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Kurz und klein (9): Pakistan-Cables und Whistleblowerausstellung

+++Pakistan-Cables+++

Die in Pakistan erscheinende englischsprachige Zeitung Dawn gehört neuerdings zu den weltweiten Medienpartnern der Enthüllungsplattform WikiLeaks. Nachdem das Blatt kürzlich 4000 us-amerikanische Botschaftsberichte erhalten hatte, berichtete es umgehend über die äußerst umstrittene Rolle des amerikanischen Militärs in Pakistan. Die Meldungen gingen nach der Tötung Bin Ladens natürlich schnell um den Globus. Weniger Reaktionen erhielt eine weitere nicht minder interessante Veröffentlichung. Wie die NZZ berichtet, zeigen weitere US-Depeschen, dass radikal-islamische Schulen in Pakistan jährlich 100 Millionen Dollar erhalten. Das Geld stammt aus Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Für Nachwuchs wird also gesorgt. Und die US-Regierung wäre gut beraten, ihre guten Beziehungen zu der autokratischen Monarchie des vermeintlich Verbündeten Saudi Arabien endlich neu zu organisieren.

+++Whistleblowerausstellung+++

Im Berliner Kunsthaus Tacheles wurde vor wenigen Tagen eine Ausstellung zum Thema Whistleblowing eröffnet. Ausstellungsmacher,  Johannes Ludwig vom Dokumentationszentrum Ans Tageslicht, stellt allem fotografische Portraits der Menschen, also die Whistleblower, in den Mittelpunkt. Wie das Whistelblowing-Netzwerk berichtet, betonte Ludwig bei der Eröffnung vor allem

… die Bedeutung von Whistleblowing für eine demokratische Gesellschaft und die Aufdeckung von Missständen. Die Ausstellung zeigt anhand von mittlerweile bereits 23 Fällen Frauen und Männern, die sich um unsere Gesellschaft verdient gemacht haben. Dabei wird ein breites Spektrum unterschiedlicher Branchen und aufgezeigten Missständen geboten. Von der Altenpflegerin bis zu einem ehemaligen Landesminister. Von der Investmentbankerin und dem Wissenschaftler über einen LKW-Fahrer bis hin zu mehreren Steuerfahndern. Sie alle haben hingeschaut, wo andere wegschauten, den Mund aufgemacht, wo andere schwiegen. Alle eindrücklich ins Bild gesetzt durch einfühlsame Portraits des Berliner Fotografen Petrov Ahner.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 29. Mai und ist täglich von 16 Uhr bis 20 Uhr geöffnet und wurde in Zusammenarbeit mit dem deutschen Whistleblower Netzwerk e.V. realisiert.

 

Gnadenlos

Die Behauptung, Daten seien der Treibstoff des 21. Jahrhunderts ist schick. Überall kursieren kluge Bemerkungen über gesellschaftliche Transformationen aufgrund der Digitalisierung aller Lebensbereiche. Großer Beliebtheit erfreut sich auch die Behauptung, die politischen Revolutionen der Gegenwart und erst recht die der Zukunft würden im Internet erfunden. Und natürlich sind Daten auch das Öl der Volkswirtschaften. Unternehmen wie Facebook, Google oder Skype sind ja die kraftstrotzenden Belege.

Aber ein erheblicher Teil dieser Diskursmasse erscheint manchmal wie das Abfallprodukt einer ganz anderen Konkursmasse. Während in Digitalien fast ausschließlich von der Zukunft die Rede ist – im Bedarfsfall als Utopie oder wahlweise als Dystopie – zeigt sich die Gegenwart von ihrer banalen und hemmungslos brutalen Seite. Kürzlich veröffentlichte WikiLeaks-Dokumente zeigen, dass diverse Nationen das Rennen um die letzten Rohstoffreserven unter dem ehedem ewigen Eis der Arktis längst eröffnet haben. Greenpeace spricht gleich von einem neuen kalten Krieg, den sich die Nationen leisten. Eine steile These.

Aber wer sich vergegenwärtigt, dass Russland 2007 keine bessere Idee hatte, als die russische Flagge unter dem meterdicken Eis der Polkappe zu platzieren und die amerikanische Außenministerin Clinton, vor wenigen Tage auf einer Anrainer-Konferenz nach einigen braven Bemerkungen über die Sorge um die klimatischen Veränderungen und deren Folgen, mit größter Selbstverständlichkeit davon sprach, dass sich ganz wunderbare neue Möglichkeiten für Tourismus, Fischereiwirtschaft und Schiffsverkehr ergeben würden, der wusste, dass der Wettkampf um die letzten Tropfen Öl keine Gnade kennen wird. Und der weiß auch, was von braven Bemerkungen zu halten ist, die davon sprechen, man sei deeply concerned wegen des Klimawandels. Vor allem aber weiß er, dass zwar viel von Daten als neuem Rohstoff die Rede sein kann, aber unter dem Strich noch ganz andere Themen domninieren.

 

Das Scheitern der Anderen

Der Boom ist unübersehbar. Weltweit findet WikiLeaks Nachahmer. Zuletzt war es das alt-ehrwürdige Wall Street Journal, das stolz den Start des eigenen Leakingangebots Safe House verkündete. Aber die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Wer dem potentiellen Whistleblower bereits in  den AGBs damit droht, Informationen über ihn an Dritte wie zum Beispiel die Polizei weiterzugeben, sollte sich über ausbleibenden Erfolg nicht all zu sehr wundern. Und ist schließlich zum Scheitern verurteilt. Das jedenfalls sagt Patrick Beuth in einem lesenwerten Artikel im Magazin Cicero über die Bemühungen zahlreicher Medien, den Zwischenhändler WikiLeaks mit eigenen Schnittstellen für Whistleblower zu neutralisieren. Aber es sind nicht nur diese strategischen Irrtümer die etliche der Anbieter scheitern lassen werden.

Es sind vor allem technische und rechtliche Aspekte, die große Zweifel aufkommen lassen, ob das Wall Street Journal seine Quellen wirklich schützen kann. Oder will. Schon in den Nutzungsbedingungen von Safehouse steht, man behalte sich das Recht vor, alle Informationen über die Whistleblower ohne weitere Warnung an die Polizei oder an Dritte zu übergeben, wenn es rechtlich geboten sei – oder wenn es nötig ist, um die Rechte des Verlagshauses Dow Jones, in dem das WSJ erscheint, und die Interessen anderer zu schützen. Damit dürften die allermeisten potenziellen Informanten bereits gründlich abgeschreckt sein. Dass die Datenübertragung aus verschiedenen technischen Gründen keineswegs so sicher ist, wie die Zeitung behauptet, macht den Ansatz dann schließlich wertlos.

Vor allem aber beklagt Beuth in seinem Artikel, dass den meisten Akteuren, die jetzt auf den Leaking-Zug aufspringen wollen, der Idealismus fehle. Denn der war es, der den WikiLeaks-Machern wie Julian Assange oder seinem früheren Mitstreiter die Energie gab, mit begrenzten Mitteln eine Whistleblower-Plattform aufzubauen. Was aber noch weit wichtiger war, ist und auch zukünftig sein wird, ist Glaubwürdigkeit. Eine Art Zwillingsschwester des Idealismus. Und diese Glaubwürdigkeit sieht der Autor durch das ungeschickte Agieren zahlreicher Medienhäuser massiv in Frage gestellt. Denn einer der wichtigsten Grundpfeiler von WikiLeaks ist trotz aller strukturell bedingter Intransparenz die Glaubwürdigkeit. Anders als Zeitungsredaktionen hat WikiLeaks zum Beispiel eingegangenes Whistleblowermaterail nie nur zur Komposition eigener Geschichten benutzt, sondern immer auch das Rohmaterial veröffentlicht. Und zwar vollständig.

 

Kurz und klein (8): Osama, Atomkraft, Urheberrecht

+++Osama+++
Skrupel gibt es keine. Der Erfolg des Tötungskommandos wird bejubelt. Eine Selbstverständlichkeit. Menschenrechte und internationale Gerichtshöfe gehören in manchen Fällen offenbar zur Völkerrechtsfolklore. Mehr nicht. Während wir uns noch etwas verwundert die Augen reiben, mit welcher Kaltschnäuzigkeit Spitzenpolitiker der sogenannten zivilisierten Welt die gezielte Tötung mit einem Gefühl der Erleichterung empfinden oder von einem Tag der Genugtuung sprechen, berichtet der britische Telegraph, dass der meistgesuchte Terrorist offenbar unter dem Schutz pakistanischer Sicherheitskräfte stand. Immer wenn US-Kommandos ihm zu nahe kamen, scheint der US-Staatsfeind Nummer 1 einen Tipp aus pakistanischen Sicherheitskreisen bekommen zu haben. Das jedenfalls legen US-Botschaftsdepeschen nahe, die WikiLeaks veröffentlichte. Wer solche Freunde im Kampf gegen den Terror hat, braucht keine Feinde.

+++Atomkraft+++
Während sich das Portal für Leaks im Ökobereich, GreenLeaks.com, noch vor wenigen Wochen mit einem Leak zu den juristischen Fragen rund um den Schwenk der Bundesregierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima und dessen Auswirkungen auf das deutsche Wettbewerbsrecht beschränken musste (Stichworte gesetzliche Grundlage, Laufzeitverlängerung), landete die Schweizer WOZ, Die Wochenzeitung, jetzt einen richtigen Coup.
Unter dem Vorwand möglicher Terror- oder Sabotageakte hatten die zuständigen Behörden in der Schweiz, Atomkraftgegnern lange die Einsicht in diverse Akten zu dem umstrittenen Atomkraftwerk Mühleberg verweigert. Nun leakte die WOZ (in etwa die schweizerische Entsprechung der deutschen taz als Wochenzeitung) ihr zugespielte Dokumente (Link zum PDF), die die fragwürdigen Zustände im AKW dokumentieren.

+++Urheberrecht+++
Intellectual Property Action Plan. So nannten einige US-Diplomaten 2007 ein Strategiepapier, mit dem sie die aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände im Nachbarland Kanada ändern wollten. Es ging um das Urheberrecht und dessen vermeintlich zu nachlässige Handhabung beim nördlichen Nachbarn. In ihren Klagen waren die Diplomaten nicht zimperlich und sorgten schon mal dafür, dass Kanada zwischenzeitlich auf der sogenannten Special 301 Liste landete. Eine Art Achse des Bösen in Sachen Copyright. Das berichtet aktuell Ars Technica und verweist auf diverse frisch publizierte Depeschen durch WikiLeaks.

 

Das letzte Lebenszeichen? WikiLeaks und die Guantànamo-Files

Totgesagte leben länger. Angeblich. WikiLeaks jedenfalls hat sich mit einem Lebenszeichen der heftigeren Art zurückgemeldet. Die gerade veröffentlichten Guantànamo-Dokumente sind jedenfalls der berühmte Paukenschlag, mit dem nicht mehr jeder Beobachter der Szene gerechnet hatte. Die Wucht der Veröffentlichung reicht zwar nicht an die Beben heran, die die War-Logs und die US-Botschaftsdepeschen auslösten, aber sie treffen die amerikanische Administration empfindlich. Unschuldige und Kinder sollen im Militärgefängnis gesessen haben. Mit Wissen der Militärs. Der Druck auf Präsident Obama, sein Wahlversprechen, die Schließung Guantànamos doch noch zu halten, wird wieder wachsen. Und das ist wichtig. Sehr wichtig. Und es ist ein Verdienst von WikiLeaks. Auch wenn WikiLeaks offenbar nicht ganz Herr der Lage war in den letzten Tagen. Denn die Veröffentlichung der Guantànamo-Dokumente durch die New York Times und den Guardian war nicht geplant. Jedenfalls beschuldigte WikiLeaks Daniel Domscheit-Berg, den WikiLeaks-Dissidenten und OpenLeaks-Gründer, gestern via Twitter, unbefugterweise Dokumente an die New York Times weitergegeben zu haben.

Aber trotz aller Unfreiwilligkeit, mit der WikiLeaks und Partner jetzt mit ihren Auswertungen der Dokumente an die Öffentlichkeit gehen mussten: WikiLeaks ist wieder in den Medien. Weltweit. Die Washington Post berichtet in ihren Auswertungen über die Strategien der Strategen des 11. September, der Guardian mahnt zur Skepsis und verweist darauf, dass viele Verhörergebnisse unter folterartigen Bedingungen entstanden sind, dass ein Verdächtiger auch schon mal für den britischen MI6 gearbeitet hatte und dass es nur eines verdammt schlechten Timings bedurfte, um schon mal als Terrorverdächtiger in Guantànamo zu landen. The Australian erklärt uns mal ganz nebenbei, dass al-Qaida eigentlich auch einen nuklearen Höllensturm zu entfesseln gedachte. Die New York Times beschäftigt sich mit den Konjunkturverläufen des Terrors nach den Attacken vom 11. September 2001. Alle sind sie wieder da. Und profitieren mit Seite-Eins-Geschichten von der Existenz der Leaking-Plattform.

Die Artikel sprechen vom Terror, von der schwer kalkulierbaren Größe al-Qaida, von der kompromittierten amerikanischen Regierung, und immer auch von WikiLeaks. Die Leaking-Plattform hat es wieder in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit geschafft. Trotz defekter Leaking-Infrastruktur (denn der Uploadmechanismus liegt seit Monaten brach), trotz vielfacher Abgesänge, trotz wachsender Konkurrenz. Und sie hat demonstriert, wie wichtig das Leaken kritischer Dokumente ist. Denn jetzt besteht zum Beispiel wieder Hoffnung, dass die amerikanische Administration Guantànamo doch noch schließen wird und in absehbarer Zeit gezwungen ist, diesen finsteren Teil ihrer Geschichte juristisch aufzuarbeiten.

Die Bedeutung des Leakens jedenfalls ist ein weiteres Mal sichtbar geworden. Bleibt zu hoffen, dass es nicht der letzte Coup war.

 

Existenzängste, Kasernenhöfe und die Stasiakte von Angela Merkel

Der Streit war spektakulär. Daniel Domscheit-Berg, die mutmaßliche Nummer 2 bei WikiLeaks, brach Ende letzten Jahres öffentlich mit WikiLeaks-Gründer Julian Assange.
Was folgte, war die Ankündigung einer neuen Leakingplattform: OpenLeaks.org. Die Ankündigung ist mittlerweile alt geworden. Aber OpenLeaks.org ist im Netz bisher nicht mehr als eine schlichte digitale Visitenkarte. Ein Interview mit Daniel Domscheit-Berg über die Schwierigkeiten beim Neustart, die Psyche von Julian Assange, persönliche Exitenzängste und die Stasiakte von Angela Merkel.

Leaks-Blog:
Ihr Buch trägt den Untertitel „Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt“. Was waren denn die Momente der Angst?

Daniel Domscheit-Berg:
Dieser Untertitel ist eigentlich ein Wortspiel, weil er auf verschiedenen Ebenen funktioniert. Ist eine offene Frage, die ich stelle. Für wen ist das eigentlich die gefährlichste Website der Welt? Für die, die exponiert werden? Für die die beteiligt sind oder vielleicht auch die, die Materialien dort abgeben?
Ich persönlich hatte nicht viele Momente, in denen ich mich bedroht gefühlt habe. Und die Bedrohung kam dann, wenn überhaupt, aus den eigenen Reihen. Da habe ich mich natürlich schon gefragt, auf was habe ich mich hier eingelassen?

LB:
Wie sah eine solche Bedrohungen aus den eigenen Reihen aus?

DDB:
Die beginnt damit, dass man in dem Moment, in dem man vermeintlich aus der Spur schießt, mit der Polizei bedroht wird. Was natürlich keine besonders vertrauensvolle Grundlage für eine Zusammenarbeit ist.

LB:
Was heißt denn aus der Spur schießen? Gab es bei WikiLeaks etwa ein Kasernenhofreglement, das vorsah, wann wer was wie zu tun hatte?

DDB:
Es gab von Julian Assange aus zumindest eine sehr klar definierte Hackordnung, die sich danach richtet, wer wem überlegen ist. Und er ist da an der Spitze. Weil er erfahrener ist als alle anderen und intelligenter. Und er fühlt sich aus diesen Gründen auch immun gegenüber der Kritik anderer. Ist natürlich keine gute Basis. Das ist dann irgendwas zwischen Kasernenhof und Sekte.

LB:
Wie fällt, in aller Kürze, aus Ihrer Sicht, die Charakterisierung von Julian Assange aus?

DDB:
In aller Kürze: Er ist ein Mensch der Extreme. Extrem positive Eigenschaften. Hochintelligent, einer sehr systemischer Denker. Auf der anderen Seite hat er Extreme Schwächen. Zum Beispiel was das Zwischenmenschliche betrifft.

LB:
Viele werfen Ihnen vor, Sie seien nur neidisch auf den enormen Erfolg von Julian Assange.

DDB:
Ich bin eigentlich froh, wenn ich nicht so oft in den Medien präsent bin. Es lässt sich nicht vermeiden, da das was wir tun, eine Relevanz für die Medien hat. Aber ich kann mit tausend andere Dinge vorstellen, die wichtiger sind.

LB:
WikiLeaks ist zwar noch in allen Medien präsent, aber es passiert ziemlich wenig. Zumindest was neue Leaks angeht. Rechnen Sie mit einem Comeback von WikiLeaks?

DDB:
Tja, das ist eine schwierige Frage. Es scheint momentan ziemlich viel um Ankündigungen zu gehen. Es gibt ja viele Drohungen, die ausgesprochen werden. Gegenüber amerikanischen Banken oder dem Murdoch Empire. Aber es passiert halt nichts. Warum nichts passiert, weiß ich nicht. Ich habe zu niemandem mehr Kontakt. Aber ich glaube, man hat sich mit den letzten Veröffentlichungen etwas übernommen. Die Frage ist, was kann da noch kommen? Nach Weltrekorden und so viel Aufmerksamkeit. Interessiert sich da eigentlich noch jemand für die kleinen Geschichten?

LB:
Jetzt haben Sie ja auch bereits vor Monaten den Start von OpenLeaks in Aussicht gestellt. Zwischenzeitlich wurden ja sogar die Screens ihrer Seite geleakt. Auch da passiert nichts.

DDB:
Ich bin manchmal wohl etwas zu optimistisch und habe Dinge in Aussicht gestellt, die wir so nicht halten konnten. Uns ist es wichtig, die Dinge richtig zu machen. Und gerade wenn man einen neuen Ansatz verfolgt, ist es nicht so einfach die Dinge richtig zu machen. Der neue Ansatz ist nicht ganz so trivial umzusetzen. Das braucht einfach Zeit. Es passiert viel. Vor allem im Hintergrund. Auch wenn man das nicht sieht. Ich hoffe, dass jetzt auch in den nächsten Wochen dazu was sichtbar wird. Wir sind dran!

LB:
OpenLeaks hat kein konventionelles Geschäftsmodell. Die Leaks sollen nicht monetarisiert werden. Da fragt man sich, wie soll sich das tragen? Wie trägt es sich aktuell. Bei so einer langen Entwicklungsphase. Wovon leben Sie?

DDB:
Es ist so, wie es auch jahrelang bei WikiLeaks war. Momentan wird alles aus unseren privaten Taschen finanziert. Es gab über den Spendendienst flattr 600 Euro, es gab 1500 Euro in Form von Geldspenden. Aber das ist natürlich nicht besonders viel Geld.

LB:
Wie groß ist denn das Team von OpenLeaks momentan?

DDB:
Wir sind fünf, sechs Leute, die momentan quasi Vollzeit daran arbeiten. Und insgesamt sind wir 12 oder 13.

LB:
Haben Sie da keine Existenzängste? Da investieren Sie über Monate Arbeit in ein Projekt, das nicht einmal ein Geschäftsmodell hat? Wie machen Sie das? Was sagt denn da eigentlich Ihre Familie?

DDB:
Wir haben ein Geschäftsmodell. Wir haben eine Idee, wie das alles finanziert werden soll. Die Partner werden ja auch dazu angehalten, unsere operativen Kosten zu senken. Damit kommt es zu weniger Kosten, für die ich jetzt ein Risiko eingehen müsste. Uns geht es zum Beispiel um Serverkapazitäten die Sie als Partner bereitstellen müssten, wenn Sie mitmachen wollten.

LB:
Und was ist mit den Existenzängsten?

DDB:
Nein, habe ich eigentlich nicht. Ich habe schon immer ohne große Sicherheiten geplant. Ich habe immer versucht, das zu machen, von dem ich überzeugt war, dass es richtig ist. Auch wenn das immer ein gewisses Risiko mit sich bringt. Und bei dem, was wir momentan aufbauen, habe ich wesentlich weniger Bedenken, als ich bei WikiLeaks hatte. Wir haben einen ganz klaren Plan. Ich bin sicher, dass das funktioniert. Da habe ich keine Existenzängste. Ganz im Gegenteil.

LB:
Ihre Familie macht da auch einfach mit?

DDB:
Auch meine Familie steht voll hinter mir. Meine Frau hat mich lange gestützt. Da habe ich das Glück, dass sie alle voll hinter mir stehen.

LB:
Zum Schluss ein Blick nach vorn. Es kommen immer mehr Leakingportale auf. Ist das für Sie Konkurrenz oder sagen Sie, ja das genau ist es. Es braucht mehr Portale die ins Lokale, Regionale gehen oder sich thematisch spezialisieren?

DDB:
Wir müssen möglichst viele Lösungen entwickeln. Es ist wie so oft, wir brauchen Vielfalt.

LB:
Gibt es eigentlich irgendein Geheimnis, dass Sie unbedingt mal lüften wollen?

DDB:
Da wüsste ich gar nicht, wo ich anfangen sollte.

LB:
Drei reichen.

DDB:
Es gibt extrem viel. Gerade was die Umweltthemen angeht. Hier bedarf es extremer Transparenz. Gerade was die wirtschaftlichen Zahlen angeht.
Es gibt ganz profane Dinge, wie zum Beispiel die Stasiakte von Frau Merkel. Ich bin davon überzeugt, dass sie öffentlich sein sollte. Das widerspricht sich. Wir schenken dieser Person viel Vertrauen, aber wissen nichts über diesen Teil ihrer Vergangenheit.

 

Die Allesfresser

Dass sie skrupulös sind, kann man ihnen nicht vorwerfen. Beim besten Willen nicht. Die Macher des amerikanischen Fernsehphänomens Fox-News nutzen alles, was ihnen und ihrer Mission hilft. Und diese Mission kennt nur ein Ziel. Den Angriff auf die liberale Regierung. Frontal, tendenziös, brutal, ehrlich. Hierzulande gibt es noch keinen Begriff, für diese Art des Informationstransports. Dort nennt man es Nachrichten. Und Fox-News nennt sich Nachrichtenkanal. Ganz ungeniert. Andere sprechen allerdings eher von der dunklen Seite der Comedy.

Im aktuellen Fall geht es um gerade veröffentlichten US-Depeschen der Botschaft in Damaskus. Wie die Washington Post berichtete, wurden ihr von WikiLeaks Botschaftsdepeschen aus Syrien zugespielt, die klar belegen, dass die US-Regierung seit Jahren Oppositionsgruppen in Syrien unterstützt. Das Groteske an dem Vorgang ist nun nicht, dass die US-Regierung die Versuche leugnet, auf diesem Weg die syrische Regierung stürzen zu wollen. Das Groteske ist, dass der vermeintliche Nachrichtensender Fox-News WikiLeaks zum Kronzeugen gegen die Regierung macht. Jenes Portal namens WikiLeaks, dessen Gründer man vor Kurzem noch zum Teufel, oder genauer gesagt zum Henker jagen wollte.

P.S.: Man weiß übrigens nicht ob es Ironie, Sarkasmus oder Naivität ist, aber WikiLeaks selbst macht das Ganze via Twitter auch noch zur eigenen Angelegenheit

 

Israel File – Haaretz legt nach

Weitere Israel Files kommen ans Licht. Vor wenigen Tagen erst machte die israelische Tageszeitung Haaretz mit den ersten Exklusiv-Depeschen Schlagzeilen. WikiLeaks hatte Haaretz exklusiv zahlreiche Cable zur Verfügung gestellt, in denen sich US-Diplomaten zur Lage im Nahen Osten allgemein und zum israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt im Speziellen äußern. In einigen Depeschen ging es um die Zigarren des umstrittenen israelischen Außenministers Liebermann, aber auch um seine Einschätzung des Palästinenserführers Abbas, den er als korrupt und schwach bezeichnete. In anderen Depeschen ging es um die Schlagkraft der Hisbollah. Botschaftsdepeschen aus dem November 2009 zufolge, erwartete der israelische Geheimdienst Mossad, dass die Hisbollah bei der nächsten kriegerischen Auseinandersetzung mehrere hundert Raketen am Tag auf Israel richten könnte.

Heute zitierte Haaretz aus Depeschen, die belegen sollen, dass israelische Militärs trotz bestehender Friedensvereinbarung seit Jahren davon ausgingen, dass das ägyptische Militär Israel weiterhin als Feind betrachte. In einem Artikel von heute wird aus Depeschen zitiert, die Amos Gilad mit den Worten „Der 21. Januar 2006 wird ein schicksalhafter Tag in der israelischen Geschichte sein“ wiedergeben. Gemeint sind die palästinensischen Parlamentswahlen 2006, aus denen die Hamas als Sieger hervorging. Amos Gilad zählt zu den hochrangigsten Sicherheitspolitikern auf israelischer Seite. Gilad beklagt sich bitter darüber, wie sehr die israelische Regierung die Bedeutung der palästinensischen Parlamentswahl unterschätzt habe.

Wer die Haaretz-Artikel liest und die Depeschen durchgeht, ahnt wie Komplex beladen die Geschichte ist, wie neurotisch die Akteure sind und wie ausweglos die Situation scheint. Hoffnung sucht der Leser vergebens.

 

Missing Link – Was verbindet WikiLeaks und die Open Data Bewegung?

Wieder ein Buch. Gefühlt ist es in etwa das 1267 Buch zum Thema WikiLeaks, das innerhalb der letzten drei Monate erschien. Und es ist vermutlich nicht das letzte. Im Gegensatz jedoch zu den persönlichen Innenansichten der Leakingplattform, die WikiLeaks-Dissident Daniel Domscheit-Berg lieferte oder den Making-Of Texten der Spiegel-Autoren Marcel Rosenbach und Holger Stark, wählt WikiLeaks and the Age of Transparency von Micah L. Sifry einen anderen Ansatz. Es erzählt die Geschichte der digitalen Transparenzbewegung und sucht nach dem Missing Link zwischen Open-Data und WikiLeaks. In der Berliner Gazette veröffentlichte der Politikwissenschaftler Christoph Bieber gerade eine lesenswerte Rezension des Bandes. Im Gespräch mit dem Leaks-Blog erläutert er die Qualitäten des Buchs und seine Unzulänglichkeiten.

Die Eingangsfrage, ob nicht längst alle WikiLeaks-Bücher geschrieben sind, verneint Bieber, der bisher an der Universität Giessen arbeitete und in Kürze an die Universität Duisburg-Essen wechseln wird. Anders als die Berichte der diversen Mitwirkenden, gelinge es Micah L. Sifry aus größerer Distanz das Phänomen WikiLeaks zu analysieren, so Bieber weiter. Es handele sich bei WikiLeaks and the Age of Transparency eben nicht um die Erlebnisberichte derer, die auf der Seite der Akteure standen, ganz gleich ob als Mitarbeiter von WikiLeaks wie bei Domscheit-Berg oder als Journalisten, wie bei den Autoren des Spiegel.

Eher profitiere Sifrys Buch davon, sich nicht zu sehr mit den Details der WikiLeaks-Story und dessen umstrittenen Führungspersönlichkeit Julian Assange zu beschäftigen, sondern nach dem größeren Rahmen zu suchen. Und dieser größere Rahmen sei, folge man den Ausführungen Sifrys, die globale Open Data Bewegung.

Und das Buch wage eben, so Bieber, die Suche dem Missing Link zwischen Open-Data-Bewegung und WikiLeaks. Zwar gelinge diese Suche nicht immer, aber das Einrücken von WikiLeaks in diesen größeren Betrachtungsrahmen, sei der entscheidende Pluspunkt des Buchs. Es werde klar, das Leakingkultur und Transparenzbewegung, zwei Seiten einer Medaille sein könnten.

Was die Zukunft von Assange aber auch die Weiterentwicklung der Leakingkultur angeht, ist aus Sicht Biebers das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Assange sei für das Gelingen von WikiLeaks von enormer Bedeutung gewesen. Laut Bieber ist Assange geradezu die Idealausprägung eines Bewegungsintellektuellen. Hartnäckig, von großer Präsenz, streitbar, polarisierend, aber auch mobilisierend. Ob Leakingplattform zukünftig aber weiterhin auf herausragende Bewegungsintellektuelle angewiesen sein, ist laut Bieber nicht entschieden. Plattformen wie das Guttenplag-Wiki hätten bewiesen, dass Communitys auch ohne exponierte Führungspersönlichkeiten effektiv sein können. Auch sei es durchaus naheliegend, dass Leakingplattformen nicht nur global operieren, sondern regional oder themenspezifisch arbeiten. Und dann brauche es weder Führungsfigur, noch ein Netz weltweiter Medienpartner, sondern einfach nur relevante Materialien.

 

Die WarLeaks – Im Jahr eins nach Collateral Murder

In dieser Woche jährte sich die Publikation des Videos Collateral Murder. Vor einem Jahr ging WikiLeaks mit dem bis dahin brisantesten Leak an die Weltöffentlichkeit. Das Video warf einen Blick in die Abgründe des Krieges. Es zeigt, wie Soldaten zu Mördern werden.

Für das WikiLeaks-Nachrichtenportal WL Central war der Jahrestag Anlass eine Übersicht unter dem Titel WarLeaks zusammenzustellen. Die Übersicht bietet zwar keine Neuigkeiten, aggregiert aber alle wichtigen Quellen rund um das Video Collateral Murder und die Afghanistan Dokumente beziehungsweise die Iraq-Logs. Was auf der Übersichtsseite fehlt, ist das Thema Bradley Manning. Der ehemalige Obergefreite der US-Army und mutmaßliche Quelle des Videos sitzt seit Monaten in strengster Isolationshaft, während die Hubschrauberpiloten aus dem Video auf freiem Fuß sind. An anderer Stelle jedoch biete WL Central ersatzweise eine separate Übersicht mit allen wichtigen News zum Fall Manning. Auch Greg Mitchell vom Netzmagazin The Nation liefert einen in seinem aktuellen Artikel  Dan Ellsberg and ‚Saving Private Manning‘ eine umfangreiche Einschätzung des Falls Manning. Greg Mitchell ist übrigens auch Autor des sehr empfehlenswerten Blogs Media Fix auf The Nation.