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Wir sind digitale Messis

 

Was jetzt folgt, mag zynisch klingen, aber versprochen, es ist so nicht gemeint: „Alles hat auch sein Gutes“, pflegte meine Großmutter zu sagen. Ich glaube, es stimmt sogar in Fällen wie dem Sidekick-Datenverlust. Den Betroffenen wird es schwer fallen, dem Verschwinden ihrer Emails und Telefonnummern etwas Positives abzugewinnen. Für uns alle aber kann es eine wichtige Erinnerung sein.

Die wahre Leistung unseres Gehirns ist nicht, dass es sich Dinge merken kann, es ist seine Fähigkeit zu vergessen. Ohne diese würden wir wahnsinnig werden und irgendwann unter der schieren Menge an gespeicherten Informationen zusammenbrechen. Im Alltag haben wir das begriffen und jene, die alles sammeln und nichts wegwerfen können, gelten als krank.

Doch wenn es um unsere Computer geht, ignorieren wir dieses Wissen. Wir müllen uns zu in der Informationsgesellschaft. Weil Speicherplatz billig ist und weil Suchmaschinen den Eindruck erwecken, wir hätten einen Weg gefunden, der Flut zu begegnen. Ich glaube, der Eindruck trügt.

Google, die anerkannt effektivste Suche derzeit, erfasst nur einen Bruchteil des Internet. Außerdem gaukelt die Ergebnisseite Übersichtlichkeit lediglich vor. Wer hat je die Millionen Treffer angeschaut, die eine alltägliche Abfrage hervorbringt? Zwar versucht der Algorithmus, eine Schwarm-Relevanz zu berücksichtigen, doch befriedigend ist das nicht, fehlt doch beispielsweise die Idee, dass Informationen auch veralten.

Viktor Mayer-Schönberger fordert für das Internet schon lange ein Vergessen und hat jetzt auch ein Buch darüber geschrieben. Ich fände es einen Segen. Und ja, auch wenn es mich selbst betrifft.

Wie schreibt Nik Cubrilovic von Techchrunch: „Die Kontaktliste seines Handys zu verlieren, sollte kein Problem sein – wir sollten eigentlich wissen, wer unsere Freunde sind.“ Recht hat er, und so ein Absturz kann uns daran erinnern. Die, die uns danach nicht mehr einfallen, waren vielleicht schon lange keine Freunde mehr. Oder sind es nie gewesen.

Ein Crash ist ärgerlich, ja. Aber er kann erleichtern, uns von digitalem Müll befreien und uns erinnern, dass wir öfter mal Daten wegwerfen sollten, statt immer neue Backups anzulegen, die wir uns sowieso nie wieder anschauen. Oder, um noch einmal Techchrunch zu zitieren: „Lasst die Daten einen natürlichen Tod sterben. Was wichtig ist, wird überleben.“