Union und FDP haben ihren Koalitionsvertrag verhandelt und dieser steht schon im Netz. Auf 124 Seiten Text kommt das Wort Internet sogar 32x vor. Das ist mehr als in früheren Koalitionsverträgen. Und doch enttäuscht das Ergebnis. Der Koalitionsvertrag liest sich rund um das Thema Netzpolitik wie die Fortführung der Politik der letzten Jahre mit ein paar Justierungen.
Einzige Überraschung: Das Zugangserschwerungsgesetz soll ein Jahr ausgesetzt werden, in dem Zeitraum soll die dazu errichtete Netzzensur-Infrastruktur auch nicht genutzt werden. Unklar bleibt bisher, ob die Bundesregierung die Netzzensur-Pläne auf internationaler Ebene weiter vorantreibt, oder ihr Engagement für den Zeitraum ebenfalls auf Eis legt. Beim Urheberrecht sieht es gar nach einer Radikalisierung aus. Die Rechteindustrie freut sich bereits, dass nahezu ihr gesamter Forderungskatalog von der neuen Regierung umgesetzt werden wird.
Viele Forderungen im Koalitionsvertrag sind austauschbar: Etwas mehr eGovernment, offene Standards in der Verwaltung und mehr Breitbandinternet auf dem Land. Das wollte schon jede Regierung in diesem Jahrzehnt.
Das Lesen des Koalitionsvertrages löst keine Begeisterungsstürme aus. Man sieht an ihm, wie unwichtig das Thema Netzpolitik immer noch in der deutschen Politik ist. Wo ist die Vision? Was sind die neuen Ideen dieser Koalition? Was sind die konkreten Netzpolitik-Projekte, die begeistern? Während in Finnland ein „Recht auf Breitband“ eingeführt wird und in den USA sich die Regierung durch OpenGovernment offener und transparenter macht, freuen wir uns auf die DE-Mail und hoffen, dass die elektronische Krankenakte kaputt evaluiert wird. Und müssen fürchten, dass der neue Innenminister ziemlich schnell seine Forderung nach Verkehrsregeln im Internet umsetzen wird.
So wird das nichts mit der versprochenen Internetrepublik, die von der FDP im Wahlkampf ausgerufen wurde.
Ansonsten gilt, was Kai Biermann schon auf Zeit.de geschrieben hat: Angst vor dem Netz bleibt der Tenor.