmelungen und die massenhafte Zwangsrekrutierung von Kindern.

Eine Militäraktion der ugandischen Armee im Dezember 2008 (ausgeführt mit Erlaubnis der kongolesischen Regierung und verhaltener Unterstützung der USA) schlug fehl, Kongos Präsident Kabila ordnete den Abzug der Ugander an. Seither haben Konys Trupps in Rachefeldzügen über 1000 kongolesische Zivilisten ermordet und mehrere hundert Kinder entführt. Weder die notorisch überforderten Blauhelme der UN noch die kongolesische Armee, bekannt und berüchtigt für ihren desolaten Zustand, können die Bevölkerung in den unzugänglichen Regionen Ituris zu schützen.

Das gleiche Drama spielt sich nun in den Kivu-Provinzen ab. „All das kann nur mit aggressiver internationaler Intervention gestoppt werden“, schrieb der Afrika-Experte des „Institute for War and Peace Reporting“ (IWPR), Peter Eichstaedt, schon vor Wochen und forderte eine „multi-nationale Eingreiftruppe – bestehend aus erfahrenen NATO-Verbänden – mit Mandat des UN-Sicherheitsrats“, um die Führung der LRA wie der FDLR „einzukreisen und festzunehmen“.

Bei aller Skepsis gegenüber multi-nationalen Greiftrupps – im Fall des Kongo könnten sie tatsächlich erfolgreich sein und damit unzählige Menschenleben retten. Aber die politischen Vorzeichen in Washington und den europäischen Hauptstädten machen ein solches Engagement höchst unwahrscheinlich.

Und so bleibt vorerst nur die aktuelle Chronik einer Militäroperation, in der die Bevölkerung zwischen alle Fronten gerät. Denn die Menschen fliehen, so sie denn fliehen können, nicht nur vor der FDLR, sondern auch vor der eigenen Armee. Deren Soldaten haben oft seit Monaten keinen Sold mehr erhalten. Die UN versorgen die Militärs mit Nahrung, um allzu schlimme Plünderungen zu verhindern.

Im MONUC-Hauptquartier in Kinshasa beschwört man die Fortschritte bei Operation „Kimia II“ und gesteht offiziell allenfalls „logistische Probleme“ zu. Hinter vorgehaltener Hand räumen MONUC-Mitarbeiter durchaus ein, dass die Blauhelme in eine Militäroperation hineingezogen worden sind, auf deren Verlauf sie keinen Einfluss haben, und deren unmittelbare Folgen für die Zivilisten im krassen Gegensatz zum Kern des UN-Mandats stehen: dem Schutz der Bevölkerung.

Auch Süd-Kivus Vize-Gouverneur Jean-Claude Kibala setzt auf den Erfolg von „Kimia II“ –nach dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Mit militärischem Druck müsse man die Infrastruktur der FDLR zerstören, sagte Kibala vor wenigen Tagen in einem Interview mit Radio Okapi, „Sobald die einzelnen FDLR-Trupps nicht mehr miteinander kommunizieren können, keinen Rohstoffschmuggel und Viehhandel mehr betreiben können, sind sie blockiert.“

Andere Beobachter teilen diesen Optimismus nicht, sind sich aber mit den Befürwortern von Operation „Kimia II“ in zwei Punkten einig: Ohne die Eliminierung der FDLR in den Kivus ist, erstens, ein Frieden und damit ein Staatsaufbau im Kongo nicht möglich. Und zweitens wären die Erfolgsaussichten weit größer, wäre die Verheerung für die Zivilbevölkerung deutlich geringer, hätten die USA und Europa außer dringenden Appellen, die Hutu-Milizen endlich auszuschalten, etwas handfestere Hilfe zu bieten. Wenn schon keine Eingreiftruppe, dann vielleicht eine Truppenverstärkung für die Blauhelme, um diese für Einsätze gegen die FDLR zu entlasten. Oder ein paar Hubschrauber. Oder Aufklärungstechnologie. Oder ausreichend Geld und Personal für die Demobilisierung vor allem jüngerer FDLR-Kämpfer, die ihre Waffen niederlegen wollen. Oder wenigstens massiven Druck auf Kongos Regierung und Armee, dessen Offizierskorps weiterhin die Soldkassen plündert und das Geld unter anderem in den kleinen Bauboom in der Hauptstadt investiert.

In Kinshasa entdeckt man nach langem Suchen doch noch einen Hinweis auf den Krieg: „Cultivons l’amour, pas la guerre“ steht in großen Buchstaben auf einem Straßenplakat im Bezirk Limete. „Lasst uns die Liebe kultivieren, nicht den Krieg.“ Es handelt sich um Kondomwerbung für die Marke „Prudence“. In den Zeiten von AIDS ist das ein recht origineller Spruch. Gemessen daran, was sich dieser Tage im Ostkongo abspielt, ist es der blanke Hohn.

 

Szenen aus Kinshasa: Das Leben im Stau

Donnerstag gegen 16:30 Uhr, Rush Hour auf dem Boulevard des 30. Juni. Die Blechlawine rührt sich nicht vom Fleck. Ein Konvoi schwarzer Geländewagen mit verdunkelten Fensterscheiben ist auf einer Kreuzung eingekeilt. Nichts geht mehr, daran ändern auch die Kalaschnikows und die grimmigen Gesichter der Polizeieskorte nichts. Der Gouverneur von Kinshasa (die Hauptstadt hat den Status einer Provinz), André Kimbuta Yango, hat sich auf die Straße begeben. „Un grand voleur, un très grand voleur, ein Dieb, ein ganz großer Dieb“, sagt Monsieur Vicky, mein Fahrer, und wischt sich den Schweiß ab. Auch wir stehen im Stau, nur ohne Klimaanlage im Gegensatz zum Gouverneur. Dem rückt nun sein Volk näher auf den Leib, als ihm lieb sein kann. Dutzende Händler, Bettler und Straßenkinder stürzen auf sein Auto zu, klatschen gegen die dunklen Scheiben. „Hey Exzellenz, mach’ das Fenster auf, wirf’ ein bisschen Geld heraus. Komm schon, Papa, Du bist mächtig, Du bist stark, Du bist reich.“ Die Rufe klingen nicht schmeichelnd, auch nicht bittend, sondern fordernd. Eigentlich sagen sie: „Hey Gouverneur, Du stopfst Dir den ganzen Tag die Taschen voll, während wir hier für ein paar Franc in der Hitze schuften. Also gib uns wenigstens ein paar Krümel ab.“ Die Wagenfenster bleiben zu.
Seine Exzellenz weiß um ihren Ruf in der Stadt. Erstens wurde Kimbuta von Präsident Joseph Kabila ernannt, der in Kinshasa nach wie vor unbeliebt ist. Zweitens geriet er vergangenes Jahr in die Schlagzeilen, weil er in den Mord am Vizepräsidenten des Provinzparlaments verwickelt gewesen sein soll, was viele Kinois auch dann glauben, wenn es keine Beweise dafür gibt. Das Opfer gehörte zur Partei von Kabilas großem Widersacher Jean-Paul Bemba, derzeit prominentester Untersuchungshäftling des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, in Kinshasa aber immer noch recht populär.
Der vorderste Wagen des Konvois lässt den Motor aufheulen, die Polizisten brüllen, die Bettler schreien, nichts bewegt sich. Merke: Verkehrsstaus in Kinshasa – und in den Stoßzeiten besteht die Stadt fast nur noch aus Verkehrsstaus – sind schlecht für Politiker. Sie sind hingegen gut für Polizisten, die Autofahrer schröpfen wollen. Sie sind gut für bettelnde Straßenkinder und fliegende Händler. Sich mit einer Bananenstaude und einem handgeschriebenem Preisschild direkt neben ein mit Brackwasser gefülltes Schlagloch zu setzen, an dem jeder Autoverkehr zum Erliegen kommt, freut die Moskitos und erhöht das Malaria-Risiko. Aber eben auch den Umsatz.

Klein-Taxi im Stadtteil Ndjili
Klein-Taxi im Stadtteil Ndjili

Abgesehen davon sind Verkehrsstaus für den Rest der Bevölkerung eine Katastrophe. Kinshasa hat heute acht Millionen Einwohner und kein öffentliches Nahverkehrssystem. Die meisten Menschen verbringen Stunden ihres täglichen Überlebenskampfes damit, von einem Ort zum anderen zu kommen. Sie warten im Gestank und Müll auf ein Sammeltaxi, dessen Platzeinweiser sie mit Dutzenden anderen Fahrgästen in einen verbeulten Lieferwagen pfercht und dessen Chauffeur über den genauen Zielort erst während der Fahrt über Kinshasas Schlaglochparcours entscheidet. Gnädigerweise haben die Besitzer solcher Fuhrunternehmen ein paar Atemlöcher in die Seitenwände schneiden lassen, damit ihnen bei 34 Grad und Schneckentempo keiner erstickt. Stellen Sie sich einfach vor, Sie säßen mit dreißig Leuten während eines mittleren Erdbebens in einer kleinen Heimsauna. Dann wissen Sie ungefähr, wie die Kinois Taxi fahren.
An der Kreuzung heulen wieder die Motoren der Gouverneurs-Kolonne auf. Sie drängt sich in eine kleine Lücke und entschwindet in einer Seitenstraße. Die Händler und Straßenkinder verteilen sich schimpfend auf die Autoschlangen des Boulevards, einer nach dem anderen zieht an meinem Fenster vorbei. Der erste balanciert einen Karton Eier auf dem Kopf. „Nein danke“, sage ich, obwohl man auf Vickys Motorhaube ein Omelett braten könnte. Sein Kollege hat Hundeleinen und Spielzeughandys im Angebot. „Wirklich nicht, ich habe weder Hund noch Kinder.“ „Wie wär’s mit einem Wagenheber?“ fragt er gleichmütig, hält mir das Gerät durch’s Fenster und zieht erfolglos weiter. Der nächste hält einfach nur die Hand herein, er hat nur eine, der linke Arm besteht aus einem kurzen Stumpf. Ein Straßenjunge, keine vierzehn Jahre alt. „Mama, ein paar Francs nur, ich habe Hunger. Ist ein harter Tag heute.“ Wenn ich jetzt Geldscheine herausrücke, habe ich binnen Sekunden die ganze Kinderbrigade an der Autotür – und keinen Fluchtweg. Wir stecken ja im Stau. Ich sage „nein“, sage es ziemlich unfreundlich, er sieht mich an, sieht auf meine Tasche, vielleicht bin ich ja die Gelegenheit des Tages für ihn, um etwas zu essen bekommen. „Na dann vielleicht beim nächsten Mal “, sagt er, grinst mich an und wünscht mir noch einen schönen Tag.

 

Szenen aus Kinshasa: Das Krokodil und die Erdnüsse

Gestern Mittag, wir sitzen in der Avenue Sana, Bezirk Bandalungwa, im Schatten eines Baumes, lassen das Straßenleben von Kinshasa an uns vorbeiziehen: Die Cambistas, die Geldwechsler, die Rucksäcke voller gebündelter Scheine zu ihren Holztischen am Straßenrand schleppen, im Stadt-Jargon „Wall Street“ genannt. Die Pousse-Pousseurs, die Berge von Auspufftöpfen, Reissäcken, oder ausgeweideten Waschmaschinen in verbeulten Karren vor sich her schieben. Die Hand-und Fußpfleger, Halbwüchsige mit Sonnenbrillen und Baseballmützen wie Rap-Stars, die wieselflink vor gelangweilten Damen niederknien, für einen halben Dollar eine Pediküre verabreichen oder für anderthalb Dollar künstliche Fingernägel anbringen.
Und die Straßensänger. Auftritt Poso Kosambila, 56, Kugelbauch, Zahnlücke, ein tiefschwarzes, verknittertes Gesicht wie ein australischer Ureinwohner, dazu schwarzer Cowboyhut und eine Gitarre, die nur unwesentlich jünger sein dürfte als er. Poso singt uns das Lied vom kleinen Matumona, der nicht glauben wollte, dass sein Vater zaubern kann. Papa nimmt dem Kleinen seine Erdnüsse weg, verfüttert sie an das Huhn, das, satt und schläfrig, von der Schlange gefressen wird. Die wird kurz darauf Beute des Krokodils. Das Krokodil erfreut sich nicht lange an seinem vollen Magen, denn Papa ist ein guter Jäger, erlegt das Krokodil, schneidet den Bauch auf, findet die Schlange, in der Schlange das Huhn, im Huhn die Erdnüsse, die er dem Bengel zurückgibt. Der hört nun endlich auf zu heulen. Und glaubt ganz fest an die Zauberkraft des Papa.
So ein Ständchen kostet 500 kongolesische Francs, weniger als einen Dollar. Und Poso Kosambila ist jeden Cent wert!

 

Darfur und die „Rückkehr“ der Hilfsorganisationen

Und gleich noch aus Kinshasa ein kurzes Update in Sachen Darfur: Als Reaktion auf den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Sudans Präsidenten Omar al-Bashir hat die Regierung in Khartoum im März 13 internationale und mehrere nationale Hilfsorganisationen aus Darfur hinausgeworfen. Vergangene Woche verkündete der UN-Nothilfekoordinator John Holmes, die ersten NGOs dürften zurückkehren. Die sudanesische Regierung dementierte. Wenn, dann müssten die Ausgewiesenen unter neuem Namen (und, so darf man annehmen, mit neuen Auflagen) eine neue Zulassung beantragen. Ist das ein Erfolg? Oder der blanke Hohn?

Rob Crilly, Korrespondent des „Christian Science Monitor“, behandelt das Dilemma der Helfer in einem interessanten Artikel: „Aid groups return to Darfur – with new names.“

 

Zurück in Kinshasa

250 Dollar zahlt der ausländische Journalist beim kongolesischen Informationsministerium für eine Akkreditierung. Dieses Schriftstück erhält man im Hochhaus des staatlichen Rundfunksenders – angeblich im 18. Stock. Beim Anblick verbeulter Aufzugtüren und ziellos baumelnder Stromkabel nehmen wir die Treppe, werden oben schweißtriefend von Monsieur Serge, „Chef de bureau“, begrüßt, der uns an Madame Jackie im zweiten Stock verweist, die leider erst morgen wieder zu erreichen sei. Monsieur Serge bietet an, die Gebühr für die Akkreditierung in seinem Büro aufzubewahren, was wir dankend ablehnen. Monsieur Serge besteht darauf, dass wir den Rückweg per Lift zurücklegen. Er kratzt mit seinem Schlüssel an der Tür. Zehn Minuten lang passiert nichts, dann, als hätte ein Monster Schluckauf, springt die Lifttür auf. Drinnen sitzt auf einem Barhocker der Aufzugführer. Sein Gesichtsausdruck –  irgendwo zwischen Warten auf Godot und Godot persönlich – lässt es ratsam erscheinen, nicht zu lachen.
„Wohin?“ fragt Godot.
„Parterre.“ Die Tür knallt zu. Die Stockwerkanzeige funktioniert nicht.
Schweigen.
„Monsieur,“ fragen wir zaghaft, „woher wissen Sie, in welchem Stockwerk sie halten müssen, um Fahrgäste aufzunehmen?“
„Das spüre ich.“
Schweigen. Godot scheint selbst unzufrieden mit seiner Antwort.
„Außerdem hält der Aufzug nicht zwischen 10. und 17. Stock. Das vereinfacht die Sache.“
Wir setzen hart im Erdgeschoss auf. Sehr hart. Die Aufzugtür bleibt geschlossen.
„Ich habe Familie“, sagt Godot seelenruhig. Wir geben ihm 100 kongolesische Francs, ungefähr 15 Cent. Die Tür springt auf.
Von draußen drücken ein Dutzend Menschen in den Fahrstuhl, als ginge es zum Sommerschlussverkauf.
Godot verdient nicht schlecht in Kinshasa.

 

Obama, der Islam und Sudan

Wenn es noch Zweifel gab, sind sie nach der Rede von Kairo beseitigt: Zumindest als Rhetoriker ist Barack Obama ein Weltpräsident. Der Mann kann in jeder Ecke dieser Erde das Gefühl vermitteln, dort zuhause zu sein, ohne sich anzubiedern. Er kann sich mit den Opfern eines jeden Menschheitsverbrechens und jedweder Unterdrückung solidarisieren – zuletzt in der Türkei mit Armeniern, jetzt mit Juden und Palästinsern – ohne politisch beliebigen Mitleidskitsch zu betreiben wie sein Vorvorgänger Bill Clinton. Obama mag man nicht einmal übel nehmen, dass ganz Kairo unter Hausarrest gestellt schien, während er in der Universität von Freiheit und Demokratie redete. Im Gegenteil: das ist die hohe Kunst des politischen Jiu-Jitsu. Obama erwies Ägyptens Präsident Hosni Mubarak minimale diplomatische Höflichkeit – und demütigte den altersstarren Herrscher eines Polizeistaats dann mit einer Rede wider die Repression. Eine Rede, wohl gemerkt, in der er seinem eigenen Land, den USA, ausdrücklich den Anspruch der Unfehlbarkeit nahm.

Überhaupt – es war strategisch brilliant, ausgerechnet die Hauptsstadt eines arabischen Landes auszuwählen, um muslimische Holocaust-Leugner, jüdische Extremisten und amerikanische Rachefanatiker an den Pranger zu stellen. Was auch immer an realer Politik auf diese Rede folgen wird: für 55 Minuten hat Obama eine Internationale der Moderaten und Liberalen aller Religionen heraufbeschworen.

Gibt’s also irgendetwas zu kritisieren an diesem beeindruckenden Auftritt? Ja – und das nicht, weil Journalisten immer meckern müssen. Obama hat endringlich von allen Konfliktparteien im Nahen und Mittleren Osten Respekt für die historischen Traumata der jeweiligen Feinde eingefordert. Denn nur wer anerkennt, was der Andere in seiner Geschichte erlitten hat, kann irgendwann Frieden schließen.

Aber er hat es leider unterlassen, eine der größten, aktuellen Katastrophen ausführlich zu benennen: die Verbrechen in Darfur und die Gefahr eines neuen Krieges im Südsudan. Darfur erwähnte er zusammen mit Bosnien nur in einem Satz.

Nun geht es nicht darum, dass Obama in Kairo die komplette Liste aktueller Gräueltaten hätte verlesen sollen. Aber der Sudan ist Ägyptens Nachbar, und das Schweigen der arabischen Staaten zu diesem Menschheitsverbrechen in den eigenen Reihen ist der größte Skandal in dieser Region. Als der Internationale Strafgerichtshof Anfang März Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir erließ, wurde dieser wenige Tage später von Hosni Mubarak in Kairo in die Arme geschlossen – eine demonstrative Missachtung der internationalen Strafjustiz und des Leidens der Darfuris. Ein paar deutlichere Sätze von Barack Obama hätte ich mir dazu gewünscht in dieser Rede von Kairo: dass, wer wortreich das Leiden der Palästinenser beklagt, zum Leiden der Darfuris nicht schweigen kann. Ein passendes Zitat aus dem Koran hätte Obama sicher auch gefunden.

 

Nieder mit der Entwicklungshilfe?

Von Madonna und ihren Adoptionsplänen in Malawi gibt es nichts Neues zu berichten. Wohl aber von der „Wir-und-die-armen-Afrikaner“- Debatte. Dambisa Moyo, eine sambische Harvard-Ökonomin, macht in den USA und Kanada gerade Furore mit ihrem Buch „Dead Aid“, in dem sie mit der westlichen Politik einer vermeintlich falschen Fürsorge gegenüber Afrika abrechnet.

Wer sich ein wenig mit der Debatte um Sinn und Unsinn von Entwicklungshilfe befasst, wird sich erinnern, dass vor vier Jahren schon einmal ein afrikanischer Ökonom, der Kenianer James Shikwati, Hilfsgelder an afrikanische Staaten für Gift erklärte. Moyos Argumente lauten ähnlich: Entwicklungshilfe befördere eine Mentalität der Abhängigkeit, nähre Korruption und gewalttätige Konflikte, halte Länder in Armut statt sie daraus zu befreien. Kurzum: Sie verursache mehr Schaden als Nutzen. Stoppt die Hilfe – so die Schlussfolgerung – und die Afrikaner lernen ganz schnell, sich selbst zu helfen, auf die Kräfte des freien Marktes und auf den Handel mit China zu setzen.

Die Praxis der Entwicklungshilfe kann einen oft zur Weissglut bringen, aber Moyo übersieht mit ihren ebenso plakativen wie provokanten Thesen ein paar wesentliche Details: Der freie (Finanz)markt hat soeben der Welt und vor allem Afrika einen schweren Schlag in die Magengrube verpasst; Chinas wirtschaftlicher Segen in afrikanischen Ländern ist höchst umstritten; und dass Entwicklungshilfe gewalttätige Konflikte befördert, hat bislang noch niemand nachweisen können.

Interessanter wird es, wenn sich Moyo die weiße Pop-und Film-Prominenz vorknöpft, unter anderem U2-Sänger Bono, den Schutzheiligen der „Save Africa“-Bewegung.

„They have become the de facto faces of Africa. The fact that they globally are viewed as the people defining the policy agenda, attending the G8 and the G20, is completely absurd.“

Moyo empört sich dabei nicht nur über die fehlende demokratische Legitimation solcher selbst ernannter Vertreter der Armen. Sie empört sich – wie in diesem Interview mit der kanadischen Zeitung National Post – auch über afrikanische Regierungen, die sich das gefallen lassen.

„We, as Africans and as a global society, should want to hear from the African governments — what their plan is, what their strategy is. I don’t want to hear from the celebrity about what they think Africans should be doing any more than a Canadian would want to hear from Michael Jackson about the credit crisis.“

Was nicht heisst, dass sich jeder afrikanische Regierungchef oder jede Regierungschefin von irischen Rocksängern erzählen lässt, wo es lang gehen soll. Ellen Johnson-Sirleaf, Präsidentin von Liberia, hat unlängst in der „Washington Post“ beschrieben, dass Afrika eben nicht nur aus Flüchtlingen in Darfur, Piraten in Somalia und Diktatoren in Zimbabwe besteht. Sondern auch aus Ländern wie „Ghana, Tanzania, Mozambique und Liberia, in denen sich leise eine Wende zum Besseren vollzieht.“ Afrika, sagt Johnson-Sirleaf, dazu gehörten auch 34 Millionen Kinder, die seit 2000 eingeschult worden sind, dazu gehörten sinkende Malaria-Raten in Ruanda, Äthiopien und Sansibar und sinkende Armutsraten. Nicht alles, aber einiges davon ist übrigens das Ergebnis vernünftiger Entwicklungshilfe.

All diese Fortschritte sind durch die Weltwirtschaftskrise gefährdet, für die die afrikanischen Länder am allerwenigsten können. „Eine bittere Ironie“, sagt Johnson-Sirleaf. Sie fordert besser abgestimmte internationale Hilfe, mehr Direktinvestitionen und vor allem faire Handelsbeziehungen. Letzteres verlangt auch Moyo und weist darauf hin, dass fairer Handel nicht nur darin besteht, ökologisch und politisch korrekten Tee aus dem Dritte-Welt-Laden zu kaufen. Fairer Handel – das hieße, westliche Märkte für afrikanische Agrarprodukte zu öffnen und Subventionen an unsere Bauern zu stoppen. Das hieße, Afrikas Märkte nicht mehr mit unseren Altkleider zu überschwemmen. Faire Wirtschaftsbeziehungen hieße, europäische Fangflotten zurück zu pfeiffen, bevor sie Afrikas Küstengewässer endgültig leer gefischt haben. All diese Schritte würden afrikanische Volkswirtschaften tatsächlich sehr viel schneller und nachhaltiger voran bringen als Entwicklungshilfe. Aber sie würden dem Westen – also uns – auch sehr viel mehr weh tun.

 

Wie die UN im Kongo ihren Ruf ruiniert

Es gibt Neues von Jean-Claude Kibala, dem Vizegouverneur der kongolesischen Provinz Süd-Kivu, über den die ZEIT seit 2006 regelmäßig berichtet. „Herr Kibala kriegt die Krise“, gerade in der ZEIT erschienen, beschreibt nicht nur die alltäglichen Kämpfe und Krämpfe beim Staatsaufbau, sondern auch die Folgen der Weltwirtschaftskrise, die mit voller Wucht im Kongo zu spüren sind.

Ein Desaster kommt in diesem Land bekanntlich selten allein, weshalb Kibala schon das nächste Drama bevorsteht. Die Region steht am Rande eines Krieges. Nicht schon wieder, stöhnen da die Krisenmanager bei den Vereinten Nationen in New York, der EU in Brüssel, in Washington und Pretoria.

Dabei schien doch im Januar die große Zeitenwende eingeläutet. Da beendeten die Präsidenten des Kongo und Ruandas, Joseph Kabila und Paul Kagame, ihre Erzfeindschaft und handelten einen sensationallen Deal aus: Ruanda zog den kongolesischen Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda aus dem Verkehr, der Ende vergangenen Jahres die halbe Provinz Nord-Kivu überrannt und etwas zu großspurig einen Vormarsch auf Kinshasa angekündigt hatte. Dessen Miliz, die CNDP, sollte nun in die kongolesische Armee integriert werden.

Im Gegenzug erlaubte Kabila der ruandischen Armee, auf kongolesischem Boden gegen die Hutu-Milizen der FDLR vorzugehen. In deren Reihen befinden sich bekanntlich zahlreiche Täter des Völkermordes in Ruanda 1994. Seit fünfzehn Jahren haben sich diese Milizen in den Kivu-Provinzen festgesetzt, kontrollieren rohstoffreiche Gebiete samt der dort lebenden Bevölkerung.

Fazit dieser Operation: Nkunda ist (noch) unter Hausarrest. Die ruandische Armee nahm kurzzeitig ein paar Stellungen der FDLR in Nord-Kivu ein, die diese inzwischen wieder zurückerobert hat. Außerdem rächen sich Hutu-Milizen für diese Militäraktion mit Überfällen auf Zivilisten in Nord-Kivu. Die ersten CNDP-Kämpfer sind bereits wieder aus der Armee desertiert, weil es dort keinen Sold und nichts zu essen gibt. Folglich ist es besonders schwierig, Rebellen in eine Armee einzugliedern, die sie vor kurzem noch aus allen Rohren beschossen haben.

Was von diesen „integrierten Brigaden“ noch übrig ist, soll nun mit Unterstützung der Blauhelme der UN in Süd-Kivu versuchen, was in Nord-Kivu schon nicht gelungen ist: die Entwaffnung der FDLR. Diese hat – gewissermaßen präventiv – mit ersten Massakern und Plünderungen in mehreren Dörfern deutlich gemacht, wer den Preis auch für diese Aktion bezahlen wird: die Zivilbevölkerung. Die muss nicht nur die Hutu-Rebellen fürchten, sondern auch ihre eigenen notorisch plündernden Soldaten. Deren Sold wird noch seltener als bisher ausgezahlt – nicht zuletzt eine Folge der Weltwirtschaftskrise, welche die kongolesische Regierung an den Rand der Zahlungsunfähigkeit getrieben hat. Die Hilfsorganisation Oxfam warnte schon vor Wochen vor mehreren Hundertausend neuen Binnenflüchtlingen.

Und nun? Man kann ja durchaus der Meinung sein, dass gegen die FDLR, unbestritten das größte Hindernis für eine Befriedung des Ostkongo, auch Militär eingesetzt werden muss. Aber in diesen Fällen muss gelten: Der Militäreinsatz darf die Lage nicht schlimmer machen, als sie ohnehin schon ist. Und der Schutz der Zivilbevölkerung hat absolute Priorität. Wessen Verantwortung ist das? Nun, laut Völkerrecht die der Kombattanten. Vor denen aber kann man, wie gesagt, nur weglaufen. Bleibt die Blauhelm-Mission. Die ist notorisch unterbesetzt und für diese Aufgabe erbärmlich schlecht ausgerüstet. Die Moral der Truppe sinkt und die Wut der Bevölkerung auf ihre vermeintlichen Beschützer wächst. Jean-Claude Kibala, der Vizegouverneur in Süd-Kivu, fürchtet, dass „es zu Ausschreitungen gegen die UN kommen kann.“

Zur Erinnerung: Im Herbst vergangenen Jahres, als Nkundas CNDP die kongolesische Armee aufrieb und zehntausende von Flüchtlingen vor sich her trieb, diskutierten die Mitgliedsländer der Europäischen Union, eine ihrer battle groups zum Schutz der Bevölkerung zu entsenden. Daraus wurde nichts – unter anderem, weil die deutsche Regierung sich mit Händen und Füßen sträubte. Stattdessen beschloss der UN-Sicherheitsrat or vier Monaten, die Blauhelm-Mission um weitere 3000 Soldaten aufzustocken. Wie viele sind bislang im Ost-Kongo eingetroffen? Kein einziger. So kommt das Prinzip des Peacekeeping langsam, aber sicher auf den Hund.

 

Mia, Madonna und die armen Afrikaner

Seit elf Tagen hungert die amerikanische Schauspielerin Mia Farrow für Darfur. Seit mehreren Monaten versucht die Pop-Sängerin Madonna, ein zweites Kind aus Malawi zu adoptieren. Farrow beschreibt ihr Fasten gegen Völkermord täglich auf ihrer Website und schildert mit der unbeirrbaren (Mit)Leidensfähigkeit einer Mutter Teresa, was der Hausarzt zu ihrem Gewichtsverlust sagt und was Barack Obama gefälligst endlich zur Regierung im Sudan sagen soll. Madonna lässt regelmäßig durch ihre PR-Agenten ausrichten, dass sie mit Adoptionen „Kinder aus dem Elend“ retten will und im übrigen mit ihrer Hilfsorganisation „Raising Malawi“ auch alle übrigen Waisen im Land.

Zwei berühmte Frauen mit so vielen guten Absichten! Warum bloß schwillt einem der Hals, wenn man sie reden hört?

Okay, es ist nicht fair, Mia Farrow und Madonna in einen Topf zu werfen. Die eine engagiert sich seit Jahren in Darfur, fährt in Flüchtlingslager, sammelt Geld, schreckt Kongress-Abgeordnete auf und protestiert nun mit Nahrungsverweigerung gegen die Ausweisung von 13 internationalen Hilfsorganisationen aus Darfur. Madonna hingegen rauschte erstmals 2006 auf einem ihrer Ego-Trips gen Malawi, setzte sich mit den Allüren einer Queen Almighty und vermutlich reichlich Geld über die nationalen Adoptionsgesetze hinweg und nahm einen Halbwaisen namens David, zu dem sie eine kosmische Beziehung zu verspüren glaubte, heim in ihren Kabbala-Fitness-Zirkus. Jetzt möchte sie ein malawisches Mädchen – koste es, was es wolle.

Mia Farrow, Madonna, Bono, Bob Geldof, Brangelina, George Clooney – die Liste der weißen Afrika-Freunde ist lang. Manche finanzieren sinnvolle Projekte, bei anderen darf man das bezweifeln. Manchen ist es ernst mit ihrem Engagement, andere schmücken sich mit Auftritten im Karitas-Jet-Set. Wenn sich David Bowie oder Gwyneth Paltrow mit aufgemalten „Stammeszeichen“ im Gesicht unter dem Motto „I am African“ fotografieren lassen, und das Ganze als Kampagne zur Rettung von Kindern in Afrika verkauft wird, dann ist das eben keine Form der Aufklärung, sondern der Rassismus der Gutmenschen. In diesem Fall der echt coolen Gutmenschen.

Pop-und Politstars bereisen Katastrophengebiete und adoptieren schwarze Babies „ungefähr so, wie meine New Yorker Freunde und ich ins Tierheim fahren, um Hunde zu adoptieren.“ Das schrieb Uzodinma Iweala, amerikanischer Schriftsteller und Sohn nigerianischer Eltern, im Sommer 2007 in einem viel beachteten Kommentar mit dem schönen Titel „Stop Trying To Save Africa“. Zu deutsch: Hört endlich auf, Afrika retten zu wollen.

Nichts gegen Solidarität und Hilfe für afrikanische Krisengebiete, sagt Iweala. „Aber man fragt sich wirklich, ob diese Hilfe aufrichtig ist oder ob damit die Überlegenheit der eigenen Kultur demonstriert werden soll.“ Er habe die Schnauze voll von Benefizkonzerten, Spendenmarathons und Wohltätigkeit-Galas, bei denen erst die afrikanischen Katatstrophen aufgezählt werden und dann irgendwelche weißen Prominenten berichten, was sie alles für Afrika getan haben.

Mia Farrow gehört nicht in diese Kategorie der edlen Selbstdarsteller. Sie gehört in die Kategorie der selbstdarstellenden Edlen. „Wenn die Medien durch mich einen Aufhänger haben, um an das Sterben in Darfur zu erinnern,“ schreibt sie in ihrem Blog, „dann hat sich die Sache schon gelohnt.“

Genau das ist ja das Problem. Wir brauchen immer noch weiße Gesichter, um Afrika zu sehen. Erst waren es die Missionare und Kolonialherren, jetzt sind es die VIP-Wohltäter. Wenn es um Menschenrechtsverletzungen in Russland, Birma oder dem Iran geht, identifizieren wir uns problemlos mit Betroffenen aus diesen Ländern, mit einer Anna Politkowskaja, einer Aung San Suu Kyi oder einer Shirin Ebadi. Das heisst: wir erkennen an, dass diese Menschen nicht nur Opfer sind, sondern auch Handelnde. Wenn es um den Kongo, um Darfur oder Malawi geht, brauchen wir Angelina Jolie, Mia Farrow oder Bono. Als ob es dort keine Aktivisten gäbe, die sich wehren, sich kümmern, sich engagieren. Als ob dort nur eine Masse der Hilf-und Wehrlosen, der Infantilen vor sich hindämmert, denen weiße Amerikaner und Europäer unter die Arme greifen müssen.

„Raising Malawi – Malawi groß ziehen“ – so hat Madonna ihre Organisation genannt. Stellen wir uns doch mal vor, Youssou N’Dour, der Weltstar aus dem Senegal, würde in Deutschland eine Stiftung gegen Kinderarmut mit dem Namen „Raising Germany“ gründen und sich mit väterlichem Lächeln und weißen Babies im Arm fotografieren lassen? ‚Was bildet der sich ein‘, würden wir sagen. ‚Der spinnt wohl.‘