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8. Mai 2024 – Ausgabe Nr. 21

Leserbriefe zu „Kalt und leer“ von Peter Dausend

Aufrechnung bei Überschreitungen im Wahlkampf wäre töricht. Die Grünen erleben vor allem verbale Entgleisungen, damit liegen sie vorn. Körperverletzungen, also schwere Straftaten, trafen an erster Stelle die AfD. Wer das gewichtet, kommt sicher zu einer differenzierteren Bewertung. Ausgewogenheit ist auch eine hohe journalistische Tugend. Zweifelhaft, ob die Recherche ( „Wir stehen in der Schusslinie“) diese Voraussetzung erfüllt.
Christoph Schönberger

Wieder ein intellektueller Amoklauf eines Journalisten, welcher sich zutreffend über Anfeindungen von Irren und Versagern beklagt und sich mit fast gleichem Tenor einreiht. Wie bescheiden aber zeigt sich die höfische Berliner Berichterstattung bei vorsätzlicher Untreue von Politikern wie Scheuer und gibt den Irren damit die Legitimation, es gleich tun zu dürfen: den Rechtsstaat öffentlich wirksam zu diskreditieren. Vielleicht gilt eine gleiche Bescheidenheit auch für den natürlichen Anteil Geisteskranker in unserer Gesellschaft, damit diese sich nicht ständig durch eine mediale Überhöhung Ihrer Geisteskrankheit noch motiviert fühlen. Man darf den Verdacht hegen, dass das angedeutete Verschwinden an „emotionaler Leere“ auch durch eine „emotionale Überhitzung“ durch die Medien erfolgt. Aber keine Sorge. Ich kenn‘ Ihre Schutzbehauptung schon.
Jürgen Dressler

In meiner Zeit als Ortsbürgermeister nahm mich der III. Weg, während der 15er Flüchtlingskrise ins Visier, bin ich immer wieder Adressat von Schmähschriften und ich erlebte einen tätlichen Angriff. Als unser Bundespräsident die Aktion „Stark im Amt“ startete, fasste ich Mut und begann, die Dinge anzuzeigen und folgte dabei stets den jeweiligen Checklisten. Dabei wurde die freie Meinungsäußerung jedes Mal zugunsten der Beleidiger und Diffamierer ausgelegt. Schaffte es eine Anzeige mal bis zur Staatsanwaltschaft, folgte Wochen danach die Mitteilung über die Einstellung. Einmal sogar ergänzt um die Information, dass die Strafverfolgung nicht im öffentlichen Interesse läge. Später folgte dafür zwar eine Art Entschuldigung, aber eben später. Christian Drostens Erkenntnis nach seinem Besuch des Campingplatzes teilte ich schon vor 2 Jahren. Da jede abgewiesene Anzeige die Angreifer stärker machte verzichte ich darauf.
Werner Kalbfuß

Auch mich besorgt die Tatsache, dass immer mehr gutwillige Menschen keine Lust mehr auf politisches Engagement haben. Allerdings glaube ich nicht, dass die „Wut von rechts“ das grundlegende Problem ist, sondern die generellen tradierten Umgangsformen im politischen Betrieb. Ich habe vor 20 Jahren bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gearbeitet, die ja als Behörde zum Gesundheitsministerium gehört, und als ehemalige Politikstudentin habe ich mich sehr gefreut auf diesen Job. Ich war dann sehr angestrengt über die Kommunikation in diesem Politikbetrieb, und auch ich bin damals, genau wie heute die Kommunalpolitiker, dort weggegangen, weil ich die feindselige Atmosphäre nicht mehr ertragen wollte – und ich bin wahrlich nicht harmoniesüchtig. Aber ich hatte und habe keine Nerven für Konflikte, die nicht der Sache dienen, sondern vor allem darauf basieren, dass man in der Welt der politischen Akteure getrennt ist in Freund und Feind (damals herrschte übrigens Rot-Grün auf Bundesebene). Ich hatte damals den Eindruck, dass sich nur Menschen in der Politik wohlfühlen bzw. dort halten, wenn sie Lust auf Freund-Feind-Denken haben: SPD gegen CDU, Bundesministerium gegen Behörde, dort tätige Wissenschaftler*innen gegen Verwaltungsbeamte etc. Man machte nicht gemeinsam gute Sache, sondern war prinzipiell dagegen, wenn es vom „Feind“ kam, und der konnte eben jeder sein, der nicht gerade Freund war.
Wenn ich heute das Radio anmache und nicht sofort weiß, wer worüber spricht, dann höre ich doch meist nach 30 Sekunden, ob es ein Journalist, eine Wissenschaftlerin, ein Bürger oder eine Politikerin ist, denn die Politikerin ist immer die mit der erhoben Stimme, die IN ALLER DEUTLICHKEIT sagt, wie die richtige Sicht auf die Welt ist. In dieser Atmosphäre ist gutes Arbeiten vielleicht vor allem für solche Menschen freudvoll, die sich im Bedarfsfall lieber für Konkurrenz statt für Kooperation entscheiden – die Ausnahmen haben mein volles Mitgefühl! Die AFD treibt das auf die Spitze, aber die anderen Politiker*innen machen es nur graduell, aber nicht fundamental besser, im Sinne von einladender, was aber unbedingt nötig wäre. Ich weiß, unter Wehner und co war es alles noch schlimmer, und ich weiß auch, dass Politik von Streit lebt, aber so wie es die Akteure in den letzten 20 Jahren gemacht haben, funktioniert es glaube ich nicht, dazu haben die meisten Menschen keine Lust. Wir brauchen demokratische Umgangsformen, die freundlich und eben einladend sind. Wie das gehen soll, weiß ich auch nicht, aber ansonsten fluten eben vor allem die Unfreundlichen die kalten Parlamente.
Bettina Schmidt

Die Gründe für die Schwächung der Demokratie in Deutschland und den Ruck nach rechts sind einfach zu erklären. Ich zähle zur schweigenden Mehrheit der Deutschen, die ihr Leben lang gearbeitet und Steuern gezahlt haben. Rückblickend haben 16 Jahre Merkel dieses Land gelähmt und die Grundlagen für den bedauernswerten Zustand gelegt. Mit Regierungsübernahme durch die Ampel im September 2021 erreicht der Dilettantismus in der Regierung noch nicht erreichte “Höhen“. Zusätzlich regiert die Ampel gegen die Mehrheit der eigenen Bevölkerung. Parteiinteressen stehen im Vordergrund, die ideologisch geprägt sind. Ein Beispiel ist das hanebüchene Projekt der Kindergrundsicherung. Ein anderes das orientierungslose Projekt der Energiewende. Wer soll die die absurden Kosten dafür stemmen, wenn ganze Industriezweige aus Deutschland abwandern? Und was haben die bisherigen Investitionen in dieses Projekt bisher erbracht? Aktuell werden 45% der Stromerzeugung von fossilen Energieträgern erbracht. Deutschland kann sich mit dem aktuellen Anteil von ca. 56% erneuerbaren Energien nicht einen einzigen Tag lang sicher mit Strom versorgen. Und warum muss Deutschland bereits im Jahr 2045 CO2-frei sein? Ein weiteres großes Ärgernis sind die CumEx-Geschäfte. Banken betrügen den Staat um Milliarden und die politische und juristische Aufarbeitung wird behindert.
Zusätzlich scheuen alle Regierungen der letzten 30 Jahre grundlegende Reformen in der Altersversorgung für alle Erwerbstätigen, Stichwort Rente vs. Beamtenpension. Auch das Projekt einer Krankenversicherung für die gesamte Bevölkerung, Stichwort private vs. gesetzlich Versicherte, kommt nicht aus den Startlöchern. Hinzu kommt die mangelhafte fachliche Kompetenz und Orientierungslosigkeit, die uns täglich zu den grundlegenden Themen Bürokratieabbau, Asyl und Migration vor Augen geführt wird. Auch muss ich zur Kenntnis nehmen, dass Frau Baerbock 137.000 Euro im Jahr für eine Visagistin ausgibt. Leben wir wieder in einem Feudalstaat? Und nun wundern sich Politiker über einen Rechtsruck in der Gesellschaft. Wie weit muss die Politikerblase von der normalen Lebenswirklichkeit eines Bürgers, wie ich einer bin, entfernt sein? Die Entfernung Mülheim an der Ruhr nach Berlin reicht hierfür nicht aus. Abschließend ist die Alternative einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung nicht angenehmer, aber aktuell wohl das geringste Übel. Für die Zukunft der Demokratie ist mir angst und bange.
Norbert Lietzau

Was fällt den etablierten Medien dagegen ein, außer zu klagen, dass die Parteien nur klagen? – könnte man in Anlehnung an die Subline des Artikels zum Angriff auf Politiker fragen. Peter Dausend jedenfalls nicht viel. Stattdessen der übliche Reflex: ein flammender Appell an alle und jeden. Mehr Motivation und Emotion! Bitte, dagegen ist ja nichts zu sagen. Aber so wie Wasser grundsätzlich von oben nach unten fließt, egal wieviel Dämme und Pumpen man baut, so folgt das Personal einer Demokratie immer, ob bewusst oder unbewusst, den großen Gravitationszentren unserer Zeit: Konsum, Freizeit, wenig arbeiten. Das ist auch so gewollt, denn das Geld ist die Grundlage von allem. Ohne Konsum keine Steuern – ohne Steuern keine Schulen, Polizisten, oder seit neuestem auch Panzer. Für gesellschaftliches Engagement bleibt da wenig Platz und wenn, dann sollte es digital per Mausklick zu erledigen sein. Und wenn das nicht geht, dann natürlich nur sehr achtsam unter Berücksichtigung aller Empfindsamkeiten aller Beteiligten. Oder man klebt sich wie ein trotziges Kind auf den Asphalt und fordert alles, und zwar jetzt. Der aus beidem folgende Stillstand frustriert natürlich und treibt die Leute wieder aus der „Politik“. Mangelndes Engagement hat komplexe, große und kleine Ursachen. Aber solange das Sein das Bewusstsein bestimmt, so lange sollte man sich mal das Sein genauer ansehen und sich nicht nur über das seltsame Bewusstsein der Leute aufregen.
Achim Hauck

Kalt und leer, nein, mein Verhältnis zur Demokratie ist wie das zu Wasser: Demokratie ist neutral zu betrachten, weil sie so lebenswichtig ist und ihr hysterische Überschätzung genau so sehr schadet wie die moderne coole Geringschätzung. Es genügt, Bürgerpflichten im gleichen Maß zu erfüllen wie Bürgerrechte zu genießen. Jede Gesellschaft braucht eine Vertretung (Gewerkschaft, Parteien, Personal, Gemeinde, Schülereltern usf.). Auf diese Pflichten hinzuweisen ist auch Aufgabe der Parteien. In diesem Zusammenhang könnte den Parteien einfallen, von der Begeisterung und Solidarität zu sprechen, mit der die meisten Mitglieder einmal ihren Dienst an der Volksvertretung angetreten haben und mit der allein die großartigen Leistungen unseres Rechtsstaates möglich waren.

Die derzeitigen Schuldzuweisungen welcher Art auch immer unter den Parteisprechern sind unwürdig und nur Wasser auf die Mühlen der Hasspartei, die als Antwort auf Schieflagen ja nur Negation, Häme und Menschenverachtung kennt. Also: Macht munter und werdet selbst munter!
Günter Meyer

Was tun gegen die Wut von rechts? Stellung beziehen! Unmittelbar nach Lesen des Artikels habe ich meinen Mitgliedsantrag bei Bündnis 90/Die Grünen abgeschickt. Danke für den Weckruf Peter Dausend!
Jürgen Hilleke

Der Krieg in der Ukraine geht uns streng genommen nichts an. Das ist eine interne Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland und hat wie so oft im Leben immer zwei Seiten. Alles hat eine lange, sehr lange Vorgeschichte, nur redet fast niemand, außer in den unterschiedlichen Podcasts, drüber. Die globale Klimakrise ist die nächste Sache mit einem dicken Fragezeichen!? Globales Klima gibt es nicht, denn Klima findet ständig und überall auf der Welt statt, Klima ist da, aber Klima tritt überall unterschiedlich auf, hier ist das Klima so und dort drüben ist es wieder ganz anders. Das sogenannte globales Klima ist ein Klima aus theoretischen Hochrechnungen und Statistiken. Hetze und Hass verbreiten genau die, die sich drüber aufregen, dass es Hass und Hetze gibt. Die Altparteien hetzen ständig gegen die AfD und gegen Parteien, die nicht in ihre links-grüne Weltanschauung hinein passen. Wer ständig vom Erhalt der Demokratie redet, der muss für mich ein Problem mit der Demokratie haben!? Wir leben doch in einer Demokratie, oder!?
Klaus P. Jaworek

Ihren fett gedruckten Satz „Demokratien können von oben entkernt werden. Oder un unten absterben“ kann ich nur dick unterstreichen. Allerdings ist das Wort „absterben“ fast noch zu harmlos, denn es handelt sich nicht nur um ein krankhaftes oder schicksalhaftes „Absterben“, sondern um eine Einwirkung oder Erwürgung durch Missbraucher oder Feinde der Demokratie, die auch durch viele kleine Schädigungen schließlich langsam sterben könnte, besonders wenn noch unterlassene Hilfeleistung von zusehenden Beobachtern dazukommt. Viel zu lange ist die Demokratie, ja sogar alle von ihr erhofften Leistungen als selbstverständlich oder gratis zustehendes Recht verstanden worden, während sie und erst recht ihre Segnungen wie Wohlstand und Sozialleistungen, Sicherheit und Bildung immer wieder erarbeitet, bezahlt und manchmal erkämpft werden müssen, oft auch balanciert ausgewogen verteilt werden müssen, wenn zu viele Aufgaben des Staats und Forderungen an ihn um viel zu wenig Ressourcen, Gelder oder Arbeitskräfte konkurrieren (müssen).  Das zu verstehen und berücksichtigen fällt den Egozentrikern, Narzissten und Extremisten unter den unzufriedenen allzu schwer, da ihnen der absolute Vorrang ihrer eigenen Interessen und Forderungen als quasi zustehendes Recht erscheint, dem gegenüber alle anderen zurückzutreten haben. Und die entsprechenden Parteien verstehen es vielen das Gefühl zu geben, als ob sie bei und mit ihnen natürlich zu ihrem „Recht“ kämen, als ob die verschiedenen unzufriedenen nicht auch miteinander um die möglichen Leistungen konkurrieren würden/müssten.
Besonders den ehrenamtlichen verantwortlichen gebührt Dank und manchmal wie Sie schreiben „tröstende Ansprache der Menschen“ statt Anfeindungen, dass oder wenn sie sich das dennoch noch „antun“, was allerdings bei uns immer noch weniger gefährlich ist als Einstehen für demokratische Werte in vielen anderen Ländern oder Diktaturen.  Natürlich ist ein integrer und fähiger Bürgermeister mehr wert als ein Bitcoin-Schürfer oder ein „Influencer“ für schnöden Gewinn oder für verdeckte Werbung. Es ist schade, und mehr positive Emotion und Begeisterung wünschenswert,  aber es gibt schlimmeres als eine „technokratische . . . nur halb funktionierende … emotional unterzuckerte“ Regierung; die von Hass, Hetze, Egozentrik und Narzissmus gesteuerte „Emotionalisierungs-Dominanz“ der Rechtspopulisten ist weit schlimmer. Es gibt ja auch  viel Emotion gegen die Rechtspopulisten und mehr oder weniger auch für die Demokratie, leider aber meist nur für die jeweils eigene Version oder Illusion dieser Demokratie, inclusive Vorrang der eigenen oder gruppeneigenen Bedürfnisse, Forderungen und Wünsche.
Beim Schutz von Politiker*innen und anderen engagierten ist es ähnlich wie bei den Häfen und der Infrastruktur: Entsetzen und Warnungen und verbale Verurteilungen und teils auch Aufrufe zu mehr Polizeischutz und sonstigen Maßnahmen angesichts der zunehmenden gewalttätigen Angriffe auf politisch teils sogar ehrenamtlich engagierte sind alle berechtigt. Sie reichen aber bei weitem nicht mehr aus. Frau Petersohn in meiner Tageszeitung hatte kürzlich völlig Recht mit der als Ergänzung dringend nötigen Forderung nach auch konsequente(re)r Strafverfolgung und lagerübergreifendem Zusammenstehen aller demokratischen Kräfte, und zwar nicht nur der Politiker, sondern auch der Wähler, gemeint wohl auch der ebenfalls Maßnahmen und Wahlen beeinflussender und/oder mit motivierender Medien.  In weiterer logischer Konsequenz bedeutet das dann aber auch die Bereitschaft, dem Staat und anderen Institutionen, die das tun sollen und müssen, die nötigen personellen, materiellen und finanziellen Mittel und auch Befugnisse zuzugestehen bzw. zu geben.  Die nötigen zusätzlichen Maßnahmen, sowohl soziologisch und pädagogisch zum Demokratie-Verständnis samt aller Paradoxien und Dilemmas, ab der Schule, und zur Demokratie-Förderung als auch zur Förderung der Kontrolle, Aufdeckung und Verfolgung von demokratie- und menschenrechtsfeindlichen Äußerungen und vor allem Taten: Dies alles verlangt viel mehr Arbeit und, soweit professionell und bezahlt, mehr Geld und vielfach auch mehr Befugnisse, letzteres bei Polizei und Justiz, die ansonsten schon lange am Limit und oft nur noch unvollständig arbeiten können.
Wir können nicht erwarten, dass der Staat — trotz aller Krisen — immer mehr Aufgaben, Wünsche und Notlagenbehebung bei zunehmenden Gehältern und „Inflationsausgleichen“ auch der Staatsbediensteten mit weiterhin denselben Mitteln, teils abnehmender Zahl an ehrenamtlichen und Job-Kandidaten und oft noch abnehmenden Arbeitsstunden seiner Bediensteten leisten kann.  So stark steigt die Produktivität schon lange nicht mehr, am wenigsten bei den staatlich organisierten Leistungen wie Sicherheit, Gesundheit, Pflege und Bildung. Und auch der Staat selbst ist nicht nur Erzeuger, sondern dann auch Opfer der Inflation und Bürokratie. Da die Bürger aber auch keine beliebig hohen Steuern und Abgaben stemmen können, sind auch die Gewerkschaften gefordert bei Lohnsteigerungen und mehr Freizeit-Forderungen Maß zu halten, besonders bei der Kombination von beidem.  Die jüngsten GDL-Streiks waren da ein sehr unrühmliches abschreckendes Beispiel. Ohne solche Bereitschaft, Akzeptanz, Engagement und Rücksichtnahme sind alle Forderungen nach Verbesserungen von Demokratie, Sicherheit, Bildung, Wirtschaft und Klima letztlich Schall und Rauch.
Peter Selmke

Was unbedingt zu den bisherigen Maßnahmen bezüglich gewaltbereitem Aktionismus gegen Politiker dazukommen muss, ist die Frage danach, was mit den über die Stränge schlagenden Aktionisten überhaupt los ist. Schließlich schaden sie sich selbst, indem sie außer ihren vermeintlichen Patentlösungen für gesellschaftliche Herausforderungen nur ihre eigenen Konstrukte gelten lassen. Sie ignorieren, dass sich gesellschaftliche und im Übrigen auch individuelle Wirklichkeit nicht auf selbstbestätigende Standards reduzieren lassen. Solche Abspaltungen können zwar vorübergehend Aufmerksamkeit erregen, aber das geht immer auf Kosten der gesamten Kommunikationsmöglichkeiten, die uns als Menschen zur Verfügung stehen. Und auch die Hinwendung zu absolutistisch agierenden Idolen lässt die Befürworter pauschalisierender Parolen nicht über passive und negative Haltungen hinauskommen.
Christoph Müller-Luckwald

Wie wohltuend, so als Mensch, nicht wahr, im Kontext des Politischen etwas Positives von Emotion zu lesen statt wieder ein Loblied auf die Rationalität ’runterwürgen zu müssen oder ein Klagelied von emotional verführten Menschen. Besonnenheit ohne spürbare Emotionalität, die diese Besonnenheit als solche eben unvermittelt begreifbar macht, ist der Versuch, Welt erklären können zu wollen, statt sich darin zu üben, sie zu verstehen. Wenn hinter der propagierten Besonnenheit ein echtes rationales Kalkül steht, ein ‚Plan‘ – dann heißt der nächste Kanzlerkandidat der SPD gewiss Olaf Scholz. Es gibt in dieser Partei jedoch mindestens einen weiteren Besonnenen, bei dem sie sich zeigt, von der also nicht gesprochen werden muss, um sie sichtbar zu machen. Dem diese also wohl von vielen auch wirklich unvermittelt zugeschrieben werden kann. Nicht wegen einer Schlussfolgerung. Wegen einem Bauchgefühl. Besonnenheit heißt nicht, alle Emotion als störend zu eliminieren suchen oder hinter einer Maske zu kaschieren, um sie zu verstecken. Besonnenheit heißt, sich von ihnen nicht beherrschen zu lassen. Sondern sie als Ratgeber genau so zu achten wie den Verstand. Auf dass die Vernunft zu guten Urteilen gelangen kann. Und ein Plädoyer für die Weisheit des Emotionalen – die eben leider auch geblendet werden kann, durch Überhitzung, beispielsweise, und so zum Mittel der Verführung degradiert wird, seines eigentlichen Zweckes wohl enthoben – macht dann schon auch Mut, dem eigenen Bauch auch wieder mehr trauen zu können.
Volker Homann

beindruckend bedrückend beschreibt der Autor die Einfallslosigkeit der „Politik“. Strafrechtsänderung, dauert ewig, mehr Polizei, wo soll die herkommen, pathetische Phrasen, Aufstand der Anständigen. Sagte nicht Erich Kästner, „es gibt nichts Gutes, außer man tut es“? Was kann man tun? Wieso plakatiert Ecke alleine? Warum kann man nicht vorher ankündigen, wir plakatieren an dem und dem Tag in der und der Straße, stellt euch vor die Häuser. Reicht vermutlich, wenn einige Dutzend Menschen auf der Straße stehen und „nichts“ machen. Zu einfach?
Gerd-Rüdiger Erdmann

Vielen Dank für Ihren sehr lesenswerten Leitartikel „Kalt und leer“ vom 8. Mai 2024. Genauso kalt und leer sind im 300. Kant Jahr unsere Ziele. Geht es Ihnen auch so? Sie lieben Ihren Urlaub, die Zeit liebt es Werbung dafür zu machen, ja bietet selbst solche Reisen als „Verlagsangebot – ACHTUNG exklusiv für SIE“ an. Wenn Sie dann ins Ausland fliegen und anschließend eine Kreuzfahrt machen, entfällt die komplette Mehrwertsteuer auf die gesamte Reise! Flug und Kreuzfahrt sind sogar ganz ohne CO2- und Energiesteuer, wenn es in ein Nicht-EU-Land geht! Sie lieben die Internet-Schnäppchen, damit sich auch Ärmere was Schickes leisten können? Dank des direkten Versandes per Flugzeug aus China entfallen CO2-, Energie- und Mehrwertsteuer. Die Zeit liebt es auch dafür Werbung zu machen! Sämtliche Waren, die arten-, umwelt-, und klimafreundlich innerhalb der EU hergestellt und transportiert werden, zahlen all diese Steuern natürlich schon! Das stete Wasser der medialen „Bedürfnismaschiene“ höhlt den Stein des menschlichen Überlebenswillen. Ganz ähnlich wie beim Nichtraucherschutz profitieren die Medien von den Anzeigen der „fossilen“ Lobby. Ebenso wollen die Redaktionen trittbrettfahrend mitverdienen an der fossilen Spaßgesellschaft: „Fliegen, schau wie toll das ist, da geht noch was!“ rufen sie deshalb in zahlreichen redaktionellen Stücken und verschweigen dabei der geneigten Leserschaft den wahren Arten-, Umwelt- und Klima-Preis, den wir alle dafür zahlen! Das verhärtet die Fronten innerhalb der Gesellschaft. Für alle wird der gefühlte und reale „Lebensraum“ immer kleiner. Medien verschärfen durch unausgesetzte (Schleich-) Werbung für den bedenkenlosen klimaschädlichen Konsum diesen Konflikt und damit zugleich den politischen Diskurs darüber! Die AfD sagt Danke und weis einen immer größeren Teil der Flug-, Kreuzfahrt- und Internet-Kund*innen auf ihrer politischen Seite.
Kant zeigte uns mit seinem kategorischen Imperativ den Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Ist unser heutiges Verhalten so viel zu konsumieren, dass es  N I E M A L S  zur allgemeinen Maxime werden darf, nicht eine ebenso große Gefahr für unsere Mündigkeit, unsere Freiheit und das Leben unserer Kinder wie unsere Unmündigkeit vor der Aufklärung oder die unserer Vorfahren 1933? Trägt diese mediale Unmündigkeit nicht erheblich zur gefühlten „Machtlosigkeit“ bei? In DIE ZEIT ist „Luxus konsumieren, reisen und noch mehr konsumieren“, der vorherrschenden Appell an die Leser*innen. Sie feiern 75 Jahre BRD und Grundgesetz mit einer Sonderausgabe aber zur größten von Menschen gemachten Katastrophe, der Klimakatastrophe, bringen Sie nichts Ähnliches zustande? Das ist eine Schande! Denn heute ist der Kampf gegen den immer tödlicheren Konsum, was früher der Kampf gegen die Alt-Nazis war! Bitte machen Sie endlich eine ZEIT-Sonderausgabe für einen wirksamen Klimaschutz. Andernfalls verschwindet jegliche politische Moral und solidarische Motivation und fahren wir mit immer größeren, zahlreicheren und überdimensionierten Konsumwünschen nach Autos, Flugreisen, Kreuzfahrten und anderem Luxus unseren Planeten samt Demokratie in den Abgrund.
Klaus Siersch

Sie beschreiben die Gefahren für die Demokratie von oben und von unten umfassend. Schädlich für die Demokratie ist aber wohl auch das Verhalten vieler Moderatoren der öffentlich-rechtlichen seit über zwei Jahren. Immer wieder wurde das Vorgehen der Regierung und das von Kanzler Scholz öffentlich madig gemacht und schlecht geredet, obwohl der Kanzler z.B. bei Waffenlieferungen einig mit mehr als der Hälfte der Bürger ist. Damit trugen Lanz, Sievers und Co wesentlich dazu bei, dass das Regierungsansehen litt und unser politisches System an Akzeptanz verlor, was Parteien wie der AFD nützte. Ich denke auch an das Gespräch von Herrn Zamperoni mit der Innenministerin Faeser letzte Woche. Er unterbrach sie ständig in respektloser, zynischer Weise. Ein Gebaren, das bis 2010 unvorstellbar gewesen wäre. Derartige Meinungsmache ist nicht die Aufgaben der sogenannten „4. Staatsgewalt“ und stellt einen Missbrauch ihrer Macht dar. Neuerdings werden unsere Politiker in den öffentlich-rechtlichen zunehmend als Politiker- „Kaste“ bezeichnet. Eine Kaste ist laut Lexikon „eine sich streng absondernde Gesellschaftsschicht, deren Angehörige ein übertriebenes Standesbewusstsein pflegen“. Eine sehr böswillige und herabwürdigende Bezeichnung für unsere Politiker, die von uns gewählt wurden und damit einen Vertrauensvorschuss haben sollten. Derartige Verunglimpfungen von ausgebildeten Presseleuten halte ich für verantwortungslos. Solche herabsetzende Stimmungsmache trägt sicher ursächlich zu körperlichen Angriffen auf Politiker, wie kürzlich z.B. bei Ecke oder Giffey und zu einer gewissen Verrohung bei.
Reinhard Döhnel


Leserbriefe zu „Wird der Islamismus verharmlost?“ Streit von Hamed Abdel-Samad und Khola Maryam Hübsch, moderiert von Stefan Schirmer und Anastasia Tikhomirova

Im Streitgespräch ist Hamed Abdel-Samad absolut zuzustimmen. Wie er es auch noch einmal erwähnt, hat die Politik es seit 30 Jahren versäumt, den politischen Islam, die Islamisten, in ihre Schranken zu weisen. Falsch verstandene Toleranz hat dazu geführt, dass so eine fürchterliche Demonstration von radikalen Islamisten in Hamburg möglich war. Anstatt dass wir unsere Werte verteidigen, versucht dieser Arm des Islam uns seine Werte aufzuzwingen. Immer wieder klingen die Stellungnahmen der Islamverbände zu solchen Vorkommnissen viel zu halbherzig, anstatt deutlich Stellung zu nehmen. Es muss einen verwundern, dass auf die Stimme von Hamed Abdel-Samad nicht viel mehr gehört wird. Sein Buch „Islam: Eine kritische Geschichte“ kann man eigentlich nur jedem als Pflichtlektüre empfehlen. Danke, dass Sie dieser kritischen Stimme in Ihrer Zeitung immer wieder Gelegenheit geben sich zu äußern.
Albert Mühlenhoff

Es ist der Grunddissens über den Islam und seine Ambivalenz, dass es keine verbindliche Lehrmeinung gibt. Der Koran als verbindliches Wort Gottes kennt keinen Interpretationsspielraum und keine Aufklärung. Jeder findet für seine Version eine passende Sure. Die Kritik entzündet sich deshalb vor allem an den im Namen des Islam begangenen Taten. Und da gibt es eben nichts zu beschönigen. Derartige Terrorakte finden meist mit diesem Hintergrund statt, jedenfalls nicht in christlicher Mission. Doch das Verdikt der Ausländerdiskriminierung verhindert meist eine wirklich offene Diskussion. Vorgeschoben werden oft Integrationsprobleme, bei der angeblich die aufnehmende Gesellschaft versagt habe. Und die Politik bleibt ebenfalls merkwürdig stumm auf die Gefahr hin, sonst einen „Generalverdacht“ zu schüren. Diese Selbstblockade ist symptomatisch für den aktuellen Diskurs. Dabei wird immer ersichtlicher, der Islam bleibt westlichen Kulturkreisen fremd.
Christoph Schönberger

Was ist noch mal die Basis, auf der die beiden diskutieren? Eigentlich doch nur eine kleine Geschichte: Plötzlich Prophet oder Wie so was entsteht Typ bekommt im Leben nichts auf die Kette. Typ setzt sich in Höhle. Engel kommt in Höhle und sagt: Pass mal auf. Ich komme von Gott. Ich sag dir jetzt, wie’s läuft. Typ passt auf. Engel wieder weg. Typ verlässt Höhle. Typ geht zu den Menschen. Typ sagt: Passt mal auf. Ich komme von Gott. Ich sag euch jetzt, wie’s läuft. Wer glaubt denn so was? Anscheinend viel zu viele. Denn: Wer glaubt, braucht nicht zu denken.
Kurt Eimers

Die Publizistin Khola Maryam Hübsch versucht, so habe ich sie auch in der Sendung ‚Hart aber fair‘ verstanden, gegenüber der aufgeheizten und einseitig als bedrohlich dargestellten Sicht des Islam ein anderes differenziertes Bild zu vermitteln, eines Islams, der friedfertig und freundlich ist. Ich erinnere eine andere Sendung, eine Talkshow von Anne Will, die schon lange zurück liegt. Da sagte, als gerade die Wogen über den Dschihad hoch gingen, ein Teilnehmer dieser Runde: “ Nicht, was Sie so nennen, ist Dschihad. Dass ich jetzt hier sitze, das ist Dschihad.“ In beiden Fällen habe ich über die Beiträge gestaunt. Zu jener Zeit erreichte und jetzt heute erreicht uns ein Bild vom Islam, das verstörend und bedrohlich ist. Das Kalifat wird gefordert, die Scharia gewünscht und in verschiedenen Städten werden antisemitische Parolen gebrüllt. Dieser Islam ist nicht friedlich und freundlich, und wir bekommen Angst. Die Menschen, die diese Forderungen stellen, sind, auch wenn sie laut sind und auffallen, nur eine Minderheit, beruhigt Frau Hübsch. Aber auch Minderheiten, die sich radikalisieren, können gefährlich werden, und ein Staat, der seine Bürger* innen schützen will, tut gut daran, diesen Islam abzuweisen. Dieses bedrohliche Bild vom Islam versuchen Khola Maryam Hübsch und jener Talkshowgast, dessen Namen ich vergessen habe, aufzubrechen. Der Islam, sagen sie, ist nicht bedrohlich. Kein Kinderschreck, keine Kampfansage an die demokratische Welt. Im Gegenteil! Der Islam, wie er richtig zu verstehen ist, ist ein friedlich spiritueller Weg, eine geistige innere Erfahrung, und diese Spiritualität ist nicht nur anschlussfähig an jede demokratische Lebensform, sie kann sogar als Angebot verstanden werden, einer ungeistig werdenden Welt spirituelles Erleben erfahrbar zu machen.
Leider wird Frau Hübsch ihrem eigenen Anspruch, Ängste aufzubrechen und falsche Meinungen zu korrigieren, nicht gerecht, wenn es um ihr Verständnis der Homosexualität geht. Sünde, sagt Frau Hübsch, nichts als Sünde ist Homosexualität, und da nützt es nichts, dass homosexuelle Menschen nicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, denn was sie tun, ist und bleibt unentschuldbar. Merkt Frau Hübsch nicht, frage ich als evangelische Christin, dass sie mit diesem Vorgehen dasselbe Verhalten praktiziert, das sie in Bezug auf den Islam kritisiert? Homosexualität als „Sünde“ zu bezeichnen, heißt, dass man ein Verhalten aus dem Diskurs heraus nimmt. Dieser Part des Menschseins wird dämonisiert, ein Popanz wird aufgebaut, der anschließend zu fürchten ist. In einem Diskurs sollen, erwartet Frau Hübsch, Ängste überwunden, festgefahrene Standpunkte in Frage gestellt und Einsichten, die scheinbar keine andere Perspektive zulassen, verändert werden. Da Frau Hübsch den Mut hat, ihre Sicht des Islams einer fast geschlossenen Meinungsfront entgegenzustellen, dürfte sie Menschen zum Nachdenken bringen. Umso mehr wünsche ich ihr, dass auch sie selbst ihre blinden Flecken angeht, eine Ideologisierung, die sich als Religion tarnt, erkennt und die Abspaltung, die sie diesem Bereich des Menschseins zufügt, zurück nimmt.
Ursel Heinz

Die innerislamische Debatte über das Kalifat im Besonderen und das Selbstverständnis im Allgemeinen ist sicher gut und müsste viel breiter geführt werden. Aber für Deutschland geht sie am Kern der Sache vorbei. Es hat fünf blutige Jahrhunderte gebraucht, um der Kirche ihre Unduldsamkeit und Herrschsucht auszutreiben. Da ist die bloße Idee verrückt, dass wir unser Grundgesetz, diese beste Verfassung, die es je auf deutschem Boden gegeben hat, gegen die Herrschaft irgendeiner Religion eintauschen. Und dann noch die einer Religion, die kulturell an allen Traditionen Europas vorbeigeht! Das ist irrwitzig. Solange das nicht anerkannt wird, kann der Islam nicht „zu Deutschland gehören“.
Hans List

Die Aussagen von Frau Hübsch, ihre regelrechte Verharmlosung und Romantisierung des politischen Islams sind ein einziges Ärgernis und kaum zu ertragen. Die Scharia sei gut mit der deutschen Rechtsordnung vereinbar? Ich glaube, ich lese nicht richtig. Was ist außerdem das Anliegen von Frau Hübsch und etwaigen Demonstranten? Ist es wirklich zu viel verlangt, als Muslim die politischen Gegebenheiten einer Demokratie zu akzeptieren und auch zu leben? Der Staat muss hier klare Kante zeigen gegenüber Islamisten. Frau Hübsch verklärt die Wirklichkeit leider, wie es ihr passt und hat den schlauen Invektiven von Herrn Abdel-Samad praktisch nichts entgegenzusetzen. Ich frage mich, was an Frau Hübschs muslimischer Glaubensausrichtung eigentlich dem Titel nach „reformatorisch“ sein soll, wo sie sich doch geradewegs als Sprachrohr der Fundamentalisten zu erkennen gibt.
Maximilian Knaup

Mit Äußerungen über die Kopfbedeckung von Frau Hübsch halte ich mich lieber bedeckt, frage mich allerdings, ob sie als tolerante, aufgeklärte Muslimin, für die sie sich hält, ihren Interviewern und Lesern (m,w,d) nicht mit unbeschaltem Haupt begegnen sollte? Kürzlich, bei „Hart aber fair“, als es um den deutschen Konservativismus ging, wo sie eigentlich fehl am Platz war, riss sie das Wort immer wieder an sich und verharmloste in einer nicht enden wollenden euphemistischen Suada das Kalifat und die Scharia. Der schwache Moderator traute sich nicht, sie einfach zu unterbrechen! Diese Phrasen serviert sie uns nun zum zweiten Mal in diesem Interview! Sie weigert sich offensichtlich, den Unterschied zwischen schöner Theorie und schnöder Praxis wahrzunehmen! Der Islam, diese himmlische Religion der „Liebe und Toleranz“, gerät überall in den Köpfen irdischer muslimischer Machthaber zu einer fanatischen, intoleranten, gewalttätigen Ideologie! Man kann ihn vergleichen mit dem Kommunismus, der nirgends auf unserer Erde den Menschen die prophezeite Erlösung, sondern nur Elend, Unfreiheit und Gewalt beschert hat! „Rechtsextremismus und Islamismus“ seien „Brüder im Geiste“ „die sich gegenseitig hochschaukeln“ sagt Abdel-Samad, dessen Mut und klare Sprache ich schätze! Mit einer Einschränkung: Islamismus gab es früher nicht in Deutschland; als er öffentlich wurde, hat man ihn wohl als Teil der religiösen und kulturellen Vielfalt angesehen und nicht konsequent bekämpft. Erst dann hat sich der bis dahin relativ harmlose Rechtsextremismus „hochgeschaukelt“. Doch zumindest die Antifaschisten können sich beruhigen: zwar wird der Islamismus stärker werden, „dank“ Dauerimmigration und der Demographie der Einwanderer, der Rechtsextremismus dagegen immer schwächer, ebenfalls „dank“ Demographie. Für Frau Hübsch böte sich dann der gut dotierte Posten einer (Anti)Islamismusbeauftragten an!
Ulrich Pietsch

Herrn Hamed Abdel-Samad ist in allen Punkten Recht zu geben. Frau Hübsch, deren Schaila, also eine Art des Kopftuches, nicht dazu beiträgt anzunehmen, dass sie beispielsweise die Frauen im Iran bei deren Kampf gegen irgendwelche Verschleierungspflichten unterstützt, lässt einen mit ihren Aussagen weitgehend ratlos zurück. Dass es Auslegungen der Scharia oder eines religiösen Kalifats gibt, die mit dem Grundgesetz vereinbar sind, mag möglich sein. Zu bezweifeln ist aber, ob diese Auslegungen des Islam, die ja gemäß Frau Hübsch jeder Muslim/jede Muslima mit seinem/ihrem Gewissen auszumachen hat, auch in mittlerer oder fernerer Zukunft auf dem Boden der Verfassung bleiben, vor allem dann, wenn der Islam weiter an Bedeutung gewinnt. Damit der Islam aber nicht die Politik bestimmt, ist es besser für unser Land ist, dass die von Frau Hübsch beklagte Uneinigkeit unter den Muslimen weiter fortbesteht.
Jörg Weddigen

Was von der „milden“ Toleranz der Islam-Aktivistin Khola Maryam Hübsch zu halten ist, offenbart sie mit ihrem unmissverständlichen Bekenntnis zur Homophobie („Homosexualität ist mit meinen religiösen Werten nicht vereinbar“). Zum Glück gilt in Deutschland noch das Antidiskrimierungsgesetz und nicht das von ihr ersehnte „spirituelle Kalifat“ mit den „Werten“ der Scharia. Wäre das muslimische Bekenntnis zu Toleranz und Rechtsstaat aufrichtig, müsste Hamed Abdel-Samad nicht seit Jahren unter Polizeischutz leben.
Ernest Hess-Lüttich

Vielleicht hat Frau Hübsch einen Funken Verständnis dafür, dass die Duldsamkeit der deutschen Mehrheitsgesellschaft auch einmal ein Ende hat. Bei der Hamburger Demonstration ging es nicht um ein spirituelles Kalifat und nicht um die Scharia als ethische Richtschnur. Sie war eine aggressive Machtdemonstration und unverschämte Provokation von Islamisten, sie hätte gar nicht erst stattfinden dürfen und untersagt gehört. Die Aktivisten von „Muslim Interaktiv“ lassen die Frauen getrennt demonstrieren und ihre Hetzreden sind unmissverständlich. Sie sehen sich als Opfer der Berichterstattung, nein, sie sind der Grund dafür. Und die Berichterstattung findet ja nicht nur auf dem Niveau der Bild-Zeitung statt.

In Deutschland gibt es einige Parallelgesellschaften, problematisch genug. Die Hamburger „Muslim Interaktiv“ will mehr, es geht ihnen um Unterwerfung und einen Gottesstaat. Dafür rekrutiert sie unter dem Missbrauch des Islam systematisch junge (meinst männliche) Muslime leider ziemlich erfolgreich. Die Saat ist an manchen Schulen schon aufgegangen. Und hier ist jetzt einmal Schluss mit einer falsch verstandenen Toleranz. Ich hoffe, dass man dem Anführer dieser Gruppe niemals Schüler und Schülerinnen anvertrauen wird.
Regina Stock

Wie immer habe ich die Rubrik „Streit“ mit großem Gewinn gelesen – hier ein kritischer Kommentar dazu, über dessen Veröffentlichung ich mich freuen würde: Khola Maryam Hübsch erklärt, Homosexualität sei mit ihren religiösen Werten nicht vereinbar, doch Homosexuelle würden aus den Moscheen ihrer Gemeinde nicht ausgeschlossen. Dass sie dies anscheinend ernsthaft für progressiv hält, erscheint mir – als Partner eines tatsächlich progressiven Muslims – kaum minder verstörend als die Queerfeindlichkeit bornierter Fundamentalisten, die sich freimütig zu ihrem reaktionären Weltbild bekennen, statt es hinter gefälligem Diversitätsgeplapper zu verstecken.
Karl Kelschebach

Wenn ich die Ausführungen von Khola Maryam Hübsch lese, verharmlost zumindest sie die Islamisten. Entweder ist Frau Hübsch unfassbar naiv oder sie kennt die Geschichte ihrer eigenen Religion nicht, wie es ihr auch Hamed Abdel-Samad vorhält. Mit ihren Aussagen zu Kalifat und Scharia und mit der Behauptung, dass „die Scharia gut mit der deutschen Rechtsordnung vereinbar“ ist, agiert sie als „5. Colonne“ der Kalifat-Forderer. Sie ebnet mit solcher verharmlosenden Argumentation den Fanatikern den Boden. Und der wird kein demokratischer sein! Es sind nicht nur die Hardcore-Islamisten, vor denen wir den Rechtsstaat und die Demokratie schützen müssen.
Uwe Cardaun


Leserbriefe zu „Wo ist die Zukunft hin?“ von Henning Sußebach

Leider hat mich die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Ihrem Artikel enttäuscht. „Ideen für das Morgen“ werden im Titel versprochen, das „Dossier“ sollte für so ein hehres Ziel genügend Platz bieten, entstanden ist ein melancholisches Roadmovie. Am meisten enttäuscht mich jene Passage, in dem Sie das Treffen mit dem BMW-Chefdesigner Adrian van Hooydonk schildern. Sie hätten ihn nach seinen Visionen fragen können, danach ob er der Meinung ist, in seiner Position eine Verantwortung zu haben, die über ästhetische Aspekte hinaus geht? Sie hätten ihn damit konfrontieren können, dass die deutschen Automobilhersteller über Jahrzehnte hinweg aus allen Rohren der Einflussnahme feuernd unnötig große, Ressourcen verschwendende Fahrzeuge in den Markt gepresst haben, um ihr etabliertes Geschäftsmodell, nicht aber die Zukunft des Planeten zu retten. Sind sie nicht auf die Idee gekommen, das Gespräch in diese Richtung zu lenken? Könnte, wollte oder dürfte Herr Hooydonk solche Fragen nicht beantworten? Ihre Reise geht weiter, jedoch nicht zu Menschen, die aktiv um eine bessere Zukunft kämpfen, wie die Klimaaktivisten der letzten Generation. Es bleibt, dass das Problem dieses Artikels, so wie vermutlich auch des ganzen Landes, die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist.
Maximilian Trattenbach

Offensichtlich sind Sie ausschließlich mit dem Zug durchs Land gereist. Sogar bis in die Schweiz. Und natürlich konnten Sie dank dieser Erfahrung berechtigte Kritik üben am Zustand der Bahn. Die Zukunftsaspekte der Mobilität allerdings beschreiben Sie an den Beispielen „Volocopter“ und BMW. Warum haben Sie dann nicht auch den Selbstversuch mit dem Auto gewagt? Sie hätten sich – ähnlich wie über marode Bahnhöfe oder Verspätungen – auch über Baustellen, Staus, fehlende Ladesäulen und baufällige Brücken auslassen können. Das „Elektroauto von morgen“ ist sinnlos, wenn das Fahren behindert und das Laden erschwert wird. Zur Verkehrsinfrastruktur gehören nicht nur Schienen und Bahnhöfe, sondern auch Autobahnen und Tankstellen. Passt es nicht zum Zeitgeist, über den Straßenbau zu sprechen? Weil die Menschen doch bitte auf die Bahn umsteigen sollen? Dann viel Spaß weiterhin beim Klagen über Verspätungen und Zugausfälle. Nichts für ungut. Ich fand Ihren Beitrag dennoch klasse. Vor allem die Aussagen des Ehepaars Münkler sind treffend. Danke nochmals für die wieder einmal großartige ZEIT von dieser Woche.
Thomas Meichle

Karl Valentin hatte Recht, die Zukunft war tatsächlich früher besser, zumindest war sie leichter zu greifen. Man konnte sie so schön an technischen Neuerungen wie Flugzeugen, Zügen, E-Autos festmachen. Eine Zukunft, die heute Gutes verspricht, kann nur eine sein, in der wir uns von dem Glauben verabschieden, Dinge würden uns voranbringen. Auch die beste Umwelttechnologie wird keine rosige neue Zeit einläuten. Das Wirtschaftssystem, das darauf ausgelegt ist, immer mehr zu produzieren und zu konsumieren — das ist das Problem. Der Kapitalismus muss weg, wenn wir wieder Hoffnung auf eine gute Zukunft schöpfen wollen, eine gute Zukunft nicht nur für die Menschheit, sondern eine zum Wohl aller, die diese Erde teilen.
John Stevens

Beim ersten Blick auf das Bild der Seite 11 musste ich doch schmunzeln, weil ich sofort an meine Bücher der Reihe “ DAS NEUE UNIVERSUM“ dachte. Ein paar davon habe ich noch. Und in der Ausgabe 67, gedruckt 1950! gibt es genauso eine ähnliche Idee – mit großem Titelbild. Auch nach 74 Jahren ist diese Vorstellung einer zukünftigen Welt irgendwie nicht wahr geworden.
Jörg Gauert

Herr Nachtwey möchte die Zukunft mit neuen Schulden gestalten, das geht aus diesem Interview hervor. Ich wunder mich immer wieder, dass folgende Frage nicht endlich mal breit diskutiert wird. Die Politik macht schon seit Jahren immer neue Schulden und immer mit dem Argument: Wir müssen diese Schulden jetzt auf uns nehmen, damit unsere Kinder eine bessere Zukunft haben. Wenn dieser gebetsmühlenartige Satz stimmt, dann frage ich: Warum haben wir dann heute einen Schuldenstand von über 2,2 Billionen (nicht Milliarden) Schulden? Wo ist die Besserung für unsere Kinder?
Manfred Mengewein

Ich bin mir, gottseidank, sicher, dass Berlin in Zukunft nicht so hässlich aussieht, wie auf dem Bild dargestellt!
Friedemann Bronner

Merci für diesen ausgezeichneten Beitrag. Und diese letzten Sätze: Im Stadion von Surakarta ging Fayssal Harchaoui ein paar Schritte zurück und lief an, um diesen Elfmeter zu verwandeln. Für sich. Für seine Eltern. Für seine Mannschaft. Für seine Karriere. Für die Zukunft des deutschen Fußballs. Für die Stimmung im Land. Er machte ihn rein. Gänsehaut!
Kurt Eimers

Es wird eine Patent-Prüferin mit ihrem „Eindruck“ zitiert, dass sich in unseren Schulen nichts verändert. Den „Eindruck“ einer Einzelperson kann seriöser Journalismus doch wohl kaum als Beitrag zur Diskussion präsentieren, ohne ihn einzuordnen. In unseren Schulen – ich beziehe mich auf Nordrhein-Westfalen – hat sich der Unterricht sehr wohl stark verändert. Zwar werden Klausuren in den allermeisten Fällen tatsächlich vom einzelnen Schüler geschrieben, aber in weiten Teilen des Unterrichts außer in schriftlichen Prüfungen sind auf allen Stufen kooperierende Arbeitsformen fest verankert. Und: Die Notenvergabe bezieht den Arbeitsprozess in den Gruppen mit ein. In guten Unterrichtsarrangements werden wertvolle Wege eröffnet, auch aus einem Scheitern zu lernen. Gerade in den Naturwissenschaften und in der Mathematik hat der Praxisbezug einen viel höheren Stellenwert als noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren. Natürlich gelingt nicht allen alles, aber dem Fortschritt ist mehr gedient, wenn man die positiven Entwicklungen ins Schaufenster stellt, anstatt die ewig gleiche Leier von unbeweglichen Schulen und vom Angst machenden Unterricht abzuspulen. Genauso wenig zielführend ist die abgestandene Forderung der Münklers nach Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Kann man machen – aber besser wird der Unterricht dadurch nicht. Die empirische Schulforschung hat eindeutig gezeigt: gut ausgebildete und fortgebildete Lehrkräfte in gut ausgestatteten Schulen mit qualifizierter Leitung sind entscheidend, nicht die Strukturfragen.
Klaus Keßler

„Zweifellos zeigt sich seit einigen Jahren wieder verstärkt die Republik der Ängstlichen, Besorgten und Bedenkenträger, die sich aus dem realen Leben biedermeierlich zurückziehen, gleichzeitig jedoch in den sozialen Medien ihren Unmut in die Welt ergießen. Ich frage mich auch angesichts persönlicher Erfahrungen, ob die mageren Umfragewerte der Ampelregierung nicht vorwiegend mit einer Mehrheit zusammenhängt, die sich vor notwendigen Veränderungen geradezu sträubt, mithin CDU und AfD besonders von diesem Abwehrverhalten profitieren. Tittytainment allein, also Konsum und Hedonismus, sowie reaktionäres Protestgehabe sind jedoch das Gegenteil von politischer Gestaltung. Deshalb: Wir müssen raus aus dieser Dauerschleife von Selbstmitleid, die angesichts des im historischen Vergleich erreichten hohen Wohlstandsniveaus nicht nur peinlich wirkt, sondern unseren Planeten zerstört.“
Günter Pesler

«Vorsprung durch Technik…Den Kindern soll es einmal besser gehen…Die Rente ist sicher…Vorbei! Die Deutschen sind verzagt wie lange nicht.» Henning Sußebach begab sich auf «Eine Reise durchs Land, auf der Suche nach Ursachen – und Ideen für das Morgen.» Sußebach zitiert Karl Valentin: «Die Zukunft war früher auch besser.» Was vor allem neu ist: Die Zukunft stellt uns vor große neue Herausforderungen. Der Grund ist, dass die Menschheit erstmals in ihrer Geschichte gezielt einen sanften Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum von Kopfzahl und Konsum vollziehen muss. Und das ist schwierig, auch wegen der Inhomogenität der Menschheit, der eine Teil wächst zu stark, der andere Teil konsumiert zu stark. Daraus ergibt sich ein Zielkonflikt, der die tiefere Ursache für die Verzagtheit der Deutschen ist. Denn wenn man Dir den Auftrag gibt, zwei sich widersprechende Ziele zu erreichen, dann bist du arm dran, wenn du in einem Anfall von Größenwahn diesen Auftrag annimmst. Das eingangs verwendete Schlagwort „Vorsprung durch Technik“ demonstriert einen Teil des Zielkonflikts. Ein dichtbevölkertes Land, ohne große Rohstoffe ist auf Vorsprung durch Technik angewiesen. Der technische Fortschritt fördert das Prinzip „The Winner takes it All“. Und wer auf den Vorsprung angewiesen ist, muss mitmachen. Er muss einerseits den Vorsprung wahren und andererseits die Zurückgebliebenen unterstützten. Zum genannten Prinzip ein Vergleich: Bauen zwei Landwirte Kartoffeln an, dann können beide ungefähr denselben Profit erzielen. Entwickeln zwei IT-Firmen Software für dieselbe Anwendung, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das eine Produkt ein Flop wird, (auch wenn es sogar besser ist) und nur das andere Erfolg hat. Ähnliches gilt für Pharma-Produkte aber auch für viele andere Bereiche.
Unser technischer Vorsprung führt demnach dazu, dass Entwicklungsländern die Perspektiven fehlen, die die Teilnahme an gewissen Segmenten des Weltmarks bietet. Diese Perspektiven werden ersetzt durch Ersatz-Perspektiven die mit hohen Geburtenraten verbunden sind. Das führt zu hoher Jugendarbeitslosigkeit, was auch noch die noch verbliebenen lokal generierten Berufsperspektiven reduziert, mit der Folge, dass die Ersatzperspektive (Geburtenrate) genutzt wird: ein Teufelskreis, der zu Krisen führt. Wir müssen diesen brechen durch Förderung der industriellen Entwicklung (In Ländern wie China oder Indien führte, dass zu wachsender Konkurrenz) und gleichzeitig in steigendem Ausmaße das Asylrecht gewähren, das durch die genannten Krisen begründet ist. Übrigens profitierte auch der im Artikel erwähnte Fussballer Harchaoui vom Prinzip „The Winner takes it All“ Seine Worte «Ich glaube, harte Zeiten machen harte Menschen und weiche Zeiten machen weiche Menschen.» beschreiben den Zielkonflikt ganz gut. Warum sollen Menschen, denen es gut geht, auch noch hart sein? Indem sie auch für Luxus Geld ausgeben, schaffen sie Arbeitsplätze und warum sollen sie sich in einen Konkurrenzkampf stürzen mit Menschen, denen es nicht so gut geht? Wenn es ihnen Spaß macht und sie die geeigneten körperlichen Voraussetzungen mitbringen, ist es gut für sie. Zwar vielleicht weniger gut für Menschen, die von unten kommen und über den Sport nach oben wollen.
Wie gesagt, wir sind angewiesen auf den technologischen Vorsprung müssen aber gleichzeitig Lösungen finden für die damit verbundenen Zielkonflikte. Die Menschheit muss Perspektiven suchen, die nicht mit dem Wachstum von Kopfzahl und Konsum zusammenhängen. Hätte jeder Mensch im lokalen Durchschnitt (nicht nur im globalen) 2 Kinder und würden die Möglichkeiten zur lokalen Produktion ausreichend genutzt, dann gäbs die genannten Perspektiven auch im Globalen Süden. Wir im globalen Westen müssen zweierlei tun. Das ist einerseits, die Voraussetzungen schaffen und erhalten für erfolgreiche Teilnahme am Weltmarkt, auch mit Produkten, die den Klimawandel aufhalten. Es gilt aber auch die lokalen Kreisläufe und den auf lokalen Ressourcen und Aufgaben beruhenden Teil des Arbeitsmarktes zu unterstützen. Dessen Anteil sollte zunehmen. Dies auch als Vorbild und Unterstützung für das Lösen der weltweiten Probleme.
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zu Titelthema „Was ist eine gute Mutter?“ „Bin ich eine gute Mutter?“ von Ileana Grabitz

Erstmal: fröhliche Himmelfahrt – ich war schon zur Vorabendmesse (mit 20 anderen Aufrechten) – so habe ich etwas Zeit. Eigentlich lese ich das Magazin nur selten, aber der Artikel zur „modernen Mutter“- der hat mich angesprochen – und mit dem Begriff Kriegsenkel – da habe ich etwas gelernt. Da müsste dann auch meine Frau dazu gehören – meine Schwiegermutter ist Jahrgang 1940. Meine Eltern sind aus den Jahrgängen 1918 und 1927 – also bei mir passt das nicht mehr. Sie ist die Älteste von 3 Töchtern, ich der Jüngste von 3 Söhnen. Der Artikel ist flüssig und sehr authentisch geschrieben – man merkt Routine und Erfahrung, das liest sich stimmig. Die Bilder habe ich mir nicht so genau angeschaut – die passen nicht optimal. Drei persönliche Anmerkungen zu dem Artikel: Meine Mutter hat von 1958 (Geburt meines ältesten Bruders) bis Anfang 71 (meine Einschulung war im Sommer 71) nicht gearbeitet – und dann wieder 10 Jahre als Fürsorgerin 50% gearbeitet. Sie hat sich nach dem Neustart sofort Unterstützung geholt – zwei Damen kamen jede Woche für 3-4h zum Reinigen und für die Wäsche. Mit drei Kindern und meinem Papa in Vollzeit – und er war läppische 10h aus dem Haus – mit sehr wenig Dienstreisen – das wäre sonst zu viel geworden. Als Student habe ich 1988 bei Herrn Müller (Name der Redaktion bekannt) als Aushilfe mitgearbeitet – Frau Müller war die Leiterin unser Gemeinde Kita – sie hat das mit 120% gemacht, obwohl der Freitag eigentlich frei war. Wie meine Eltern, die Müllers hatten 3 Kinder. Nachmittags gab es in der Kantine auch Kuchen – Herr Müller griff gerne zu – denn „seine Frau hat zum Backen leider keine Zeit“. Er war deutlich häufiger für seine Firma unterwegs als mein Vater und auch Frau Müller hatte mit der kirchlichen Kita häufiger am Sonntag zu tun. Fazit – 3 Kinder und beide Vollzeit, kein Wunder, dass die Müllerkinder nach dem Abitur einfach „wech“ waren (also nicht nicht mehr zur Kirche kamen wg Austritt sondern wg nicht mehr da).
Und noch eine Beobachtung von unserem Hausarzt (ja meine Mutter, Brüder und ich, wir hatten unseren Dr.): Er wurde in den 90ern das dritte Mal Vater und wusste das meine Mutter 3 Kinder hatte. Er fragte sie nach einer Einschätzung, zur Vorbereitung. Meine Mutter sagt (mit ca. 70): Herr Dr., 3 Kinder, das ist das Chaos. Und 1 Jahr später sagte unser Dr. trocken: Frau Siegel, sie haben recht. Fazit: Manche Leute schaffen Marathon, manche schaffen den Mt Blanc oder gar den Everest – aber das ist nur mit harter Arbeit und klarem Fokus zu schaffen. Alles unter einen Hut, das ist für die meisten einfach nicht machbar. Das Traumziel von Herrn Lindner: das kinderlose Ehepaar, dass möglichst hohe Steuerklassen erreicht, das hat halt keine Kinder und führt den Sozialstaat später in den Bankrott. Auch mein Engagement für die Kirche kostet mich Zeit – Zeit, die für die Familie schlichtweg fehlt. Freuen Sie sich über ihre Kinder und lassen Sie selber entscheiden, welchen Weg sie einschlagen. Meine Brüder und ich, wir haben zusammen 5 Enkel für meine Eltern, meine Frau und ihre Schwestern kommen nur auf 3! – auch die Müllers haben reichlich Enkel. Allerdings ist Frau Müller dement geworden – wie meine Mutter. Es wird einem halt nichts geschenkt – daher abwägen: Gletscher, Marathon, Mt Blanc, oder doch nach Santiago – was ist mir wichtig?
Stephan Siegel

Der aktuelle Leitartikel „Bin ich eine gute Mutter“ von Ileana Grabitz ist vieles zugleich: berührend, super geschrieben, zum Heulen, zum wütend-sein, zum Nicken bis der Kopf weh tut. Ich bin dankbar, dass solche Artikel – die das Muttersein und die Mutterrolle in unserer Gesellschaft nicht nur positiv, sondern auch zwiegespalten darstellen – in einer so großen überregionalen Zeitung wie der ZEIT so einen prominenten Platz finden. Und dennoch drängt sich mir folgender Gedanke sofort auf: Ich hoffe, Sie bringen nächste Woche – spätestens aber in naher Zukunft – einen äquivalenten Artikel mit der Headline „Bin ich ein guter Vater?“! Denn einer der (vielen!) Gründe, warum das völlig überholte und erdrückende Mutterbild in unserer Gesellschaft weiterhin überleben darf, ist, weil solche Fragen scheinbar nach wie vor nur Müttern gestellt werden! Von anderen Menschen und von sich selbst. Obwohl es doch bei gemeinsamen Kindern selbstverständlich sein sollte, dass beide Elternteile den Anspruch haben, gute Eltern/Väter/Mütter zu sein! Und dass auch die Gesellschaft diesen Anspruch an beide Elternteile stellt! Passend dazu schreibt die Autorin ja auch selbst „Warum quälen mich diese Gedanken so sehr, meinen Mann hingegen die Frage, ob er ein guter Vater ist, deutlich weniger?“ Sie als ZEIT-Redaktion können dazu beitragen, dran etwas zu ändern!
Anna Jacob

Von den vielen Gedanken, die er beim Lesen angestoßen hat, diese drei: a) Neigen Frauen allgemein mehr als Männer zum Perfektionismus – beim Putzen, in der Beziehung – als Mutter? b) Was fühlen andere Mütter? Solche in gleicher Lage? Nicht nur in Ostdeutschland, auch z. B. in Frankreich oder Portugal wären viele Mütter zumindest erstaunt über die Selbstzweifel der Autorin. Und die Mütter, die noch dem romantischen Mütter-Ideal gefolgt sind? Ich (Jahrgang 1954) kenne annähernd gleichaltrige Mütter mit dieser Lebensführung – und ihre Töchter! Keine von diesen ahmt das mütterliche Beispiel nach. c) Bedeutet es wirklich eine Abwertung, dem elterlichen Beispiel nicht folgen zu wollen? Oder kann es einfach ausdrücken: „Ja, es war gut, aber ich versuche es noch besser hinzubekommen!“ Womit ich wieder bei der Neigung zum „Perfekten“ bin. Ja, das kann schon eine Plage sein. Aber es besteht immerhin die Chance, dass es zu etwas Gutem führt. Die Autorin hat es doch hinbekommen.  Ideal geht halt nicht.
Friedrich Schweikert

Dieser selbstquälerische Artikel bestärkt mich darin, dass es besser ist, keine Kinder zu bekommen, besser für einen selbst, besser für die Beziehung, besser für die Finanzen und nicht zuletzt für die Umwelt (Konsum, Müll, Chemie, Naturzerstörung, Landschafts- und Ressourcenverbrauch,…), also für uns alle. Downsize würde der Welt in jeder Hinsicht guttun. Wir sind eh viel zu viele, mehr als unser Planet verkraften kann, wir lassen anderen Lebewesen kaum noch Raum, Tiere, Pflanzen (Biodiversität, Artensterben,…), produzieren auf Kosten der Natur (Ackerchemie, sog. Konventionelle Landwirtschaft,…) und zerstören uns damit unsere Lebensgrundlagen, uns selbst. Soll das alles gewesen sein? Inzwischen sieht es ganz danach aus. Angesichts des Klimawandels braucht sich frau vielleicht auch keine Gedanken mehr über zukünftige Generationen oder kommende Töchtergenerationen zu machen. Vor zehn Jahren schrieb eine Wissenschaftlerin in einem Buch, das größte Problem der Menschheit sei die Überbevölkerung, allein damit würde sich die Umwelt- und Klimaproblematik auf der Erde so verschärfen, dass uns kaum Zeit bliebe, die Probleme zu lösen. Die bestehende Wirtschaftsweise will ungebremst wachsen und die Weltbevölkerung tut es auch. Das kann wohl nicht gut gehen. Aber die Selbstverwirklichung bzw. Selbstbespiegelung gebietet jeder (und jedem): Kind und Kegel „first“, um es mal plump zu sagen. Andererseits ist dieses „Mutterrollen-Gedöns“ (frei nach Gerhard Schröder) anscheinend Ausdruck einer typisch deutschen Befindlichkeit, zumal in gut situierten und gut ausgebildeten Kreisen. Und Frauen wird beigebracht, sich ohne Kinder unvollständig zu fühlen, warum nur? Weil sie einen Uterus hat, muss sie ihn nutzen? Angeblich hätten viele Männer weniger bis keine Kinder, wenn ihre Partnerinnen nicht darauf drängen würden.
Was mich angeht, habe ich meine gesamte Schulzeit in Ganztagsschulen in Frankreich verbracht, in der ersten Klasse waren die meisten gerade mal 3 Jahre alt, die Lehrerin brachte und Lesen, Schreiben und Rechnen bei, eine Nachbarin holte uns zum Mittagessen zu sich und brachte uns danach wieder zur Schule, ein paar Kilometer zu Fuß hin und zurück. Im Gymnasium gab es dann Kantinenessen. Meine Mutter arbeitete ganztags in Paris (20 Kilometer mit Zug und U-Bahn). Mein Vater arbeitete als Grafiker zuhause, und kümmerte sich zwischendurch um uns und den Haushalt. Vielleicht rührt daher meine Vorliebe für Männer, die einkaufen, kochen, putzen und nähen können und auch noch gut aussehen. Denn so war er, mein Vater. Er hat mir beigebracht, Elektroherde anzuschließen, Waschbecken zu montieren, Fliesen zu legen und Terrassenplatten zu gießen. Ich brauche also keinen Handwerker im Haus, wie meine (wohlbehüteten) Freundinnen mit Hausfrauenmütter. Nippes, schön gedeckte Kaffeetische und selbstgebackene Weihnachtsplätzchen gab es bei uns nicht, meine Pausenbrote musste ich mir immer selbst schmieren, und auf meine kleine Schwester aufpassen. Meine Mutter kam abends geschafft von der Arbeit und war oft gereizt. Sie war seinerzeit Hauptverdienerin und wenig zuhause, von Hausarbeit haben wir sie so gut es ging verschont. Leider ist sie bei einem Verkehrsunfall gestorben, als ich sieben Jahre alt war. Für mich bedeutete es noch mehr Verantwortung für mich und andere.
Meine Mutter hat mir vorgelebt als Frau etwas zu lernen und finanziell unabhängig zu sein. Das rechne ich ihr hoch an. Sie war eine taffe Frau. Eine Hausfrau gab es bei uns nicht. Nach ihrem Tod bin ich bei meinem Vater geblieben, einen Kinderwunsch hatte ich nie, er hat ihn mir wohl nicht beigebracht. Bei uns ging es praktisch und pragmatisch zu, Musik, die schönen Künste waren unsere Fluchten. Vermutlich wird einfach nur viel nachgeahmt, was die Leute in der Familie und ringsherum so machen, was sie für normal und richtig halten: Vater, Mutter, Kind und die dazugehörigen Rollen, die gemeinhin auf Kosten von Frauen gehen. Wir haben gewissermaßen unser eigenes Ding gemacht. Und was soll ich sagen, ich freue mich des Lebens, mein Mann kocht gut (wir kochen auch zusammen), mit Nippes, Backen und Kaffeetischen haben wir es nicht so. Dass wir beide unseren Lebensunterhalt verdienen und keine Kinder haben, hat sich so ergeben, ohne groß darüber zu reden. Und es gefällt uns seit gut drei Jahrzehnten, wie es ist. Die französischen Kolleginnen, die ich hatte, haben immer in Vollzeit gearbeitet, zwei oder drei Kinder großziehen, war für sie normal. Frauen in Teilzeit oder nur Hausfrauen hatten in Frankreich eher ein Imageproblem (inkompetent auf der faulen Haut liegen, so in etwa).
Dass meine französischen Kolleginnen nach der Arbeit einkaufen gingen und den Haushalt mehr oder weniger alleine machten, verdankten sie den Männern, die sie sich ausgesucht haben. Die französischen Machos hatten da eher wenig Problembewusstsein. Eine Bekannte hat auf diese Weise 6 Kinder großgezogen, Jahrelang sorgte sie mehr oder weniger alleine für den Familienunterhalt (ihr Mann hatte es nicht so mit regelmäßiger Arbeit). So musste sie in ihrem Leben sehr viel arbeiten, immerhin hat sie inzwischen eine gute Rente für sich alleine. Ihr Fazit: Kinder gelten als Reichtum, kosten aber auch viel Geld, manchmal wäre man ohne sie besser dran und hätte lieber keine. Das gibt einem doch zu denken, wenn man solche Artikel liest. Jammern auf hohem Niveau?
Pia Erb

Welche Assoziationen soll das Titelbild mit Fotos von Gabby Laurent auslösen? Was war Ihre Absicht? Gibt es einen Zusammenhang zum Artikel auf Seite 14? Lust auf die Lektüre des Textes weckt er eher nicht. Welche hochschwangere Frau läuft – im wirklichen Leben – im martialischen Laufschritt irgendwohin? Gibt es da einen Zusammenhang zu der Titelzeile? Der Feminismus hat ja viele Gesichter, aber dass sich Hochschwangere ungünstig fotografieren lassen, dieses Bekenntnis war mir neu. Zugleich verhindert dieses Titelbild Minderheitenschutz, damit meine ich die Adoptivmütter.
Mareike Boom

Danke für Ihren Artikel. Viele der Überlegungen kann ich selbst als Mutter, die Teil eines Paares ist, in dem beide Vollzeit arbeiten, gut nachvollziehen. An einer Stelle habe ich aber gedacht, dass Sie sich vielleicht weniger Sorgen machen müssen, als Sie es anscheinend zurzeit tun. Meine Mutter hat immer gearbeitet. Sie hat zwei Monate nach meiner Geburt in den 80er Jahren wieder angefangen, reduziert zwar, aber sie hat nie ganz aufgehört. Als meine jüngeren Geschwister geboren wurden, ist sie etwas länger zuhause geblieben. Aber für uns drei war es normal, dass beide Eltern arbeiten und wir anders betreut werden. Hätte man mich als Kind gefragt, wie ich das finde, wäre meine Antwort wahrscheinlich nicht nur positiv ausgefallen. Ich kann mich erinnern, dass ich es furchtbar blöd fand, immer als letzte auf Kindergeburtstagen abgeholt zu werden, weil meine Mutter immer zu spät dran war. Hätte man mich gefragt, ob ich auch mal so leben möchte, hätte ich das wahrscheinlich verneint. Ich konnte mir ganz lange gar nicht vorstellen, Kinder zu bekommen. Seit ich aber selbst Mutter bin, bin ich meiner Mutter unendlich dankbar dafür, wie sie ihr Leben gestaltet hat. Ich muss nicht mit einer Mutter kämpfen, die findet, dass Kinder eigentlich zuhause von ihrer Mutter betreut werden müssten. Zu uns kommt keine Großmutter, die die Nase rümpft, weil es nicht total sauber oder aufgeräumt ist. Das heißt nicht, dass bei uns alles total einfach ist und ich nicht trotzdem mit Erwartungen zu kämpfen habe, die sich aus kruden Ideen davon ergeben, wie eine Mutter sein sollte oder müsste. Aber schon vor der Geburt unseres Kindes hatte ich dank meiner Mutter eine Idee davon, wie das auch gehen könnte mit Kind und Beruf, gab es nie den Gedanken, dass Kinder vor allem ein sauberes Zuhause mit selbst gebackenem Brot und Kuchen brauchen oder Ähnliches. Vielleicht geht es Ihren Kindern irgendwann ähnlich, auch wenn sie und Sie das jetzt noch nicht wissen können.
Almut Kristine v. Wedelstaedt

Mit Dank für die umfänglichen Ausführungen zum Gedicht und zu einem prominenten Aficionado in einer der vorigen Ausgaben der ZEIT erlaube ich mir einen poetischen Kommentar zum Leiden vielbeschäftigter Mütter.
Kind, Karriere und Vergnügen, Muttertag
Die Mutter verliert die Geduld, beim modernen Dreifachkult
von Kind, Karriere und Vergnügen. Sie kann dem Kind nicht mehr genügen.
Was der Mensch für wichtig hält, was ihm egal oder gefällt –
für manche ist es Marathon, für andere gar Washington.
Das sind hoch gesteckte Ziele, unerreichbar für sehr viele,
weil es schöne Träume sind, wie ewig leben für das Kind.
Nie klagt die Blüte am Baum, sie hätte sich verwirklicht kaum
da aus ihr eine Frucht geworden, ohne Bedauern, ohne Orden.
Wer Enttäuschung will vermeiden, bedenke, es gibt Freud und Leiden.
Die Kirschblüte hat es verstanden: Da gibt es nichts zu beanstanden.
Johannes Kettlack

Thema leider verfehlt Anders als der Titel des Artikels und der ganzen Ausgabe der ZEIT erwarten lässt, will die Autorin gar keine gute Mutter sein, sie will eine perfekte Mutter sein. Drei eigene Kinder plus Patchwork-Kind, der Mann pendelt. Und sie so? Sie ist nicht nur berufstätig, sondern Führungsposition, nicht nur sportlich, sondern Marathon, die Brote für den Kindergarten bloß nicht schon abends schmieren, da geschmacklich nicht vertretbar. Und was liegt ihr am Ende des Tages im Magen? Dass ihre Töchter nicht genauso sein wollen wie sie. Ich dachte ich lese nicht richtig. So ein Aufmacher und dann so ein Heile-Welt-Quatsch. Es gibt Mütter, die sind auf weit weniger stolz (und das zurecht). Die richtige Antwort auf die Frage, was eine gute Mutter ist, hat Donald Winnicott schon vor 70 Jahren gegeben. Eine gute Mutter ist nicht perfekt, sondern gut genug. Und hat nicht genau das die Mutter der Autorin ihr am Ende auch verraten? Aber das empfindet die Autorin nicht sehr tröstlich. Wie schade für sie!
Carolin Schiemann

Der interessante Bericht von Ileana Grabitz zum Thema «moderne Mutterschaft» weckt auch Gedanken, die aus dem Rahmen fallen: Es geht dabei zunächst darum, dass die Menschheit eine schwierige Aufgabe zu lösen hat, wenn sie ihr Fortbestehen sichern will. Sie muss einen sanften Ausstieg finden aus dem exponentiellen Wachstum von Kopfzahl und Konsum. Dabei gibt’s zwei Probleme. Das eine betrifft die demographischen und ökonomischen Gräben innerhalb der Menschheit. Das andre betrifft den Umstand, dass das genannte Wachstum auf Verhaltensweisen beruht, die als gut befunden werden. Die Eltern von vielen Kindern geniessen in vielen Kulturen hohes Ansehen, genau wie das Beitragen zum Wachstum der Wirtschaft, also von Produktion und Konsum. Ganz davon abgesehen, dass beides Perspektiven und Orientierung bietet. Ein Beispiel ist eben auch der Muttertag. Das ergibt Zielkonflikte, die aufgelöst werden müssen im Interesse eines höheren Ziels, dem guten Fortbestehen der Menschheit. Und da taucht die Frage auf: Haben wir als Gesellschaft im Wohlstand überhaupt das Recht Lösungsvorschläge zu machen, die über den eigenen Bereich hinausgehen? Zu dieser Frage ist ein Satz bemerkenswert aus dem Bericht von Grabitz: „Während der Vater … auch Mägde und Knechte nach aussen vertrat …war die Frau eine Art Chefin für die häusliche Produktion.“ Dieser Satz weckt Kindheitserinnerungen. Meine Großmutter väterlicherseits musste als Magd ihre beiden ledigen Kinder gleich nach deren Geburt weggeben. Das geschah, bevor sie 1912 heiratete. Es entsprach einer bis in die Neuzeit verbreiteten Regelung, dass Dienstboten und Arme keine Familien gründe konnten. Noch in den 30er Jahren gab’s in Österreich 300 000 Dienstboten. Es gab auch Zeiten, in denen die Dienstboten in gewissen Gegenden in der Mehrzahl waren. Im Dorf, in dem mein Vater geboren ist, gab’s zeitweise im grössten Bauernhof 21 Dienstboten (14 Knechte, 7 Mägde). In der Schule lernten wir ein passendes Gedicht von Anton Wildgans, das so begann: «Sie sind immer nur da, um zu dienen. Niemand fragt sie nach ihrem Begehr. So lang sie gehorchen, ist man zu ihnen freundlich als wie zu Fremden – nicht mehr…». Die Situation im Salzburgischen Lungau, wo mein Vater geboren ist, werden im Buch «Auf fremden Höfen» beschrieben.
Meine Großmutter heiratete mit 28 Jahren meinen damals 58 Jahre alten Grossvater, dem es erst in diesem Alter als nicht erbberechtigter Bauernsohn gelang, eine Blockhütte (Baujahr 1673) und ein paar kleine Wiesen als Grundlage für eine Heirat zu erwerben. Er war Schindelmacher und starb 10 Jahre nach der Heirat. In besagter Hütte verbrachte ich im Alter von 9 bis 14 Jahren die Sommerferien bei den beiden Geschwistern meines Vaters, die nicht geheiratet hatten (vermutlich aus finanziellen Gründen): Weit und breit kein anderes Kind, aber drei Kühe und eine wunderbare Natur. Was allerdings nicht voll entschädigte. Ich kannte ja den Unterschied: Mit 8 Jahren war ich – vermittelt über die Caritas – in den Ferien auf einem Hof im Pinzgau und hatte jede Menge Spielkameraden. Grossmutter kannte ich, seit ich drei Jahre alt war. Im Krieg fanden wir Unterschlupf in der genannten Blockhütte. Meine Mutter hatte es nicht leicht mit der fremden Umgebung. Sie wusste zum Beispiel nicht, dass die Hütte auf Allmend steht mit dem Effekt, dass fremde Kühe die Windeln von der Wäscheleine frassen. Grossmutter wusste um die Schwierigkeiten. Sie sagte zu meiner Mutter: Ich könnte dir ja leicht helfen, aber du sollst selbst sehen, wie schwer es ist mit zu vielen Kindern. Sie betrieb also auf ihre Art Bevölkerungs-Politik und 3 Kinder waren schon fast zu viel, wenn man auf fremde Hilfe angewiesen war.
Ich erzähle das, weil es auch aus einem tieferen Grund zum Muttertag passt. Wir Eltern wollen unseren Kindern eine gute Zukunft sichern (und damit der Menschheit insgesamt). Dazu gehört, dass wir den Kindern keine untragbare Verantwortung aufbürden. Wir können nicht die demographische Verantwortung für die ganze Welt übernehmen (z.B. Asylrecht). Wir haben ein Recht dies abzulehnen. Denn auch unsere Gesellschaft war gezwungen, brutal Verzicht einzufordern, wenn die begrenzten Ressourcen dies nötig machten. Heute gibt’s fairere Mittel für den Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum. Nur, sie müssen genutzt werden.
Gernot Gwehenberger

Ich habe den Artikel mit Interesse gelesen, da ich, Jg 1963 und Mutter von 4 Kindern, Zeit meines Lebens Vollzeit und auch in Führungsposition gearbeitet habe. Allerdings stellte sich nie die Frage, ob oder ob nicht, da mein Mann mit brotloser Kunst die Erziehung und Betreuung übernommen hat; damit kein Geld zum Lebensunterhalt beisteuern konnte. Einer muss halt das Geld zum Lebensunterhalt verdienen – das war ich. Dass ich nie zu Hause bei den Kindern für längere Zeit sein konnte, schmerzt und ich denke nicht darüber nach. Seit 1988 hatten wir die „getauschten“ Rollen, was zur damaligen Zeit für meinen Mann nicht selbstverständlich und einfach war, aber er hat sich voll und ganz den Kindern gewidmet. Den „Stempel“ hat er aufgedrückt (nicht ich!) und das merkt man bis heute. Das ist auch ok so und wie gesagt, ich darf nicht darüber nachdenken. Eine Berufstätigkeit kann Kinder nie ersetzen und Vollzeit mit 4 Kindern ist immer Stress (bei manchen bis zum Burn-Out). Das Einzige, was nach uns bleibt (ich bin weder Musiker, Maler, Schriftsteller ua. von Bedeutung), sind die Kinder. Ein Job ist am nächsten Tag, an dem man nicht mehr auf Arbeit ist, vorbei, es geht mit anderen Playern weiter, was ok ist. Nur die Kinder zählen – nie der Job! Aber heutige Generationen glauben tatsächlich, alles Meistern zu wollen – um dann irgendwann mal vielleicht „vor einem Scherbenhaufen“ zu stehen – hoffentlich sind es dann nicht die Kinder!
Ingrid Doisccher


Leserbriefe zu „Deutschland ist zutiefst widersprüchlich. Ist das gut?“ von Frank Trentmann

Frank Trentmann fordert „eine neue und realistische Erzählung unserer Geschichte“, um das Land aus lähmenden Widersprüchen zu befreien. Und dann kommt eine Menge Text, der wenig erhellt. Also bitte einfacher! Was Deutschland lähmt, sind nicht innere Widersprüche, sondern heftiger Streit von verschiedenen Ideologien, die den Diskurs und den Staat unter ihre Kontrolle bringen wollen. Und Moral ist hier nur eine Waffe. Andere Waffen sind Wissenschaft und Medien. Wenn man sich die Sache genau besieht, dann ist es das gleiche, alte, obrigkeitsstaatliche Deutschland, wo der jeweilige Mainstream alle Abweichler gerne kriminalisiert und weg sperrt. Neben dieser alten Erzählung von Deutschland gibt es nur eine (!) andere Möglichkeit einer neuen Erzählung. Und das wäre die Erzählung von westlicher Freiheit, von bürgerlicher Freiheit und Eigenverantwortung. Es wäre die Erzählung von der harten Begrenzung von Politik und Staat und den Medien, die von ausufernder Politik und ausuferndem Staat profitieren. Unsere Form von Demokratiebelügt sich selbst und andere über ihr altes, obrigkeitsstaatliches Wesen. Hier liegt ein Grund für die Ineffizienz unseres Politikbetriebes. Das lässt Deutschland lahmen und absteigen. Die Freiheit wäre eine wohltuende neue Erzählung. Doch die will keiner. Die wird im Grunde gehasst. Darin sind sich alle im Lande einig. Die Freiheitsfeindlichkeit der Deutschen hält sie in der alten Erzählung. Die Vergangenheit ist nicht überwunden. Das alte, deutsche Wesen ist quicklebendig und in Zukunft zu jeder Untat wieder bereit. Man muss es nur sehen wollen. Aber wer will das schon!
Fred Klemm

„Das Land steht sich selbst im Weg.“ Dem kann ich zustimmen, ebenso der Grundidee, den im Artikel aufgeführten Zielkonflikten durch eine historische Betrachtung auf den Grund gehen zu wollen. Leider kam dabei etwas zu viel Meinung und zu wenig „dorthin gehen, wo der Schmerz sitzt“ heraus. Spannend hätte ich gefunden, spezifisch deutsche Eigenarten konsequent herauszupräparieren. Mit der „Erinnerungskultur“ setzen Sie am richtigen Punkt an, jedoch meiner Ansicht nach ohne die nötige Stringenz. Ein besonders monströses Kapitel der deutschen Nazi-Vergangenheit betrifft die Wissenschaft. Ein KZ-Arzt Mengele sah Menschen als Verbrauchs- und Versuchsmaterial an. Euthanasie- und Sterilisations-Programme dachten den Gedanken eines gesunden „Volkskörpers“ bis an sein furchtbares Ende weiter. Wenn schon Barbarei, dann richtig. „Konsequenz ist ein Meister aus Deutschland“, könnte man konstatieren, blickt man in diese schreckliche Zeit zurück. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs begann – unter Anleitung der Besatzungsmächte – eine Aufarbeitung, über deren Intensität und Erfolg sich sicherlich trefflich streiten lässt. Dass über die Generationen hinweg aber doch etwas passiert ist, scheint unstrittig. Sie schreiben: „… mit dem Erinnern war der Anspruch verbunden, Folgen des eigenen Handelns oder Unterlassens zu übernehmen.“ Es fehlt der Nachsatz: „so lange nicht bestimmte Tabuzonen berührt werden.“. Meine Meinung hierzu ist, dass insbesondere wir Deutsche – vielleicht im Windschatten vergangener Schuld – spezifische tote Winkel geblieben sind. Stichworte hierzu sind „Konsequenz bis zum Ende“ und eine unterschwellige Verdächtigung der Wissenschaft, inhuman zu sein.
Ein Beispiel als Denkanstoß: In China wurde über Jahrzehnte hinweg die „Ein-Kind-Politik“ durchgesetzt. Ein derartiger Eingriff ins Privatleben von Menschen erscheint aus unserer Perspektive unvorstellbar. Aus klimapolitischer Sicht muss man jedoch rückblickend anerkennen, dass die chinesischen Kader mit ihren brachialen Maßnahmen (ohne diese umweltpolitisch gedacht zu haben) der Welt heute Milliarden Tonnen von CO2 ersparen. Jährlich. Das „typisch deutsche“ Verhaltensmuster „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ bezeichnen Sie treffend mit „den Kuchen zugleich Verzehren und aufbewahren“. Welche schmerzhafte Verhaltensänderung jedoch nötig wäre, um sich selbst aus dem Weg zu treten, insbesondere auch im Hinblick auf eine Weiterentwicklung der „Erinnerungskultur“ vermisse ich in Ihrem Artikel. Sie mögen sich damit trösten, dass keiner Ihrer AutorenkollegInnen nötigen Mut und Shitstormresistenz aufbringen, um diese dunklen Tabu-Ecken zu beackern. So etwas bleibt unbelangbaren Leserbriefschreibern vorbehalten. Jene dürfen beharrlich vorrechnen, wo uns unterschiedliche Demographie-Rechenmodelle jeweils hinführen werden. Ebenso ein Thema, das ich aus historischer Perspektive – nämlich in Hinblick auf die Entstehung von Konflikten – gerne einmal aufgearbeitet sehen würde.
Maximilian Trattenbach

Frank Trentmann hat es zu aufgeschrieben, sachlich und zugleich alarmierend. Dieser Artikel sollte Pflichtlektüre für unsere Regierung sein. Gut wäre es ein Mitglied würde diesen Artikel bei der nächsten Kabinettsitzung laut vorlesen.
Richard Grabinski

Den o. a. Artikel finde ich in wesentlichen Teilen interessant und dafür geeignet, z. B. auch in Schulen, die sich verstärkende Widersprüchlichkeit in D zu thematisieren. Die ganze Thematik könnte gerne unter dem Motto: „Mehr Ehrlichkeit wagen“ stehen/laufen. Die angesprochenen Themenbereiche sind so wichtig, dass dafür gerne, z. B. einmal pro Woche, Schulzeit eingeplant wird. So ist es „step by step“ möglich, die Realität zu „(er)lernen“. Fordern ist einfach, Liefern ist bedeutend schwerer! Dazu gehört u. a. auch, dass das Spannungsverhältnis vom gewohnten „(An)forderungstraum, hin zur „Wirklichkeit/der Realität des Machbaren“ aufgezeigt wird. Parallel auch die sich daraus ergebenden Aufgaben für eine(n) verantwortungsvolle(n) BürgerIn. Nur so kann es gelingen!
Klaus Frankenberger

Ach, wie wäre das schön, wenn unsere Politiker*innen die Widersprüche und Aporien benennen und nach realisierbaren Lösungen suchen würden – anstatt zu behaupten oder zumindest zu suggerieren, dass alles gut werde, wenn frau*man nur die Richtigen – nämlich eben sie selbst – wähle.
Ulrich Willmes

Das Land umkrempeln, aber keinem Bürger etwas zumuten oder wehtun! Dieses ambivalente Verhalten zeigt sich besonders bei der (Arbeits)Immigration. „Um die jetzige Erwerbsbevölkerung stabil zu halten, müssten knapp eine halbe Million Zuwanderer ins Land kommen – jedes Jahr!“ Das erwarten der Autor und Wirtschaftsfachleute. Natürlich zusätzlich zu den Hunderttausenden, die jedes Jahr um Asyl bitten! Ein Volk ist doch nicht nur ein Wirtschafts- und Dienstleistungsfaktor! Es hat Besonderheiten, Kultur, Gesichter, eine Identität, die erhaltenswert ist! Oder soll sich unser Land zu einem polyethnischen, multikulturellen Beliebigkeitsland entwickeln, wie es der flatterhafte Zeitgeist offenbar will? Wenn die Hunderttausende ausländischer Pflegekräfte selbst alt und pflegebedürftig werden, wer betreut sie dann? Immer und immer wieder Hunderttausende junger Menschen aus dem Ausland? Ich bin Laie, erwarte aber von Experten aus dem einstigen Land der Denker und Tüftler intelligentere und zukunftstauglichere Lösungen als: immer nur aus dem Ausland substituieren, was im Inland fehlt! Warum nicht allen überflüssigen und kostspieligen Beauftragten andere, sinnvolle Aufgaben zuweisen? Warum nicht alle Rentner, die das wollen und können, weiterarbeiten lassen? Warum nicht endlich ein soziales Pflichtjahr für junge Menschen und Rentner (wie mich) einführen? Pflegebedürftige wollen nicht nur „satt und sauber“ sein, sondern sich auch mit jemandem in ihrer Muttersprache unterhalten! Wenn ein Jahr nicht reicht, dann eineinhalb Jahre. So lange dauerte die Wehrpflicht zu demographisch günstigen Zeiten! Warum nicht jungen Menschen aus Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit eine befristete Arbeits- und Ausbildungszeit in Europa anbieten mit der Verpflichtung, nach deren Ende in ihre Heimatländer zurückzukehren? Schließlich sollen danach auch weitere Landsleute von diesem Angebot profitieren! Warum nicht nicht-sensible Produktion in andere Länder verlagern, zu den Arbeitskräften, nicht umgekehrt! Wenn schon Globalisierung, dann nicht halbherzig! Das sind Überlegungen eines wirtschaftspolitischen Laien, der zumindest glaubt, den ihm verbliebenen Verstand nicht an der Ambivalenzgarderobe abgegeben zu haben!
Ulrich Pietsch

Der erste Schritt einer Politik ist eine fach-kompetente Analyse der Sachfragen: Nur dies erlaubt „die Hingabe an die Sache“ und macht überhaupt erst moralische Werte bei der Abwägung möglicher Politiken sinnvoll. Realiter lebten vor allem DIE GRÜNEN jahrelang im „Elektrizitäts-Wolkenkuckucksheim“ und erfahren heute die eigene Ankunft in einer harten anderen Realität. Wie sag ich es nun meinen Wählern? „Wildes Denken“ à Tim Wihl hilft leider erst recht nicht weiter.
Wolfgang Ströbele

Zutreffend stellen Sie gesellschaftliche Widersprüchlichkeiten fest, die aus dem „spezifisch deutschen moralischen Aufladen einer zunehmenden Anzahl von Themen“ resultieren würden, und auf die mit einem „maximalistischen Politikstil“ reagiert werde. Und empfehlen dann eine Prioritätensetzung: Pflege, Bildung, Ökologie. So weit, so richtig. Interessant wäre gewesen, welche Bereiche des maximalen Politikstils Sie weniger prioritär behandelt sehen möchten. Stattdessen folgt Ihr Rat, den Kuchen eben doch zweimal zu essen: keine Einschränkungen, keine Kürzungen, keine Anstrengungen, keine Eigenverantwortung, nichts, maximal weitermachen und sich zusätzlich verschulden. Dass damit die Widersprüche benannt oder gar gelöst würden, erschließt sich mir nicht. Ein folgerichtiger Gedanke wäre m.E. hingegen, dass damit der Reformdruck sinkt und so zur Aufrechterhaltung der Widersprüche eher beigetragen wird. Wenn Sie mögen, sehr geehrter Herr Professor Trentmann, stelle ich Ihnen einen Garantieschein aus, dass jedes einzelne der kommenden Haushaltsjahre neuen, weiteren und ungeahnten Anforderungen gegenüberstehen wird. Im Übrigen empfehle ich die Lektüre eines Artikels im Wirtschaftsteil der Zeit, der vor wenigen Wochen erschienen ist: Die hohe Staatsschuldenquote der USA (waren es 123%?) gefährdet die Weltwirtschaft.
Regina Steindorf

Das meiste aus Ihrem Artikel habe ich mit großer Zustimmung, fast Begeisterung gelesen und vieles am Rand mit Rufzeichen markiert, oder sogar mit „+“ für besonders wertvoll und gut so festzustellen. Am Schluss kam doch eine kleine Enttäuschung durch etwas nicht ganz Falsches, aber Missverständliches oder Missbrauch- oder Verdrehbares. Aber zunächst zu dem zugestimmten:  Sie haben völlig Recht: Das deutsche Problem und das mancher anderen liegt nicht so sehr in den Krisen oder Widersprüchen, sondern in ihrer teils feigen, bequemen, teils unbewussten, teils opportunistisch wahltaktischen Verleugnung oder Verschweigen, um sich den „Stress“ von Shitstorms oder nur streitiger Diskussion oder Wählerstimmenverluste zu ersparen. Stattdessen wird allzu gern Wunschdenken, Mussdenken, Emotionen oder Tabuisierung befriedigt, auf Kosten von sachlicher Korrektheit, Ehrlichkeit und Realismus der Analysen wie auch der Besserungs- oder Problemlösungs-Pläne. Sogar der Begriff „Lösung“ ist oft schon beschönigend, da er allzu gern als bequeme, vollständige und allein vom „Staat“ zu erledigende Behebung von Problemen verstanden wird, während die „Lösung“ in Wirklichkeit oft nur teilweise und dennoch anstrengend, kostspielig oder Verzichte bringend möglich ist, zumindest für viele und nicht nur für Regierung, Staatsapparat oder Reiche. Natürlich sind Dilemmas und Widersprüche nichts neues und auch nichts ungewöhnliches, sondern ein steter Teil der menschlichen Entscheidungen, Geschichte und des menschlichen, teils wohl sogar tierischen Lebens.  Meist gibt es gar keine befriedigende Auflösung des Dilemmas und Widerspruchs, sondern nur eine bestmögliche Balance der einen und anderen Seite und/oder zu lernen damit zu leben.
Und natürlich gibt es auch bei hohen moralischen Ansprüchen einen Widerspruch mit den — oft verschwiegenen — Kosten, Entbehrungen, Anstrengungen (auch zusätzlichen Arbeitsstunden) und Unsicherheiten bei ihrer Umsetzung oder Erfüllung. Im Wahlkampf wird dann gern — teils unterschwellig — die Botschaft vermittelt: „Wählt uns, denn wir stehen für das gute, aber keine Sorge, den Preis zahlen, die Arbeit machen andere als Ihr, z.B. der Staat, die Reichen oder die Empfänger des Guten selbst“. Der maximalistische Politiker und besonders Wahlkämpfer, aber auch etliche Medienschaffende und Zivilgesellschafts-Aktivisten versuchen es — fast — allen recht zu machen, „to have your cake and eat ist, too“. Und leider: Der kurzfristige Wahlerfolg oder vermiedenes Wahldesaster gibt ihnen immer wieder Recht, während ehrliche realistische Mahnungen, soweit von Partei-Politik-Kräften, eher bestraft und von Gegnern nach allen Regeln der Propaganda-Kunst verdreht und verteufelt werden: Nach dem Motto: „Der/die hat kein Herz, keinen Sinn für Gerechtigkeit, Freiheit, Wohlstand, Wirtschaft, für die Nöte des „kleinen Mannes“, der Arbeitnehmer, der Rentner, der Terroropfer, der Kriegsopfer etc. etc. Wer irgendwen auch nur andeutungsweise belasten oder bezahlen lassen könnte, egal wieviel er dadurch anderen und/oder in der Zukunft erspart, wird als deren Feind hingestellt.
Selbst Wissenschaftler und Experten singen oft das Lied derer, die sie bezahlen oder bestellt haben, besonders in den Wirtschaftslehren. Selbst die Grünen, die einmal als Partei für die Nachhaltigkeit, die Sicherung und Rettung der Zukunft auch auf Kosten von Annehmlichkeiten der Gegenwart angetreten waren, verkünden inzwischen immer mehr „Lösungen“, die in der Gegenwart Erleichterungen, Ethik-Fortschritte und Annehmlichkeiten bringen, aber ohne den Preis dafür zu nennen, sondern für die Finanzierung und zusätzliche Arbeit dafür ganz überwiegend mehr „Kredite“ befürworten, ohne den jetzigen Bürgern irgendetwas abzuverlangen, oft mit illusionären Begründungen (s.u.), letztlich aber auf Kosten zukünftiger oder unklarer „Zahlmeister“ oder Kürzungsopfer.  Ein mir erinnerliches Beispiel war 2019 in einer Talkshow-diskussion, wo Sarah Wiener forderte, Klima- und Umweltschutz müsse dem Bürger ganz leicht gemacht werden. Und indirekt fordern das oder versprechen sogar bei fast allen Parteien viele um Anhänger und Zustimmung ringende, bei Gerechtigkeit, bei Inklusion, bei Wohlstand, bei Klima-, Natur- und Tierschutz, bei sozialer Fürsorge, bei der Freiheit, Bildung, der Demokratie, Zukunfts-Sicherung für die jetzigen Kinder und Enkel etc. etc. Es heißt dann z.B. wir bräuchten „keine besseren Menschen, sondern — nur — bessere Politik“, als könne bessere Politik funktionieren, umgesetzt, erarbeitet und bezahlt werden ohne auch Denk-, Verhaltens- oder Lebensstil-änderungen der Bürger, die ja zusammen „der Staat“ sind, zumindest ein unentbehrlicher Teil davon neben Regierung und Verwaltung.
Dazu ist mir auch bei Ihnen unklar, wie der Staat/die Politik durch „gesellschaftliche Teilhabe“ einen „Wandel ihres Lebensstils ermöglichen“ sollte oder könnte, ohne ihnen dabei irgendwo mehr zu kosten oder abzuverlangen. Auch Recht haben Sie allerdings, dass sogar moralische Ansprüche verschiedener Felder oder Ziele miteinander im Widerspruch oder gegenseitigen Ausschluss stehen können, und dass moralische oder empathische Bekundungen allzu billig, wenn nicht wertlos sind, wenn sie nicht auch zu Taten führen einschließlich solcher, die für den handelnden selbst und die von ihm vertretenen Kosten oder Risiken bringen. Und genauso Recht haben Sie mit dem Hinweis auf mehr nötige Arbeitskräfte auch durch Einwanderung, die aber kaum als fertige Fachkräfte und Steuerzahler kommen, sondern erst einmal untergebracht, überprüft, sprachgeschult, integriert und meist auch — jedenfalls für den hiesigen Bedarf — ausgebildet werden müssen. Teile dieser Aufgaben sind entbehrlich oder eher leistbar durch Verschiebung des Rentenalters zumindest bei weniger belastenden Jobs und noch hinreichend gesunden Arbeitstätigen, ferner vielleicht durch — soweit möglich — Umlenkung von Berufswahlen von z.B. unterhaltenden oder Luxus liefernden Jobs auf systemrelevante wie Bildung und Pflege. Auf jeden Fall ist es fatal, wenn letztlich alle Alternativen und/oder ihre Voraussetzungen zur Milderung des Fachkräfte-Mangels abgelehnt oder blockiert oder durch gestellte Maximalbedingungen unbezahlbar oder unverantwortbar gemacht werden.
Die Realitäten, die von den Idealen wegdriften, beinhalten weniger naturgesetzliche oder mathematische, sondern die Realitäten der gesellschaftlichen Mächte und Mehrheiten, der „inneren Schweinehunde“, der Bequemlichkeit, der Besitzstandswahrung, dem Prestige, oder Lustgewinn, den Ansprüchen an größere Anteile an Anerkennung, Macht, Freizeit, Wohlstand, Beachtung etc. etc., und natürlich die Forderung, dass die Empathie für die eigene oder die Not der eigenen Verbündeten die wichtigere und relevantere sei. Die Not der jeweils anderen wird als notwendig, selbst oder vom Gegner verschuldet oder gar nicht gesehen, z.B. durch die immer wiederkehrenden Tunnelblicke. Auch das ist alles andere als neu: Schon die massiven Bombenangriffe der Alliierten gegen Hitler-Deutschland trafen auch ganz viele unschuldige, auch Gegner oder Opfer der Nazis, Zivilisten, Kinder etc., sogar ohne dass die Nazis damals ihre Militär- und Führungseinrichtungen hinter den Zivilisten als „Schutzschilden“ unterbrachten. Auch damals gab es bereits Zweifel, ob Dinge wie die nahezu Zerstörung Dresdens oder das atomare Armageddon Hiroshimas nicht Verbrechen der sonst eigentlich eher für das Gute kämpfenden waren. Solche Dilemmas und die Gefahr, dass die skrupellosesten Zyniker gewinnen und die rücksichtsvollen verlieren könnten, sind inzwischen Elemente der meisten Kriege, weshalb manche ja lieber verlieren als hineingezogen werden wollen, womit sie natürlich andere Schrecken wie barbarisch menschenquälerische Herrschaften wie bei Hitler und Stalin in Kauf zu nehmen drohen. Sogar der Friedensnobelpreis tragende Staatschef von Äthiopien und der ebenso ausgezeichnete Obama sind bekanntlich in solche Dilemmas geraten und haben ihre „Unschuld“ verloren.

Die mit Recht konstatierte „abnehmende Bereitschaft des Staates . . . sich wirklich ernsthaft mit den Widersprüchen auseinanderzusetzen“, ist leider absolut nicht nur „beim Staat“ zu beobachten, sondern genauso bei Wählern, vielen Medien, Gewerkschaften, Interessengruppen etc., die durch ihre Macht und ihren Einfluss auf die nächsten Wahlen es letztlich den Staatsverantwortlichen äußerst schwer, wenn nicht unmöglich machen, ihren Verantwortungen und angemessenem Umgang mit den Krisen gerecht zu werden. Gewählt werden eher die Gewerkschafts- und Staats-lenker, die schönes oder Emotionen befriedigendes fordern und in Aussicht stellen, weniger diejenigen, die mit Realismus und Ehrlichkeit das auch langfristig nötige und auch für die in 30 Jahren noch lebenden verantwortbare fordern oder beschließen. Das ist das Dilemma der Demokratie, deren Wähler leider mehrfach für die Zukunft tragische Mächte in Scharen gewählt haben. Noch einmal haben Sie total Recht, dass wegen oder trotz all dem man „nicht die Moral über Bord werfen“ darf, nur muss sie balanciert werden mit Realismus, Kosten, Ressourcen und der Bereitschaft oder Überzeugbarkeit der Bürger die Kosten und Arbeit dafür zu tragen. Eine 100%ige oder „absolutistische“ Moral in der Politik würde sich kaum halten, und ist vielfach unmöglich durchzuhalten, zumal wenn sie Vernachlässigung anderer ethischen Forderungen mit sich brächte wie bei den „Wahlen zwischen Pest und Cholera“ oder zwischen Frieden und Freiheit. Es muss aber — nicht nur durch „die Politik“ für ein Maximum an Gerechtigkeit und ethischer Verantwortbarkeit geworben und argumentiert werden, statt den „inneren Schweinehunden“ in „vorauseilendem Gehorsam“ voreilig die „Kapitulation“ zu präsentieren.
Damit komme ich zu meiner Enttäuschung durch einige der letzten Sätze des Artikels: Das Schuldenmachen, zumindest gebremst durch die Verfassung, erklären Sie lediglich als „unpopulär“, als sei das das einziges Problem noch größerer Schulden, und als sei die „Fixierung auf die Schuldenbremse“ das wesentliche Hindernis für die Sicherung von Klimaschutz, Frieden und wohl noch anderer Ziele. Es mag sein, dass einige unerfüllte oder zu mangelhaft erfüllte Aufgaben und Verantwortungen unserer Generation noch schlimmer sind als ein noch viel größerer Schuldenberg, aber selbst diesen in Kauf zu nehmen — auf Kosten der künftigen Inflationsopfer, Steuerzahler und Kürzungsopfer etc. — wäre niemals ein Allheilmittel, dass uns alle „Schmerzen“, Mehrarbeit, Mehrkosten oder Verzichte zur Bekämpfung oder eher Bearbeitung der Krisen und Probleme ersparen würde. Griechenland und andere Staaten haben gezeigt, dass Kredite, insbesondere ohne rechtzeitige gut mit geplante Tilgung eben nicht die — bequeme und billige — Lösung der Probleme oder Erfüllung der Wünsche bringen, jedenfalls nicht auf Dauer und damit verantwortbar. In der Vergangenheit konnten Schulden gelegentlich durch Wachstum, Inflation und andere Faktoren getilgt werden, aber meistens auf Kosten von irgendwem und irgendetwas, zum Beispiel durch die fossilen Emissionen eines relativ bequemen und günstigen Wachstums, durch „Einsparung“ von Kindern oder Migranten und damit künftigen Fachleuten und Beitrags- und Steuerzahlern, durch „Einsparung“ von Infrastruktur-Erhaltungskosten etc. Auch für die Risiken und Nebenwirkungen von noch mehr Schulden für die Zukunft dürfen wir nicht die Augen verschließen. Die Zukunft gibt es letztlich für die jetzigen Bürger nicht völlig bequem und gratis: sie muss auch erarbeitet, bezahlt und priorisiert werden. Wir haben die Welt nicht als Eigentum, sondern sie quasi geliehen und sind verpflichtet sie ohne allzu große Beschädigung am Ende in die Hände der Kinder und Enkel zurückzugeben.
Peter Selmke


Leserbriefe zu „Rau, aber Mitte“ von Mariam Lau

Miriam Lau meint es offenbar gut mit Friedrich Merz. Er wird, er könnte es schaffen, weil er sich moderat gibt, so ihr Fazit. Doch die Demoskopie sieht die CDU festgenagelt bei 30 % , obwohl die Ampel fast täglich ergiebiges Angriffsmaterial liefert. Merz sitzen offenbar die Merkelianer im Nacken wie Wüst oder Günther, die noch immer mit schwarz-grün liebäugeln. Doch diese Hinwendung ist Gift für die Partei, das Sowohl als auch zieht nicht mehr. Die Sollbruchstelle ist die Migrationskrise. Nach 30 Jahren sind die meisten der Experimente und Versprechungen überdrüssig. Auch die jüngst favorisierte Drittstaatenlösung funktioniert nur auf dem Papier. In dem Punkt ist Merz zu zaghaft. Erst mit einem radikalen Kurswechsel, der weitgehenden Abschaffung des in der Nachkriegszeit ersonnenen Flüchtlingsregimes, würde Ruhe einkehren. Und der AfD den Teppich unter den Füßen wegziehen. Doch allein der Gedanke daran lässt viele frösteln. Ein harter und mutiger Schritt, vor dem bis auf die AfD alle zurückschrecken, aber wie lange noch? Am Ende gilt: Staatsräson geht vor humaner Attitüde. Der Schutz der Bevölkerung hat Vorrang.
Christoph Schönberger

Das gruselige Biedermeier, das in dem Leitartikel von Mariam Lau sichtbar wird, ist nur eine Maske für den grünen Überlebenskampf. Da wird einer CDU großzügig zugestanden, dass sich noch vieles „häuten“ müsse und „unklar“ bleibt aber immerhin verzichtet man auf „Hass“ und „Ressentiment“. Und „zynisch gesprochen, war der Krieg in der Ukraine für die Union ein Geschenk“. Dieser Satz offenbart pure Aggression. Und die Darstellung der anderen konservativen Kräfte in Europa und den USA macht den Haas und die kummervolle Weinerlichkeit der Autorin gut sichtbar. Das Ganze endet als Eheanbahnung für eine „schwarz-grünes Bündnis“. So soll die grüne, politikunfähige Anmaßung vor dem völligen Machtverlust bewahrt werden. Dieser Artikel verdient einen Warnhinweis.
Fred Klemm

Der CDU-Parteitag hat eindrucksvoll gezeigt, dass sich Parteien hierzulande durchaus konsolidieren können, ohne zwangsläufig in die extremen Ekelecken abzurutschen. Unsere Geschichte hat sich dabei als wertvolles Korrektiv erwiesen, eine Eigenschaft, die in anderen Ländern fehlt und daher dort nicht selten extremere Auswüchse zu beobachten sind. Eine Frage bleibt jedoch auch hierzulande unbeantwortet, und zwar, wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass über viele Jahre hinweg defacto jedes Politikfeld in die Bredouille gebracht wurde. Gerade in den Zeiten der Vorgängerregierung war eine seriöse und nachhaltige politische Führung zunehmend konturenlos in einer Art Einheitsbrei aus Beliebigkeit und Prinzipienlosigkeit weggetaucht und aufgelöst worden. Nochmal so etwas, also eine Neuauflage einer ‚Merkel CDU‘ dürfen und können wir uns nicht mehr leisten, denn viel Zeit bleibt uns nicht mehr unsere sieben Sachen für die große und leider auch hochgefährliche weite Welt da draußen endlich auf die Reihe zubekommen. Vermutlich hat das Herr Merz verstanden. Und auch wenn die Grünen derzeit – zumindest vordergründig – den Eindruck vermitteln, dass sie sich vom gesunden Menschenverstand in ihrem Blick auf das wirklich Große und Ganze, also auf die Staatsinteressen, leiten lassen, ist die Zurückhaltung der Union hinsichtlich einer Zusammenarbeit gerechtfertigt.
Denn das Experiment der ehemaligen Kanzlerin ihre eigene Partei (und auch andere, die sich der Sogwirkung nicht rechtzeitig entziehen konnten) in ihren politischen Kernaussagen zu neutralisieren, um auf kurze Sicht Mehrheiten zu sichern, ist fulminant gescheitert. Die Entstehung mehrerer ernstzunehmender Parteien – leider an den Außenrändern – ist ein deutlicher Beweis hierfür, spricht aber auch für unseren funktionierenden politischen Wettbewerb in unserer Demokratie. Entstandene Politiklücken wurden ganz einfach von anderen geschlossen. Ob das gut ist? Wer weiß! Wir Menschen haben uns verändert, eine parochial geprägte Partei wie die Union hat das lange Zeit nicht wahrnehmen wollen. Als Wählerinnen und Wähler sind wir zunehmend sehr gut informiert, sehr kritisch und aufgeklärt geworden, ja, wir verstehen sogar komplexe Zusammenhänge, gleichzeitig sind wir leider auch in zum Teil hässlichen Meinungssilos fest gefangen. Wenn es die Union jetzt nicht mehr vergeigt und es ihr gelingt die leider selbst geflochtenen Fallstricke wie beispielsweise die ‚Leitkultur‘ in den Debatten zu entschärfen, kann die Union für unsere Land und für Europa eine durchaus tragfähige Option werden.
Johannes Warbeck

Ich hatte gedacht, dass die ZEIT sich für so krassen Wahlkampf für die CDU und unverhohlenes Werben für eine schwarz/grüne Koalition zu schade wäre. Miriam Lau ist in meiner Wertschätzung als unabhängige Instanz ziemlich weit abgerutscht (na und!) Gut, dass es zur Sch(merz)minderung (pardon) gleich nebenan den wieder exzellenten Beitrag von Peter Dausend gab.
Sven Herfurth

Die Einschätzung von Frau Lau über Merz‘ Position in der Mitte erfordert Widerspruch. Denn der Vorschlag der Drittstaatenregelung für Asylverfahren (wobei offenbar an grenznahere Staaten als Ruanda gedacht ist), das ganz offensichtlich die britische „Lösung“ kopiert, ist auf keinen Fall in der Mitte angesiedelt, selbst wenn sich bei einer Abstimmung darüber eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung dafür aussprechen würde. Ich meine, dass dieser Ansatz ganz eindeutig aus der rechten Ecke kommt, wo auch über Remigration und dergleichen debattiert wird. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass in der Redaktionskonferenz der Zeit oder anderer Medien, die die öffentliche Meinung prägen, dieser Ansatz als in der Mitte der Gesellschaft anzusiedeln eingestuft wird. Ich wünsche mir von der Zeit gerade über diesen Punkt und die sich dagegen gerichtete Kritik der vielen Theologen eine vertiefte Diskussion.
Immanuel Stauch

Was haben wir und Amerika gemeinsam? Wohl bald einen Politrentner zum Staatsoberhaupt. Auf dem Parteitag wurde Merz jetzt von den Delegierten auf den Schild gehoben, mit dem Ziel ihn zum Bundeskanzler zu machen. Warum das? Merz hat die CDU auf ihr Nachkriegsniveau zurückkatapultiert, was ihr wieder etwas mehr Stimmen bringt. Wie hat er das geschafft? Mit seiner „unchristlichen“ Polemik und Politik gegen Asylsuchende, der finanziellen Unterstützung von Reichen, Bauern und anderen Lobbygruppen sowie der Gleichgültigkeit gegenüber Benachteiligten. Das Schüren von Hass gegen Grüne und Linke gehörte ebenso zum Instrumentarium des Populisten Merz. Diese Kampagnen nutzten vor allem der AfD, die weiterhin zweitstärkste Partei ist. Weitere Rückschritte sind der geplante Wiedereinstieg in die Atomkraft oder die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Interessant ist auch, dass Merz unter den möglichen Kanzlerkandidaten der CDU/ CSU der Einzige ist, der keine praktische Regierungserfahrung hat. Die Kanzlerkandidatur nützt allein Merz und nicht dem Land. Sein größter Triumpf bestünde darin, der Ex-Kanzlerin Merkel eins auszuwischen. Sie hatte den Egomanen ja seinerzeit kaltgestellt.
Conrad Fink

Hauptsache die Brandmauer gegen die „rechte“ AfD, die bleibt stehen, das scheint im Augenblick das größte Problem für die mittige CDU zu sein! Alle anderen Probleme und Problemchen folgen dann mit großem Abstand!
Klaus P. Jaworek

Danke für ihren Artikel zu Stand und Perspektive der CDU. Er gibt mir Gelegenheit, ihrer Analyse zuzustimmen, und gleichzeitig ein für mich unerklärliches Manko festzustellen. Sie sprechen in wichtigen außenpolitischen Bereichen außer der CDU nur den Grünen „Trittfestigkeit“ zu. Unabhängig von der Frage der Trittfestigkeit der grünen Basis in diesen Fragen gibt es natürlich eine weitere Partei, deren Trittfestigkeit in diesen Fragen nichts zu wünschen lässt. Die FDP war und ist in diesen Fragen immer klar, auch schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Erstaunlich, dass eine liberale Zeitung das so ausblendet.
Bernhard Busch

Den Titel „Rau, aber Mitte“ sollte man durch „aber nicht konservativ“ ergänzen. Bei konservativ steht das Wohlergehen des Menschen im Mittelpunkt. Das ist hier nicht der Fall: für die EVP, damit auch CDU/CSU dürfen Maßnahmen gegen den Klimawandel den Wohlstand der Gesellschaft nicht gefährden, Wohlstand hat Priorität gegenüber Menschenschutz. Das Thema Krankenhausreform wird in dem Artikel nicht erwähnt, aber es zeigt zumindest in der öffentlichen Diskussion konzeptionelle Lücken. Die Länder haben hart darum gekämpft, dass die klinische Versorgung der Gesellschaft Ländersache ist und bleibt. Nun gibt es flächendeckend finanzielle Probleme und schon wird nach dem Bund gerufen und wenn der sich einmischt, hat man große Vorbehalte. Ein konservatives Konzept ist nicht erkennbar. Für die CDU sind die diesjährigen Wahlen in Ostdeutschland außerordentlich wichtig. Ob in diesem Kontext die Konzentration von Vorsitzendem Merz, Generalsekretär Linnemann, Sozialpolitiker Laumann, wirtschaftspolitischem Sprecher Spahn, S. Güler (Islamismus, Integration) in NRW von Vorteil ist, bleibt abzuwarten.
Frank Kleiner

Vielen Dank für Ihren sehr lesenswerten Leitartikel „Rau aber Mitte“ vom 8. Mai 2024. Genauso rau und mittelmäßig sind im 300. Kant Jahr unserer Ziele. Es geht uns nicht um Moral, sondern um das Verteidigen des eigenen Konsum-Status Quo. Dabei bedeutet „konservativ“ sein vorsichtig und bewahrend zu handeln. Wer das vergisst, gefährdet seine eigene Existenz und die anderer. Aber geht es Ihnen nicht auch so? Sie lieben Ihren Urlaub, die Zeit liebt es Werbung dafür zu machen, ja bietet selbst solche Reisen als „Verlagsangebot – ACHTUNG exklusiv für SIE“ an. Wenn Sie dann ins Ausland fliegen und anschließend eine Kreuzfahrt machen, entfällt die komplette Mehrwertsteuer auf die gesamte Reise! Flug und Kreuzfahrt sind sogar ganz ohne CO2- und Energiesteuer, wenn es in ein Nicht-EU-Land geht! Sie lieben die Internet-Schnäppchen, damit sich auch Ärmere was Schickes leisten können? Dank des direkten Versandes per Flugzeug aus China entfallen CO2-, Energie- und Mehrwertsteuer. Die Zeit liebt es auch dafür Werbung zu machen! Sämtliche Waren, die arten-, umwelt-, und klimafreundlich innerhalb der EU hergestellt und transportiert werden, zahlen all diese Steuern natürlich schon! Das stete Wasser der medialen „Bedürfnismaschiene“ höhlt den Stein des menschlichen Überlebenswillen. Ganz ähnlich wie beim Nichtraucherschutz profitieren die Medien von den Anzeigen der „fossilen“ Lobby. Ebenso wollen die Redaktionen trittbrettfahrend mitverdienen an der fossilen Spaßgesellschaft: „Fliegen, schau wie toll das ist, da geht noch was!“ rufen sie deshalb in zahlreichen redaktionellen Stücken und verschweigen dabei der geneigten Leserschaft den wahren Arten-, Umwelt- und Klima-Preis, den wir alle dafür zahlen! Das verhärtet die Fronten innerhalb der Gesellschaft. Für alle wird der gefühlte und reale „Lebensraum“ immer kleiner. Medien verschärfen durch unausgesetzte (Schleich-) Werbung für den bedenkenlosen klimaschädlichen Konsum diesen Konflikt und damit zugleich den politischen Diskurs darüber! Die AfD sagt Danke und weis einen immer größeren Teil der Flug-, Kreuzfahrt- und Internet-Kund*innen auf ihrer politischen Seite.
Kant zeigte uns mit seinem kategorischen Imperativ den Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Ist unser heutiges Verhalten so viel zu konsumieren, dass es  N I E M A L S  zur allgemeinen Maxime werden darf, nicht eine ebenso große Gefahr für unsere Mündigkeit, unsere Freiheit und das Leben unserer Kinder wie unsere Unmündigkeit vor der Aufklärung oder die unserer Vorfahren 1933? Trägt diese mediale Unmündigkeit nicht erheblich zur gefühlten „Machtlosigkeit“ bei? In DIE ZEIT ist „Luxus konsumieren, reisen und noch mehr konsumieren“, der vorherrschende Appell an die Leser*innen. Sie feiern 75 Jahre BRD und Grundgesetz mit einer Sonderausgabe aber zur größten von Menschen gemachten Katastrophe, der Klimakatastrophe, bringen Sie nichts Ähnliches zustande? Das ist eine Schande! Denn heute ist der Kampf gegen den immer tödlicheren Konsum, was früher der Kampf gegen die Alt-Nazis war! Bitte machen Sie endlich eine ZEIT-Sonderausgabe für einen wirksamen Klimaschutz. Andernfalls verschwindet jegliche politische Moral und solidarische Motivation und fahren wir mit immer größeren, zahlreicheren und überdimensionierten Konsumwünschen nach Autos, Flugreisen, Kreuzfahrten und anderem Luxus unseren Planeten samt Demokratie in den Abgrund.
Klaus Siersch


Leserbriefe zu „Mehr gute Laune wagen“ von Ijoma Mangold

Der Appell, mehr gute Laune zu wagen, verfehlt auf vertrackte Weise die Lage. Während sich die Lage zuspitzt, herrscht im politischen Raum doch tatsächlich zunehmend Unernst. Viele Politiker scheuen angstgetrieben den nötigen Ernst, um die Macht zu erhalten oder zu gewinnen. Sie verstecken sich hinter einer Attitüde von Ernsthaftigkeit, nur um souverän und auf der Höhe der Zeit zu wirken. Dabei nehmen sie weder die Lage noch die Bürger ernst. Die Spannung zwischen tatsächlichen Unernst und realem Ernst der Lage liefert unendlich viel Stoff für das politische Kabarett. Oft bleibt uns das Lachen im Halse stecken, nehmen wir doch allzu oft wie die Politiker die Lage nicht so ernst, wie sie ist. Wo eine Inszenierung von Ernst tatsächlich nicht ernst genommen werden kann, würde ein von einem solchen Politiker ausgehender Humor als Hohn erscheinen. Humor würde einfach nicht funktionieren: ganz dünnes Eis. Vielleicht ist der Appell von Ijoma Mangold auch nicht ganz ernst gemeint und soll Politiker dazu verleiten, durch Humor ihren Unernst selbst zu entlarven. Die Pointe: Damit Humor und die damit verbundene Leichtigkeit möglich werden, müssten wir alle tatsächlich dem Ernst der Lage auf Augenhöhe begegnen wollen. Dann würden wir im Humor auch wieder die Erleichterung spüren. Und trotz ernster Lage würde alles ein wenig menschlicher.
Reinhard Koine

Ich kann mich nicht entsinnen, wann mir ein Artikel so viel Genuss bereitet hat, dass ich ihn schon einen Tag später noch einmal in voller Länge hören musste. Der messerscharfe Verstand des Autors paart sich hier mit genau dem, was er zum Thema gemacht hat: Humor, Leichtigkeit und Lebensfreude trotz allen Ernstes der Lage. Jetzt brauchen wir nur noch eine zündende Idee, wie man ohne drakonisches Werkzeug diese Zeilen zur Pflichtlektüre der kritisierten Grabenkämpferfraktionen machen kann!
Ralf Dehn

Früh übt sich, was ein Meister im spielerischen Necken oder ein Neidhammel im kämpfenden Ärgern sein will. Nutzen wir Mentaltraining statt zu freundschaftlichem Miteinander zu polarisierendem Widerstreit, ist Faustrechtsverhalten (in Politik und Wirtschaft Kanonenboot und Raubtierkapitalismus) nicht weit. Der Dünkel des weißen Mannes lässt grüßen. Den wenigen friedfertig Lauen stehen die vielen Heißen und Kalten gegenüber, denen rücksichtnehmende Herzensbildung als Schwachheit gilt. Selbst bei mangelnder Gegenwehr rasten die „Ich will mich aber aufregen!“-Typen aus, zur Not als selbstgeißelnde Flagellanten. Die Basis des gefühlt permanenten Gegeneinanders liegt in Grenzen missachtender Egozentrik eines „Je mehr er hat, je mehr er will…“ begründet, dem zu allem Übel noch enttäuschte, fundamentalistische Schein-Mitmenschlichkeit in Pro und Contra-autoritärer Positionierung übergeordnet wird. (Recht geschieht es den Unbelehrbaren, samt Dornenkrone den Schmerzensweg zu gehen!) In diesen intoleranten Rechtgläubigkeitsblasen fordern die aggressiven Verschlimmbesserer – natürlich im Selbstbild Werteverteidiger, gesinnungsdiktatorisch Toleranz von den Unbotmäßigen, nicht spürend, dass sie es sind, die missionarisch eifernd, geradezu zwanghaft hassverachtend und niederträchtig den Geifer des Unfriedens säen. Da sich bislang der demokratische Siegeszug an den Blockfreien reibt, die partout ihr Schwert in der Scheide lassen wollen, stehen wir „Guten“, unter einem allein seligmachenden Monotheisten-Deckmantel wie Kreuzzügler gegen eine Welt, als wäre sie voll Teufel. In Wahrheit kommen auch wir als verkappte Untertanen-Erben, der guten Kinderstube abhold, nicht über missglückte Generalproben freiheitlicher Demokratie hinaus, weil wir sogar den Galgenhumor verlernt haben.
Andreas Weng

Ja, so weit sind wir leider schon: „Jetzt hilft nur noch Galgenhumor“.
Hans-Jörg Glaß

Da haben Sie einen wirklich lustigen, witzigen, spöttischen, heiteren und humorigen Artikel geschrieben. Wie können Sie es wagen? Aber ja: Den meisten Menschen in Deutschland geht es gut – etlichen sogar sehr gut – und es würde ihnen auch bei höheren Ausgaben für Klimaschutz, Naturschutz, Landesschutz, Ukrainehilfe, Tierschutz usw. immer noch gut gehen. Eigentlich hätten/könnten sie also gut lachen. Noch haben sie tatsächlich Grund dazu – und wenn sie die notwendigen Änderungen endlich energisch in Angriff nähmen, müsste ihnen auch in Zukunft das Lachen nicht vergehen.
Ulrich Willmes

Ihren Wunsch nach mehr Witz und guter Laune in der Politik teile ich auch, das könnte wirklich hilfreich sein in Zeiten, wo allenthalben verbal und körperlich aufeinander eingedroschen wird. Die von Ihnen vorgebrachten Beispiele allerdings finde ich eher befremdlich. Nichts gegen den viel gerühmten britischen Humor, den wir Deutschen wahrscheinlich wirklich nie erreichen werden. Und man mag den manchmal Monty-Pythons-haften Zirkus des britischen Parlaments natürlich amüsant finden, doch wohin der Witz eines Snobs namens Boris Johnson die britische Gesellschaft geführt hat, ist nun alles andere als lustig. Gleiches gilt für Gerhard Schröder mit seiner „Ihr könnt mich alle mal“-Attitüde: „Das ist mein Leben, nicht eures!“. Den wollen Sie uns doch nicht wirklich „ernsthaft“ als Vorbild verkaufen, oder? Dass er immer noch nicht einsehen will, von seinem Freund Putin missbraucht worden zu sein, ist ganz und gar nicht witzig, sondern purer Altersstarrsinn. Auch nichts gegen den unbestritten großen Außenpolitiker Joschka Fischer, doch seinen Spruch mit dem letzten Live-Rock-’n‘-Roller fand ich schon immer reichlich albern und arrogant. Aber das scheint ja die Denke etlicher Alt-Achtundsechziger zu sein: nach uns kommt nichts Großartiges mehr. Oder fehlt womöglich einfach nur mir der Humor für diese drei Herren?
Heinz Wohner

Ob Kanzler Kohl auch so herzhaft (oder ‚gut gelaunt‘) gelacht hätte, wenn ihm statt eines Kohlkopfs eine große Flaschen-Birne, geschmückt mit den Bundesfarben, überreicht worden wäre?
Hartmut Wagener

Sie sprechen mir mit Ihrem Plädoyer für mehr Humor, Selbstironie und Leichtigkeit aus der Seele. Das ständige Ausrufen der drohenden Apokalypse nutzt sich in seiner Wirkung ab und verhindert kreative Lösungen. Wer nur ängstlich darauf bedacht ist keine Verstöße gegen den herrschenden moralinsauren Puritanismus zu begehen, verengt seinen Blick und begibt sich in einen Gedankentunnel. Besoffen von der eigenen Betroffenheit wird belehrt und moralisiert, nicht mehr debattiert. Das artet dann schnell in Tugendterror aus. Und gerade Zeiten der engstirnigen Tugendhaftigkeit waren oft die schlimmsten mit Zensur und Bilderstümerei. Der Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein kleiner, wogegen eigentlich nur ein Schritt zur Selbstironie helfen kann.
Mia Herber


Leserbriefe zu „Olafs Wette“ von Tina Hildebrandt und Mark Schieritz

Warum traut sich kein Journalist, Scholz als einen Herold des Populismus zu bezeichnen? Denn seine Auftritte sind wie die der uns global nervenden Populisten von phrasenhafter Dummheit und fehlender Authentizität. Ein Ergebnis jahrzehntelanger Selektionen durch seine Partei. An der Frage, ob man im Volk irgendeine politische Perspektive von Parteifürsten der SPD auf Bundes- und Landesebene kennt, zu evaluieren.
Jürgen Dressler

Der Artikel „Olafs Wette“ ist ein sehr gutes Beispiel für die kritische Haltung, mit der Die Zeit, und vielleicht auch Deutschland im Allgemeinen, die Bundesregierung beurteilt. Fast alles, was Olaf Scholz und seine Regierung in zwei schwierigen Jahren erreicht haben, wird in Frage gestellt oder einfach schlechtgeredet. Sogar die Leistung, 270.000 neue Wohnungen in einem Jahr des Fachkräfte- und Baumaterialmangels zu bauen, wird nicht anerkannt. Es hätten ja auch 400.000 sein müssen. Da frage ich mich, ob Olaf Scholz nicht Recht hat, dass die Lage schlechter geredet wird, als sie tatsächlich ist.
Rob Roelfsema

Seriös ist, wenn Olaf Scholz mit Politik überzeugen möchten und nicht mit Schlagzeilen. Aus der Perspektive von Schlagzeilenproduzenten mag es wie eine verpasste Chance wirken, wenn ein erfolgsorientierter Politiker wichtige Botschaften derart am Rande platziert, dass sie fast untergehen. Diese Vorgehensweis ist aber selbst dann noch seriös, wenn ihr das Kalkül zugrunde liegen sollte, am Ende recht behalten zu wollen und schmunzelnd sagen zu können, man habe es ja schon immer gewusst und gesagt. Wo Taktieren zum politischen Geschäft gehört, korrespondiert die Taktik von Olaf Scholz noch am stärksten mit der Verantwortung eines Politikers: Recht behalten wollen für Deutschland ist eine gute Motivation – natürlich nur, wenn man sich den realen Herausforderungen stellt. Die Scholz-Taktik bietet Spielräume, die sich beispielsweise Christian Lindner selber nimmt, wenn er sich bemüht, schlagzeilenwirksam FDP-Profil zu zeigen, z.B. mit der Unantastbarkeit der Schuldenbremse. Am Ende wird Lindner nur recht behalten können, indem er Deutschland schwer und nachhaltig schadet. Ein hoher Preis für das fragwürdige Image von Geradlinigkeit. Und die in ihrer Attitude stets so rechthaberische Union müsste, um recht zu behalten, die Gesellschaft spalten und den Klimaschutz aufgeben und damit ebenfalls Deutschland schaden (freilich geht es der Union gar nicht darum, recht zu haben, sondern vorrangig um Macht). So bleibt zu wünschen, dass Olaf Scholz am Ende doch recht behält.
Reinhard Koine

Ich habe Ihren Beitrag in Der Zeit vom 08.05.2024 gelesen. Ich bin der Meinung, dass diesem Beitrag eine sehr oberflächliche Betrachtung zugrunde gelegt wurde. Aus diesem Grund schreibe ich Ihnen diese Zeilen. Sie bemerken, dass der Kanzler wenig von Experten hält. Es wäre angebracht gewesen herauszufinden, warum das so ist. Die Frage kann leicht beantwortet werden, wenn man das Wirken deutscher Experten der letzten 15 bis 20 Jahre betrachtet. Wer von diesen Experten hat die Finanzkrise 2008 vorausgesagt bzw. davor gewarnt? Keiner. Als die Krise da war, haben sich zwar alle beeilt zu sagen, dass sie natürlich schon immer gewusst haben, dass die Krise kommt. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Herr Hans Werner (Un)Sinn, dessen Leistung als Experte darin bestand, der damaligen Regierung Handlungsempfehlungen zu geben, die er zuvor noch abgelehnt hat (3.Rettungspaket und Einstieg des Staates bei den Banken). Er hat einerseits den Einstieg abgelehnt, weil der Staat ein schlechter Unternehmer ist (was für eine Erkenntnis!) und andererseits das Rettungspaket abgelehnt, weil es eine zu große Zumutung für künftige Generationen wäre. Wer von den Experten hat das Herunterwirtschaften der Bundeswehr (besonders in der Ära Merkel) kritisiert? Die Experten Herr Kiesewetter und Herr Dobrindt bestimmt nicht! Mir ist auch nicht in Erinnerung, dass Andere, die jetzt natürlich gewusst haben, dass das falsch war, diesen Zustand ernsthaft kritisiert hätten (Frau Strack-Zimmermann, Herr Masala, Herr Münkler und Co.). Wer von den Experten hat die Warnungen der Baltischen Staaten vor der zunehmenden Aggressivität Russlands ernst genommen? Ich behaupte keiner.
Wer hat denn seine Stimme erhoben und vor der gefährlichen Abhängigkeit vom russischen Erdgas gewarnt? Das billige russische Erdgas wollten nicht nur die SPD, sondern auch die CDU/CSU sowie die Wirtschaft. Es war wahrscheinlich vor allem die Wirtschaft, die auf billiges Gas gedrängt hat. Erinnern Sie sich bitte daran, was Experten bezüglich der negativen Auswirkungen auf Wirtschaftsleistung prognostiziert haben, falls die russischen Erdgaslieferungen vollständig ausfallen. Die Prognosen lagen zwischen 0,3% und 6,3%. Was soll eine Regierung mit solchen Prognosen anfangen? Mit allerlei Geschwafel wurde im Nachhinein erklärt, wie man die Zahlen verstehen muss (auch daran hat sich Die Zeit beteiligt). Fast jeder Experte/jede Expertin hat doch völlig daneben gelegen, was die Widerstandsfähigkeit der Ukraine betrifft. Ebenso wurde die Stärke der russischen Armee völlig überschätzt. Die Probleme, die diese Armee hat, sind seit Langem bekannt. Sie waren schon zu Zeiten des Kalten Kriegs bekannt. Da frage ich mich, was diese Personen qualifiziert, sich als Experte/Expertin zu bezeichnen. Wenn das Geltungsbedürfnis grösser ist als das wirkliche Wissen, sind solche katastrophalen Fehleinschätzungen die Folge. Schlimmer ist, wenn ihre Expertisen kaum kritisch hinterfragt werden. Hier wirkt immer noch Mutlosigkeit von Journalisten/Journalistinnen der Merkel-Jahre nach. Während dieser Zeit wurden ja auch die Aussagen der „mächtigsten Frau der Welt“ hoch gepriesen und wenig Kritik geübt, obwohl es dringend notwendig gewesen wäre. Vieles von dem, was Osteuropa-und Russland-Experten über Russland und dem Kreml seit 2022 veröffentlichen, ist selten auf Fakten und wirklichen Kenntnissen basiert, sondern mehr auf Annahmen und Glauben. Manchmal ist es pure Kreml-Astrologie.
Ich möchte die Aufzählung hier nicht weiter fortsetzen, aber mit einer Frage abschließen. Warum soll der Bundeskanzler auf Experten hören, die in fast Allem kläglich versagt haben? Wenn ich Kanzler wäre, würde ich das auch nicht tun. Ich habe vor ca. 2 Jahren einen ähnlichen Leserbrief an Ihren Kollegen, Herrn Dausend, geschrieben. Darin habe ich ihn auf eine, nach meiner Meinung, oberflächliche Betrachtung aufmerksam gemacht. Es ist schade, dass der Qualitätsjournalismus viel Qualität verloren hat, besonders seit dem Krieg in der Ukraine. Die Zeit ist hiervon leider nicht ausgenommen. Seit 2019 bin ich Rentner. Meine Kritik basiert auf Erfahrungen, die ich gemacht habe, als ich noch Ingenieur in einem Forschungsinstitut war, das sich mit Kernfusionsforschung befasst. Dort war es auch so, dass oftmals Experten wortführend waren, die zum betreffenden Gegenstand keine ausgewiesenen Fachleute waren. Ihr „Wissen“ führte dazu, dass es Verzögerungen bei der Umsetzung von Projekten gab, dass Kosten sich unnötigerweise erhöhten und dass Arbeitszeit verschwendet wurde. Ich hatte sie immer als „Fachperten“ und „Exleute“ bezeichnet. Die Richtigkeit ihrer Aussagen wurde lediglich dadurch qualifiziert, dass sie ein Doktortitel besaßen. Wenn mich jüngere Kollegen nach meiner Meinung zu einem Projekt befragt hatten, hatte ich ihnen meistens folgende Antwort gegeben. Wenn Sie von Ihrer Lösung überzeugt sind und Ihre Lösung alle (oder fast alle) zutreffenden Regularien erfüllt, dann setzten Sie sie um. Lassen Sie sich nicht vom Geschwätz der Experten beeinflussen. Was ich geschrieben habe, ist natürlich meine persönliche Auffassung.
Klaus Grosser


Leserbriefe zu „Und dann scheiterst du in der letzten Sekunde“ von Merlind Theile

Nachdem ich meine Tränen über die leidvolle Geschichte von Frau Wiener abgewischt habe, sind für mich zwei Fragen unbeantwortet geblieben: 1. Warum hat Frau Wiener, als angelernte Köchin, sich nicht selbst bekocht, anstatt über das Kantinenessen zu meckern? und 2.: Welches Gehalt, nebst Aufwendungszulagen, hat Frau Wiener 5 Jahre lang für ihre Leerjahre, pardon Lehrjahre bezogen?
Reinhard Schmitz

Zwei Artikel, die miteinander zu tun haben und die mich beide angesprochen haben. Sarah Wiener begleitet mich schon eine ganze Weile. Ihr Buch „Zukunfts-Menü“ beeindruckte mich schon vor vielen Jahren und es liegt heute noch zugänglich in meiner Küche. Schon damals (2013) faszinierte mich ihre Idee „die Welt mit Genuss zu retten.“ Der Gang mit dieser Idee in die Politik zu gehen ist eine logische Schlussfolgerung. Warum scheitern gute und machbare Visionen? Sarah Wiener verfolgt konsequent einen Weg zur gesünderen Ernährung, zur Vermeidung von Pestiziden, kurz gesagt einen Weg, der uns Menschen wieder etwas näher zu unserer Koexistenz mit der Natur bringen soll. In Brüssel ist wohl kein Platz und auch keine Partei, die das Thema Ernährungssicherheit ins Programm nehmen möchte, keine Partei die stolz darauf ist diesen gangbaren Weg zum Thema zu machen. Sehr schade, ich bewundere die Energie und das Wissen von Sarah Wiener. Wussten sie, dass es eine eigens von Sarah Wiener kreierte Messerserie gibt? Zusammen mit der Solinger Firma Pott entwarf Sie eine hochwertige Kombination aus diversen Klingenformen hervorragender Schneidqualität und Messergriffen aus Zwetschgenholz, die man Dank ihrer angenehmen Form gerne zur Hand nimmt. Hier schließt sich der Kreis… gutes Handwerk, genussvolles Zubereiten und wie im Buch vermittelt, einen bewussten Blick auf die Herkunft guter Lebensmittel.
Daniela Schäfer

Das Mögliche unmöglich machen. Es schmerzt, wenn die Kraft und Energie für den Green Deal, die Frau Wiener in die lebenswerte Zukunft investiert hat, von Konservativen unter dem Einfluss der Chemie- und Agrarlobby dermaßen verwässert wird, dass einem nur schlecht werden kann. Offenbar haben die Konservativen ihre Werte wie „lebenswert, Zukunft, Gesundheit “ nicht mehr im Programm. Tatsächlich sind die Grünen die einzigen, die sich um diese Themen kümmern. Es ist abartig, wie auf diese Partei eingeschlagen wird, als könnte man damit die Klimakatastrophe verscheuchen.
Herbert Zimmer

Sarah Wiener ist nicht gescheitert, sie hat eine Erfahrung gemacht. Respekt daß sie das 5 Jahre ausgehalten hat.
Sabine Geiger


Leserbriefe zu „Über den unerfüllbaren Wunsch nach weniger Bürokratie“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

Seit Mitte der 1970er Jahre hatte sich in den deutschen „Amtsstuben“ die Erkenntnis breit gemacht, dass ein besseres Arbeiten mit weniger Bürokratie und einer schlanken Hierarchie möglich sein sollte. Mit dem verspäteten Einzug des Computers in die deutsche Verwaltung (ohne wesentliche digitale Weiterentwicklung seither -sic-) wurde dann noch das „Papierlose Büro“ in Aussicht gestellt. Das Gegenteil von Einsparung ist bisher der Fall. Der Bürokratieabbau hat seitdem „Heerscharen“ von Unternehmensberatungen auf den Plan gerufen. Diese haben für viel Geld das festgestellt, was alle Praktiker schon längst wussten: „Wer Butter haben will, muss Milch auf den Dienstweg schicken“. Alle Bürokratieentlastungspakete sind bisher am fehlenden Willen zur Vereinfachung gescheitert, weil sich ein nicht allzu kleiner Teil des Problems selbst abschaffen müsste. Die Ampelregierung (in den Landesregierungen sieht es auch nicht besser aus) hat ihren „Beamtenappparat“ erneut aufgebläht. Wie es scheint ohne Sinn und Verstand. Der Spareffekt blieb aus. Die Effektivität (siehe „Heizungsgesetz“) wurde ins Gegenteil verkehrt. Sehr viele der neuen Gesetze sind überfrachtet mit weiteren bürokratischen Anforderungen.
Es wird noch komplizierter und langwieriger für die Bürgerinnen/Bürger, das Handwerk, die Mittelschicht und die Industrie. Daher haben alle kein Verständnis, für diese Art von „Bürokratieabbau“. Während in Deutschland, mit 16 Landeseigenen Bauvorschriften, noch über eine Baugenehmigung nachgedacht wird ist in Holland das Haus längst gebaut und bezogen. Alle Beauftragten und Staatssekretäre des Bundes sollten verpflichtet werden einen „Tätigkeitsbericht“ zur eigenen Rechtfertigung und/oder Abschaffung zu erstellen, mit dem Ziel die laufenden Kosten und die Pensionslasten zu rechtfertigen. Das hieraus entstehende „Schwarzbuch“: „Beauftragte und Staatssekretäre packen an und aus“. Untertitel: „Wir sind wie die anderen Beauftragten und Staatssekretäre die Vasallen sowie das Sprachrohr unserer Ministerinnen/Minister ohne eigenes Profil“. Dieses Sachbuch wird sicherlich der Hit des Jahrzehnts. Die Lösung des Bürokratieabbaus gehört dann zu der Rubrik = „Als das Wünschen noch geholfen hat“. Der Froschkönig, Finanzminister Lindner, lässt grüßen. Für alle neuen Posten war und ist offensichtlich genug Steuergeld, im Brunnen mit den goldenen Kugeln, vorhanden. Es lebe der Bürokratieabbau und die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung! Eine unendliche Geschichte!
Felix Bicker

Der Beamte braucht unter anderem Gesetze, Verordnungen, Dienstanweisungen, Richtlinien, Verwaltungsvorschriften, Rundschreiben, Weisungen, Bestimmungen, Erlasse und so manches mehr, um ordnungsgemäß und ordentlich seinen Dienst ausüben zu können. Der Beamte sitzt meist in einem Büro und dort ist der Bürokratismus zu Hause, dort lebt sich die Bürokratie förmlich aus. Ein Beamter lebt inmitten dieser Bürokratie und das macht süchtig, der Beamte braucht immer mehr davon, noch mehr und noch mehr an Bürokratie. Wen da jemand den Wunsch nach weniger Bürokratie hegen sollte, der kann das zwar tun und weiter danach hegen, aber dieser Wunsch ist definitiv unerfüllbar. Erst der letzte Beamte auf Erden, der könnte diese Bürokratie beenden! Aber ob er das tun wird, das möchte ich dennoch stark bezweifeln, denn für diesen „Tag X“, da wird es höchst wahrscheinlich auch eine dementsprechende Anweisung geben, wie sich der letzte seines Standes zu verhalten hat, bevor die Erde gänzlich von Beamten und der Bürokratie befreit ist!!
Klaus P. Jaworek

Ich lese ihre Kolumne im Zeit Magazin fast immer mit großem Vergnügen. Nur den „unerfüllbaren Wunsch nach weniger Bürokratie“ teile ich nicht, auch wenn er – wie sie selbst schreiben – immer wieder gerne gehört wird. Er ist eine Schimäre: nach dem Motto, fällt mir gar nichts mehr ein – könnte es ein wenig „Bürokratieabbau“ sein. Sie werden sicher sagen, das muss ich auch nicht – stimmt. Es ist aber trotzdem langweilig und für mich auch ein wenig ärgerlich, mit wie wenig Fantasie und Einsicht mit dem Thema Bürokratie umgegangen wird. Angeblich kommen uns da dauernd irgendwelche „Monster“ entgegen oder werden neu kreiert, die uns den Alltag und ein positives Lebensgefühl vermiesen. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus, wird nämlich eine bürokratisch organisierte Pflicht tatsächlich oder angeblich vernachlässig ist das Geschrei groß. Zum Beispiel im Fall des Brandschutzes wird sehr häufig beklagt, dass er übertrieben sei und Vieles verzichtbar sei. Stellt sich aber bei einem Brand heraus, dass Brandschutzregeln verletzt wurden, wird als erstes gefragt, wo denn die Kontrolleure waren oder die Regeln, die schon längst verbessert werden sollten. Das ist auch sehr beliebt bei ihren Journalisten Kollegen, die diese Frage gerne so aufwerfen und immer auf der Seite der „Guten“ sind; je nach dem, woher den Wind gerade weht. Ja, ich höre schon den Einwand – bestimmt ein öffentlich Bediensteter – stimmt. Nur die immer wieder zu hörende Bürokratieschelte kann ich einfach nicht mehr hören. Es ist im Gegenteil so, dass wir in Deutschland in Bund und Ländern eine gut funktionierende Bürokratie besitzen, die einen Gutteil dazu beiträgt, dass Korruption und Vetternwirtschaft in unserem Land bisher nicht Überhand nehmen.
Klar, gibt es schwarze Schafe und es könnte sicherlich hier und da noch besser funktionieren. Klar, gibt es in Deutschland eher eine Tendenz vieles regeln zu wollen. Aber das will offenbar auch die Mehrheit der Menschen so, damit klar ist und bleibt, wann, wo und wie man ohne „Schmu“ und in geordneten Bahnen z. B. zu seiner Baugenehmigung kommt oder einen neuen Reisepass erhält. Und was das Beispiel des Lieferkettengesetzes angeht, sind sie offenbar der „guten“ Lobbyarbeit der Unternehmensverbände auf den Leim gegangen. Wer in Asien oder Afrika einkaufen will und kann, der weiß auch um die Produktionsbedingungen vor Ort. Alles andere ist im besten Fall Verdrängung oder noch schlimmer bewusste Leugnung unhaltbarer sozialer und wirtschaftlicher Bedingungen. Das schadet den Menschen dort und uns auch! Es ist nicht erforderlich eine Detektei zu beauftragen, um seine Geschäftspartner ausreichend zu kennen. Wer gute Geschäfte machen will und das auf Dauer, tut gut daran, sich entsprechend zu informieren. Mag sein, dass es ein paar Beauftragte zu viel gibt, aber etwas Schwund ist immer – besonders beim konstruktiven und fantasievollen Umgang mit Problemlösungen. Es gab schon mal jemanden, der gesagt haben soll: „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser“. Jetzt nicht allzu schnell aufschreien … es kommt noch besser: Wer unsere Demokratie schützen und bewahren will, der braucht einen funktionierenden Staat, kluge und durchdachte Regeln, die auch tatsächlich eingehalten werden. Es ist naiv zu glauben, wir alle und da schließe ich mich natürlich ein, seien regelmäßig bereit und jederzeit in Lage, dem Gemeinwohl Rechnung zu tragen. Es braucht nicht nur die Informationen über das „richtige“ Verhalten, sondern auch Leitlinien, an die sich alle halten müssen, damit unser Gemeinwesen einschließlich aller Unternehmer funktionieren kann. Polemik ist im Übrigen am schönsten, wenn sie sich ungerechtfertigt gegen andere richtig. Das geht mir auch so.
Wilhelm Osterholt

Die gebetsmühlenartig wiederholte Worthülse „Bürokratieabbau“ muß endlich mit Inhalt gefüllt werden! Zuerst müssen alle „Beauftragten“ ihres Amtes enthoben werden und sinnvolle Aufgaben zugewiesen bekommen, um etwa dem Fachkräftemangel zu begegnen! Mit ihren Empfehlungen und Entscheidungen orientieren sie sich mehr an der Zeitgeistmoral, weniger an der Vernunft! Der Zeitgeist aber ist ein kurzlebiges, wechselfreudiges Wesen, die Vernunft dagegen etwas allen Menschen Immanentes, in größeren oder kleineren Portionen! Sollte der Staat nicht lieber intelligente Bürger Entscheidungen selbst treffen lassen, statt sie durch immer mehr Beauftragte zu bevormunden? „Bei Genehmigungsverfahren aller Art dürfen die Behörden nur ein einziges Mal um weitere Unterlagen bitten…“ Bei Gerichtsverfahren darf nur noch eine weitere Instanz angerufen werden! Sind die höheren Instanzen denn klüger als die unteren, wenn sie fernab vom Verhandlungsalltag auf Paragraphen herumreiten, die der Vernunft oft widersprechen? Je mehr Kontrollinstanzen ein demokratischer Staat einsetzt, um vermeintlich noch mehr Demokratie zu wagen, desto unbeweglicher und handlungsunfähiger wird er; wird nicht schneller, stärker und wehrhafter, sondern schwerfällig und zum leichten Spielball von Terroristen und Diktatoren!
Ulrich Pietsch


Leserbriefe zu „Wir stehen in der Schusslinie“ aufgezeichnet von Hannah Knuth et al.

Der Politiker der AfD fragt, warum kann man sich nicht einfach in Ruhe lassen? Ganz einfach Herr Kühnlenz: Sie ernten den Sturm, den Ihre Partei gesät hat.
Rüdiger Weigel

„Wir werden sie jagen “ hatte Alexander Gauland, begleitet von tosendem Gegröle einst gesagt. Nun wissen wir wie das gemeint war. Eine Entwicklung mit Ansage.
Bruno Fey

laut Einleitung Ihres Artikels wollen Sie Vertreter der Parteien zu Wort kommen lassen, „die am häufigsten angegriffen werden“ – wobei sich aus den Berichten ergibt, dass es um tätliche Angriffe geht. Dabei lassen Sie je zwei Vertreter von SPD und Grünen zu Wort kommen und je einen von Linkspartei, AfD und CDU. Sie erwecken mit dieser Gewichtung den Eindruck, dass SPD- und Grünen-Politiker am häufigsten angegriffen würden. Tatsächlich werden aber (laut Statistik für das Jahr 2023) AfD-Politiker mit Abstand am häufigsten tätlich angegriffen. Das ist kein seriöser Journalismus, das ist einseitige Stimmungsmache. Sie liefern damit jenen Argumente, die von „Lügenpresse“ sprechen, und erreichen letztlich das Gegenteil von dem, was Sie beabsichtigen.
Michael Kobbe

Alle geschilderten Vorfälle lassen ein gemeinsames Muster erkennen. Die „Störer“ handeln offenbar in der Vorstellung, der politische Gegner sei ein Feind. Dabei haben wir Bürger doch alle dasselbe Ziel, nämlich das Wohlergehen der Bevölkerung heute und in Zukunft. Da man verschiedener Meinung darüber sein kann, wie dieses Ziel zu erreichen ist, gibt es politische Meinungsverschiedenheiten. Wer anderer Meinung ist als ich, den versuche ich mit Argumenten zu überzeugen, und wenn mir das nicht gelingt, so wird er dadurch nicht zu meinem Feind. Das sollten wir alle bei politischen Auseinandersetzungen im Blick behalten – und dem G e g n e r im Zweifel auch sagen!
Hans Heller


Leserbriefe zu „Keine Angst vor fake“ von Carlotta Wald

Der Artikel legt zurecht nahe, dass die Resilienz der Bürger vor Fake-Nachrichten relativ hoch ist, aber zwei Aspekte diese Resilienz nachdrücklich gefährden. Einerseits fühlt sich der Bürger nicht ausreichend gehört und andererseits wird er durch die Politik verunsichert. In den letzten Wochen hatte ich hin und wieder in Leserbriefen bereits darauf hingewiesen, dass wir eine zukunftsgewandte und strukturierte Politik brauchen, die den Bürger einbezieht und seine Probleme löst. Leider wird das mit der Ampelkoalition nicht funktionieren. Der Bundeskanzler hört den Bürger längst nicht mehr. Er ignoriert schlicht weg alle Realitäten, Prognosen und Umfrageergebnisse und klopft sich weiter auf die Schulter. Die Botschaft ist „Alles ist gut“, wobei ich nicht verstehen kann, dass alles gut ist, wenn die AFD bei den jungen Erwachsenen mittlerweile die stärkste politische Partei ist mit 22% der Stimmen. Außerdem haben die Grünen mit ihrem Moralanspruch die politische Debatte verdorben. Dieser Anspruch resultiert aus der Vergangenheit der Grünen als Umweltschutzpartei, man fühlte sich den anderen Parteien und dem Volk gegenüber moralisch erhaben. Inzwischen wird dieser überhöhte Moralanspruch aber auf alle Grünen Positionen ausgeweitet und somit sind Andersdenkende auch immer direkt moralisch verwerflich. Damit ist der Diskurs in Deutschland gestorben; der Bürger wird nicht mehr gehört. Er ist wahlweise bei anderen Meinungen Verschwörungstheoretiker, Rechtsradikaler, Putinversteher, Antisemit etc. Eine zukunftsorientierte Politik, die den Bürger einbezieht, ist somit gar nicht möglich. Der Kanzler denkt, es ist ja schon alles gut, und die Grünen verweigern ein Zuhören, weil sie immer richtig liegen. Die FDP macht ohnehin nur Klientelpolitik. Das im Artikel angesprochene schwindende Vertrauen geht nicht auf uns selbst zurück, sondern ist Wirkung einer völlig verfehlten Politik.
Volker v. Moers

es stimmt einfach nicht, dass Desinformation nicht die Demokratie untergräbt. Zwar sind Menschen sicherlich widerstandsfähiger gegen Desinformation, wenn es ihnen gut geht und wenn sie keine Probleme und Zukunftssorgen oder -ängste haben, aber grundsätzlich ist eine Demokratie darauf angewiesen, dass die Wähler*innen wahrheitsgemäß informiert werden, damit sie eine Wahlentscheidung treffen können, die faktenbasiert ist. Wenn nun die Informationsquellen mit (mehr oder minder) plausiblen Lügen geflutet werden und die Wähler*innen nicht mehr zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden können, ist die Demokratie in Gefahr. Und es sind ja nicht nur Herr Putin, die Erdölindustrie und die AfD, die lügen. Wenn ich z. B. die – auch in eigentlich seriösen Zeitungen abgedruckten – Äußerungen von hiesigen Paderborner Politiker*innen von CDU und FDP zum Nationalpark Egge (https://www.egge-nationalpark.de/ und https://nationalpark.nrw.de/) lese, wird mir angst und bange um Deutschlands Demokratie. Zugunsten der tatsächlichen oder vermeintlichen Interessen ihrer Klientel (Landwirt*innen, Waldbesitzer*innen, Jäger*innen) lügen sie hemmungslos und agitieren gegen das Gemeinwohl.
Ulrich Willmes

Ihre Studien kann ich nicht beurteilen, ich halte mich an das, was ich zu Fake News und deren Mechanismen bei Cailin O’Connor und James Owen Weatherall gelesen habe. Das Buch heißt „The Misinformation Age: How False Beliefs Spread“ und ist eine sehr unterhaltsame populärwissenschaftliche Lektüre. Und wo ich gerade Empfehlungen ausspreche: Steven Levitskys und Daniel Ziblatts (siehe S. 7) „How Democracies Die“ ist ebenfalls lesenswert. Ihr neues Buch, das sie bei Ihnen vorgestellt haben, ist bestimmt auch wieder interessant. In eine ähnliche Richtung, nicht nur vom Titel her, geht auch David Runcimans „How Democracies End“.
Thomas Manthey

Ihr Artikel greift zu kurz. Wir befinden uns in einem Informationskrieg, der immer heftiger wird. Fake News sind nur ein Beispiel dafür. Sie lassen sich ja widerlegen. Das Selektieren von Fakten durch Medien ist viel schlimmer. Wenn z.B. kleinere Fehler, die von Politikern und „Innen“ einer Partei gemacht werden, zu Riesenschlagzeilen aufgeblasen werden, skandalöse und schwerwiegende Vergehen von Vertretern anderer Parteien bestenfalls am Rande belächelt oder ganz verschwiegen werden, liegt da das größere Problem. Man lügt ja nicht. Man pickt sich nur die Wahrheit heraus, die gerade genehm ist. Das betrifft nicht nur die Poltik, man schaue nur auf das (sehr „erfolgreiche“) TESLA-Bashing in deutschen Medien. Wer könnte das mit einer Schlagzeile kontern, bedarf es dazu doch meist einer umfangreicheren Betrachtung, die für die meisten Konsumenten von Medien zu anstrengend ist. Da liest ein großer Teil lieber die verstümmelten Kurzformen der Wahrheit in den sozialen Medien.  Ein leider beachtlicher Teil des Wahlvolks verinnerlicht auch nur die reißerischen Überschriften und reagiert (wählt) entsprechend.  Fazit: Das Selektieren von Wahrheiten ist meist auch eine Lüge.
Horst Winkler


Leserbriefe zu „Was heißt hier frei?“ von Anna-Lena Scholz

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir die Zerstrittenheit der islamischen Glaubensrichtungen und Staaten erlebt. Tödliche Feindschaften haben zu schrecklichen Kriegen geführt. Antisemitismus und Israelfeindlichkeit sind für die islamische Welt darum unverzichtbar. Der nahende Friedensschluss von Israel mit weiteren Staaten in der Region war eine existentielle Bedrohung für viele muslimische Regime. Wie wir in diesen Tagen erkennen, gilt das auch für die woke Ideologie des Postkolonialismus, der im Verborgenen die westlichen Universitäten und Kulturbetriebe eroberte und nun offen aufbricht. Umgekehrt ist der Kampf gegen den Antisemitismus und die Staatsräson für die Sicherheit Israels der Grundpfeiler deutscher, staatlicher Identität nach dem Holocaust. So, wie die islamische Welt in ihrer Feindschaft zu Israel um eine verbindende Identität ringt, so ist die Verteidigung Israels und allen jüdischen Lebens konstitutiv für Nachkriegsdeutschland. In beiden Fällen ist es eine geborgte Identität, die Israel und die Juden nur benutzen, um der eigene innere Leere, Verwirrtheit und Mutlosigkeit zu entkommen. Ich frage mich, was vom Islam, von der Wokenees und von Deutschland übrig bliebe, wenn Israelverschwindet? Alle drei wären ziellose Geister, die ihrer Existenz eine eigene Bedeutung geben müssten. Ohne Israel und die Juden hätten die anderen vor allem Angst vor sich selbst. Ich schlage darum offiziell das Weltjudentum und Israel für den Friedens-Nobelpreis vor. Sie tragen eine einmalige Last. Sie ziehen alle Schlechtigkeit, alle Ängste und alle Feigheit der Welt auf sich. Und auch alle Versuche, dem zu entkommen. Sie sind wahrlich das auserwählte Volk. Möge Gott Israel und die Juden schützen und segnen. Denn ohne sie wüsste diese Welt nicht, was sie sein und tun soll.
Fred Klemm

Der gefeuerte, „weltweit renommierte“ (kann ich nicht beurteilen, ob das stimmt) Anthropologe Ghassan Hage befasst sich mit „Sozialer Reparatur“? Viel herausgekommen ist bei seiner Forschung wohl nicht, denn wenn ein „soziales Gefüge“, besser gesagt ein faschistisches Gebilde, eine „Instandsetzung“ nötig hätte, dann doch wohl Gaza! Instandsetzungen funktionieren da nicht mehr, nur noch die radikale Beseitigung! Vergleiche mit den Protesten von 1968 (S. 49) verbieten sich. Diese Proteste hatten mit dem Vietnamkrieg einen legitimen Grund. Ein Antisemitismus, der sich als „Postkolonialismus“ tarnt, ist hingegen nicht mehr zu retten (S. 46), auch von einer Greta Thunberg nicht, die gezeigt hat, wes Geistes Kind sie ist.
Thomas Manthey

So ganz bin ich mit den Aussagen des Artikels nicht einverstanden. Warum? Im Artikel wird erwähnt, dass die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) sei, letztere habe in der Nazi-Zeit Rassenlehre u. a. betrieben. Nun, wie der Name schon sagt, ist die KWG sehr viel älter, und insofern ist diese historische Reminiszenz ein bissl verkürzt. Allerdings ist die KWG auch ein „gutes“ Beispiel für die Gleichschaltung einer wiss. Institution in einer Diktatur. Stellt der Art. V des GG (Wissenschaftsfreiheit) nicht auch eine Reaktion darauf dar? Nur werden nicht Institutionen gleichgestaltet (auch, wenn sie entsprechende Regeln haben, s. MPG) sondern Menschen, diese haben die Aufgabe/Pflicht, sich nicht gleichschalten zu lassen. Schwierig! Das Problem ist also ein individuelles kein institutionelles. Gilt nicht Voltaires Aussage, dass er sein Leben einsetzen würde, damit der andere seine Meinung äußern darf? Aber, gehört Voltaire nicht zur Aufklärung? Gehört Aufklärung nicht zur Zivilisation, die mit entsprechenden Kodizes verbunden ist? Ist Zivilisation nicht ein westliches „Produkt“? Entsprechend wird in dem Artikel auch von Kultur geredet und nicht von Zivilisation, davon, dass es ein kulturelles Regime des Westens gebe und entsprechend wird von weißem Kolonialisten gesprochen. Gab es da nicht das Buch von S. P. Huntington The Clash of Civilizations? Lehnt da jemand diese, unsere ab, obwohl er sie für sich reklamiert? Heißt es nicht im Text „aber wir sind besser als ihr“? Hatte Aufklärung nicht etwas damit zu tun, dass alle Menschen gleich sind? Das Problem beginnt nicht mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, sondern mindestens mit Corona, als Kritiker der Maßnahmen als Querdenker etc. denunziert worden sind. Skizziert wird die „Verwirrung“ der akademischen Gemeinschaft in Bezug auf den Konflikt im Nahen Osten. Bezeichnend ist, dass Reaktionen (erst) erfolgten als ein „potenzieller Imageschaden“ drohte. Ups. Von alleine wäre man nicht darauf gekommen? Es bedurfte (mal wieder) des Auslandes, um tätig zu werden. Ja, das ist provinziell und nicht aufgeklärt zivilisiert und deutet daraufhin, dass die Werte der Zivilisation gar nicht so tief verankert sind, wie gerne behauptet. Ist das die Ursache für die Verwirrung, dass man bestimmte Werte nicht ausreichend internalisiert hat und man deshalb in bestimmten Situationen etwas orientierungslos, sofern das Ausland nicht hilft, umherläuft?
Gerd-Rüdiger Erdmann


Leserbriefe zu „Wie hoch darf der Mindestlohn sein?“ von Carla Neuhaus

Aber wer zahlt denn schlussendlich die Rechnung bei zu niedrigen Löhnen? Das ist der Staat mit Lohnaufstockungen, Miet- und letztendlich Rentenzuschüssen aus Steuergeldern. De facto werden damit also Unternehmen für mies bezahlte Jobs subventioniert!
Stephanie König

Fangen wir mit dem Balkendiagramm links oben an. Das Abschneiden der Y-Achse bei ca. €8,00 entspring zwar einer gängigen graphischen Praxis, gilt unter Empirikern jedoch als mehr als grenzwertig. Dadurch erhöht sich der optische Eindruck der eingetretenen Steigerungen um mehr als das Dreifache gegenüber der Realität. WYSIWYG ist etwas anderes. Die „in der Boutique jobbende Zahnarztgattin“ ist eine noch größere rhetorische Manipulation. Laut Bundeszahnärztekammer sind z.B. 27.643 (männliche) Zahnärzte in eigener Praxis niedergelassen. Von welcher homöopathischen Größenordnung beim Mindestlohn reden wir denn da? Und was sagt das über den, der dieses Argument bemüht? Man kann den angeführten „Rechentrick“ auch anders sehen. Nämlich als das bewusste Ignorieren politisch legitimierter Entscheidungen seitens einer kleinen Gruppe von Interessenvertretern. Für Sie ist das alles nur „harmlos“?! Gleiches gilt für die Forderung von Arbeitgebern nach unbezahlten Überstunden – aus meiner Sicht ein klarer Rechtsbruch. Wenn Herr Bonin das Kaufkraftargument beim Mindestlohn bemüht, bleibt er seltsam nebulös. Aktuelle Kaufkraftstudien (z.B. von Prognos) zeigen, dass bei gleichem nominalen Einkommen v.a. Mietkosten regionale Kaufkraftunterschiede prägen. Damit wird das Wohngeld durchaus zu einer grundsätzlich ziemlich zielgenauen Ergänzungsleistung. Dass sich – für die Gesetzgebung gebotene – pauschale Ansprüche und Einzelfallgerechtigkeit immer wieder beißen stört wohl v.a. ein großbürgerliches „Gerechtigkeitsgefühl“
Ohnehin verfolgt der Mindestlohn bei Geringverdienern den legitimen Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, das sozialhilferechtliche Existenzminimum bei staatlichen Leistungen aber den ebenso legitimen Grundsatz der „Sozialen Teilhabe“ (in diesem Fall nicht nur für Einkommensempfänger sondern für einen Vielfalt von „Bedarfsgemeinschaften“ bzw. Familien). Wer darüber nachdenkt kommt eigentlich schnell darauf, dass diese „Normenkonkurrenz“ in der Realität nicht aufzuheben ist und damit das geflissentliche Herumjammern um zusätzlich notwendige Staatsleistungen ziemlich steril und v.a. realitätsfern ist. Last but not least stellt sich die Frage nach Makro- bzw. Mikroökonomie. Seit 2022 (WSI Policy Brief 72, 09/2022) gibt es z.B. Daten für Mindestlohnbezieher auf Kreisebene nach grundsätzlich Anspruchsberechtigten (ohne ausgenommene Sondergruppen bei den Beschäftigten). Unterschiede zwischen 44 % für den Landkreis Sonneberg und 11,1% bzw. 9,7 % für Stadt- bzw Landkreis München lassen sich selbstverständlich mit der großen makroökonomischen Brille jederzeit übergehen. Und wo „gehobelt“ wird, sind auch „fallende Späne“ nicht fern. Oder?! Man kann über „Grenzen der Wissenschaft“ bei realen sozialpolitischen Fragestellungen sicher Jammern, sollte dabei aber Grenzen durch eine Beschränkung der eigenen ökonomischen Fragestellung vorab zuverlässig ausschließen.
Martin Hommel

Wenn es darum geht, wen man noch ungestraft beleidigen darf, dann sind Gattinnen, besonders in ihrer Ausprägung als Zahnarzt- oder Rechtsanwaltsgattin, immer ganz vorne mit dabei. Herr Bonin hat lediglich vergessen, sie noch als „alt2 und „weiß“ zu diffamieren. Inzwischen solle auch bis ins k.u.k.- Wien, in dem Herr Bonin anscheinend noch lebt, durchgedrungen sein, dass es auch Zahnärztinnen- oder Rechtsanwältinnengatten gibt. Und braucht es wirklich die Aussage eines Wissenschaftlers, um zu dem verblüffenden Schluss zu kommen, das man sich an die richtige Höhe des Mindestlohns langsam herantasten solle? Dazu braucht es keine Promotion in VWL – das hätte jeder Milchjunge, ja sogar ich als Rechtsanwaltsgattin, hinbekommen.
Marlies Weidenfeller

Bei der Diskussion um eine festgesetzte Untergrenze für den gesetzlichen Mindestlohn sollten wir uns erstmal darüber im Klaren werden, welchen Branchen wir das „zumuten“ können. Geht es nämlich um das Gros personalintensiver Dienstleistungen, die innerhalb des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik erbracht werden (müssen) wie beispielsweise Einzelhandel, Gastronomie, Logistik, Gebäudereinigung und haushaltsnahe Care-Arbeit, die gar nicht ausgelagert werden können, kann man sich tiefgreifende Debatten über Wettbewerbsfähigkeit an diesem Punkt schon schenken. Die betroffenen Unternehmen erleiden dadurch, dass für sie im heimischen Markt gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten, nämlich gleicher Mindestlohn für vergleichbare Tätigkeiten zu bezahlen, keinerlei Nachteile untereinander. Für die wenigen anderen Branchen muss man sich überlegen, ob wir sie zum Preis von (Alters-) Armut der Beschäftigten halten wollen oder dann doch lieber für verzichtbar erklären.
Oliver Roßmüller

Das Zitat von Holger Bonin: „Zumal vom höheren Mindestlohn, etwas überspitzt formuliert, auch die Zahnarztgattin profitiert, die in einer Boutique jobbt, aber auf das Geld nicht angewiesen ist.“ mit dem nachfolgenden Satz: „Selbst wenn man das in Kauf nimmt, …“ irritieren mich. Das klingt für mich, als wäre es etwas Unanständiges, Anstößiges, wenn die Zahnarztgattin für ihre Arbeit Geld bekommt. Und wenn doch, so verstehe ich den Satz: „Selbst wenn man das in Kauf nimmt, …“, dann doch möglichst wenig. Die Zahnarztgattin klein halten, auch wenn es auf Kosten der 8,4 Millionen Beschäftigten geht, die sich bei höherem Mindestlohn finanziell verbessern würden. Hier wird unter dem Aspekt sozialpolitischer Gerechtigkeit jemandem der Arbeitslohn geneidet, in diesem Fall der Zahnarztgattin, die auf dieses Geld nicht angewiesen sei. Ja, woher weiss Holger Bonin denn das? Zudem wird die Arbeit der Zahnarztgattin abgewertet. Es heißt: sie jobbt. Warum nicht: sie arbeitet. Es schreibt auch niemand, dass Holger Bonin seit Juli 2023 an der IHS jobbt. Und die Formulierung „in einer Boutique jobbt“ rückt das Ganze lautmalerisch in die Freizeitgestaltung, da es sich prima auf „in einer Boutique shoppt“ reimt. Über die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns sollte diskutiert werden, mit Argumenten, nicht mit Klischees.
Winfried Vandersee


Leserbriefe zu „Wenn man darüber nachdenkt – da läuft es einem kalt über den Rücken“. Gespräch mit Peter Kalb geführt von Moritz Aisslinger und Stephan Lebert

Dem Autor Peter Kolb, meinem Jahrgangsgenossen und vermutlicher Kommilitone meines Klassenkameraden Hans-Jürgen Krahl (Adorno Schüler) ist voll zuzustimmen, dass die bundesrepublikanische Bevölkerung vor dem Auschwitzprozess in Frankfurt 1963 sich wenig bis gar nicht mit dem Holocaust beschäftigt hat. Dennoch erscheint mir der Hinweis wichtig, dass durch den Film „Mein Kampf“ von Erwin Leiser, den wir mit der gesamten Oberstufe unseres Gymnasiums, mit allen Lehrern/Lehrerinnen gemeinsam anschauen mussten, sehr wohl schon 1961, also 2 Jahre vor dem Auschwitzprozess die Gräueltaten und die KZs (auch Auschwitz) bekannt gemacht wurden. Bittererweise wollten unsere Eltern mit uns über diese schreckliche Zeit nicht reden!!
Karl Feldmann

Über Emmi Bonhoeffer sagt Peter Kalb in dem Interview: „… die Witwe von Klaus Bonheoffer (…). Auch ihr Bruder Dietrich war von ihnen ermordet worden.“ Entweder hat Peter Kalb sich versprochen oder bei der Transkription ist ein Fehler unterlaufen (vielleicht hat er „der Bruder“ oder „sein Bruder“ gesagt?). Dietrich Bonhoeffer war natürlich der Schwager von Emmi Bonhoeffer und nicht ihr Bruder.
Corinna Friesen

Für alle Menschen, die Auschwitz leugnen, muss dieses Interview zur Pflichtlektüre werden.
Roderich Buhlheller


Leserbriefe zu „Eltern überschätzen ihren Einfluss“. Gespräch mit Oskar Jenni geführt von Johanna Schoener und Lisa Seelig

Die Kinder gehören sich selbst, nicht den Eltern. Es ist Aufgabe der Eltern, die Kinder gut zu begleiten, nicht über das Leben der Kinder zu verfügen. Die gute Begleitung sollte von den fünf Vs bestimmt sein, die Oskar Jenni nennt (Vertrautheit, verfügbar sein, Verlässlichkeit, verständnisvoll sind und voller Liebe sein). Die meisten Eltern wollen darüber hinaus das Beste für ihre Kinder. Hier geraten Eltern und Kinder aneinander, wo doch die Kinder schon viel früher als gedacht beginnen, ihre Autonomie zu entwickeln. Das Beste aus der Sicht der Kinder ist die Autonomie, die sich oft gegen Vorstellungen ehrgeiziger Eltern durchsetzen muss. Es kann gut für die Kinder sein, wenn sie Strategien entwickeln, sich gegen die Eltern zu behaupten. Nicht gut ist, wenn dabei die fünf Vs vernachlässigt werden. Nicht gut ist, wenn Eltern dann von Kita und Schule verlangen, was sie selbst nicht schaffen. Oskar Jennis Rat an die Eltern, sich zu entspannen, hat vor diesem Hintergrund auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Die fünf Vs sollten die Bindungsdimensionen sein, die den Kindern im Abenteuer Leben den guten Rahmen für die Entfaltung ihrer Autonomie bieten. Das wäre das Beste für die Kinder und die Gesellschaft.
Reinhard Koine

Eine gute Mutter ist die, die ihrem Kind das gibt, was es braucht. Damit ist der Fokus auf das Kind gerichtet, unüblich in unserer Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vereinfacht braucht das Kind ZZZ: Zuwendung, Zuverlässigkeit, Zeit; je jünger das Kind ist, umso mehr. Es macht wenig Sinn, in diesem Zusammenhang den KiJu- Psychiater zu fragen, er sieht die Kinder, bei denen u.a. die drei Z nicht gelebt wurden. Viel klüger wäre es, z. B. das populärwissenschaftliche Buch „Babyjahre“ von Remo Largo zu lesen, diesem wunderbaren Pädiater, der zu erklären versucht, was ein Kind ist, was es braucht – nur in den ersten vier Lebensjahren, denn die sind die wesentlichen in der Entwicklung eines Menschen. Dieses Buch sollten nicht nur Eltern lesen, sondern auch Arbeitgeber, die wesentliche Impulse geben müssten, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingen kann. Der Fetisch, dass Menschen gerade in der Zeit, da sie – aus biologischen Gründen – kleine Kinder haben, auch Karriere machen müssen, muss begraben werden. Die Zeit, Karriere zu machen, auch die Lebensarbeitszeit muss individualisiert, ja fast möchte ich sagen, kindgerecht gestaltet werden: „Man sieht die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft daran, was sie für ihre Kinder tut.“
Ursula Augener

Die Aussage der Überschrift des Interviews mit dem Entwicklungsforscher Oskar Jenni kann durch aufmerksames Lesen und auch wissenschaftlich fundierte Kenntnisse der Entwicklungspsychologie und Bindungsforschung in keiner Weise gehalten werden. Der Einfluss der Eltern auf das Befinden und Verhalten ihrer Kinder ist von fundamentaler Bedeutung. Das Maß an Spiegelung und Sicherheit in den ersten Lebensmonaten prägt die Selbstentwicklung des Kindes und seine Wahrnehmung der Welt. Bin ich gut, so wie ich bin und ist die Welt ein verlässlicher Ort? Diesbezügliche Erfahrungen sorgen für die Entwicklung einer Ich- Struktur, mit der das Kind heranwächst und sich in der Welt wahrnimmt. Natürlich können auch andere Bezugspersonen die Aufgabe der positiven Spiegelung und verlässlichen Betreuung übernehmen, sie müssen dafür aber kontinuierlich für das Kind verfügbar sein, um Beziehungsabbrüche zu vermeiden. Herr Jenni beschreibt daher sehr schön, worauf es beim Elternsein ankommt, die 5 V bringen es gut auf den Punkt. Diese 5 V (Vertrautheit, Verlässlichkeit, Verfügbarkeit, Verständnis und volle Liebe) sind jedoch überhaupt keine Kleinigkeit und haben einen riesigen Anteil an der Entwicklung des Kindes. Der Einfluss der Eltern auf die Lebensqualität ihrer Kinder darf deshalb aus meiner Sicht nicht heruntergespielt werden und sollte Liebe (5 V) und keine Äußerlichkeiten zur Quelle haben. Danke für die Möglichkeit des Widerspruchs
Anke von Skerst


Leserbriefe zu „Beziehung ist Arbeit“ von Roman Pletter

Roman Pletter kann also erklären, wie sich die Ampel auf einen Haushalt verständigen könnte. Wenn das einen Sinn haben soll, dann muss er auch erklären können, wozu der Haushalt eigentlich GUT ist. Wie viele Billionen wurden in den vergangenen 50 Jahren für Soziales, Bildung, Infrastruktur und Verteidigung ausgegeben? Es hat die Zahl der Bedürftigen immer weiter erhöht; die Bildung immer schlechter gemacht; die Infrastruktur verschlissen und das Land verteidigungsunfähig. Schulden sind eigentlich nur für Investitionen erlaubt. Nun steigen die Schulden und dafür sinkt die Investitionsquote. Also was geschieht hier? Es ist vollkommen bedeutungslos, ob sich diese Regierung einigt oder eine neue. Es sind Flöhe auf einem Hundearsch, die so tun, als würden sie bestimmen, wo Bello den nächsten Haufen hinmacht. Irgendwann wird der Haushalt beschlossen und damit sichergestellt, dass es auch im nächsten Jahr noch etwas schlechter läuft. Haushaltsmittel ersetzen Politik. Schulden statt Gewinne. Wahnsinn als Normalität. Und zur Verdauung schöne Erklärungen aus der Zeitung.
Fred Klemm

Der Kommentar von Herrn Pletter wäre zum Schmunzeln, wäre das Thema nicht so traurig. Alle 3 Parteien in der Regierung sind zu Anfang der Legislatur über ihre Schatten gesprungen: Die Grünen sind für Waffenlieferungen an die Ukraine eingetreten Die SPD ist kein Putin-Versteher mehr Herr Lindner hat einem „Sondervermögen“ Bundeswehr zugestimmt, dass eigentlich Sonderschulden heißen müsste. Das alles hat bei den Stammwählern Stimmen gekostet. Jetzt droht die nächste Bundestagswahl. Die Opposition tut ein Übriges, um gehörig Salz in die vermeintlichen Wunden zu streuen. Dabei treten die Erfolge der Regierung in den Hintergrund. Auf diese Erfolge sollte sich das Kabinett besinnen und darauf aufbauend weitermachen, statt sich im Klein-Klein der Ideologie zu verlieren.
Andreas Tischler


Leserbriefe zu „Fahrt zur Hölle! Ich geh schon mal vor“ von Volker Weidermann

Man möchte sie kennen! Die Lachende und die Streitsüchtige. Und freut sich mit Volker Weidermann über seine Begegnung mit Elke Heidenreich in Köln. Ein liebevoller, berührender Artikel. Ich las ihn auf dem Weg zur Lesung nach Zürich! Ein Und besser als von Elke Heidenreich gelesen. kann ihr Buch nicht sein. Die Ironie, Selbstironie, der Humor, das Traurige, das Zornige… Aus ihrem Mund der Hauptgewinn! (Ich werde das Buch trotzdem lesen!) Danke Elke Heidenreich, danke Volker Weidermamm!
Ingeborg Lukowski

Wenn man Lebenszeit verschenken könnte, würde ich als Fan Frau Heidenreich ein paar Jahre meines Lebens übertragen lassen.
G.H. Schullenberg


Leserbriefe zu „Anna Mayr entdeckt: Schlangenregeln“

Es geht um das Problem in der Schlange vor dem Buffet geduldig zu warten bis man drankommt oder sich vorzudrängeln. Frau Mayr ist fürs Vordrängeln. Aber bitte, Frau Mayr; die anderen Wartenden finden das bestimmt nicht richtig. Da heißt es dann, natürlich die Mayr. Gierig sich vollzustopfen. Zudem, Frau Mayr denken Sie doch auch an die Linie. Sonst heißt es in der Betriebskantine ist die fette Mayr heute auch da? Dann lasst sie drängeln. Guten Appetit.
Hans-Emil Schuster

Was habe ich gelacht! Kolumnen wie die Ihre, voller ungekennzeichneter Ironie und präziser Zurschaustellung der lachhaften Realität, in der wir uns bewegen (oder stehend Sättigungsbeilagen verbarrikadieren), sind goldwert. Sie und Elisabeth Raether sind die im Sprachumgang versiertesten Menschen bei der ZEIT! Weiter so! Oder ganz anders, egal!
Corvin Wilichowski


Leserbriefe zu „Die Position: Wer sich gut fühlt, lernt besser!“ von Anne Sliwka

Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält … Angesichts des akuten Lehrermangels und der Überlastung des gesamten Systems „Schule“ durch Superdiversität der Schüler, digitale Transformation u. v. a. m. fällt es mir schwer, solche Einlassungen der „Schulpädagogik“ zu ertragen. Dass Lernen und Emotionen aufs Engste zusammenhängen und die Lerninhalte am limbischen System vorbei müssen, ist nun wirklich keine neue Erkenntnis und längst auch durch Studien und Metastudien belegt. Das Ganze mit dem fürchterlich sperrigen Ausdruck „Wellbeing“ zu versehen, bringt überhaupt keinen Erkenntnisgewinn. Erinnert sei daher an Konrad Paul Liessmanns Einsicht, dass Unterricht u. U. etwas relativ Statisches ist, was man nicht alle paar Jahre neu erfinden muss. Diese Erkenntnis ernst zu nehmen, würde so manchen Lehrstuhl für „Schulpädagogik“ und Didaktik überflüssig machen. Die frei werdenden und für Schule bestens qualifizierten Arbeitskräfte könnten wir in der Hauptschule hervorragend gebrauchen. Schon nach wenigen Unterrichtsstunden würde auch Frau Sliwka ihre These bestätigt finden, dass sie mit ihrem Unterricht „baden geht“, wenn es ihr nicht gelingt, ihre Schüler zu allererst auch emotional zu erreichen.
Marcel Haldenwang,

wie ich mich über ihre Äußerungen freue! Es tut mir körperlich gut, diesen Text zu lesen. Seit Jahrzehnten gibt es Forschungsergebnisse, die Ihre Aussage untermauern und trotzdem steigt der Druck auf die Kinder und die Familien beständig an. Ebenso ist es in den Firmen, Behörden etc. (U. a. Hartmut Rosa’s Forschung hilft mir, zu verstehen, wie das kommt.) Daher scheint es dringend geboten, diese Wahrheit immer wieder zu verkünden. Herzlichen Dank dafür. Ich selbst versuche, in meiner psychotherapeutischen Arbeit, aber auch gegenüber den Studierenden der Medizin dahin zu wirken, dass Menschen verstehen, nicht „ohne Druck passiert nichts“ ist wahr, sondern vielmehr in einer Situation, in der man sich wohl fühlt, ist man am ehesten in der Lage, sowohl zu lernen als auch etwas zu bewegen.
Sibylle Riffel


Leserbriefe zu „PROMINENT IGNORIERT. Täglich Brot“ von Ulrich Stock

Da haben die Bäcker aber Glück gehabt, dass sie das längste Baguette nicht in Rheinland-Pfalz gebacken haben, denn hier hätten sie es an einem Stück verkaufen müssen. Das Amt für Mess- und Eichwesen hatte hier nämlich nichts Besseres zu tun, als heimlich Testkäufer von halben Broten ausschwärmen zu lassen (wie beim alten Fritz die „Kaffeeriecher“), um dann deftige Bußgelder zu verhängen. Alles nachzulesen in der „Rhein-Zeitung“ und der „Rheinpfalz“.
Rudolf Reinhardt

„Raum und Licht und Ordnung. Das sind die Dinge, die man genauso braucht wie Brot oder einen Platz zum Schlafen“, dieses Zitat stammt vom schweizerisch-französischen Architekten, Maler, Zeichner, Bildhauer & Stadtplaner Le Corbusier (1887-1965) Wenn man bei uns in Franken ein halbes Brot kaufen will, dann könnte die Verkäuferin den Kunden mit Sicherheit fragen: „Wollen Sie die größere oder die kleinere Hälfte vom Brot?“
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Der Mehrheit die Macht!“ von Steven Levitsky und Daniel Zieblatt

Steven Levitsky will eine „Wahlrechtsreform“ in den USA. Da sich die Demokraten und Republikaner in schöner Regelmäßigkeit bei den Wahlen ablösen, ist offensichtlich, dass diese Reformvorschläge, die den Demokraten auf Dauer die Macht sichern sollen, eine undemokratische Gaunerei sind. Wie kommt solche Demokratiefeindlichkeit in die ZEIT? Mal ganz davon abgesehen, dass ein so kluger, vernünftiger und feiner Liberaler, wie ich, es für außerordentlich wichtig hält, dass die nächsten Wahlen die Republikaner gewinnen. Habt Vertrauen in die Amerikaner und ihr uraltes Wahlrecht! Es ist Zeit, ihnen zu vergeben, dass sie den letzten Krieg gegen uns gewonnen haben. Gebt Euch einen Ruck!
Fred Klemm


Leserbrief zu „Gründe fürs Gründen“ von Jens Tönnesmann

Weiß Jens Tönnesmann nicht, dass man bei solchen Vergleichen hierzulande nicht etwa beginnt, die Benachteiligten zu fördern, sondern die Begünstigten zu behindern? Und welche Förderprogramme sollen das sein? Es funktioniert ja nicht einmal bei der Bildung in der Schule. Und gäbe es gute Förderprogramme, dann würden es, im Vergleich mit zehntausenden Unternehmerfamilien, doch nur Einzelne schaffen. Um nicht missverstanden zu werden – ich bin dennoch dafür. Kulturelle Seiteneinsteiger können manchmal sehr viel erreichen, aber es bleiben Einzelfälle. Und wenn solche Ideen nicht nur Spinnerei oder verdruckste Entschuldigung für eigenen Aufstieg sein soll, dann ist doch mal zu erwähnen, dass solcher Auf-oder Umstieg durch Förderung, immer einen hohen Preis für den Geförderten hat. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man alte Bindungen und Sicherheiten verliert und in den neuen nie ganz ankommt. Diese Heimatlosigkeit kann viel Kreativität erzeugen. Aber persönlich profitieren werden oft erst die Kinder des Aufsteigers. Weil sie, dann wieder aus einer Unternehmerfamilie stammen. So schließt sich der Kreis. Und bei Gründer-und Unternehmergeist auf Staat und Regierung zu hoffen, ist dann ganz daneben. Wahrscheinlich wird es gut bezahlt.
Fred Klemm


Leserbrief zu „Auf zur dicksten Stelle des Mondes“ von Stefan Schmitt

Die Chinesen versuchen mit einem gigantischen technischen Aufwand das Problem zu lösen, warum der Mond auf seiner Rückseite so eine große und tiefe Delle hat. Der Mond zeigt uns immer nur seine Vorderseite. Wir sehen also immer nur die Hälfte von ihm, weil die gebundene Rotation ihn dazu zwingt. Das wusste schon längst Matthias Claudius; „Du (der Mond) bist nur halb zu sehen und doch rund und schön“ Eben, man sieht immer nur die Hälfte, rund naja maybe, aber schön? Eher nicht, er hat ja ne Delle. Woher die kommt, weiß nur die Göttin des Mondes, Selene. Und die sagt es uns nicht. Und die Chinamänner wollen vielleicht das wertvolle Metall Selen klauben. Wer weiß, mit oder ohne Delle.
Hans-Emil Schuster


Leserbrief zu „Kein Lindenblatt darf zwischen dich und mich fallen“ von Peter Kümmel

danke für Ihren Text „Kein Lindenblatt darf zwischen dich und mich fallen“ in der ZEIT Nr. 21 vom 8.Mai 2024, S. 58.f. Als wertvolle Ergänzung empfehle ich die Dokumentation „Christine Lavant – Wie pünktlich die Verzweiflung ist“ von Danielle Proskar, die am 28. 04. 2024 von 3SAT in (leider!) gekürzter Fassung übertragen wurde.
Ute Götz-Henrich


Leserbrief zu „Der letzte Sommer“ von Matthias Krupa

Vielen Dank für den wunderbaren Artikel, der mich dazu bringt, sofort gen Paris und CP reisen zu wollen! Darf ich dennoch ein Wort der Kritik loswerden: Die in Museen herumlaufenden, das neugierige und sich bisweilen etwas eigensinnig verhaltende Publikum genauestens beobachtenden und streng kontrollierenden Damen und Herrn werden vom deutschsprachigen Zeitungs- und Zeitschriften-Journalismus allzu gern als Wärterinnen und Wärter bezeichnet. Muss das sein? Haste Töne? Derartige Menschen findet man im Zoo und im Gefängnis, nicht aber im Museum!!! Vorschlag: Benutzen Sie doch einfach die Formulierung: Aufseher oder Aufsichtspersonal. Mit diesem Begriff können die Betroffenen sehr gut leben. Selbst wenn Slawomir Mrozek vom „Wächter“ und Javier Marías vom „Museumswärter“ sprechen, den adäquaten Ton trifft Peter Sager in seinem Text zur „Alarmanlage auf zwei Beinen“ (ZEIT Magazin # 13, 1981): „Aufseher „, „Aufseherin“, ja sogar „Oberaufseher“ heißt es da. Na bitte.
Burkhart Lauterbach


Leserbrief zu „Stimmt’s? Vererbliche Eigenschaften können eine Generation überspringen“ von Christoph Drösser

Leider stimmt nicht ganz. Insbesondere: Die Umwelt kann nicht die Ausprägung der Gene direkt beeinflussen, sondern nur deren Ablesung. Es bedeutet nicht, dass es über Generationsgrenzen hinweg die vererbten Gene verändert! Bestenfalls kann die Veränderung der abgelesenen bzw. blockierten Bereiche weitergegeben werde. Sie ist aber nicht über mehrere Generationen persistent. Mit ihren Aussagen kommen sie dem Lamarckismus schon sehr nahe. Und der ist eher falsch. Zumindest nach bisherigem Wissensstand. Die letzte Aussage, „Der Weg vom Genotyp zur Ausprägung ist nicht deterministisch“ Ist natürlich völlig falsch. Er ist nur schwer vorhersagbar. Determinismus und Vorhersagbarkeit sind verschiedene Begriffe!
Franz Baur


Leserbrief zu „Alles aufgesaugt“ von Johanna Jürgens

Eine amüsante Nebenwirkung der Leselust der großen KI-Systeme: Seit vielen Jahren veröffentliche ich ein kleines Blog, mehr für mich selbst als für andere, meisten habe ich nur eine Handvoll Leser. Seit einigen Monaten hat sich die Zugriffszahl verdreifacht, hauptsächlich aus den USA. Ich vermute, dass dies KI-Systeme sind.
Peter Pielmeier


Leserbrief zu „Lasst es sein“ von Florian Eichel

Es gibt da zwei Songs auf dem Album „Let it be“ und beide sind von den Autoren John Lennon und Paul McCartney. Als da wären die Nummer-1-Single in den Staaten „The long and winding road“ und der famose Folk-Rock-Song „Two of us“. Ich bin in den 60iger Jahren mit den Songs von Adamo, Peter Alexander, The Association, Beach Boys, Roy Black, The Byrds, Johnny Cash, The Cream, Creedence Clearwater Revival, Drafi Deutscher, Donovan, Dorthe, Bob Dylan, Four Tops, Rex Gildo, Heintje, Jimi Hendrix, The Herd, Tommy James & the Shondells, The Kinks, Lolita, Lovin´Spoonful, The Mama´s & the Papa´s, Manfred Mann, Marion Maerz, Manuela, Peggy March, The Monkees, Nana Mouskouri, Wencke Myhre, Freddy Quinn, Righteous Briothers, Frank & Nancy Sinatra, den Stones, The Troggs, Walker Brothers, Gerhard Wendland, The Who, Young Rascals u.s.w. und natürlich mit Songs von The Beatles groß geworden und irgendwie doch sehr behütet aufgewachsen. Die Beatles haben im Jahr 1970, als Beatles aufgehört miteinander zu musizieren. Alle vier waren auch als Solokünstler sehr erfolgreich! John Lennon (1940-1980) und George Harrison (1943-2001) sind schon lange verstorben. Paul McCartney (*1942) und Ringo Starr (*1940) musizieren immer noch lustig weiter. Zusammen gibt es die vier „Pilzköpfe“ weiterhin in der Doku „Let it be“, entstanden 1970, zu sehen!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Die sagen alle Horst zu mir“. Gespräch mit Horst Hrubesch geführt vonChristof Siemes und Bruno Kammertöns

Mit Fußball hab´ ich gar nichts mehr am Hut, Fußball ist nicht mein Ding, ganz egal ob jetzt Frauen gegen Frauen oder Männer gegen Männer spielen. Das Gespräch mit Horst Hrubesch habe ich trotzdem gelesen und das war wirklich eine kurzweilige Sache. Natürlich kenne ich den Horst Hrubesch, als das „Kopfballungeheuer“, denn ich früheren Zeiten, da habe ich auch Fußball gespielt, geguckt und war sogar einige Male beim „Glubb“ (1. FC Nürnberg) im Stadion oder bei den Heimspielen in Röthenbach/Pegnitz, wenn der TSV spielte. Lang, lang ist das allerdings schon her!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Wir haben rausgepumpt, was nur ging“. Gespräch mit Lars Reger geführt von Marc Widmann

Es ist nicht zu fassen. Das Halbleiter-Kartenhaus kann mit desaströsen Folgen für sensible Infrastrukturen jederzeit zusammenbrechen. Dennoch werden immer mehr Chips verbaut: etwa in maßlos überdimensionierte E-Autos oder in total vernetzte Smart-Homes. Die Rohstoffe werden zum Teil unter ökologisch und sozial höchst fragwürdigen Bedingungen in politisch instabilen Regionen aus dem Boden geholt. Aber das entgeht unseren Blicken, wenn wir einen tonnenschweren SUV in drei Sekunden von Null auf Hundert bringen oder wenn wir mit dem Kühlschrank, Fön oder unserer Mülltonne kommunizieren. Vielleicht wäre es an der Zeit, uns als Gesellschaft einmal zu fragen, wie wir die wertvollen sinnvoll Ressourcen nutzen wollen. Technikern, das zeigt auch dieses Interview, sollten wir diese Entscheidung nicht allein überlassen.
Jürgen Schlachter


Leserbrief zu „Da draußen“ „Im Mai“ von Heike Faller im ZEIT Magazin

Sarah Darwin sitzt demselben Irrtum auf wie ihr berühmter Ururgroßvater Charles. Sie beschreibt treffend das Phänomen der beobachtbaren Mikroevolution, also der Evolution innerhalb einer Art, schlussfolgert daraus aber auf Makroevolution und behauptet, dass diese zu neuen Arten geführt habe. Letzteres ist jedoch bis heute unbewiesen und unbeweisbar. Dezidiert widersprechen möchte ich den beiden Darwins daher, wenn sie behaupten, alles Leben und die verschiedenen Arten verdankten sich der Evolution, und dies sei ein Faktum, sei wissenschaftlich bewiesen, während der Glaube an einen Schöpfer, der die Arten ohne Evolution erschaffen hat, eben Glaube und unbewiesen sei. Der Irrtum liegt m. E. darin zu glauben, wir hätten es bei der Auseinandersetzung zwischen Kreationisten und Anhängern der Evolutionstheorie um eine Auseinandersetzung zwischen Religion bzw. Metaphysik auf der einen und Wissenschaft auf der anderen Seite zu tun. Die Auseinandersetzung ist vielmehr eine zwischen zwei Theorien, die beide von außerweltlichen Voraussetzungen ausgehen. Was den einen der Gott der Genesis ist, sind den anderen die Götter Zeit, Zufall, Mutation und Selektion.
F. A. Schaeffer