Die einen sprechen von einer möglichen Fälschung. Die anderen von einer Falle. Viele aber von einem peinlichen Leak und einem Blick in einen unerwarteten Abgrund. In jedem Fall geht es um schlappe 12 Millionen Pfund. So hoch soll angeblich die Vertragsstrafe für WikiLeaks-Mitarbeiter sein, wenn sie Geheimnisse der Leakingplattform verraten. David Allen Green, Law-and-Poltics-Blogger beim Onlinemagazin New Statesman, veröffentlichte gestern ein Confidential Agreement das nach erstem Augenschein alle WikiLeaks-Mitarbeiter unterzeichnen mussten. Der Inhalt: Jede unautorisierte Weitergabe von WikiLeaks-Dokumenten wird mit der Zahlung einer Konventionalstrafe von 12 Millionen Pfund belegt. Was für jeden Julian-Assange-Mitstreiter der blanke Ruin sein dürfte. Die Begründung: Alle Dokumente sind Eigentum von WikiLeaks.
Das eigentliche Thema aber sind nicht die fragwürdige Vorgehensweise, der rüde Ton der Erklärung und der diskutable Besitzanspruch, sondern der Hinweis auf das zentrale Dilemma jeder Leaking-Plattform. Der Konflikt der geforderten Transparenz und der zwangsläufig praktizierten Intransparenz.
Um Informanten zu schützen, muss jede Leaking-Plattform mit einem gewissen Grad der Intransparenz arbeiten. Informationen über Whistleblower sind hochsensibel, ihre Aufdeckung können gravierende Folgen haben, wie der Fall Bradley Manning zeigt. Aber auch mögliche Hinweise auf Art und Umfang noch unveröffentlichter Dokumente oder Standorte von Servern und eingesetzter Technologien können die Arbeit der Leaking-Plattformen gefährden.
Um eine glaubwürdige Auswahl, ein nachvollziehbares Timing der Publikation und vor allem eine breite Veröffentlichung von Whistleblowerdokumenten zu ermöglichen – unabhängig von der Lukrativität ihrer Publikation oder der Gefälligkeit bestimmten Partnern gegenüber – wäre ein transparentes, nachvollziehbares Entscheidungsverfahren der Macher einer Leakingplattform wichtig. Idealerweise könnte ein solches Entscheidungsverfahren von einem pluralen Gremium durchgeführt werden. Was jedoch in der Praxis kaum realisierbar scheint. Wie sollte sich ein solches Gremium zusammensetzen? Etwa Vertreter von Zeitungen und Medienhäusern? Oder Funktionäre des Presserats? Noch besser wären vielleicht Emmissäre unterschiedlicher staatlicher Stellen in Kombination mit Deligierten der Kirchen, Krankenkassen und Gewerkschaften. Cablegate und die War-Logs hätte es nie gegeben. Eine Lösung ist also nicht in Sicht. Und wie schwierig allein die Aufrechterhaltung einer intakten Infrastruktur ist, demonstriert das Beispiel WikiLeaks. Der Upload liegt seit Monaten brach. Trotz aller Erfolge.
Dieses autoritär wirkende Dokument verweist auf eine strenge Hierarchie und ein Business das ziemlich humorfrei funktioniert. Äußerer Druck erzeugt inneren Druck. Es belegt aber vielleicht auch, mit welch harten Bandagen man in den Ring steigen muss, wenn man sich auf der Weltbühne behaupten will.
Update: Im Guardian wird gerade die Echtheit des Dokuments bestätigt.