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Wie viele Piraten braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?

Doll war das Ergebnis nicht, zwei Prozent wollte die Piratenpartei bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen holen, mindestens. 1,54 Prozent sind es geworden. Die taz immerhin lobte den Erfolg bei den Jungwählern.

Wie das so ist nach enttäuschten Erwartungen, erheben sich nun Stimmen, die Veränderung fordern. Also gut, eine Stimme, nein, zwei.

Wolfgang Michal bloggte bei Carta einen Antrag für den Bundesparteitag in Bingen am Wochenende. Inhalt: Die Piraten sollten endlich ihren Namen ändern, damit man sie ernst nehmen könne – und damit sie es selbst tun. Führe der Name doch zu einer „naiven Selbsteinschätzung“. Und Witze würden auch schon über die Partei gerissen.

„Es wäre für das Land von Vorteil, wenn die siebtgrößte deutsche Partei endlich wahrgenommen würde als eine Gruppierung, welche die Chancen und Risiken der Digitalisierung mit einem noch viel wichtigeren Thema zu verknüpfen weiß: der Entwicklung und Gefährdung demokratischer Gesellschaften.“

„Digitale Demokraten“ wünscht sich Michal als Titel, was andere umdeuten zu DDP – Digitale Demokratische Partei. Das aber klingt sehr nach einer Schwesterpartei der Freien Demokraten, vulgo FDP. Die immerhin entstand unter anderem aus der Deutschen Demokratischen Partei – DDP.

Ehrlich wäre es wahrscheinlich, immerhin gibt es den Vorwurf schon länger, die Piraten wären so was wie die FDP für Nerds. Ob es aber wirklich hilft, neue Wähler zu begeistern? Die Umfragewerte der FDP sind auch nicht gerade prima. Ganz zu schweigen von der Haltung der eigenen Mitglieder, gelten die Liberalen unter denen doch als „Umfallerpartei„.

 

Sozial ist nicht gleich doof

Glaubt man den Kulturpessimisten, dann ist man in sozialen Netzwerken immer nur so klug wie seine klügsten Freunde. Was bedeuten würde, dass wir bald alle ziemlich dämlich werden. Hat Facebook doch immerhin seine Verlinkungsmöglichkeiten nun auch auf andere Seiten im Netz ausgeweitet.

Wer nur noch liest, was ihm seine Freunde empfehlen, so die These, wer also nur noch auf festgetrampelten Pfaden durchs Netz stromert, und nur CDs kauft, die ihm Amazon empfiehlt, der lebt ein Leben frei von Zufällen. Und der wird auch den Zeitungsartikel auf Seite 17 nicht mehr lesen, auf den er vorher nur gestoßen ist, weil er zufällig neben der Plattenrezension stand, die ihn ursprünglich interessierte. Diese Fokussierung könnte weitreichende Folgen für das Leseverhalten aller eifrigen Netzwerk-Nutzer haben, glauben die Pessimisten. Jeder Fernseh-Zapper wäre demnach weltoffener als ein Mensch, der seinen morgendlichen Medienkonsum im Netz, genauer gesagt, bei Facebook startet.

Doch kann man dieser These auch getrost widersprechen. Zum Beispiel mit einer Studie des amerikanischen Marktforschsunternehmens Edelmann, derzufolge Menschen im Netz ihren Freunden immer weniger vertrauen. In seinem jüngsten „Trust Barometer“ hat Edelmann nur noch magere Zustimmungsraten zu der Aussage gefunden: „Ich vertraue meinen Freunden als glaubwürdige Quelle für Informationen über ein Unternehmen“. Die Zustimmung sank von 45 Prozent im Jahr 2008 auf nurmehr 25 Prozent. Zwar ging es in der Frage um Unternehmen. Aber wenn ich nicht glaube, dass meine Freunde die richtige Biermarke mögen, wie sollte ich dann erst ihren Urteilen über guten Journalismus vertrauen?

 

Facebook handelt verantwortungslos

„Die Verantwortung für die veröffentlichten Informationen muss beim Nutzer liegen“, sagt Richard Allan, Europalobbyist von Facebook im Interview mit stern.de. Er findet, die Quellen der Daten seien die Nutzer und nicht das Netzwerk.

Doch so einfach kann man sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Facebook ist Betreiber einer Plattform, deren Nutzer Daten über sich und andere preisgeben können. Wer eine solche Plattform betreibt, kann sich nicht darauf berufen, dass alle Verantwortung ausschließlich beim Nutzer liege. Wer einen Kinderspielplatz baut, muss für die Sicherheit der Spielgeräte sorgen. Wer wie die Polizei mit scharfen Waffen hantiert, muss sicherstellen, dass niemand sonst sie in die Finger bekommt. Verkehrssicherungspflicht heißt so etwas. Doch wer ein Soziales Netzwerk eröffnet, für den soll das nicht gelten, der muss keine Verantwortung übernehmen? Das kann und darf nicht sein.

Hier ein paar Beispiele:
– Facebook speichert Daten von Personen, die keinerlei Beziehung zu Facebook haben.
– Facebook möchte Standortdaten auch ohne Zustimmung erheben.
– Facebook hat mit einer Umstellung im Dezember die Datenschutzeinstellungen von Millionen Nutzern über den Haufen geworfen (und so Öffentlichkeit wider Willen hergestellt).
– Facebooks Standardeinstellungen sind extrem offen.

Nun geht es nicht darum, Menschen davor zu schützen, ihren digitalen Exhibitionismus auszuleben. Nur: das sollte jeder frei entscheiden können. Die extrem datenschutzfeindlichen Voreinstellungen bei Facebook sind verantwortungslos. Neue Nutzer können sich auf einer Plattform noch nicht auskennen. Sie müssen zuerst einmal geschützt werden, damit sie verstehen lernen können, was Öffentlichkeit auf solch einer Plattform bedeuten kann („privacy as a default“). Wenn Richard Allan sagt, dass man „mehr als alle anderen Internetfirmen getan [habe], um Nutzer aufzuklären“, dann ist das blanker Hohn. Das Gegenteil ist der Fall: Facebook lässt Menschen wissentlich ins offene Messer laufen.

Natürlich haben auch die Nutzer Verantwortung für das, was sie auf diesen Plattformen tun. Nur weil bei Sozialen Netzwerken ein Login-Button einen abgeschlossenen Raum suggeriert, heißt das noch lange nicht, dass man eine Zone außerhalb des Internets betreten würde. Jeder muss sich daher überlegen, welche Inhalte ins Netz gehören und welche nicht. Die Faustformeln dafür sind zwei einfache Fragen: Könnte ich damit leben, wenn dieser Inhalt am nächsten Morgen auf der Titelseite meiner Tageszeitung stehen oder im Fernsehen gesendet würde? Und ist dies eine Information, die jemand anderen betrifft? Im ersten Fall gehört es definitiv nicht ins Netz, im zweiten sollte zuvor zwingend eine Zustimmung eingeholt werden.

Privates muss privat bleiben, das ist auch eine Aufgabe der Nutzer. Aber wer vorsätzlich Menschen zur Aufgabe ihrer Privatsphäre verführt und dabei Recht bricht, darf nicht mit Nachsicht rechnen. Er wird seiner Verantwortung nicht gerecht.

Falk Lüke ist Referent für Verbraucherrechte in der digitalen Welt beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Der vzbv informiert über Rechte und Pflichten im Netz unter „Surfer haben Rechte

 

Informieren wir die Enquete

Für die Mitglieder der Enquete-Kommission des Bundestages, die demnächst damit beginnen wollen, die Auswirkungen des Internets auf unser Leben zu untersuchen, hat die Bibliothek des Bundestages eine Leseliste zusammengestellt.

Die Liste enthalte, schreibt der Journalist Matthias Spielkamp vom Blog iRights.info, nur deutsche Texte und es fehlten wichtigen Autoren wie beispielsweise Lawrence Lessig oder James Boyle.

Da könne das Netz doch helfen, findet er und hat ein Wiki aufgesetzt, wo wichtige Texte zum Thema Internet und Gesellschaft gesammelt werden sollen. Hübsche Idee. Damit es für die deutschen Parlamentarier nicht zu schwer wird, bittet er darum, so möglich, auf deutschsprachige Übersetzungen zu verweisen. Bis Ende Mai will er die neue Liste der Bundestags-Bibliothek übergeben.

Wie viel davon dann auf der Leseliste der Kommission landet? Das hängt davon ab, wie aufgeschlossen sie solchen Vorschlägen aus dem Netz ist. Immerhin hat sie angekündigt, dass man eine „breite Partizipation“ wünsche.

 

Wer hat Angst vor Ilse Aigner?

Wenn das nicht zum Fürchten ist: Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner droht dem 400-Millionen-Nutzer schweren Sozialen-Netzwerk-Anbieter Facebook damit, ihren Account dort zu löschen, falls Facebook nicht seine Datenschutzrichtlinien überarbeitet. Funktioniert Politik jetzt neuerdings nach dem Beleidigtsein-Prinzip?

Damit kein Missverständnis entsteht, die Forderungen Aigners sind berechtigt und Verbraucherschützer stehen dabei voll hinter ihr. Immerhin wolle Facebook beispielsweise jeden Datenschutz am liebsten per „opt-out“ regeln, es also der Fähigkeit der Nutzer allein überlassen, sich zu schützen, wie Falk Lüke vom VZBV-Projekt „Surfer haben Rechte“ sagt. Auch die Weitergabe von Daten Dritter ohne deren Einverständnis „geht gar nicht“.

Allerdings, auf dem Schulhof kann man Streitigkeiten vielleicht nach dem Muster beilegen: „Du hast mich geärgert! Jetzt will ich von dir nichts mehr wissen!“ Ist das aber wirklich ein probates Mittel, um ein datenschutzignorantes US-Unternehmen zur Räson zu bringen?

Eher nicht. Von politisch Verantwortlichen darf mehr erwartet werden. Sie sollten eigentlich wissen, welche Instrumente ihnen zur Verfügung stehen. Natürlich kann Ilse Aigner wie Lieschen Müller agieren und einfach ihr Privatkonto kündigen. Als Politikerin könnte sie aber auch die politische Geschäftsgrundlage in Frage stellen. Etwa das Safe-Harbor-Abkommen, dem Facebook beigetreten ist.

Abgeschlossen wurde das Abkommen nach zähen Verhandlungen vor einem Jahrzehnt zwischen der EU und den USA. Es soll garantieren, dass personenbezogene Daten von Europäern von amerikanischen Unternehmen nur dann verarbeitet werden, wenn diese vergleichbare Datenschutzstandards einhalten wie europäische Firmen. Vermutlich hat die Verbraucherministerin von dem Abkommen aber noch gar nichts gehört.

Das kann daran liegen, dass es in der Praxis so bedeutungslos ist. Ein Gutachten des US-Beratungsunternehmens Galexia mit dem Titel „The US Safe Harbor – Fact or Fiction?“ zeigte vor einiger Zeit die Wirkungslosigkeit des Abkommens: So behaupteten 206 Unternehmen, Mitglied von Safe Harbor zu sein, die es gar nicht waren. Andere zeigten das Logo des Abkommens auf ihrer Seite, erfüllten aber gar nicht die dazu notwendigen Bedingungen. Insgesamt brachten nur 348 Unternehmen die Mindestvoraussetzungen. Trotzdem ist bislang nur ein einziges Unternehmen wegen Falschangaben verurteilt worden – jedoch ohne Sanktionen erdulden zu müssen.

Ein Abkommen also, das nicht viel bringt. Würde Europa es kündigen, könnten amerikanische Firmen nicht mehr ohne weiteres Daten von Europäern verarbeiten. Buchhändler Amazon beispielsweise geriete ziemlich schnell in Schwierigkeiten, Facebook müsste für Europa eine eigene Plattform schneidern, um legal Anzeigen vermarkten zu können, Google ebenso.

Was also läge näher, als dieses letztlich wertlose Abkommen in Frage zu stellen – und in darauf folgenden Verhandlungen die Spielregeln auf transatlantischer Ebene neu zu definieren? Das wäre kein ahnungsloses Schulhofgeplänkel mehr, sondern reale Politik.

 

Die unsichtbaren Verbindungen

Schon älter, aber deswegen nicht weniger wahr: Cory Doctorow über social media. Es gebe viele Dinge, über die man sich bei Entwicklungen wie Facebook, Twitter oder MySpace Sorgen machen könne.

„They are Skinner boxes designed to condition us to undervalue our privacy and to disclose personal information. They have opaque governance structures. They are walled gardens that violate the innovative spirit of the internet.“

Sie deswegen aber für unsinnig oder totgeweiht zu halten, sei nicht unbedingt schlau.

„But to deride them for being social, experimental and personal is to sound like a total fool.“

Denn letztlich bedienen sie ein Grundbedürfnis.

„The real value of Twitter et al is to keep the invisible lines of connection between us alive.“

 

Push für die Netzpolitik

Eigentlich müsste man sich als Netzbürgerin ja freuen, wenn sich der Deutsche Bundestag eingehender mit den Themen auseinandersetzen will, die alltäglich die Netizens umtreiben.  Die 14 Politiker und 3 Politikerinnen der Enquête-Kommission für „Internet und digitale Gesellschaft“ werden sich von Experten beraten lassen – und haben dafür auch schon eine Art Fahrplan aufgestellt. Die Themen klingen alle ganz vernünftig. Doch wie offen werden sich die Politiker tatsächlich für Beratung zeigen?

Die gesammelten RSS-Feeds derjenigen, die überhaupt im Netz aktiv sind – dazu gehört leider nicht der des Vorsitzenden der Kommission, Herrn Axel E. Fischer, der über eine Website ohne RSS-Feed verfügt – lassen vermuten, dass der Beratungsbedarf doch immens ist.

Die wenigsten scheinen sich bislang wirklich dediziert mit den Befindlichkeiten der Netizens auseinandergesetzt zu haben, geschweige denn ein Gespür dafür zu besitzen, wie etwa Kommunikation per Twitter funktioniert. Twitter wird, wie schon im Wahlkampf zu beobachten war, von den meisten als Push-Medium begriffen (was es natürlich unter anderem auch ist) und weniger als Dialog-Medium.

Dialog könnte ja heikel sein: Man könnte schnell mal auf Positionen festgeklopft werden, die man später vielleicht lieber nicht mehr einnehmen möchte. Weil die Partei inzwischen einen anderen Kurs eingeschlagen hat. Aber für heikle Positionen gibt es in der Enquête ja auch die Experten. Dort kann man diejenigen von ihnen zu Gehör kommen lassen, die der gefühlten Parteilinie am nächsten stehen. Und die anderen getrost marginalisieren oder gleich ganz ignorieren.

Moment! Was passiert aber, wenn man einen 18. virtuellen Experten bzw. die Mitsprache aus dem Netz zulässt? Ändern sich dann nicht die eingeübten Zuweisungsspielchen? Denn man kann ja nicht die „Netizens“ samt und sonders einer Partei zuordnen. Oder etwa doch?

Die Ausarbeitung der Spielregeln für die Kommunikation mit dem 18. Experten dürfte daher wohl zur Nagelprobe nicht nur für das Netzverständnis, sondern auch für das Politikverständnis der Enquête werden. Wenn die Abgeordneten mit dem 18. Experten so kommunizieren wie sie twittern, dann wäre das ein Armutszeugnis netzpolitischer Bildung. Denn Netzpolitik braucht mehr als nur Push-Kommunikation, sie braucht das Gespräch, sie braucht einen echten Dialog, der auch unangenehme Wahrheiten verträgt.

 

Datenbrief? Löschen!

Da denkt sich ein netzverrückter Hackerverein einen interessanten Weg aus, um eines der drängendsten Probleme der digitalen Welt lösen zu helfen und was steht dann darüber in dem kooperativen Netzprojekt überhaupt? Eine ausführliche Erläuterung?

Nicht wirklich.

„Dieser Artikel wurde zur Löschung vorgeschlagen. Begründung: Anhaltende öffentliche Rezeption nicht vorhanden oder zumindest nicht im Artikel dargestellt.“

Vielleicht ändert sich das jetzt ja noch.

Update: Ja, das hat sich geändert. Der Löschvermerk ist weg, der Artikel ausgebaut. Danke.