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Von der Demokratiezone zur Kriegszone

Erinnert sich noch jemand an die „Greater Middle East Initiative“? Wahrscheinlich nicht. Es ist jedoch an der Zeit diesen großen Plan des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush in Erinnerung zu rufen.  Bush und seine Männer wollten mit dieser Initiative den Bogen islamischer Länder „aufschließen“ – von Marokko über Ägypten, Irak, Iran und Afghanistan bis nach Pakistan sollten  blühende demokratische Landschaften entstehen. Das Mittel dazu war das Militär. Der mit Gewalt von Saddam Hussein befreite und demokratisierte Irak sollte der erste Schritt sein. Der Rest, so die Überlegung der Männer um Bush, würde dem leuchtenden Beispiel folgen. Denn wer, das der zentrale Gedanke, will nicht in Freiheit leben?

Die Nachrichten aus dem „Greater Middle East“ allein in dieser Woche sind niederschmetternd – 120 Tote bei einem Bombenschlag in Bagdad am Sonntag; 9 Tote, darunter sechs UN-Mitarbeiter, bei einem Angriff auf eine Gästehaus in Kabul; 80 Tote durch einen Autobombe in der pakistanischen Grenzstadt Peshawar;  Aus der imaginierte Demokratiezone ist eine sehr reale Kriegszone geworden.

 

Ein harter Schlag

Heute morgen haben Attentäter ein Gästehaus in Kabul attackiert. Dabei kamen neuen Menschen ums Leben, darunter sechs Mitarbeiter der UN. Vom Standpunkt der Taliban ist es eine Erfolg. Sie haben gezeigt, dass sie mitten im Herzen der Haupstadt Kabul zuschlagen können, in dem Stadtviertel Shar-e-Now, das von afghanischen Sicherheitskräften schwer bewacht wird.

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Militärpolizist im Kabuler Viertel Shar-e-Now@Ulrich Ladurner, Kabul Oktober 2009

 

Die Attentäter habe mit der UN eine „weiches“  Ziel getroffen. Nach diesem Anschlag wird die UN sich noch weiter hinter Schutzmauern zurückziehen. Die Distanz zu der afghanischen Zivilbevölkerung wird weiter wachsen.

 

Rücktritt eines Kriegers

Matthew Hoh ist keine Friedensaktivist. Er selbst sagt von sich: „“I’m not some peacenik, pot-smoking hippie who wants everyone to be in love!“ Und über Al Kaida und die Taliban in Afghanistan sagt er: „“There are plenty of dudes who need to be killed.“ Hoh diente als Captain der Marines in Irak und er war bis vor kurzem eine der wichtigsten US-Beamten in der afghanischen Provin Zabul, einer Hochburg der Taliban. Mit anderen Worten: Hoh ist ein genau der Typ auf den die Regierung Barack Obama setzt, um Afghanistan doch noch zu gewinnen. Doch Hoh ist nun zurückgetreten.

Er hat seinen Rücktritt in einem lesenswerten vierseitigen Brief begründet. Eines der zentralen Argumente Hohs: Mehr Soldaten bringe nichts, denn das würde nur die Aufstandsbewegung befeuern. Man müsse, im Gegenteil, die Truppenpräsenz reduzieren.

Hoh hat es sich nicht leicht gemacht, das erkennt man in jeder Zeile seines Briefes. Eines der Schlüsselerlebnisse hatte er im Korengaltal. Dort war er vom US-Generalstabschef entstandt worden, um eine Antwort auf die Frage zu finden, warum Us-Soldaten seit Jahren in diesem Tal kämpften und Verluste erlitten. Hoh fand eine für ihn schockierende Antwort: „“I realized how localized the insurgency was. I didn’t realize that a group in this valley here has no connection with an insurgent group two kilometers away. That’s really what kind of shook me. I thought it was more nationalistic. But it’s localism. I would call it valley-ism“

Zur Lage im Korengaltal empfehle ich die Geschichte von Elizabeth Rubin

 

Was der Krieg kostet

Sollten Sie sich in Zukunft fragen, was der Krieg in Afghanistan kostet, dann gibt es eine einfache Formel: 1000 US-Soldaten in Afghanistan kosten rund 1 Milliarde Dollar jährlich. Das sind Zahlen des Pentagon. Derzeit haben die USA 68.000 Soldaten stationiert, das macht rund 68 Milliarden. Der Nato-Oberbefehlshaber, Stanley McChrystal, will noch mal 40.000 Soldaten. Das macht weitere 40 Milliarden Dollar.

 

Was uns Afghanistan lehrt

1.) Afghanistan ist kein Land in dem man so etwas wie einen Sieg erringen kann. Darum sollte man aufhören von Sieg oder Niederlage zu reden. Mit Afghanistan kann man nur eine mehr oder weniger guten modus vivendi finde – freilich gilt das auch umgekehrt.

2.) Der Westen ist in Afghanistan an die Grenzen seiner Macht gestoßen

3) Soldaten sind nicht für den Wiederaufbau von „failed states“ geeignet.

4) Der Westen ist nicht unersetzlich

 

Obama, der Krieger

Mit Blick auf den Krieg in Pakistan, mit Blick auf den Krieg in Afghanistan möchte ich eine Artikel hier noch einmal vorstellen, den ich zum Amtsantritt Obamas geschrieben habe. Er trägt den Titel Obama, der Krieger.  Dazu möchte ich Ihnen noch den Artikel von Garry Wills ans Herz legen, der am 8.10.2009 in der New York Review of Books erschienen ist.

 

Reisenotizen Kabul, neun

Garten2
Wärter im Garten Baburs@Ladurner Ulrich, Kabul, Oktober 2009

Als der erste Mogulherrscher Babur 1530 im indischen Agra starb, wünschte er sich nichts mehr als in Kabul begraben zu liegen, der Stadt, die er wegen seiner Schönheit über alles liebte. Die Leiche Baburs wurde 1544 aus Indien überführt und seither liegt sie hier begraben, unter einem schlichten Stein aus Marmor, in dem riesigen Garten, der sanft zur Stadt hin abfällt und den Babur selbst angelegt hatte, als ein Abbild des Paradieses. Es ist gut über Baburs Garten zu sprechen, wenn immerzu nur vom Krieg die Rede ist, von Bombenangriffen, Selbstmordattentaten und all dem anderen blutigen Geschäft. Baburs Garten schenkt den Afghanen das Gefühl, dass das Leben auch was anderes zu bieten hat als den Schrecken, den sie seit Jahrzehnten gewohnt sind. Er schenkt ihnen eine Form Sicherheit, die ihnen Waffen nie geben könnten. Auf diesem Gedanken fußt die Arbeit der Agha Khan Stiftung, die sich seit 2002 – unterstützt mit Geldern des Deutschen Außenministerium – um die Renovierung des arg in Mitleidenschaft gezogenen Gartens kümmert – erst vor kurzem ist er den Afghanen zur Verwaltung übergeben worden. Jetzt müssen sie sehen, dass sie dieses Juwel bewahren können. Wer nach Kabul kommt, hat Bilder im Kopf von kriegerischen, wilden Afghanen, den unbezähmbaren Stämmen, die sich wieder daran machen, den letzten Besatzer ihres Landes, die Nato, aus dem Land zu werfen. In Baburs Garten aber liegen die wilden Männer im Gras, lachen, tratschen, zwitschern wie die Vögel in den Bäumen, grüßen und wild an ihnen ist nur die Lust am Leben, und manchmal natürlich auch die Art wie sie ihren Müll entsorgen, nämlich gar nicht. Doch Wächter sind schnell zur Stelle, streng achten sie darauf, dass der Garten sauber bleibt. Der Ehrgeiz mit dem sie zu Werke gehen, ist nicht zu übersehen, selbst der Mann am Schalter, wirkt so feierlich ernst als würde er Karten für die Pariser Oper verkaufen. Baburs Garten ist ein Spiegel. Er vergibt den Afghanen keine Unzulänglichkeiten, und er beschenkt sie mit der Gewissheit, dass sie selbst in der Lage sind, sich das Schönste zu bewahren. Das macht sie sicher.

 

Reisenotizen Kabul, acht

Stadtansichtkbaul
Kabul am Abend@Ulrich Ladurner, Kabul, Oktober 2009

Das ist Kabul. Die Stadt hatte nach dem Sturz der Taliban im Herbst 2001 rund 800.000 Einwohner.  Heute sind es geschätzte vier Millionen. Und hier sind eine paar Gesichter dieser vier Millionen Menschen.

Straßen
Frauen warten auf einen Kleinbus@Ulrich Ladurner, Kabul, Oktober 2009

Kind1
Die zehnjähirge Fatima@Ulrich Ladurner, Kabul, Oktober 2009

 

Selbstmordattentäter

Das Selbstmordattentat in Afghanistan ist angeblich eine neues Phänomen. Afghanen sind keine Selbstmörder. So lautet die Annahme. Die Tatsache, dass es Selbstmordattentäter in Afghanistan gibt, nehmen deshalb viel Analysten als Beweis für die Anwesenheit von Al Kaida.  Diese Terrorganisation habe diese Form des Kampfes perfektioniert – und nach Afghanistan importiert. Doch nun lese ich in einem Buch Gregory Feifer,  dass es  schon in den achtziger Jahren in Afghanistan das eine oder andere Selbstmordattentat gegen die sowjetischen Besatzer gegeben hat. Wenn das stimmt – und es sieht danach aus -, dann sind Selbstmordattentate kein exklusives Kampfmittel von Al Kaida.  Die Tatsache, dass sich Menschen in die Luft sprengen und andere mit in den Tod reißen, ist keine Beweis für die Anwesenheit von Al Kaida.