William Deresiewicz kommt in einem langen Essay für den Chronicle zu dem Schluss, dass soziale Netzwerke wie Facebook das Ende von Freundschaften bedeuten. Weil ihre digitale Variante viel zu leicht zu pflegen sei, keiner Mühe gegenseitiger Versicherungen und Dienste bedürfe, verkäme sie im Netz schnell zu einem bloßen Zeitvertreib.
Diese These entbehre nicht der schönen Gedanken, wie Kate Harding auf Broadsheet bei Salon.com bemerkt. Doch die Schlussfolgerung von Deresiewicz Analyse, die bei Achillis und Patroclus anfängt, sei dann doch ziemlich kurz gedacht und spekulativ.
Ich kann es nicht mehr hören: Man sollte vorsichtig sein mit seinen Facebook-Freundschaften. Man sollte seine Nacktbilder nicht jedem zeigen, der im Netz unterwegs ist. Man sollte auch den Ex-Freund nicht auf Facebook stalken, wenn man auf der anderen Seite nicht verkraften kann, wenn er mit der Nächsten chattet. Und schon gar sollte man nicht im Vollrausch ein Posting darüber verfassen, dass der Chef der größte Trottel der Firma ist, nicht einmal aus Wahrheitsliebe.
Jede Menge kluger Analysen wurden schon verfasst darüber, wie soziale Netzwerke den Begriff „Freund“ entwerteten und dass man Menschen, die dort Harakiri mit ihrer Privatssphäre begingen, vor sich selbst besser schützen müsse. Das stimmt natürlich. Aber gibt es wirklich einen Menchen, der glaubt, dass das reine Anklicken der Frage „Willst du mein Freund sein“ schon dazu führt, dass da künftig jemand ist, auf den man sich verlassen kann, wenn es brennt, und der für einen da ist, wenn man jemanden an seiner Seite braucht?
Wer kümmert sich eigentlich im analogen Leben um all die armen Seelen, die Freundschaft nicht von Bekanntschaft unterscheiden können, die sich auf Weihnachtsfeiern zum Löffel machen oder bei geöffnetem Fenster so laut und peinlich streiten, bis sie endlich bemerken, dass das Kichern aus der Nachbarwohnung ihren Worten gilt? Auch wenn Kinder auf dem Schulhof gequält und die Handybilder im Netz gezeigt werden – wer glaubt, Quälen und Netz hätten ursächlich miteinander zu tun und seien nicht in Wirklichkeit ein gesellschaftliches Phänomen, er pflegt lediglich eine schlecht verholene Technikfeindschaft.
Man sollte digitale Systeme ernst nehmen, zumal wenn wie auf Facebook so viele Menschen sie benutzen. Aber zwischenmenschliche Beziehungen sind weitaus komplexer, als dass sie sich mit ein paar Einstellungen bei Facebook zerstören oder befördern ließen.