Japan ist drei Wochen nach der verheerenden Naturkatastrophe immer noch in den Schlagzeilen, doch die Aufmerksamkeit schwindet allmählich. Auch der Fokus verändert sich. Der Blick der professionellen Katastrophenkommunikation weicht einem, der in das private Leben der Menschen reicht.
So gibt es nun erste Berichte aus der Sperrzone rund um den havarierten Atomkomplex in Fukushima, die auf ruhige, aber umso erschütterndere Weise zeigen, wie die Katastrophe in den Alltag der Menschen einbrach.
Das Wall Street Journal veröffentlichte einen E-Mail-Austausch eines Tepco-Arbeiters mit einem Kollegen in Tokyo. In der ersten E-Mail schreibt er: „Wenn wir jetzt in der Hölle sind, können wir uns nur noch in Richtung Himmel schleppen.“ In einer weiteren Mail berichtet er, dass die meisten Kollegen durch die Katastrophe obdachlos geworden sind. Er selbst kämpfe seit dem Erdbeben ohne Pause und Schlaf gegen eine Verschlimmerung der Lage an. Während das Erdbeben eine Naturkatastrophe sei, könne Tepco jedoch für die Kontamination verantwortlich gemacht werden. Die Stimmung sei so angespannt, dass man nahe daran sei, Tepco auch die Schuld für das Erdbeben zu geben. Er schreibt: „Everyone is away from their hometown and does not know when they can return. We don’t know who to turn to and direct our concern and anger. This is the current reality.“
Ein APF News-Team begab sich vor wenigen Tagen in die 20-Kilometer-Sperrzone, um die Situation dort zu dokumentieren: Während das Navigationsgerät intakte Straßenzüge der Stadt Odakaku Minami Souma in der Präfektur Fukushima anzeigt und mit Normalität suggerierender Stimme durch das Chaos lotst, laufen zurückgelassene Hunde erwartungsvoll auf das Auto der Reporter zu. Eingesperrte Rinder stehen ohne Futter und
Wasser in ihrem Dreck. Ein älteres Ehepaar lebt noch in seinem Haus und kümmert sich um den greisen Vater – während die gesamte Nachbarschaft verwaist ist.
Man muss kein Japanisch verstehen, um die verzweifelte Lage erkennen zu können. APF News hat innerhalb der Sperrzone noch weitere Beiträge gedreht und daraus eine Art Foto-Reisetagebuch gemacht.
In Notunterkünften harren viele bei wenig Essen aus – während sich in Tokyo die Versorgungslage zu normalisieren scheint, berichtet eine Augenzeugin der Nachrichtenagentur Reuters.
Es gibt auch erste Heldengeschichten, die Mut machen. Wie die des Mannes, der sich mit einem Taucheranzug in die Flut aus Wasser, Wrackteilen und Müll stürzte, um seine Frau aus dem überfluteten Haus zu retten.
Und wie ein surrealer Traum muss der Viermaster Kaiwo Maru II im vom Tsunami größtenteils zerstörten Onahama-Hafen auf die erschöpften Tepco-Arbeiter wirken. Etwa fünf Kilometer vom Atomkraftwerk Fukushima-Daichi entfernt, bietet das Schiff eine Erholungsmöglichkeit – mit Essen, Bett und warmer Dusche. Die Kaiwo Maru II ist wie die Gorch Fock ein Segelschulschiff. Seit dem 21. März ist es in Onahama und soll dort so lange bleiben, bis das Essen an Bord zu Neige geht.