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Viele Grüße von der Internet-Gemeinde

 

Ein Gespenst geht um in deutschen Medien und der Politik: Die Internet-Community ist da. Irgendwie zumindest. Manchmal heißt sie auch eingedeutscht Internet-Gemeinde. Politiker laden sie zum Dialog ein, manche starten ihre neuen Wahlkampf-Blogs mit „Liebe Internetgemeinde“ und andere beschweren sich, dass die Internet-Community ihre tolle Politik kritisiert.

Das erste Mal begegnete mir der Begriff im Rahmen der EU-weiten Proteste gegen eine EU-Richtlinie zur Patentierung von Software. Das war Anfang dieses Jahrtausends und Politiker im EU-Parlament versuchten zu definieren, was ihnen da an vernetztem Protest aus dem Internet begegnete. Ein weiterer Meilenstein waren die Proteste gegen die Vorratsdatenspeicherung, die zwischen 2007/2008 ihren Höhepunkt in Deutschland fanden. Und dieses Jahr kam der Begriff im medialen und politischen Mainstream an. Innerhalb von vier Tagen unterzeichneten mehr als 50.000 Bürger eine Online-Petition gegen die Pläne der Bundesregierung, im Rahmen des Zugangserschwerungsgesetz im Kampf gegen Kinderpornographie eine Zensurinfrastruktur zu errichten. Nie zuvor war der Protest aus dem Netz so schnell sichtbar geworden. 134015 Mitzeichner waren es sogar nach Ende der Zeichnungsfrist.

Das Netz schafft neue Öffentlichkeiten, wo jeder über Blogs, Twitter und Soziale Netzwerke zum Sender wird. Rund um einzelne Themen und Ereignisse vernetzen sich Menschen Ad-Hoc und formen Koalitionen. Das ist mit dem alten Denken in traditionellen Organisationsstrukturen nicht mehr greifbar. Wenn man in diesen Tagen mit Journalisten und Politikern über Netzpolitik redet, ist die „Internet-Community“ immer dabei. Man denkt dann immer, die halten “die Internet-Community” für eine Art Gewerkschaft und man selbst ist für sie sowas wie ein Sprecher dieser “Gemeinde”. Es ist dann immer schwierig, diesen zu erklären, dass es sich um Menschen handelt, die ähnlich wie unsere Gesellschaft äußert vielfältig und wenig organisiert sind. Bisher tauchen diese Ad-Hoc Koalitionen vor allem rund um Themen der Netzpolitik so massiv auf. Das liegt wahrscheinlich daran, dass viele Knotenpunkte in diesen neuen Öffentlichkeiten ein besonderes Bewusstsein dafür haben, gut vernetzt sind und nur sich nur wenige traditionelle Organisationsstrukturen dieses Themas annehmen. Das wird sich aber ändern. Schon 70 Prozent der Bevölkerung nutzt das Internet und immer mehr Bürger werden sich zu anderen Themen vernetzten und ihre Anliegen artikulieren.

Und man fragt sich, wie das damals war, als zum ersten Mal Politiker im Fernsehen auftraten. Begrüßten diese die Zuschauer mit den Worten „Liebe Fernseh-Gemeinde?“