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Sowjetische Erinnerung

„There is no piece of land in Afghanistan that has not been occupied by one of our soldiers at some time ora another. Nevertheless much of the territories stays in the hands of the terrorists. We control the provincial centers, but we cannot mantain the political control over the territory we size.

Our soldiers are not to blame. The fought incredibily bravely in adverse conditions. But to occcupy towns and villages temporarily has little value in such a vast land where the insurgents can just disappear into the hills. We need more soldiers. Without them, without a lot more men, this war will continue for a very, very long time“

Das klingt als wären es Worte des amerikanischen Generals, Stanley McChrystal, der Kommandant der Nato in Afghanistan, der von seinem Präsidenten 40.000 Soldaten mehr fordert. Doch sind dies die Worte des Generals Sergej Akhromejew,  Kommandant der sowjetischen Truppen in Afghanistan. Akhromejew sagt dies alles zum Politbüro der Sowjetunion – am 13. November 1986.

 

Von der Demokratiezone zur Kriegszone

Erinnert sich noch jemand an die „Greater Middle East Initiative“? Wahrscheinlich nicht. Es ist jedoch an der Zeit diesen großen Plan des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush in Erinnerung zu rufen.  Bush und seine Männer wollten mit dieser Initiative den Bogen islamischer Länder „aufschließen“ – von Marokko über Ägypten, Irak, Iran und Afghanistan bis nach Pakistan sollten  blühende demokratische Landschaften entstehen. Das Mittel dazu war das Militär. Der mit Gewalt von Saddam Hussein befreite und demokratisierte Irak sollte der erste Schritt sein. Der Rest, so die Überlegung der Männer um Bush, würde dem leuchtenden Beispiel folgen. Denn wer, das der zentrale Gedanke, will nicht in Freiheit leben?

Die Nachrichten aus dem „Greater Middle East“ allein in dieser Woche sind niederschmetternd – 120 Tote bei einem Bombenschlag in Bagdad am Sonntag; 9 Tote, darunter sechs UN-Mitarbeiter, bei einem Angriff auf eine Gästehaus in Kabul; 80 Tote durch einen Autobombe in der pakistanischen Grenzstadt Peshawar;  Aus der imaginierte Demokratiezone ist eine sehr reale Kriegszone geworden.

 

Rücktritt eines Kriegers

Matthew Hoh ist keine Friedensaktivist. Er selbst sagt von sich: „“I’m not some peacenik, pot-smoking hippie who wants everyone to be in love!“ Und über Al Kaida und die Taliban in Afghanistan sagt er: „“There are plenty of dudes who need to be killed.“ Hoh diente als Captain der Marines in Irak und er war bis vor kurzem eine der wichtigsten US-Beamten in der afghanischen Provin Zabul, einer Hochburg der Taliban. Mit anderen Worten: Hoh ist ein genau der Typ auf den die Regierung Barack Obama setzt, um Afghanistan doch noch zu gewinnen. Doch Hoh ist nun zurückgetreten.

Er hat seinen Rücktritt in einem lesenswerten vierseitigen Brief begründet. Eines der zentralen Argumente Hohs: Mehr Soldaten bringe nichts, denn das würde nur die Aufstandsbewegung befeuern. Man müsse, im Gegenteil, die Truppenpräsenz reduzieren.

Hoh hat es sich nicht leicht gemacht, das erkennt man in jeder Zeile seines Briefes. Eines der Schlüsselerlebnisse hatte er im Korengaltal. Dort war er vom US-Generalstabschef entstandt worden, um eine Antwort auf die Frage zu finden, warum Us-Soldaten seit Jahren in diesem Tal kämpften und Verluste erlitten. Hoh fand eine für ihn schockierende Antwort: „“I realized how localized the insurgency was. I didn’t realize that a group in this valley here has no connection with an insurgent group two kilometers away. That’s really what kind of shook me. I thought it was more nationalistic. But it’s localism. I would call it valley-ism“

Zur Lage im Korengaltal empfehle ich die Geschichte von Elizabeth Rubin

 

Reisenotizen Kabul, acht

Stadtansichtkbaul
Kabul am Abend@Ulrich Ladurner, Kabul, Oktober 2009

Das ist Kabul. Die Stadt hatte nach dem Sturz der Taliban im Herbst 2001 rund 800.000 Einwohner.  Heute sind es geschätzte vier Millionen. Und hier sind eine paar Gesichter dieser vier Millionen Menschen.

Straßen
Frauen warten auf einen Kleinbus@Ulrich Ladurner, Kabul, Oktober 2009

Kind1
Die zehnjähirge Fatima@Ulrich Ladurner, Kabul, Oktober 2009

 

Kabul-Mogadischu

Barack Obama muss in diesen Tagen entscheiden, ob er mehr Truppen nach Afghanistan schicken wird, so wie es seine Oberbefehlshaber, Stanley McChrystal, verlangt. Bis zu 40.000 Soldaten will McChrystal haben. Gegen dies Vorschlag wadte sich Us-Vizepräsident, Jo Biden. Er setzt auf eine Politk  des „leichten Fußabdruckes“ Mit anderen Worten: Biden möchte Truppen aus Afghanistan abziehen und den Kampf gegen Al Kaida aus der Luft mit unbemannten Drohnen und mit wenigen Spezialeinheiten fortsetzen.

Diesen Vorschlag Bidens kritisiert der Sicherheitsexperte Richard Bennet in einem Artikel, den er für für das Magazin Foreign Policy geschrieben hat – es ist ein lesenswerter Beitrag. Bennet glaubt, dass eine Politik des „leichten Fußabdrucks“ bereits in den neunziger Jahren in Somalia angewendet wurde. Die Amerikaner zogen sich dort zurück, nachdem sie Verluste erlitten hatten. Sie verließen sich auf Raketen und in jüngster Zeit auch auf Spezialeinheiten, , um Somalia zu „kontrollieren“. Die Ergebnisse, so Bennett, sind bekannt: eine islamistische Radikalisierung in Somalia, Piraterie in den Küstengewässern, ein Zusammenbruch jeder staatlichen Autorität. Genau das und noch schlimmeres würde geschehen ,wenn man sich aus Afghanistan zurückzöge, meint Bennet.

Benetts Somaliavergleich ist interessant, doch geht er von einer Annahme aus, die mir sehr fraglich erscheint:  dass eine Politik des „schweren Fußabdrucks“ Somalia und auch Afghanistan stabilisieren könnte – dass also der Westen im weitesten Sinne in beiden Fällen die Macht hätte, wenn er nur wollte, die Probleme zu lösen. Das ist, wie ich finde, eine Form der Selbstüberschätzung.

Diese Selbstüberschätzung aber bringt eine gefährliche Entwicklung mit sich.  Jede Instabilität in irgendeinem Land interpretiert sie als Angriff auf die westlichen, sprich amerikanischen Interessen. Das führt zu einer Militarisierung der Außenpolitik. Zu diesem Thema empfehle ich wärmstens das Buch von Andrew Bacevich.

 

Reisenotizen Kabul, drei

Afghanfilm
@Ladurner Ulrich, Kabul, September 2009

Das ist Herr Sultan Istalifi. Er ist Laborchef bei den Filmstudios von Afghan-Films in Kabul. In den Studios wird seit Jahren nicht mehr gearbeitet, weil die Maschinen beschädigt sind. Im Prinzip aber könnten hier Schwarz-Weiß-Filme produziert werden.

Als ich Herrn Sultan Istalifi bitte, sich an die Filmdruckmaschine zu stellen, damit ich ein Foto machen kann, sagt er trocken: „Ich habe schon einmal genau hier für ein Foto posiert. Das war vor vierzig Jahren. Damals kamen die Maschinen gerade aus Amerika. Die Amerikaner wollten eine Erinnerung haben“

Vierzig Jahre später, dasselbe Erlebnnis. Die Maschine sieht tadellos aus, Herr Istalifi auch, nur ist er etwas grauer und schmächtiger geworden, und die Maschine wird, wenn man sie einschaltet, von einem Husten geschüttelt, aber ansonsten ist sie immer noch kräftig gebaut.

Afghanfilm2
@Ladurner Ulrich, Kabul, September 2009

 

Reisenotizen aus Kabul, eins

Heute morgen bin ich in Kabul gelandet, mit Safi-Airways. Die Linie bietet eine Direktflug aus Frankfurt an. Es ist der dritte Tag des Eid-Festes, das den Fastenmonat Ramadan beschließt. Die Straßen sind „sonntäglich“ ruhig. Auf dem Weg in das Zentrum passieren wir die Stelle an der am Freitag vergangener Woche sich ein Attentäter in die Luft sprengte und sechs italienische Soldaten und zehn afghanischen Zivilisten tötete. Der Krater im Asphalt ist provisorisch mit Kies zugeschüttet. Ansonsten erinnert nichts mehr an die Tat, vielleicht noch die zahlreichen Uniformierten, die am Wegesrand ihre Waffen zeigen.
Vom Ort des Anschlags sind es nur wenige Meter zu dem Massud-Kreisel. Das ist ein Platz, dessen Geschichte der viel sagt über die politische Lage in Afghanistan. In der Mitte des Kreisels steht eine Säule, die einem Obelisk ähnelt. Sie ist Schah Achmad Massud gewidmet, dem tadschikischen Krieger aus dem Panschirtal. Achmad Massud galt als „unbesiegbar“. Weder die Rote Armee noch die Taliban konnten ihn besiegen und sein Panschirtal unter Kontrolle bringen. Dieses Tal liegt ungefähr eine Autostunde von Kabul entfernt. Man erreicht es nur über einen engen, schluchtartigen Zugang, durch den der Fluß Panschir braust.
Massud kam am 9. September 2011 durch eine Attentat ums Leben, wahrscheinlich hatte Al Kaida-Chef, Osama bin Laden, den Auftrag gegeben. Zwei Tage später krachten die Zwillingstürme des World Trade Center zusammen. Massud galt vielen im Westen, insbesondere in Frankreich, als der „gute“ Kriegsherr. Dabei waren seine Männer genauso grausam wie die der anderen Kriegsherren. Doch Massud diente als Projektionsfläche aller möglichen westlichen Sehnsüchte.

Nachdem die Taliban im Herbst 2001 überstürzt Kabul verließen, kamen die Panschiris, die Teil der siegreichen Nordallianz waren, in die Stadt und besetzten in Windeseile die Schaltstellen der Macht. Die Panschiris versuchten Massud als afghanischen Nationalhelden sowie als Helden im Kampf gegen den Al Kaida Terror zu stilisieren. Der Obelisk am Massud-Kreisel ist ein Produkt dieser Mythisierung – allerdings glaube ich nicht, dass sie viel Erfolg hatte. Die Afghanen – insbesondere die Bewohner Kabul – wissen nur zu genau um die Verbrechen, welcher sich die Männer Massud während des Bürgerkrieges der achtziger Jahre schuldig gemacht haben.

 

Sowjetische Szenarien

Vorgänger und Nachfolger?

Omar, karzai
Talibanführer Mullah Omar und Afghanistans Kamid Karzai @Ladurner Ulrich, Mazar-e-Sharif, August 2009

Es ist inzwischen klar, dass die  Präsidentschaftswahlen in Afghanistan massiv gefälscht worden sind. Die Vorwürfe richten sich zu Recht auf den amtierenden Präsidenten Hamid Karzai. Aber dabei geht vergessen, dass auch der Westen ein gerüttelt Maß an Verantwortung hat:  Hätte er die Wahlfälschungen nicht verhindern können? Immerhin waren die Manipulationen im Vorfeld schon weitum bekannt gewesen. Warum hat man geschwiegen? Hatte man die Hoffnung, ein die Situation aussitzen zu können?

Vor allem: Wie soll sich die Nato nun verhalten? Soll sie den Präsidenten Karzai stützen, der eine Wahlfälscher ist? Wie wollen die Regierungen der Nato, ihren Bürgern zu Hause erklären, dass ihre Soldaten sterben sollen, um einen Präsidenten zu schützen, der Wahlen fälschen lässt?

Es gibt keinen Ausweg aus dem Dilemma. Nur eines ist klar: Je länger die Lage unentschieden bleibt, desto mehr verschärft sich die Lage. Die afghanische Regierung ist delegitimiert und dadurch handlungsunfähig. Und Afghanistan kann nur gewonnen werden, wenn der Wiederaufbau und die militärische Kampagne von glaubwürdigen afghanischen politischen Akteuren begleitet wird. Wie sollen die Afghanen an gute Absichte des Westens glauben, wenn sie einen Wahlfälschungen „decken“?

Im November 1986 beschloss das Politbüro der Sowjetunion, die Rote Armee aus Afghanistan zurückziehen. Marschall Sergej Akromeijev beschrieb die Ursache für die Niederlage in einem Satz: „Wir haben den Kampf um das afghanische Volk verloren!“