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2. Mai 2024 – Ausgabe Nr. 19

Leserbriefe zu „Viel Glück und viel Regen“ von Giovanni di Lorenzo

Di Lorenzos missionarisches Schlussplädoyer zum Erhalt des Asylrechts ist die Lehre aus der Vergangenheit. Es wäre ja schäbig, Verfolgten die Tür zu weisen. Doch wenn das Zauberwort Asyl zur Eintrittskarte für jedermann mutiert, stellt sich die Systemfrage. Der Konsequenz daraus weichen die meisten aus, um nicht in der rechten Ecke zu landen. Doch das Land ist schon heute überfordert. Auf 58 Mrd. summieren sich die Kosten der Migration, Ukrainer eingeschlossen. Quasi ein human angelegter Verteidigungsetat. Bloße kosmetische Korrekturen waren bisher Baldrian für die aufgewühlte Volksseele, doch die Mehrheit will einen rigiden Stopp, eine schmerzliche, aber notwendige Zäsur, gewissermaßen eine Zeitenwende sui generis. Und sie wird, nein, sie muss kommen.
Christoph Schönberger

Lebensgefühl tiefe Dankbarkeit, privilegiert durch mehrere Ausbildungen und breite berufliche Erfahrungen, „erzogen und gereift durch drei Kinder“, alle immer ausgestattet mit viel Perspektiven und Sicherheiten, politisch bewegt und zwischen inneren (RAF) und äußeren (kalter Krieg) Bedrohlichkeiten balancierend, durften wir die letzten sieben Jahrzehnte in dieser Republik reichhaltig leben! Wird es vor allem uns „Alten“ gelingen, aus dem Lebensfundament tiefer Dankbarkeit ausreichend Bescheidenheit und zarte Zuversicht für kommende Generationen zu generieren?
Wolfgang Klöckner

Neben vielen guten Gedanken des G. Di Lorenzo sind doch auch ein paar seichte Sätze in diesem Geburtstagsartikel für Deutschlands Demokratie: “ In Schulen begegnete man alten Nazis“, vermutlich nicht nur da, wohl auch in Presse und Rundfunk? Und was bedeutet denn das: „alte Nazis“? Solche, die schon 1920 dabei waren? „Ausländer wurden aufs Übelste beschimpft“? Überall? Auch in den sich anbahnenden örtlichen deutsch-italienischen, und anderen Vereinen und Kirchengemeinden? Das kommt mir sehr schwarz-weiß gezeichnet daher. Von einem Chefredakteur hätte ich mir ein differenzierteres Bild erhofft.
Alois Lienhard

Bei aller Hochachtung – welch eine Hilflosigkeit in der Wahl einer Metapher für die Überschrift! „Es bräuchte ein neues Richtfest für die Demokratie“ Beim Bau eines Hauses feiert man Richtfest dann, wenn das Dachgerüst gerichtet ist. D.h. der Rohbau des Hauses ist weitgehend fertig, es fehlte noch die Dacheindeckung und natürlich der Ausbau. In Ihrem Artikel beschreiben Sie die Geschichte des Aufbaus unsrer Demokratie anhand des Grundgesetzes, und das eher mit einem positiven Tenor, den ich teile. Nun bewohnen wir das Haus ja schon etwas länger, das Richtfest ist also bereits gewesen. Sie denken also eher an eine Sanierung, sogar eine “Grundsanierung” – und dafür ein Richtfest? Meine Frage: Wie weit soll jetzt das Gebäude abgerissen werden, um dann wieder ein Richtfest begehen zu können? Sie schreiben, der wichtigste Sanierungsfall seien die Parteien. Das mag sein! Könnte es nicht ebenso sein, dass der zweitwichtigste Sanierungsfall danach gleich der Journalismus wäre? Die Dinge hängen ja zusammen. Gegen Ende Ihres Artikels, nach allem, was Sie beschreiben an Maßnahmen, die wir “bräuchten”, haben Sie sogar ein Rezept zur Verbesserung: „mehr Menschen , die … für das Land und nicht nur für sich arbeiten.“ Klingt doch echt recht wohlfeil? Oder? An der Stelle geht’s doch erst los!
Dafür wäre es angebracht, sich einmal mit dem Zustand der Parteien tatsächlich zu beschäftigen: Ich meine, feststellen zu können, dass dort vor allem an der Basis viele auch junge Menschen bereit sind mitzuarbeiten – und das in allen demokratischen Parteien! Da geht es um Konstruktives im Gegensatz zu Destruktivem. So etwas wäre zu würdigen – nicht nur wie Sie pauschal über „die Parteien und ihre Wähler“ zu schreiben, mehr im Sinne eines Produzenten/Konsumenten Verhältnisses.
Karsten Schwerdtfeger

Auf Regen folgt Sonnenschein. Gesundheit und Frohsinn sei auch mit dabei. Aber nicht mit der AfD. Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland sind 75 Jahre jung. 75 und kein bisschen Weise, 75 und kein bisschen Leise. Rückschau und historische Betrachtungen sind wichtig. Aber bitte keine Nabelschau, sondern Weitblick und Zukunftsvisionen (ohne, dass dafür jemand einen Arzt aufsuchen muss). Wenn nach 75 Jahren das Dach des Gebäudes „Demokratie“ undicht ist und Ungewolltes einsickert oder gar richtig vom Mobiliar (den Abgeordneten, allen voran „Das Möbel“ der Kanzler) Besitz ergreift ist eine Sanierung dringend erforderlich. Dazu müssten alle demokratischen Kräfte sich auf einen Sanierungsplan einigen. Davon sind wir leider weit entfernt. Es werden Ideologien verfolgt und/oder Parteistrategien und Lobbypolitik hochgehalten. Erkenntnisgewinn oder Lernprozesse aus gemachten Fehlern sind selten. Sonntägliche Jubiläumsreden auf das Grundgesetz und die Bundesrepublik zum 75. sind staatstragend, aber tragen die Ideen der Gründungsmütter – und Väter nicht so weiter, wie es erforderlich wäre. Die Freiheitlich Demokratische Grundordnung als Prinzip des Zusammenlebens gilt für alle. Das Grundgesetz ebenfalls. Deshalb dürfen wir den öffentlichen Diskurs keinen Extremisten, egal von welcher Seite, überlassen. Das fängt an bei den Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen, bis hin zu den Vertretern in den Städten und Gemeinden. Die ganze Zivilgesellschaft ist gefordert.
Wer etwas Fundamentales über die Politik und die Zukunft Deutschlands erfahren will sollte von Helmut Schmidt das Buch „Außer Dienst Eine Bilanz“ lesen. Im Kapitel „Netzwerke“ steht ein wegweisendes Statement zu Berufspolitikern: „Wer in die Politik gehen will, sollte einen Beruf gelernt und ausgeübt haben, in den er jederzeit zurückkehren kann, denn nur so kann er sich seine Unabhängigkeit bewahren. Er soll die ersten zwanzig Artikel des Grundgesetztes verinnerlicht haben und das übrige in seinen Grundzügen kennen. Er soll die deutsche Geschichte mindestens seit der Französischen Revolution kennen, darüber hinaus auch die Geschichte unserer wichtigsten Nachbarn und außerdem die Geschichte der europäischen Integration. Schließlich aber muss er spätestens nach seiner Wahl ins Parlament sich auf mindestens einem Fachgebiet so weit einarbeiten, dass er sich in diesem Fach auf sein eigenes Urteil verlassen kann.“ Neugier und Lernfähigkeit kann dabei nicht schaden. Es drängt sich derzeit zunehmend der Eindruck auf, dass immer mehr der Berufspolitikerinnen und Berufspolitiker den Mindestanforderungen, für ihre berufliche Tätigkeit, nicht gewachsen sind. Zum 75. Geburtstag feiern wir eine parlamentarische Demokratie, die schon einige Hürden genommen hat und für die Zukunft eigentlich gut aufgestellt ist, wenn Parteigeplänkel und Eigeninteresse hintenangestellt werden und das Einbeziehen der Probleme der Wählerinnen und Wähler sowie des „ganzen Volkes“ erkennbar und spürbar sind. Erst mal sehen was sich machen lässt und dann machen was sich sehen lässt. Herzlichen Glückwunsch Bundesrepublik Deutschland und das Grungesetz!
Felix Bicker

Aus den Augen – aus dem Sinn… Die aktuell veröffentlichten Daten zum Thema „Migranten“ lockt Meinungsmacher und Politiker aus ihren völkischen Löchern, um wieder einmal mit einfachen, rigiden und scheinbar populären Lösungen Punkte und Stimmen zu sammeln (um langfristig eine Gesellschaft zu erschaffen, in der ich nicht leben möchte). Migranten, Flüchtlinge müssen ihre Heimat verlassen, da die aktuellen Lebensbedingungen dort unmenschlich und lebensbedrohlich sind. Sie sind eben nicht die „Migrationsurlauber“, die aus Reiselust und Abenteuersuche ihr Leben aufs Spiel setzen. Sie suchen Schutz, unter anderem in Deutschland. Unsere Verfassung garantiert diese Zuflucht, nicht zuletzt aus der eigenen Geschichte heraus begründet –wenn man sich an “eigene“ Flucht und Vertreibung im Dritten Reich erinnert. Im Grundgesetz steht in Artikel 2:“Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ In diesem Kontext widert es moralisch denkende Menschen an, wenn eine Frau von der Leyen für einige Milliarden Euro dem Libanon die Aufgabe der“ Entsorgung“ von Migranten in Richtung Europa zukommen lässt… Wenn DIE ZEIT im Leitartikel “illegale“ Migranten gegen „gute“ Asylbewerber ausspielt und eine spürbare Regulierung- sprich „Remigration“ fordert, sorgt sie nicht für eine Schwächung extremer Rechter, sondern bedient deren Ziele. Wenn sich allerdings die Praxis der rigiden Abschiebung und Abschottung durchsetzen sollte, sollten die Befürworter dieser Maßnahme die Abzuschiebenden begleiten, um so mitzuerleben, in welche menschenunwürdige, lebensbedrohliche und aussichtslose Situation die „ausländischen“ Menschen gebracht werden. Oder müssen dies die Reporter von „Correktiv“ übernehmen, weil die Befürworter nur sinkenden Zuwandererzahlenden hier sicher lebenden präsentieren möchten.
Christoph Stellmacher

“ Der wichtigste Sanierungsfall sind die Parteien und Ihr Verhältnis zu den Wählerinnen und Wählern.“ Damit ist alles gesagt! Wenn Sie mutig gewesen wären, Herr Di Lorenzo, dann hätten Sie einfach den guten Artikel mit der Überschrift und diesem einen Satz abgeschlossen. Einfach den Rest der Seite unbedruckt gelassen. Einfach weiß, eine halbe Seite. Jede Leserin und jeder Leser und jede Politikerin und jeder Politiker hätte dann einen Moment die Zeit gefunden, um den weißen Teil der Seite mit eigenen Gedanken zu füllen. Vielleicht wäre dann aus einem Sanierungsfall ein positiver Gedankenschwall geworden, der viel Glück und viel (R) Segen bringt.
Reinhard Schmitz

Kann eine 75-jährige Dame noch einen „Ruck“ vertragen, ist sie noch zu einem „Aufbruch“ fähig? Vor 35 Jahren, mit knackigen 40, fielen sie und der „Ossi“ sich in die Arme, nachdem er ein verkrustetes diktatorisches System zum kommunistischen Teufel gejagt und die Mauer niedergerissen hatte! Eine Liebesheirat, in die er als Brautgeschenk seine arme Verwandtschaft, sie einen Ehevertrag mitgebracht hat, den er sofort unterschrieb. „Blühende Landschaften“ sollten entstehen; es blieb bei einigen renaturierten Braunkohlegruben und Industriebrachen, auf denen jetzt Gänseblümchen und Holunder blühen! Inzwischen ist der Lack ab, der einstige Zauber verflogen. Die gesamtdeutsche Ehe braucht dringend einen frischen Anstrich, eine emotionale Runderneuerung! Soviel zum bedeutendsten Abschnitt der 75 jährigen deutschen Nachkriegsgeschichte, den ich in Ihrem Beitrag schmerzlich ungewürdigt vermisse! Unser derzeitiges demokratisches System tritt ohne inneren Antrieb auf der Stelle. Um uns zu behaupten, brauchen wir eine starke, wehrhafte Demokratie ohne „Vollzugsdefizite“; nach außen gegen den Einfluss und die Übergriffe von Diktaturen, nach innen gegen immer radikalere Gruppierungen und Parteien, immer zahlreichere und größere Parallelgesellschaften, immer mehr Kriminalität (s.a. „Es war ein ganz normaler Abend“ gleiche Ausgabe). Wir müssen die Dauerimmigration aus Asien und Afrika endlich stoppen! Unsere Integrationsfähigkeit ist längst überstrapaziert, wir entwickeln uns zu einem polyethnischen Beliebigkeitsland, in dem wir allmählich unsere Besonderheiten, unsere Eigenarten, unsere Identität verlieren, auf die jedes andere Land stolz ist!
Kriminelle Asylbewerber müssen sofort ausgewiesen werden, ebenso alle Immigranten, die ohne triftigen Asylgrund aufgenommen werden wollen! Jahrelange unnötige Inanspruchnahme unserer Gerichte durch alle Instanzen, um doch ein Bleiberecht zu erzwingen, muss verhindert werden! Deutschland nimmt nur noch europäische Flüchtlinge auf, hilft den afrikanischen und asiatischen Fluchtländern nur noch vor Ort! Klimaschutz ist eine weltweite Aufgabe, bei der alle Menschen gefordert sind, den ihnen zumutbaren Beitrag zu leisten! Der Naturraum darf nicht weiter verkleinert werden! Im „Süden“ muß daher eine wirksame Geburtenkontrolle praktiziert werden! Die Belastungen, die auf unsere Bürger zukommen, darf unsere Regierung nicht verharmlosen, sondern muß sie ihnen mit ehrlichen und überzeugenden Worten darlegen. Es müssen ja nicht gleich „Blut, Schweiß und Tränen“ fließen! Nur dann sind sie bereit, Verzicht zu leisten!
Kriege müssen von allen Nationen geächtet werden! Dies zu erreichen, müssen demokratische Staaten immer mehr, immer neue Verbündete suchen, selbst wenn es keine „lupenreine Demokratien“ sind. Die Gefahr eines dritten Weltkriegs, der unsere Erde verwüstet, ist groß! Haben wir doch noch so lange Geduld bis zum nächsten Asteroideneinschlag! Egoismus sprengt unsere Gesellschaft, Solidarität hält sie zusammen! Arbeitsfähige Arbeitslose sollen die ihnen angebotene Arbeit annehmen, Großverdiener ihren Geldüberschuss nicht in Steueroasen abfließen lassen, sondern dem Land und seinen Bürgern zur Verfügung stellen! Ein soziales Jahr sollten alle jungen Menschen und alle Rentner ableisten! Dort begegnen sich die Generationen zwangsläufig, lernen sich kennen und profitieren voneinander! Politisches Handeln darf nicht durch verstaubte Gesetze und Brandmauern verhindert, von Zeitgeistmoral und Parteienideologien bestimmt werden! Zur demokratischen „Leitkultur“ gehören Klugheit, Vernunft, Weitblick in die Zukunft, die erst nach einer Legislaturperiode beginnt; in einem Satz zusammengefasst: quidquid agis, prudenter agas et respice finem!
Ulrich Pietsch

Herr Di Lorenzo stellt fest, dass die meisten Deutschen sieben Milliarden Euro Ausgaben jährlich für Bürgergeld und Unterkunft der Ukrainer in Ordnung finden. Ich zweifle stark: Da gibt es Rentner*innen, die nach einem ganzen Arbeitsleben und dem Großziehen von Kindern mit Minirenten auskommen müssen; Alte, deren Krankenkasse stets nur einen Heilmittelbasissatz bezahlt und die jedes Detail ihres Rollstuhls selber zahlen müssen, was oft nicht geht; Bürger, die zusehen können, wie der Service des kommunalen Kindergartens, des Schwimmbads oder der Bibliothek usw. immer weiter eingeschränkt wird oder die selber überhaupt keine bezahlbare Wohnung mehr finden. Und die alle erleben, dass aus dem Nichts plötzlich Riesensummen locker gemacht werden für Begünstigte, die noch nie in die Sozialkassen eingezahlt haben und hier auch noch lange keine Arbeit aufnehmen brauchen – und finden das in Ordnung? Ich finde, Herr Di Lorenzo sitzt auf einem ziemlich hohen Ross ohne Bodenhaftung und redet sich die Stimmung schön!
Axel Bohn

Glückwunsch, Deutschland, trotz allem! Meine Version. Giovanni di Lorenzo gelingt ein kompakter Abriss der bundesrepublikanischen Demokratie und ihrer Geschichte. „Die Erinnerung malt mit goldenem Pinsel“, und es stimmt, ältere Menschen wünschen sich Kanzler wie Willy Brandt und Helmut Schmidt zurück, charismatische Politiker eben. Dabei gibt es auch heute noch solche Politiker/innen, die Herausforderungen sind natürlich andere. Wie viel Individualität in der jetzigen Gesellschaft noch gewollt oder sie zu „ertragen“ bereit ist, ist fraglich. Ruppige Auseinandersetzungen und Wortgefechte hat es schon immer in der deutschen Politik gegeben, manche Rededuelle zwischen Herbert Wehner und Franz-Josef Strauß sind sogar legendär. Heute kann eine falsche Geste, ein unbedachtes Wort auch dem qualifiziertesten Politiker den Kopf kosten. Das hat nicht nur mit Social Media zu tun, aber auch, und vermutlich mit der Art von Berichterstattung.
Ja, ja, all das Jammern und Klagen vieler Zeitgenossen ist nicht zu überhören, ohne Verantwortung zu übernehmen und vom bequemen Sofa aus, eine leichte Übung. Die Demokratie macht es den Menschen hier nicht schwer, nun ist sie gefährdet, auch in Deutschland. Tätliche Angriffe auf politisch aktive Menschen häufen sich, zuletzt hat es den SPD-Politiker Ecke in Dresden getroffen. Niemand dürfte sich der angemessenen Besorgnis und Reaktion darüber entziehen. Das Erstarken der AfD macht die Regierungsarbeit demokratischer Parteien schwieriger und manchmal zu einem Kraftakt. SPD mit FDP, CDU mit FDP, CDU mit SPD, diese Zeiten sind vorbei (war aber auch nicht immer einfach). Damit nicht noch mehr Vertrauen in die Politik verloren geht und eine „Endzeitstimmung“ sich breit macht, ist es wichtig, dass künftige Regierungskoalition nicht so ein zerstrittenes Bild abgeben, wie die Ampel. In Deutschland besteht das Wahlrecht, das ist gut so, schön wäre es, wenn Wähler und Wählerinnen es zur freiwilligen Pflicht denken würden, jede demokratische Stimme ist wertvoll. Erfahrungsgemäß können radikale Parteien wie die AfD ihre Wähler immer sehr gut mobilisieren.
Regina Stock

Waren Ausländer im Deutschland der 70er Jahre wirklich „alles andere als willkommen“? Und wurden sie tatsächlich „auf das Übelste beschimpft und gedemütigt“? Laut Giovanni di Lorenzo war das so. Ich weiß nicht, wo in Deutschland er diese Jahre verbrachte. Ich selbst lebte damals in Bamberg und in München und kann seine Empfindungen nicht nachvollziehen. Übelste Beschimpfungen und Demütigungen ausländischer Mitbürger habe ich selbst nie miterleben müssen, trotz vieler Kontakte zu vielen Menschen in dieser Zeit. An der Tagesordnung können sie wohl doch nicht gewesen sein. Stattdessen wurde ich Zeuge vieler freundlicher Begegnungen. Es stellt sich die Frage, ob überhaupt jemand aus freien Stücken sein Heimatland verlassen hätte, in unser Land gekommen und freiwillig hier geblieben (!) wäre, hätte Deutschland damals wirklich und überall so ausgesehen, wie ihr Leitartikel es darstellt.
Bernhard Bundscherer

Ich finde die Idee, die im Leitartikel von Herrn Di Lorenzo anklang und im Artikel von Herrn Probst in der Woche zuvor explizit formuliert wurde, nämlich die Demokratie zu schützen, indem man ihre Performance verbessert, überaus charmant. Ein Riesenhebel dazu ist die Bürokratie. Ob Lieferkettengesetz, Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder allgemeiner das Steuer- und vor allem das Baurecht: kafkaeske Konstrukte, die darauf zielen, eine Art Einzelfallgerechtigkeit zu schaffen, die aber dazu führen, dass der Neubau einer Autobahnbrücke fünf Jahre und der eines Radschnellwegs zehn Jahre dauern. Fangen wir damit an, uns von diesem Irrsinn zu befreien, das wird die Demokratie verbessern.
Andreas Zabel

Wie schade, dass Sie im kurzen Abriss der Demokratiegeschichte der BRD nicht die Chance genutzt haben, eine bestehende „Gedächtnislücke in unserem historischen Bewusstsein“ (A. Assmann 2019) zu füllen. Ohne die Leistungen der 68er Generation für einen weitreichenden Wandel in Gesellschaft und Politik schmälern zu wollen, möchte ich auf den Beitrag für den Prozess der Demokratisierung durch die Generation1945 hinweisen. Deren Anteil wurde jahrzehntelang auch deswegen kaum gewürdigt, weil die 45er nach dem Kriegsende lange geschwiegen haben, viele aus anderen Gründen als Täter und Mitläufer des NS-Staates. Nach der „Niederlage“, die für manche nicht gleich als „Befreiung“ empfunden werden konnte, haben sie sich umso konsequenter für Aufbruch und Veränderung im Rahmen ihrer Verantwortung in Beruf und Öffentlichkeit eingesetzt. Dieser auch „Flakgeneration“ genannten Generation fehlte jene problematische Seite der 68er, nämlich die Protestformen voller Hass, Gewalt, Antiamerikanismus. Während die 68er die BRD ablehnten und die Sowjetunion, die DDR oder später das maoistische China als Staatsmodell propagierten, baute die 45 er Generation die BRD auf. Viele waren wohl verstört, weil sie als Schüler und Schülerinnen den Krieg, den Arbeitsdienst, z.T. auch Kriegsgefangenschaft, die Vertreibung aus Ostpreußen, Schlesien und Pommern erlebt hatten.
Wir Kinder der ersten Nachkriegsgeneration erlebten Eltern, die zwar mit ihrer eigenen, abrupt endenden Kindheit und Jugend nicht fertig wurden, aber sich ihr Leben lang engagierten. Als Generation sind die 45er nicht in die Geschichte eingegangen, aber sie haben trotzdem einen signifikanten Beitrag zur demokratischen Entwicklung geleistet. Ihre Skepsis gegenüber Ideologie und emotionaler Vereinnahmung in sozialen Bewegungen könnte uns heute in einem Klima der hitzigen Debatte und verhärteten Proteste nur guttun.
Franziska Hanne


Leserbriefe zu „Darf man auf diesen Bau stolz sein?“ Streit von Philipp Oswalt und Wolfgang Thierse, moderiert von Paul Middelhoff und Tobias Timm

Da äußert sich einer mit akademischen Vornamen tarnender Baumeister in einer der bedeutenden Zeitung der Republik und zwingt mit Unterstützung der ZEIT auf eine politische und sachliche Gegenreaktion. Bitte? Ist es inzwischen jedem intellektuell Amok laufenden Scheinexperten möglich, sich mit einer verbal-inkontinenten Unverhältnismäßigkeit Gehör zu verschaffen? Erst recht, wenn man sich jenseits seiner fachlichen Zuständigkeit auf dubiose Meinungsäußerungen von ominösen Publikationen und parteipolitischen Ansichten bezieht. Ist es der Redaktion der ZEIT inzwischen derart egal, jeden noch so unsinnigem, aber dick aufgetragenen Unsinn Raum zu geben.
Jürgen Dressler

Natürlich darf man diesen Bau wie jeden anderen kontrovers betrachten. Und den Spendern, diese und jene Gesinnung gehabt zu haben, unterstellen, schließlich haben nicht alle ein- und dieselbe Gesinnung. Und auch nicht die des Kontrahenten Wolfgang Thierses, Philipp Oswalt. Der nicht nur am Berliner Schloss rechtsnationale Gedankengänge zu entlarven sich befleißigt, sondern auch den Spendern der Garnisonkirche Potsdam anlastet. Das ist in der Tat ein geschichtlich brisanter Ort, aber was hat das Jugendstilgebäude Altes Schauspielhaus Frankfurt mit der preußischen und nationalkonservativen Geschichte zu tun, dessen Wiederaufbau eine Initiative begehrt? Vehement trat Oswalt für den Denkmalschutz des bestehenden Glasfoyers von 1962 ein, das einen Wiederaufbau unmöglich macht. Der Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt geriet gar ins Visier seines Gesinnungsgenossen, des Architekturprofessors Stephan Trüby. Warum sind diese beiden Architekten so voll mit blindem Eifer, wenn irgendwo etwas rekonstruiert wurde oder wird? Weil sie um den Verlust ihrer modernen Bauideologie fürchten, die, wenn überall rekonstruiert würde, zu deren baldigem Niedergang führen würde. Der Wiederaufbau zerstörter Bauten resultiert vornehmlich aus der Sehnsucht vieler Menschen nach einer schöneren Stadt, die sie mit der Architektur der Moderne nicht mehr verwirklicht sehen. Weil sich Architekten wie Oswalt, Trüby und viele andere gegen solche Sehnsüchte stellen, suchen Millionen deutscher Touristen eben alte Städte wie Venedig, Paris oder Amsterdam auf, um mit ihren, im eigenen Lande unerfüllten Sehnsüchten weder dem Klima noch den besuchten Städten einen Vorteil zu verschaffen. Bleibe im Lande, und erfreue dich seiner Schönheit, anstatt deinen Fuß nur immer auf anderer Terrain zu setzen, und dieses mit deinem Abdruck zu verderben – das funktioniert nur, wenn man zuhause wieder mehr Sehenswürdiges antrifft.
Axel Spellenberg

„Für“ den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses engagierten sich u.a. Regine Hildebrandt, Antje Vollmer, Günter de Bruyn, Manfred Krug und die Zeit-Redakteure Marion Dönhoff und Klaus Hartung. Es ist infam, wenn der Aktivist Philipp Oswalt heute versucht Sozialdemokraten, wie Tobias Nöfer, Benedikt Goebel oder Hans Stimmann, die seine städtebaulichen Vorstellungen nicht teilen, in die Nähe von Rechtsextremisten zu stellen. Der Wiederaufbaubeschluss des Deutschen Bundestages war ein Kompromiss, der die von Herrn Oswalt im „Zeit“ Streitgespräch dargelegte Kritik berücksichtigte. Seine Forderungen sind schon realisiert, das Stadtschloss ist kritisch als „Humboldt-Forum“ teilrekonstruiert worden. Wem ist geholfen, wenn Häuser und Städte zunehmend im Stil von Notunterkünften gebaut werden. Meiner Auffassung nach befördert Herr Oswalt mit seinen Kampagnen gegen sogenannte „Rechte Räume“ letztlich nur die Profitgier eines Brutalo-Kapitalismus. Den Schaden haben vor allem Menschen mit eher geringen Einkommen, die sich ein Wohnen, in denen auch von Architekten und Developern angesagten mondänen Altstadtzentren, schlicht nicht leisten können.
Katrinka Delattre

Das Berliner Stadtschloss ist keine Heilung, bestenfalls eine Symptombehandlung. Dass die Wunde noch blutet, zeigt sich an der offenen Diskussion, an der Anziehungskraft, die das Stadtschloss auf rechte Kreise ausübt, auch an der geringen Überzeugungskraft von Wolfgang Thierses Argumenten, mit denen er beschwichtigend auf die Entstehungsgeschichte des Projektes und die Nutzung (Humboldt Forum) verweist. Wo unsere Geschichte ein Trümmerbruch ist, lässt das Schloss bruchlos die Herrschaftsattitude des Schlosses in Berlin Mitte aufleben. Es stellt eine Kontinuität her, die restaurative Sehnsüchte in unserer Gesellschaft bedient. Eine Kontinuität, die sich anbietet, einen nationalistischen Stolz zu nähren. Wo der Zweck des Humboldt Forums seine Unschuld verliert (Raubkunstdebatte), wird die Herrschaftsarchitektur des Stadtschlosses zu einer zusätzlichen Belastung. Das ganze Konzept gerät ins Wanken. Gesundbeten hilft nicht. Wo jetzt die Kontinuität so unschuldig triumphiert, sollten Diskontinuitäten entstehen. Ein Ideenwettbewerb könnte helfen, Lösungsansätze hierfür zu finden. Die Mitte unserer Hauptstadt darf sich nicht in Restauration erschöpfen. Eine Weiterentwicklung des Stadtschlosses zu Aufklärung und Demokratie ist notwendig und möglich.
Reinhard Koine

Wenn sich Architekten zur Geschichte äußern – also fachfremde Laien – geht es immer gründlich schief. So auch in diesem Fall. Philipp Oswalt ist sich nicht bewusst, welchen Ursprung und welche Bedeutung der Begriff „völkisch“ einst hatte. Ein Schloss kann niemals in der Tradition des „Völkischen“ stehen. Denn das Schloss verkörpert das ganze Gegenteil, nämlich das „Höfische“ – die Welt des herrschenden Adels, der sich untereinander in Europa im Mittelalter in Latein Nachrichten zukommen ließ und seit der Frühneuzeit französisch miteinander kommunizierte, am Abend sich in der „Italienischen Hofoper“ zu italienischem Gesang unterhalten ließ. „Sie sprechen nicht die Sprache des Volkes“ war der punktgenaue Vorwurf der Freigeister vor 1848 an den überkommenden Absolutismus, die eine universelle „völkische Kultur“, forderten, nämlich, dass sich die Könige und Kurfürsten, Herzöge endlich auf Deutsch mit Bauern und Handwerkern verständigten. Die einst revolutionäre und demokratische Forderung nach einer „völkischen Kultur und Sprache“ liegt in der Kulturpolitik deutscher Fürstenhäuser begründet, die fremdsprachige Theater-Dramen, Komödien und Opern spielen ließen und in Auftrag gaben, während deutschsprachige Komponisten und Dramatiker mit ihren Werken an den Höfen abblitzten.
Die Anerkennung der geforderten „völkischen Kultur“ war ein Kampfbegriff der rebellierenden Untertanen gegen die abgehobene „höfische Kultur“ des Adels. Und diese „höfische Kultur“ verkörpert das Innere des neuen Museums in keiner Weise. Kompletten Unsinn verbreitet Oswalt auch zur Kirche und zum Protestantismus. Die Welt des herrschenden Adels wurde seit dem Frühmittelalter begründet und zusammengehalten von der Lehns- und Grundherrschaft im Einklang mit der Christianisierung und dem Papsttum. Es gab geistliche und weltliche Grundherren, geistliche und weltliche Kurfürsten. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches, kam auch die grundherrschaftliche Macht der Kirchen an ihr Ende. Der Atheismus breitete sich aus, befeuert durch die Darwinsche Lehre. Der Hochadel erkannte, dass er die Kirchen zum eigenen Machterhalt politisch weiter in Koexistenz würde stützen müssen. Das hat gar nichts mit Preußen zu tun. Es betraf alle Territorien in Deutschland und Europa auch Italien und Österreich-Ungarn, auch Britannien.
Ralf Bierod

Dieses Interview habe ich mit Verwunderung gelesen. Einerseits, weil es mit der Frage, wie Spenden zu werten sind, die möglicherweise von rechtsstehenden Menschen gemacht wurden, beginnt und mit der Kontamination der ethnologischen Sammlung endet. Puh. Andererseits, weil die Argumentation Oswalts doch sehr vom deutschen Reinheitsgebot geprägt ist, das letztlich mit zu der Katastrophe dieses Landes beigetragen hat, was er doch indirekt kritisiert. Wie wohltuend ausgewogen, human dagegen die Argumentation Thierses. Ich möchte gerne wissen, was Oswalt für die RWTH Aachen vorschlägt, deren erster Rektor nach dem Krieg Hans Schwerte, richtiger Name Hans Schneider, war. Hans Schneider war bei der SS. Abreißen? Sagt nicht Walter Benjamin, „es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne ein solches der Barbarei zu sein“? Benjamin war es möglich, philosophisch zu arbeiten, weil die Familie Benjamin vermögend war. Aber, wo kam der Wohlstand her? Hat Walter Benjamins Vater, Emil, vielleicht bei seinen Geschäften jemanden übervorteilt? Conclusio: Keine Bücher mehr von Walter Benjamin lesen oder die Bücher mit einem Warnhinweis versehen, dass die Finanzierung des Autors nicht „koscher“ zustande gekommen sein könnte?
G.-R. Erdmann

Offen gesagt kann ich das Geschrei der Aktivisten Oswalt & Co schon lange nicht mehr hören. Alle hier von Philipp Oswalt vorgebrachten Argumente sind m.E. nur vorgeschoben. Nach seiner Kontaktschuld-Logik ist jede/r ein Rechtsextremist, der sich heute Frieden wünscht. Die AfD nutzt ja auch diese Worte. Mein Dank an Herrn Thierse, der mit seinem deutlichen Widerspruch bei mir offene Türen einrennt. Höchste Zeit die Begriffe Stadtbaukunst oder Schönheit in der Architektur endlich wieder zu rehabilitieren.
Hubertus Müller

Das darf nicht wahr sein, dass Fach-Personal wie Philipp Oswalt den Kampf gegen das Berliner Stadtschloss nicht aufgeben! Hier meine wichtigsten, entsetzten Gedanken und ein Lob für Herrn Thierse. Diese ehemaligen Opfer des SED- Regimes des Exorzismus, der Rache etc. zu bezichtigen ist ehrenrührig! Wenn man schon theologisch argumentiert, sage ich als gebildete, überzeugte evangelische Christin: Ich weiß sehr wohl um die Predigten im alten Preußen. Auch das waren Kinder ihrer Zeit. Deshalb erwärmt der Spruch meine Seele: „dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ Für mich gehört P. Oswalt einer atheistischen, linken Frankfurter Philosophenschule an, die ich gut kenne! Eines der gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit liegt für mich 1. in der linken Geschichtsklitterung der deutschen Geschichte- ich bekämpfe die AFD! und  2. in dem ach so ethisch motiviertem Atheismus dieser Gesellschaft ! Der Protestant kniet NUR vor Gott, d.h. Jesus und sagt deshalb SOLI DEO GLORIA ! GOTT ALLEIN DIE EHRE! Wenn man so denkt, kann man mit Anstand verlieren und nicht Gründe suchen, einen Beschluss des Parlamentes immer wieder zu unterminieren.
Friederike Heup

Der Bau des Humboldt Forums soll nach Philipp Oswalt, ganz im Zeitgeist bestimmter Diskussionsforen, in die Nähe rechter Gesinnung einzelner Spender gebracht werden, die angeblich den Wiederaufbau des Humboldtforums förderten. Anstelle von Behauptung und Ideologie wäre eine kritische Würdigung des neuen Stadtensembles angemessen. Bereits vor 20 Jahren vertrat Philipp Oswalt seine Ideologie zur Stadtschrumpfung, die in ostdeutschen Städten viel Schaden angerichtet hätte. Mit unserem damaligen Görlitzer Kompetenzzentrum zur Stadtrevitalisierung haben wir dieser Schrumpfungsideologie entgegengewirkt. Der großflächige Abriss historisch wertvoller Stadtquartiere wurde verhindert. In Zeiten heutiger Wohnungsknappheit sind die Folgen dieser Schrumpfungskampagne kaum vorstellbar. Es würde Herrn Oswalt gut anstehen, sich etwas demütiger zu verhalten, ganz besonders gegenüber dem wiedergewonnenen Stadtraum rund ums Berliner Humboldt Forum. Und Wolfgang Thierse ist zuzustimmen, dass es um die „Heilung einer Wunde in Berlins Mitte“ geht. Wenn das Humboldt Forum in der Tat ein Ort des Dialogs ist, dann haben Behauptung und Ideologie keinen Platz.
Jürg Sulzer

‚Stolz‘ nur bedingt! Mit dem Wiederaufbau des Schlosses wurde eine Wunde im ‚Stadtgefüge‘ geheilt, wenn auch mit gleichzeitiger Beseitigung einer bedeutenden Hinterlassenschaft der DDR. Nun ja, das ist Geschichte. In der Aufgabenstellung des WB’s wurde die Option freigestellt, das Innere des ‚Schlosses‘, zumindest teilweise (Ausnahme Schlüterhof), so zu konzipieren, dass ein lebendiger Dialog zwischen historischer Hülle und einem zeitgemäß aufgestellten ‚Humboldtforum‘ ermöglicht, ja provoziert wird. Diese Chance ist leider vertan und wurde zusätzlich mit dem Bau einer symbolisch aufgeladenen Kuppel nahezu abgewürgt. Die zum Teil rückwärtsgewandten Akteure im Hintergrund haben ‚ganze Arbeit‘ geleistet.
Paul Schröder


Leserbriefe zu „Sind wir zu faul?“ von Carla Neuhaus

In o.g. Artikel las ich folgenden Satz: „Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, muss den auch jemand erwirtschaften“. So oder so ähnlich steht der in letzter Zeit in vielen Artikel, die sich mit Ökonomie, Sozialstaat oder Arbeitszeit beschäftigen. Es steht immer außer Frage, dass wir unseren Wohlstand erhalten wollen. Aber ist das denn wirklich erstrebenswert? Ist nicht unser Wohlstand nicht die Wurzel vieler Übel? Klimawandel, Müllberge, Verkehrsinfarkt, Wohlstandskrankheiten. Scheint egal zu sein. Hauptsache, Wohlstand und Wachstum bleiben unangetastet. Vor noch nicht allzu langer Zeit stand der Klimawandel auf Punkt 1 der Tagesordnung. Das ist vorbei. Jetzt hat der Erhalt des Wohlstandes selbst bei einem grünen Wirtschaftsminister oberste Priorität. Es wird immer hoffnungsloser.
Adam Romoth

Der Artikel enthält viele Zahlen, die nicht immer recht einleuchten. Was mich aber besonders überrascht hat: Wirtschaftsminister Habeck plädiert dafür, dass Rentner, die noch arbeiten, auf ihren Lohn keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlen müssen. Nun, ich bin selbst Rentner und arbeite noch mit ca. 60 Stunden im Monat. Und ich bezahle keine Beiträge zur AV, da ich ja nicht arbeitslos werden kann. Hier stellen sich die Fragen: Weiß der Wirtschaftsminister das nicht? Oder ist der Artikel nicht gründlich recherchiert?
Ralph Göhring

Mit großem Interesse habe ich den oben benannten Artikel gelesen und mich gefreut über die fundierte Einordnung der verschiedenen Statistiken zu den Arbeitszeiten in Deutschland. Ebene jene Ausleuchtung der Graubereiche und Grenzen von Studien sowie die Gegenüberstellung mit anderen Quellen hebt diesen Artikel deutlich ab, von der dominierenden „manischen Beschwörung des Absturzes“ anderer Medien, wie es Di Lorenzo im Leitartikel der gleichen Ausgabe nannte. Zwei zentrale Aspekt vernachlässigen Linder, Habeck und die Autorin jedoch fatalerweise: Die Rolle der Gemeinschaft, also jene Sphäre außerhalb der rational-politisch geplanten Gesellschaft, und damit zusammenhängend, den Beitrag der dort erbrachten Leistungen für das Gemeinwohl, der bis dato politisch und auch in Ihrem Artikel gänzlich übersehen werden. Bezeichnenderweise erbringt die Gemeinschaft traditionell insbesondere in jenen zentralen Sektoren einen Beitrag zur Gesellschaft, die Frau Fitzenberger als „personalintensive Bereiche“ mit wenig Potenzial für Produktionssteigerungen bezeichnet. Konkret könnte eine durchschnittliche Reduzierung der Stunden in Erwerbstätigkeit (ökonomisch erfasst) auch bedeuten, dass mehr Zeit für Erziehung oder häusliche Pflege (ökonomisch bisher weitgehend ignoriert) aufgewendet wird – was wiederum dem allseits beschwörten Fachkräftemangel in jenen Sektoren entgegenwirken würde. Warum sollte unter diesen Umständen eine Arbeitszeitreduzierung unmöglich – vielleicht nicht sogar anzustreben sein? Als Nebenwirkung hätte diese Entwicklung gegebenenfalls sogar einen positiven Einfluss auf die von Ihnen in gleicher Ausgabe proklamierte Leitkultur des Narzissmus („Sind wir wirklich alle Narzissten?“). Eine solche Entwicklung würde jedoch voraussetzen, dass Politik und Medien beginnen, neben der rational geplanten Gesellschaft der Gemeinschaft eine angebrachte Sichtbarkeit und Wertschätzung einzuräumen.
Hannes Helm

Vielleicht sollten wir beginnen, Arbeit anders zu denken: Arbeit hat nicht nur eine quantitative Dimension, sondern auch eine qualitative! Zu häufig gilt in unserer Gesellschaft Arbeit als Frohn, als notwendig, um möglichst viel Geld für möglichst viel Konsum zu verdienen. Wie toll, wenn Gewerkschaften fordern, dass für gleiches Geld weniger gearbeitet werden muss. Und wie falsch. Dieser Weg macht niemanden nachhaltig glücklich, außerdem ist es unvernünftig in unserer Gesellschaft nach weniger Arbeitszeit zu rufen! Gewerkschaften sollten sich viel mehr um die Qualität von Arbeit kümmern, sollten für Qualifikation sorgen! Denn wenn ich am Ende meines Lebens die „Work-Life-Balance“ betrachte, wird es mich kaum glücklich machen, wenn ich, statt beruflich zu arbeiten, viel Zeit vor dem Fernseher etc. verbracht habe. Meine Work-Life-Balance wird gut sein, wenn ich Sinnvolles geschaffen habe. Das mag sarkastisch klingen, wenn man an all die denkt, die den Nippel durch die Lasche ziehen müssen. Ja, diese Arbeiten müssen gemacht werden, doch nicht ein Leben lang. Viele könnten sich qualifizieren, könnten etwas machen, mit dem sie sich identifizieren können, in dem sie gut sein können und wollen. Jeder kann etwas. Dass er das tun kann, sich mit seinen Ressourcen in die Gesellschaft einbringen kann – dafür zu sorgen halte ich für die genuine und verantwortungsvolle Aufgabe von Gewerkschaften in einer Demokratie. Arbeiten heißt Gestalten. Gute Arbeit ist nicht wenig Arbeit, sondern Arbeit, die Freude macht, die ich gut machen will.
Stellen Sie sich vor, der Fachkräftemangel würde sich reduzieren, weil die Menschen wie Fachkräfte arbeiten würden: Gut und effektiv! Arbeit ist nicht gleich, egal ob ich sie gut mache, dann ist sie schnell erledigt, weg – oder ob ich sie verwalte, dann liegt sie da, dehnt sich, bleibt, noch gut für viele Arbeitsstunden. Dumm ist auch, dass man, wenn man im Stundenlohn arbeitet, letztendlich besser bezahlt wird, wenn man Arbeit schiebt, als wenn man konzentriert und schnell arbeitet: Auch eine Aufgabe für die Gewerkschaften, hat was mit Qualität von Arbeit zu tun…. Qualitativ gute Arbeit hat primär nichts mit der Quantität zu tun, auch die sollte selbst bestimmt sein, ein Leben lang. Wir müssen Lebensarbeitszeit anders denken, denn es gibt Phasen, in denen Menschen z.B. Carearbeit neben dem Beruf leisten, und es gibt Phasen, in denen der Beruf im Vordergrund steht, all das muss selbstbestimmt – auch bezüglich der Länge der Lebensarbeitszeit – möglich sein – zum Wohle der Arbeitenden und der Gesellschaft.
Ursula Augener

Die Titelfrage ist wohl bewusst etwas provokativ formuliert, um mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Wer eher ernsthaft für mehr Arbeit und Leistung eintreten wollte, würde das etwas abschätzig wirkende Wort „Faulheit“ lieber vermeiden zugunsten einer akzeptableren Formulierung wie „müssen wir angesichts der vielfachen, teils neuen, teils lange vernachlässigten Herausforderungen vielleicht deutlich mehr arbeiten als gewohnt und erst recht mehr als von vielen erhofft, gefordert, propagiert oder gar versprochen?“. Die Art der Herausforderungen ist ja bekannt: Rente und Wirtschaft angesichts Demographie, Bildungsmisere, Klima-„wandel“, Migration und Flüchtlinge, vielfach schon marode Infrastruktur, Kita-Plätze, Pflege, Pandemien, Bedrohung durch aggressive Diktaturen und Terroristen, etc. etc. Angesichts all dessen müsste nicht nur gleich wie bisher, sondern viel mehr gearbeitet werden oder auf eher entbehrliche Früchte der Arbeit verzichtet werden. Das abgebildete Faultier bewegt sich ja auch nicht ganz freigewählt so langsam, sondern um mit seiner mageren energiearmen Kost auszukommen und vielleicht weniger Raubtiere anzulocken. Unsere Minderarbeitsbefürworter dagegen akzeptieren ja keinerlei kompensatorischen Bescheidenheiten, sondern wollen meist gleichzeitig noch mehr Gehalt bzw. Wohlstand, mehr Sozialleistungen, mehr Rentenjahre und -höhe, mehr Sicherheit, besseren Natur-, Tier- und Klimaschutz, i.A. nur noch zwischen Null bis 2 Kinder und teils keine Migranten, die Teile der Arbeit machen, oder aber sie wollen, dass „der Staat“ ohne mehr Leistungen der Bürger ihre Überprüfung, Unterbringung, Integration, Therapien, Ausbildungen etc. bewältigt. Vielleicht durch „bessere Politik“ oder „besseres System“, aber kaum jemand sagt offen, dass das alles nicht durch Zauberformeln, Technologie oder „Staat“ allein bewältigt werden kann, sondern auch mehr Zahlungen, Verzichte auf anderes und/oder eben mehr Arbeit zu stemmen ist. Denn geglaubt wird immer noch an die stetig steigende Produktivität und neue Fachleute, die quasi perfekt für unsere Arbeitsmärkte und Bedingungen qualifiziert zu uns kommen, und für die die zusätzlichen Wohnungen fast von selbst entstehen, wenn das nur endlich „klug politisch“ beschlossen würde, als ob der noch vermisste „politische Wille“ allein alles schaffen würde, ohne ihn mit mehr Steuermitteln oder Arbeit zu befähigen.
Da sind die berichteten Worte von Herrn Lindner, vom Sachverständigenrat, viel mehr noch von Herrn Habeck schon mutig oder gewagt, bei letzterem angesichts der Mehrheit seiner Parteibasis für „bedingungsloses Grundeinkommen“ und Glauben an „den Staat“ als quasi Gratis-Quelle alles Guten, denn man brauche ja nur den „Mut“, „einfach“ die Schuldenbremse zu „reformieren“, als gäbe es keine Zinsen und Tilgungen bei kaum noch wachsender Wirtschaft, oder als könnten die künftig verantwortlichen die Kosten so viel leichter stemmen als wir heute, entgegen dem Zukunftsskeptizismus vieler aus der jungen Generation, die gleichwohl auch ihrerseits nicht mehr zahlen, verzichten oder arbeiten wollen als die heutige Mehrheit. Ich fürchte, es braucht nicht nur mehr „Anreize“ für Arbeit, sondern auch weniger Anreize für das Gegenteil, außer wenn durch Krankheit, Kindesalter oder Altersschwäche bedingt, und auch mehr Arbeits-Ethik, mehr gesellschaftliche Forderung, Anerkennung und Wertschätzung von Arbeit, insbesondere gemeinnützige und sozial oder sonstwie systemrelevante Arbeit, die für die Verwirklichung von Menschenrechten, Sicherheit, Bildung Pflege, Gesundheit etc. nötig ist und nicht nur für Prestige oder Vergnügen der Konsumenten. Es ist ein Armutszeugnis, wenn kaum jemand danach fragt, ob seine Arbeit von Gesellschaft und Gemeinwohl gebraucht wird, sondern nur, was er/sie selbst davon hat. Und wenn Wähler danach wählen, wer ihnen selbst ein noch besseres Leben verspricht, als danach, wer für die auch fernere Zukunft der Kinder und Enkel mehr Nachhaltigkeit erhoffen lässt, mehr Sicherheit vor Angriffen von Staaten und Kriminellen, mehr Humanität für die wirklich armen und leidenden, auch wenn es den Wähler mehr Arbeit oder Geld kostet.
Wähler und Politiker spielen sich die Bälle zu: die einen wollen immer besseres Leben mit immer mehr Sicherheit, Wohlstand, Rente und Freizeit, und Arbeit höchstens noch, wo sie Spaß macht, die anderen versprechen es oder verkünden eine Politik, die das alles könne. An unpopuläres oder unbequemes will kaum ein Politik-verantwortliche Kraft ran, weil sie dafür nicht gewählt wurde oder würde. Mehr Stimmen und besseres Presse-Echo bringt es, solche Forderungen stellvertretend für alle Gegner und Gewerkschaften als „Kränkung“ oder „Respektlosigkeit“ zu brandmarken. Insofern danke für die sachlichen Wermutstropfen Ihres Artikels in den süßen Wein der Träume und Illusionen und Versprechungen und „Programme“. In einem wohl alten fernöstlichen Spruch hieß es: „Ich träumte und dachte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte, und siehe: Die Pflicht war Freude.“ Auch die beste Demokratie ist kein Schlaraffenland.
Peter Selmke

Ich glaube ja, dass es weniger auf die Zahl der gearbeiteten Stunden, sondern mehr auf die Qualität der geleisteten Arbeit ankommt. 12.000 Seiten Outlook-Tabellen auszudrucken, zu sortieren, zu heften, zu transportieren und dann analog durchzublättern wird viele Stunden dauern, aber kaum einen Mehrwert erbringen (vg. Lassen wir die Reichen laufen?) – dagegen wäre viel(en) geholfen, wenn mehr Stunden in vernünftige Pflege(-strukturen) gesteckt würden (vgl. Wie soll das ein Einzelner schaffen?). Vielleicht können wir versuchen, fehlende Fachkräfte wenigstens zum Teil durch die Vereinfachung und Digitalisierung inzwischen überholter, aber arbeitsintensiver Strukturen und Prozesse zu kompensieren. Die reine Stundenzählerei ist von der Lebenswirklichkeit der Menschen mindestens genausoweit entfernt wie die Fixierung auf ein ständiges wirtschaftliches Wachstum. Kein Wunder, dass sie sich von Parteien und Politikern, die sich vorrangig darüber streiten, zunehmend kopfschüttelnd abwenden.
Thomas Koch

Wenn ich die gegenwärtigen Diskussionen verfolge, dann ist die einhellige Meinung, dass alles unternommen werden muss, um die deutsche Wirtschaft zu stimulieren, dass die Rückkehr zu stetigem Wachstum notwendig ist.  Ich bin nicht dieser Meinung, was ich mit folgender Argumentation belegen will:  Wenn ich die Generation meiner Eltern frage (meine Mutter ist 86 Jahre alt), dann war Arbeit, die mit dem Wiederaufbau des Landes verbunden war, Selbstzweck. Ich wurde in der tiefen Überzeugung erzogen, dass Arbeit eine Tugend ist.  Wenn ich jedoch heute sehe, was wir erreicht haben und an welche Grenzen wir allenthalben stoßen (Erdüberlastungstag am 2. Mai, Fachkräftemangel etc.), was aus der Erde wurde, weil alle dem vermeintlichen großen Vorbild USA nachgeeifert haben (aus einem Kinderbuch: „Erdbeeren, amerikanische“), dann stelle ich mir die Frage, ob wir mit unserem Streben uns nicht in eine Sackgasse manövriert haben.  Für die Generation meiner Kinder ist der von den Eltern erarbeitete Wohlstand eine Basis, von der sie sich nicht vorstellen können, dass man auch mit viel weniger zufrieden sein kann.  Ich befürchte, dass die Zeiten vorbei sind, in denen noch danach gefragt wird, ob weniger auch recht ist, denn mehr und mehr werden uns die planetaren Grenzen nicht nur bewusst, sondern auch aufgezeigt.
Und da ist das Fragen/Streben der Nationen, die es auch so gut haben wollen wie wir Deutschen und die dies nie erleben werden können, weil es nicht möglich ist. Und dabei ist die einhellige Meinung (bis auf ein paar Meinungsdissidenten), dass wir in Deutschland noch mehr und noch mehr brauchen.  Wenn jetzt der reflexartige Einwand kommt, dass alles zusammenbricht ohne Wachstum, dann verweise ich auf etliche Autoren, die das Gegenteil behaupten und darauf, dass wir in den letzten Jahrzehnten aus Bequemlichkeit darauf verzichtet haben, auch mal andere Gedanken zuzulassen, die uns auf unbequeme und unliebsame Dinge hingewiesen hätten und uns vielleicht dazu gebracht hätten, alternative Ideen auszuloten, statt Finetuning zu betreiben.  Wenn ich täglich sehe, wie mehr und mehr Gewissheiten, dass alles immer besser werden muss, wenn man nur genügend arbeitet und nur nach den Sternen greift (darunter es zu machen ist nicht ehrgeizig), zusammenbrechen, ist es wohl an der Zeit, kritisch den eigenen Status zu reflektieren und zu konstatieren, dass wir es in der Vergangenheit wohl „etwas“ übertrieben haben und zu einem nachhaltigen Wohlstandsniveau zurückkehren müssen.
Erich Würth

Ökonomisch mag es stimmen, dass mehr gearbeitet werden muss, damit „unser Wohlstand“ erhalten wird. Die meisten Menschen im Land rechnen indes nicht im Wirtschaftsforschungsinstitut volkswirtschaftliche Kennzahlen aus. Sie erleben stattdessen, wie Schienen und Straßen zerbröseln, wie ihre betagten Eltern keine Pflegekräfte finden, wie in Kitas und Schulen oft eher Aufsicht geführt als Bildung vermittelt wird, wie schwer zeitnahe Arzttermine zu bekommen, wie oft Medikamente nicht lieferbar sind und wie die Inflation ihre Wocheneinkäufe verteuert. Während Dividendenausschüttungen der DAX-Konzerne ein Rekordhoch erreichen. Da stimmt doch was nicht! Für solcherart verteilten „Wohlstand“ nicht noch mehr arbeiten zu wollen, kann man doch keinem verdenken, der seinen Unterhalt mit Erwerbsarbeit verdienen muss. Die irdische Lebenszeit ist begrenzt und nicht nur Aktionäre haben ein Recht auf Zeit mit Familie oder Freunden, Kultur, Sport, Vergnügen, Erholung oder Ehrenamt.
Kira Heyden

Die Frage, „sind wir zu faul?“ ist falsch gestellt! Sie müsste lauten: Wofür wollen wir arbeiten? Für ein Leben, was uns umbringt? Oder für ein Leben mit einem Wohlstand im Einklang mit den Kreisläufen der Natur, in die wir Menschen selbst mit eingebettet sind? Die Zahl der Arbeitsstunden nicht nur der Deutschen, sondern auch weltweit sind falsch berechnet. Würden wir gemeinnützige Arbeit, die Arbeit von Frauen im Haushalt, unbezahlte Arbeit im Sinne des Gemeinwohls dazuzählen, würde die Ausrichtung des DIW dagegen verschwindend klein ausfallen. Natürlich kann der sogenannte Wohlstand nur durch produktive Arbeit erwirtschaftet werden. Aber was heißt produktiv? Und was heißt Wohlstand? Ist nicht beides aus den Fugen geraten? Wer’s noch nicht begriffen hat, dem sei gesagt, dass wir uns in einem globalen Transformationsprozess befinden! Das heißt, dass wir individuell und gesellschaftlich das globale menschliche Zusammenleben ökologisch, sozial und kulturell neu gestalten müssen. Ein wesentlicher Teil davon ist ein neues Verständnis von Arbeit und Geldkreisläufen. Nach den kapitalistisch aufgeheizten Produktivkräften der letzten 200 Jahre steht jetzt an, die Sackgasse zu sehen, in der wir gelandet sind! Nicht materielles, sondern geistiges Wachstum ist das Maß zukünftiger Entwicklungen! Das heißt z.B. insbesondere für die Deutschen, die ganz einfachen Werte unseres Grundgesetzes zu verstehen: die Würde des Menschen, Gleichheit, Gerechtigkeit, das Verständnis von Freiheit und Gemeinwohl. In diesem Sinne bedeutet auch mentale und psychische Entwicklung Arbeit, die anerkannt und gewürdigt werden muß! Geld ist ein sinnvolles, aber künstliches Tauschmittel, das sich den Prinzipien ökologischer und menschlicher Kreisläufe anzupassen hat und nicht umgekehrt!
Walter Moritz

Nur eine kurze Anmerkung, ich zitiere: „Auch die „Rente mit 63″ durch die Menschen mit mindestens 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in den Ruhestand gehen könne, steht auf der Streichliste“. Die Menschen, die das in Anspruch nehmen konnten, sind schon lange in Rente. Ich frage mich seit Langem, warum das, auch von Frau Carla Neuhaus, ungeprüft, wie von vielen Anderen auch, nachgeplappert wird? Das stimmt so nicht! Die Altersrente für besonders langjährige Versicherte kann bei erfüllter Wartezeit gezahlt werden (45 Jahre Beitragszeiten !!) wenn das 65. Lebensjahr vollendet ist. Die Altersrente mit 63 für langjährig Versicherte ist möglich, wenn die Wartezeit für diese Rente mit 35 Jahren Beitragszeiten erfüllt ist. Wer das in Anspruch nimmt, hat einer Minderung der Rente von 0,2 % pro Monat, die er vor der Regelrente (mit 67 oder ein paar Monate weiniger, abhängig vom Geburtsjahr) in Rente geht, zuzustimmen. Das sind bis zu 14 % weniger Rente bis zum (hoffentlich für die Rentenkasse ein sozialverträgliches…) Ableben. Derjenige, der mit 63 in Rente geht, finanziert die „2 bzw. 4 Jahre früher in Rente“  selbst. Unter „abschlagsfrei in Rente mit 63“ verstehe ich etwas Anderes.
Uwe Hölzer     


Leserbriefe zu „Warum ist das erlaubt?“ von Christoph Heinemann und Tom Kroll

Reichsbürger und Kalifatprotagonisten haben eines gemein: sie wollen unsere staatliche Ordnung abschaffen und durch ein neues System ersetzen. Doch damit enden schon die Gemeinsamkeiten in der öffentlichen Wahrnehmung. Während die Hassparolen in Hamburg kaum eine Fußnote wert waren, wobei vor allem die öffentlichen Funkhäuser glänzten, brachte es der Prozessauftakt gegen die Reichsbürger tagelang in die Schlagzeilen. Weckt schon dieser Antagonismus Argwohn, so wird er zusätzlich genährt durch den gigantischen Polizeieinsatz vor 2 Jahren mit ebenfalls bombastischer medialer Begleitmusik. Schon damals sprachen viele von einer eher herzig-erbärmlichen „Rentnertruppe“. So drängt sich der Eindruck einer bewussten Inszenierung auf, um Stimmung gegen rechts zu machen. Die meisten haben diese Doppelbödigkeit aber längst durchschaut.
Christoph Schönberger

Wenn ich jetzt Muslima wäre Seit der Demonstration am 27.04. in Hamburg lese und höre ich viele Reaktionen und bin sehr besorgt, habe Angst. Zu der Demo, wer sie veranstaltet hat, was gesagt wurde etc. kann und will ich nichts sagen. Dazu fehlt mir schlicht der Einblick in ein vielschichtiges und dynamisches Themenfeld. Aber ich möchte meine Sorge und mein Mitgefühl darüber zum Ausdruck bringen, dass in der ganzen Auseinandersetzung maximal im Nebensatz erwähnt wird, dass diese Demonstration eben nicht für Muslime generell steht. Ich höre die Diskussionen und frage mich, wie viel Rassismus sie letztlich nähren. Ich möchte damit nicht sagen, dass Forderungen nach einem Kalifat in Ordnung sind, geschützt oder gar ignoriert werden sollten. Aber ich befürchte, dass diese Art des medialen und politischen Diskurses ganz schnell zu vermehrtem Rassismus und antimuslimische Gewalt führen wird. Denn: Es wird nicht sauber differenziert. Es wird angemerkt, dass man das machen muss, und sofort werden Politiker zitiert, die dafür plädieren, Menschen ein One-Way-Ticket nach beispielsweise Afghanistan zu geben. Überspitzt und bewusst herausfordernd frage ich mich da: Wohin geht das One-Way-Ticket für Nazis? Ich sage nicht „Lasst uns ein Kalifat errichten!“. Ich sage auch nicht, dass derartige Forderungen toleriert werden sollen. Aber ich sage „Lasst uns keine Atmosphäre anheizen, die unreflektierte, im Regelfall völlig unbegründete Vorurteile bis hin zu Feindbildern gegenüber Menschen mit muslimischem Glauben nähren.“
Ich bin mir sicher: Wäre ich eine für andere erkennbare Muslima, ich hätte nach dieser Woche der Äußerungen und Diskussionen mindestens ein flaues Gefühl im Magen, wenn ich mit Unbekannten sprechen würde. Ich hätte ein flaues Gefühl, weil ich mich immer fragen würde, was der andere bin nach dieser Woche der Berichterstattung über mich denkt. Einfach nur, weil ich für den anderen sichtbar Muslima bin. So würde es mir gehen. Ich weiß nicht, wie es den verschiedenen Menschen muslimischen Glaubens gerade geht. Ich weiß es nicht. Aber weil ich weiß, dass ich Angst vor pauschaler und ungerechtfertigter Vorverurteilung hätte, schaue ich mir die Medien an und habe Angst. Was macht das mit uns als Gesellschaft? Bekommt das einer Gesellschaft, in der über den Islamismus diskutiert wird, anstatt gemeinsam mit Muslim/innen zu sprechen? Wann bekommt der Islam in unserer Medienlandschaft wertschätzende und anerkennende Aufmerksamkeit? Braucht es das nicht genauso für eine differenzierte Betrachtung? Braucht es nicht viel mehr Integrierendes, damit wir gemeinsam als vielschichtige, vielseitige und starke Gesellschaft mit Herausforderungen umgehen können? Ich finde ja und fürchte aber: Die nach meiner Wahrnehmung sehr eindimensionale Reaktion auf besagte Demo verstärkt Vorurteile und Ausgrenzung, anstatt Räume für bereichernden Austausch zu schaffen.
Und deswegen ist es mir ein großes Anliegen, dass wir uns begegnen, ohne in vorschnelle Vorurteile abzurutschen. Das können wir uns alle vornehmen und aktiv leben. Und ich finde wir sind uns das als Gesellschaft auch schuldig. Denn: „An uns liegt es, daraus [der Erde; eingefügt] einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung.“ (Gebet der Vereinten Nationen)
Alena Weigand

Die meisten Politiker*innen in Deutschland haben offenbar immer noch nicht begriffen, dass der Islam von Anfang an nicht nur eine Religion war, die man privat ausübt, sondern immer auch – mit Erfolg – weltliche Herrschaft anstrebte und nach wie vor anstrebt. Das Regime im Iran, der Islamische Staat, die Hamas, die Herrschaft der Taliban und die Herrschaft so vieler anderer, ihre Herrschaft mit dem Islam legitimierender Machthaber nicht nur im arabischen Raum, sondern auch in Afrika und Asien sind keine Auswüchse, sondern logische Folge der weltlichen Machtbestrebungen des traditionellen Islams. Bereits der Religionsgründer selbst war auch weltlicher Herrscher und setzte nicht nur auf Überzeugung sogenannter Ungläubiger, sondern auch auf Gewalt. Solche Bestrebungen haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes gewiss nicht im Blick gehabt, als sie „Religionsfreiheit“ garantierten, und Deutschlands Politiker*innen sollten sich endlich fragen, was nun zu tun ist. Wenn hier geborene, hier aufgewachsene und hier zur Schule gegangene Muslime den traditionellen Islam mit Scharia und Kalifat über das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland stellen, ist bei der Integration und der religiösen Erziehung ja wohl ziemlich viel schiefgelaufen. Die Bundesrepublik Deutschland sollte deshalb zum einen die Integration der hier lebenden Muslime fördern und zum anderen einen liberalen und säkularen Islam, den es in Deutschland ja ansatzweise gibt, dessen Mitglieder und vor allem Vordenker*innen aber unter Polizeischutz stehen müssen, weil die Gefahr besteht, dass sie andernfalls von Vertreter*innen des traditionellen Islams umgebracht werden. Es reicht jedenfalls nicht, nur ein paar besonders gewaltaffine Islamistengruppen zu verbieten. Der traditionelle Islam, der jede historisch-kritische Forschung ablehnt, ist selbst das Problem.
Ulrich Willmes

Macht. Um die geht es letztendlich. Auch bei: „Kalifat ist die Lösung. Kalifat heißt: Nicht der Mensch, sondern Gott ist der oberste Gesetzgeber.“ Was Allah aber will, darüber streiten sich die Islamisten seit Jahrhunderten. Früher vermeinte Mohammed dies zu wissen. Und heute wollen die iranischen Mullahs, die Führer des Islamischen Staates oder Menschen wie Joe Adade Boateng uns dies glauben machen. Aber Obacht. Vor acht Jahrhunderten hat es dies, wenn auch mit anderem Vorzeichen, schon gegeben. Die Großinquisitoren hatten den gleichen Anspruch, auch sie entschieden was gottgefällig war und was nicht. Die Folge war: Ausgrenzung, Ex-Kommunikation, Folterkeller, Hinrichtungen und Hexenverbrennungen auf dem Scheiterhaufen. Drum währet den Anfängen. Politische Islamisten, Autoritäre, Evangelikale und Rechtsradikale Alle fürchten Diversität.
Udo Bünnagel

Patentrezepte für gesamtgesellschaftliche Aufgaben mögen auf unzureichend orientierte Menschen eine gewisse Anziehungskraft ausüben, sie bleiben aber eindimensionale, punktuelle Konstrukte, die der Komplexität der Schöpfung nicht gerecht werden können. Wer stereotype Lösungsansätze vertritt, ist ein Ignorant und scheut sich, seines eigenen Verstandes zu bedienen. Da nützt auch die Rechtfertigungsstrategie durch Inanspruchnahme religiöser Standards nichts, denn Religion soll Menschen bereit machen, die Vielfalt des Lebens zu erkennen, zu akzeptieren und zu gemeinschaftlichem Vorteil damit umzugehen. Zur aktuellen Situation: Die Gründung des Staates Israel war und ist für die ganze Region eine große Chance zum Positiven und könnte es noch mehr werden, wenn alle Beteiligten miteinander und ohne pauschale Ausschließlichkeit zusammenarbeiten würden. Darüber hinaus haben säkulare und liberale Muslime mehr vom Islam und überhaupt von Religion mehr verstanden als Hetzer und Verfechter von Parolen.
Christoph Müller-Luckwald

Ihre Fragen, ob ein demokratischer Staat machtlos gegen verfassungspolitische Propaganda ist und warum er diese erlaubt, sollte eigentlich einfach zu beantworten sein — doch nicht in Deutschland! Ja, die Meinungsfreiheit ist ein Eckpfeiler jeder demokratischen Gesellschaften und sollte unantastbar sein. Sie mag hoch und heilig sein, doch sie findet ihre Grenzen in der Verpflichtung, jene Werte zu schützen, die ein demokratischer Staat garantiert und die ihn auszeichnen. Gleichsam gewährt die Religionsfreiheit Raum für den Glauben, doch sie verbietet vehement, dass eine Religion sich über den Staat erhebt und ihn in totalitärer Weise zu beherrschen trachtet. Jedem fundamentalen Missbrauch, und das war in Hamburg eindeutig der Fall, sollte durch gesetzliche und gesellschaftliche Mechanismen Einhalt geboten werden. Diese „antidemokratische Demonstration“ hat mit unserem aufgeklärten Menschenbild (Kant lässt grüßen) und unserer Demokratie absolut keine vereinbare Haltung. Leider hat die woke, linke Lesart vieler deutscher Politiker und Medien auch dazu geführt, dass eine freundliche Toleranz gegen eine giftige Intoleranz, Demonstrationen dieser Art möglich gemacht hat.
Franz Josef Dorn

Das Hochhalten eines Schildes mit der Aufschrift „Kalifat ist die Lösung“ ist zunächst eine Form der Meinungsäußerung. Man muss sich dann aber klar machen, was dies bedeutet. Im Kalifat herrscht ein Alleinherrscher als absoluter Monarch. Dieser ist geistlicher Nachfolger Mohammeds und zugleich weltlicher Herrscher, der auch oberster Richter ist und frei nach seinem Gutdünken entscheiden kann. Das heißt, von allem, von dem die Demonstranten heute profitieren, Demonstrationsrecht, Recht auf freie Meinungsäußerung, kodifizierte Rechte, an die die Verwaltung und Gerichte gebunden sind, ein Sozialstaat usw., gibt es in einem Kalifat nicht. Wenn jemand ein Schild mit der zitierten Aufschrift hochhält, muss man die Person daher fragen, weshalb sie noch hier und nicht evtl. in Syrien, dem Iran, Jemen oder Afghanistan sei, wo schon heute ganz oder teilweise islamische Staaten vorhanden sind, die sich zu einem Kalifat ausbauen ließen. Daran könnten die Demonstranten doch gut mitarbeiten. Wir hier wollen aber unsere Freiheiten behalten und werden jeden bekämpfen, der Schritte unternimmt unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Diese steht nämlich dem absolutistischen Staat total entgegen. Unsere Rechtsordnung geht von der Herrschaft der Mehrheit aus, schützt aber auch die Minderheit. Wenn die Gruppe Muslim Interaktiv Schritte unternimmt die Rechtsordnung zu beseitigen, gehört sie verboten, aber erst dann.
Christoph Meißner

Nicht das „Kalifat“, sondern Stonewall (siehe das Foto zwei Seiten zuvor) ist die Lösung! Und zwar sowohl gegen unterfickte (wenn das für den Blog zu hart ist, bitte streichen!) muslimische und homophobe Teenager als auch gegen amerikanische Rednecks, die Bücher („most challenged books“: was ist das überhaupt für ein dämlicher Euphemismus?), die queeren Themen behandeln und die sie nicht einmal gelesen haben (was sie mit dem Mob rund um einen Bradforder Gartenzwerg verbindet, den Salman Rushdie in „Joseph Anton“ beschreibt), verbieten wollen. Diese Hetze ist ja nichts Neues: Ich habe gerade „Trumbo“ auf DVD gesehen, wo Helen Mirren die Kolumnistin Hedda Hooper verkörpert (immerhin keine fünfte Kolumnistin Moskaus, wie das sachsen-anhaltinische MdL Hans-Thomas Tillschneider), die in den 50ern Millionen ihrer Leser*innen gegen angebliche Kommunisten verhetzt hat, das ging damals noch ohne Internet. (Letztendlich fing die Hetze mit dem Buchdruck an, wie man bei Lyndal Ropers Buch über Martin Luther nachlesen kann, selber einer der größten, vor allem antisemitischen, Hetzer, aber meist darauf bedacht, dass er nicht direkt in Verbindung mit dem überwiegend studentischen Mob gebracht werden konnte.)
Ich war mir gar nicht bewusst, dass diese Kommunistenjagd noch bis Mitte der 70er vonstatten ging, das habe ich erst durch den Abspann erfahren. Da würde der Ausdruck „Wertediktatur“ viel eher passen. Die Vorläufer der Internethetzer waren die rechten Hate-Radio-Betreiber, die durch Ronald Reagan freie Hand bekamen, der ja in „Trumbo“ auch vorkommt und sich in den 50ern auch schon Karrierevorteile für Hollywood durch das Ausschalten linker Konkurrenz versprach, was aber zum Glück nicht viel gebracht hat. Was heißt eigentlich „Ersttung“ auf einem der Protestschilder? Komischer Deutsh … Ganz vorne stehen übrigens zwei Personen, die ich eher auf einer rechten Demo erwartet hätte, besonders „Max-Mustermann-muslimisch“ sehen die nicht gerade aus. Für mich ist das eher der Typus „ewig wandernder Nazi“ oder „150-prozentiger Konvertit“. Die „Staatsräson“ tötet übrigens die Richtigen, nämlich einen faschistischen Mob in einem faschistischen Gebilde. Nur ein toter Faschist ist ein guter Faschist! (Bei „Trumbo“ war das noch auf Kommunisten gemünzt). Oder wenn man die richtigen Lehren aus Stonewall zieht: Nur ein toter LGBTQ-Feind ist ein guter LGBTQ-Feind!
Thomas Manthey

Die Überschrift fasst das ganze Übel der Thematik zusammen. Im Grundgesetz steht sinngemäß geschrieben, dass alle Angriffe gegen die deutsche Demokratie verfassungsfeindlich und damit verboten sind. Diese Versammlung mit ihren entsetzlichen Parolen konterkarieren die ebenfalls im GG niedergeschriebene Meinungsfreiheit. Umso unverständlicher, dass viele gut bezahlte Verfassungsorgane keine rechtliche Handhabe finden, derlei rechtswidrige Aufläufe zu unterbinden. Hier hat die deutsche Meinungsfreiheit die rote Linie deutlich überschritten. Alle Kalifatanhänger, die die deutsche Verfassung nicht anerkennen, haben in unserem Land nichts verloren!
Franz X Brunngartner


Leserbriefe zum Titelthema „Wer hilft ihnen?“ „Hunger“ von Amrai Coen et al.

Wir verdanken dem Team der ZEIT einen – im Rahmen des Möglichen – gut recherchierten Bericht über die unbeschreibliche Katastrophe in Gaza. Aber ich finde, der korrupte Netanjahu und seine reaktionären Komplizen kommen zu gut weg. Auch ich verurteile die unglaublich brutalen, mörderischen Gräueltaten der Terrorbande Hammas, die so viele Israelis das Leben kosteten. Diese feigen Morde und Entführungen sind jedoch keine Rechtfertigung für das menschenverachtende Vorgehen der Israelis in Gaza. Nicht nur dass man Menschen verhungern lässt- mit blinder Zerstörungswut werden auch Tausende unschuldige Palästinenser durch Bomben und Granaten getötet, und Gaza wird für Jahrzehnte unbewohnbar gemacht. Völkerrecht und die Menschenrechte werden täglich verletzt, und die USA und die Staaten der EU schauen anscheinend machtlos zu. Den mahnenden Worten folgen keine Taten, und auf den zerstörerischen Granaten stehen die Namen amerikanischer und deutscher Firmen. Dazu kommt, dass die israelische Regierung es sich auch mit ihren wohlmeinenden Verbündeten verdirbt und am Ende allein dastehen wird.
Sven Herfurth

Ihr Bericht zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus dem gewaltigen Elend im Gazastreifen. Israel hat eine humanitäre Katastrophe im Gaza-Streifen verursacht und ist, wie Sie es auch beschreiben, immer noch nicht bereit, die notwendige Hilfe für die Zivilbevölkerung zuzulassen. Das bestätigen auch die diversen Berichte meiner Mandanten, die ich in persönlichen Besprechungen erhalte. An diesem Zustand sind Ihr Haus und die Bundesregierung mitschuldig. Die völlig unkritische Berichterstattung über das israelische Vorgehen im Gazastreifen über Monate in deutschen Medien und auch in Ihrer Zeitschrift haben insbesondere die Bundesregierung darin bestärkt an ihrer Nibelungentreue zugunsten Israels festzuhalten und das Vorgehen der israelischen Armee zu keinem Zeitpunkt zu kritisieren, sondern trotz seiner offensichtlichen Menschenverachtung weiter zu bestärken. Der schreckliche Zustand im Gazastreifen ist nicht über Nacht vom Himmel gefallen, sondern hat sich in Monaten unter den Augen der außerhalb von Deutschland schockierten Weltöffentlichkeit aufgebaut. Jetzt sind wir so weit, dass zusätzlich unzählige Kinder an Hunger sterben, das ist u.a. Ihr Verdienst. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, bevor Sie das nächste Mal die Feder zur Hand nehmen, bedenken Sie das. Hier hat Israel die Würde der Zivilbevölkerung im Gazastreifen mit Füßen getreten und ist dafür bis heute in Deutschland recht ungeschoren davon gekommen. Ich würde gerne wissen, welcher Aufschrei durch die deutsche Medienlandschaft ziehen würde, wenn Russland so Krieg in der Ukraine führen würde.
Volker v. Moers

Angriff auf Israel, Angriff auf die Ukraine. Beides hat Vorgeschichte und Ursachen. Bedauerlich, dass die Zeitrechnung vieler deutscher Medien und Politiker erst mit den Angriffen beginnt und die Vorgeschichte gern aus Sicht nur einer Partei erzählt wird. So entstehen Emotion und Eskalation. Lieber wäre mir die Anwendung des alten römischen Rechtsgrundsatzes „audiatur et altera pars“: Beiden Konfliktparteien unvoreingenommen zuhören, ihre Anliegen ernst nehmen, Stereotypen hinterfragen, andere Handlungsvarianten für die Zukunft daraus entwickeln. Die Kriege fänden ein Ende. Aber das ist nicht im Sinne aller. Leider.
Stefan Rüll

Gratuliere, eine gute Recherche. Preisverdächtig. Dazu fiel mir folgendes ein: Hätten die Deutschen nicht Hitler glorifiziert hätte es kein Bombardement auf alle wichtigen Großstätte und Industriestandorte gegeben. Da gab es nie die Frage der Verhältnismäßigkeit bei den Alliierten, von den 2 Atombomben auf Japan ganz zu schweigen, damit die USA nicht weitere geschätzte hunderttausende Soldaten im konventionellen Krieg gegen das aggressive Potential vom kaiserlichen Japan verlieren. Das Bombardement von Netanjahu unter dem Druck der Rechtsextremen in der Regierung und aus Angst vor dem Verlust seiner Macht und die lange Abschottung von Gaza hat herzzerreißende Schicksale in Gaza hervorgerufen. Wird das die Bevölkerung von der Hamas wegbringen, sehend, was diese mit ihrem Massaker gegen die Juden ihnen eingebrockt hat? Ich fürchte eher nein, so wie auch die deutsche Bevölkerung sich bis in den sinnlosen Endkampf hineintreiben ließ. Es dauerte über ein Jahrzehnt bis die Deutschen begannen sich dem Thema Holocaust zu öffnen! Doch vorher musste der Nationalsozialismus besiegt werden. Muss nicht auch so die Hamas erst besiegt werden?! Heute gibt es eine weltweite Bewegung, die den „Widerstand“ der Hamas mit dem Massaker glorifiziert und der Antisemitismus nimmt immer bedrohlichere Formen an! Der widerwärtige Charakter der Hamas zeigt sich auch daran, dass sie viel von der Nahrungshilfe kassiert, um es gewinnbringend an die Menschen in Gaza zu verkaufen, so wie sie die Spendengelder aus aller Welt für den Tunnelbau und Raketen veruntreute. Die Blindheit der linken Szene ist beängstigend.
Michael Hopmann

Der Krieg im Gaza vertreibt ein Volk, sucht es auszuhungern, begeht Völkermord. Landraub, Besetzung, Unterdrückung erlebt ein Volk seit Jahrzehnten. Menschen- und Völkerrechtler, die ansonsten lautstark verurteilen, anklagen, die sind auffallend stumm, wagen allenfalls leiseste kritische Töne. Warum ist das so? Die westliche Wertewelt macht der Welt Glauben, es gehe ihr bei allen Kriegen nur um Menschenrechte. Rund um die Uhr hören wir „russischer Angriffskrieg“, Völkerrechtsbruch, Verbrechersystem, Diktatur und schlimmste Hasstiraden, nur der Krieg mit zahllosen zivilen Opfern soll nicht annähernd anzuklagen sein? Wie noch offensichtlicher kann Heuchelei und Verlogenheit dieser angeblichen Wertepolitik noch sein? Emma Goldmann, Verfechterin von sozialer Gerechtigkeit und Meinungsfreiheit, sprach zu ihrer Zeit schon die tiefe Wahrheit aus, die uns heute täglich schmerzlichst begegnet, ganze Völker in Ahnungslosigkeit diszipliniert: „Das gewalttätigste Element der Gesellschaft ist die Unwissenheit”. Kann aller Hohn und Spott größer sein, Bevölkerung dumm zu halten und in ihrer Dummheit auch noch scheinbare Demokratie, Freiheit und Menschenrecht zu feiern?
Roland Winkler

Ich schreibe Ihnen heute, da Sie in den vergangenen Monaten und zuletzt im Zuge der Bodenoffensive des israelischen Militärs auf Rafah im Gazastreifen, Artikel publiziert haben, in denen Sie bereits in der Überschrift von „Evakuierung“ sprechen. Nun möchte ich gern darauf verweisen, dass laut des deutschen Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, eine Evakuierung folgendermaßen definiert wird:  „Organisierte Verlegung von Menschen aus einem akut gefährdeten in ein sicheres Gebiet, wo sie untergebracht, verpflegt und betreut werden (Aufnahme). Organisierte Verlegung von Menschen, Tieren und Gütern aus einem gefährdeten in ein sicheres Gebiet.“ (Glossar des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.bbk.bund.de%2FDE%2FInfothek%2FGlossar%2F_functions%2Fglossar.html%3Fnn%3D19742%26cms_lv2%3D19812&data=05%7C02%7Cleserbriefe%40zeit.de%7Cc8fd44d2bd424087c90b08dc6ea18ebc%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C638506887362952088%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C0%7C%7C%7C&sdata=hktEkQeWWtOGYujFrwPS44xPgM8dlxbLWgl0wMUn4Us%3D&reserved=0)  Aus meiner Perspektive hat die Aufforderung des israelischen Militärs an die Zivilbevölkerung in Rafah, unmittelbar aus dem Gebiet zu fliehen, wenig mit einer „Evakuierung“ in dem hier definierten Sinne gemeinsam. Es gibt im gesamten Gazastreifen kein „sicheres Gebiet“ mehr und Geflüchtete werden weder „untergebracht“, noch „verpflegt und betreut“. Sollten Sie mir darin zustimmen, so möchte ich Sie dringend bitten, zukünftig eine andere Wortwahl zu nutzen, da Worte selbstverständlich politisch aufgeladen sind und spezifische Bilder transportieren, die m.E. in diesem Fall nicht den Fakten vor Ort entsprechen und in der Öffentlichkeit dazu beitragen, Akzeptanz für diese Bodenoffensive zu schaffen. Sollten Sie bewusst diese Beschreibung gewählt haben, würde mich Ihre Begründung dafür sehr interessieren.
Meret Jacob

Für Ihren Hintergrund muss ich Sie allesamt sehr loben. Ihre Reportage hat mich tief berührt. Sie sie haben sehr gut recherchiert und sind das, was uns hier alle so bewegt, das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge, so erlebbar und nachvollziehbar angegangen. Und sie haben auch mal aus einer anderen Perspektive berichtet, also ganz anders als Politiker es zu tun pflegen. Weil Sie mit den Menschen vor Ort gesprochen haben. Als ich „Die Zeit“ mit dem Titelbild im Zeitungsständer eines Schreibwarenladens entdeckte, habe ich sie gekauft, weil mich das Bild so bewegte. Die fotografierte Essensausgabe im Innenteil erscheint mir fast noch authentischer. Ihre Titelgeschichte zu den im Gazastreifen lebenden palästinensischen Flüchtlingen verdeutlicht einmal mehr, wie die Menschen charakterlich beschaffen sind: auf der einen Seite jene, die zu Extremismus und Radikalismus neigen, und auf der anderen Seite solche, die helfend eingreifen wollen, selbst wenn es sie das Leben kostet.
Diese zwei Pole scheinen sich gegenseitig anzuziehen wie ein Magnet. Aber dazwischen leben jene, die unter den Verhältnissen zu leiden haben, die von Radikalen angerichtet werden. Es gibt also zwischen den Polen des Extremismus und des Altruismus die Opfer und in der Ferne Menschen, die eine träge Masse bilden, aber das Gros der bürgerlichen Gesellschaft ausmachen. Unvorstellbar bleibt es für mich, wie man Menschen in einer solchen Situation ohne sanitäre Anlagen und ohne frisches Wasser am Rande des Hungertodes vor sich hin vegetieren lässt. Was haben denn diese Kinder getan, dass man sie einem solchen Schicksal aussetzt? „Die Zeit“ hatte ich am 3. Mai in einem Schreibwarenladen in Leimen (S – T Kauf) erstanden. Als ich am 4. Mai morgens aus dem Parkhaus fuhr, stand da ein kleiner Junge, der „Chaim“ sehr ähnlich sah. Können sie sich das erklären? Sie schrieben nämlich, dass er gestorben sei. Was ich Ihnen noch ehrlicherweise sagen muss: dass ich fürchterlich niesen musste, als ich die Zeitung aufschlug. Liegt’s am Papier oder war „Die Zeit“ vielleicht zu lange nachts im Staub gelegen, bevor sie im Zeitungsständer landete? Das Niesen bei der Lektüre der Zeit hielt nämlich an.
Sibylle M. Derr


Leserbriefe zu „Abschied von der Landschaft“ von Adam Soboczynski

Rechnet man wirklich mit einer Leserschaft, die einer visuellen Unterstützung bedarf, um zu einer Ahnung zu kommen, was der Titel sagen mag? Wie sehr man mit Gutgemeint ins Gewirkst gerät, zeigt das FEUILLETON, das Abschied zu nehmen scheint. (Feuilletonuntergang) Tut nichts! Besser machen! (Brüder Grimm). Beim Wort Findling assoziiere ich nicht Würfel, oder gewürfelt; gar nicht.
Paul Zwirchmayr

Seit dem Aufkommen des Kapitalismus leben wir in einer Welt, in der unentwegt das Neue das Alte verdrängt. Die Furie des Verschwindens arbeitet unermüdlich. Kapitalismus, angetrieben durch fossile Energien, ist fortschreitende Naturbeherrschung. Die von Adam Soboczynski postulierte unbeherrschte Natur ist eine Fiktion. Auch als Objekt der Sehnsucht nach einer heilen Welt diente Natur kompensatorisch schon immer dem Zwecken des Kapitalismus. Ja, die Naturbeherrschung hat inzwischen ein Ausmaß erreicht, dass sie nun für alle und überall als Naturzerstörung sichtbar und spürbar wird. Zerstört werden nicht nur Landschaftsbilder, sondern überhaupt unsere Lebensgrundlagen. Das ist Grund für Trauer, auch für Wut. Nun aber ausgerechnet an der Schwelle, an der die rettende Idee der Nachhaltigkeit sich z.B. in Windrädern zeigt, den Verlust von idyllischen Landschaftsbildern zu beklagen, ist befremdlich. Zumal eine solche Klage Wasser auf die Mühlen derer ist, die den Klimawandel leugnen, die notwendige Transformation in die Nachhaltigkeit hintertreiben und die Menschen mit Illusionen verwirren. Kultur sollte kein Reservat für Illusionen sein, eher ein Ort der Phantasie. Und wer unbedingt gegen Windmühlen kämpfen will, sollte es als tragikomischer Held tun, wie Don Quijote, dem Ritter von der traurigen Gestalt.
Reinhard Koine

So wie Ihnen geht es mir auch, jedoch mit der ästhetischen Verwandlung der hohen Berge der Alpen und der Gletscher: Ein entsetzlicher Verlust an Schönheit, der unwiederbringlich ist! Was tun die konservativen Schweizer dagegen? Sie bauen Windräder auf ihren hohen Pässen, weil sie kein russisches Gas verbrauchen wollen. Die Windräder können auch irgendwann wieder demontiert werden, die Gletscher bräuchten Jahrhunderte, um wieder so groß und schön zu werden, wie sie mal waren, als ich sie als junger Mann und Bergsteiger in den 1980er Jahren gesehen habe. Zum Verzweifeln!
Clemens Narloch

„Früher war mehr Lametta“, meinte Opa Hoppenstedt und Adam Soboczynski meint: „Früher war mehr Landschaft“ in seinem Beitrag, der Nostalgie und Sehnsucht ausdrückt nach einem Idyll, das es so nie gab, außer in den Gemälden der Romantiker oder auf Ansichtskarten. Selbst Caspar David Friedrichs Landschaften sind nicht real, sondern stilisiert und ästhetisch bearbeitet. Die Natur ist kein Garten Eden, in dem der Löwe neben dem Lamm lagert. Sie ist Struggle for life. Auch die schönste Landschaft kann grausam sein gegenüber Mensch und Tier. Lawinenabgänge im Hochgebirge, Vulkanausbrüche oder Sturmfluten zerstören Landschaften. Der Autor träumt von einer idealen Landschaft, setzt sie aber nicht ohne Grund in einem Rahmen und stellt sich ihre als Betrachter gegenüber, ohne mit ihr zu interagieren. Der interagierende Mensch nutzt nämlich die Landschaft, gestaltet sie um, verunstaltet sie und doch holt sich die Landschaft irgendwann ihr Reich zurück. Denn ganz schnell schafft es die Natur, sich verlassene Landschaften zurückzuerobern. Und es ist spannend zu beobachten, wie sich wieder neue Landschaften gestalten.
Mia Herber

Adam Soboczynski beschreibt eindrücklich wie er den Verlust von Landschaft, also dem was wir Menschen in der Natur als schön erkennen, erlebt. Was soll ich sagen; es zerreißt mich jedes Mal, wenn ich die Stadt, in der ich lebe, verlasse (hier ist das Verbaute, das Unnatürliche normal) und im Land unterwegs bin. Es sind ja nicht nur die endlosen Ansammlungen von Windrädern, vor allem auch der Flächenfraß durch immer größere Logistikhallen, durch noch gigantischere Autobahn- und Eisenbahntrassen. Wir ordnen ALLES unserem Wahn unter, unseren Wohlstand rein am Materiellen festzumachen. Merkt wirklich niemand diesen krassen Verlust an Schönheit der „da draußen“ stattfindet? Mir bereiten diese monströsen Bauwerke, die unsere und die Mobilität unserer Warenströme, gewährleisten sollen, physische Schmerzen. Wir sind ja gar nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass wir jeden Tag an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Wir glauben das sei nötig, um unseren Lebensstandard zu halten und weiterzuentwickeln, aber eigentlich beschleunigen wir nur die Erosion unserer Lebensgrundlagen. Das Schlimmste daran ist für mich die vollkommene Gleichgültigkeit, mit der meine Mitmenschen diese Entwicklung hinnehmen. Aber da unsere Eliten, in Politik und Wirtschaft, ja auch nichts anderes vermitteln, und uns mit ihrem „Weiter so“ einlullen, ist das wohl nur logisch.
Dirk Jachimsky

Mir scheint, Herr Soboczynski hat einige Jahrzehnte in einer Art Dornröschenschlaf verbracht, währenddessen die Landschaft, Flora und Fauna, Luft und Gewässer durch (Agrar-)Industrie, Verkehrswege, Gewerbegebiete, Kohleförderung, Kraftwerke etc. zerstört wurden – um jetzt, wachgeküsst durch jemanden wie Markus Söder, der vor „Verspargelung“ und „Monstertrassen“ warnt, überrascht die „omnipräsente Umgestaltung der Natur“ durch Windräder zur Stromerzeugung zu entdecken. Aus meiner Sicht gibt es wesentlich sinnvollere Maßnahmen gegen die Zerstörung der Natur als den Kampf gegen Windenergieanlagen.
Hans Werner Götz

Danke Herr Soboczynski für ihre so wohltuend reflektierte Analyse über unseren Umgang mit der Landschaft. Den Teufel haben wir schon so oft mit dem Belzebub austreiben wollen und Landschaften für hochtrabende Nachhaltigkeitsideen geopfert. Wir haben für E10-Kraftstoff riesige Palmölplantagen in den Tropen initiiert und erzeugen mit Bio(!)gasanlagen unter riesigem Einsatz von fossiler Energie, extremer Bodenerosion und der Vermaisung unserer Landschaft Bio(!)strom. Beides hat sich als klimaschädlich erwiesen, vernichtet Biodiversität und hat Landschaften bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet. Hoffen wir mal sehr, dass Windkraft und Photovoltaik die erste Ausnahme von dieser Regel sind und entgegen aller bisherigen Erfahrung tatsächlich einen langfristigen Nutzen mit sich bringen.
Norbert Wimmer


Leserbriefe zu „Eine Wand der Antipathie“ von Alice Bota

Eine Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die erklärt, dass sich Deutschland gegen Russland im Krieg befindet, ist ihrer verantwortungsvollen Aufgabe in keinster Weise gewachsen, überfordert und sollte zurücktreten.
Roderich Buhlheller

Alice Bota beschreibt sehr eindrücklich, wie sehr die dumme und kurzsichtige deutsche „Staatsräson-Politik“ in Sachen Israel/Palästina mit ihrer Doppelmoral und Heuchelei unser Land international um Jahrzehnte zurückwirft. Was mit langem Atem und sehr viel Mühe an Vertrauen nach dem zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde, wird ohne Not einem Philosemitismus geopfert, der nur noch peinlich ist. In keinem Land Europas hängen vor Rathäusern so viele israelische Fahnen wie in Deutschland und werden von mehr als Zweidrittel der Bevölkerung als Provokation angesehen, da sie sich keine „bedingungslose Solidarität“ von oben aufoktroyieren lassen wollen aber doch lieber schweigen, um sich nicht dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen, der wie ein Damoklesschwert über jedem Protest gegen den Massenmord im Gazastreifen hängt. Was für eine verlogene Politik!
Björn Luley

Die Beschreibung „Außenpolitik aus einem Guss“ für die Kakophonie der Bundesregierung, die wir uns nach dem Einmarsch der Russen in der Ukraine anhören mussten, ist eine sehr merkwürdige Wahrnehmung, die wohl nur von einem Parteimitglied stammen kann. Tatsächlich hat die Bundesregierung zwei Jahre lang gestritten, wie man mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine umgehen soll. Sollen Waffen geliefert werden und wenn ja welche, sollen Panzer geliefert werden bzw. anfänglich wurde sogar abgestritten, dass man Panzer geliefert habe, weil man ja nur eine Panzerhaubitze geliefert habe. Dürfen ukrainische Soldaten in Deutschland eingewiesen werden? Sollen wir Kampfjets liefern oder lieber doch nicht. Bis zuletzt zwei Jahre nach dem Einmarsch der Streit um den Taurus-Marschkörper eskalierte, die Frau Baerbock übrigens unbedingt liefern wollte und wo sie vom Bundeskanzler zurückgepfiffen wurde und dies nicht zum ersten Mal. Eine Außenpolitik aus einem Guss präsentiert sich anders. Stattdessen wurde die ganze Weltöffentlichkeit mehrfach Zeuge von Streitigkeiten innerhalb der Regierungskoalition, die man besser vorab intern besprochen und geklärt hätte – ein Versäumnis der verantwortlichen Ministerin. Sehr bedauerlich ist, dass diese Umstände nun im Nachgang verleugnet werden. Würde man diese Fehler erkennen, hätte man daraus lernen können. Frau Baerbock hat auch Israel im Frühjahr dieses Jahres nicht unter Druck gesetzt, mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen zuzulassen.
Das war letztlich nur der Außenminister der USA, der sehr deutlich klargemacht hat, dass die USA ihre militärische Unterstützung für Israel einstellen könnten, wenn Israel nicht mehr Hilfslieferungen für den Gazastreifen zulasse. Von der Bundesregierung hat man solche Töne nicht vernommen. Im Gegenteil die Bundesregierung hat quasi zeitgleich die Unterstützung für das UN-Hilfswerk für Palästina eingestellt. Wie man mit dieser Maßnahme Israel unter Druck gesetzt hat, ist mir nicht klar. Sollte Israel wegen Völkermordes vom Internationalen Gerichtshof verurteilt werden, wäre eine Verurteilung Deutschlands wegen Beihilfe mehr als wahrscheinlich. Dies würde bedeuten, dass die jetzt verantwortlichen Minister den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen würden. Diese Gefahr dürfte die einzige Motivation für die Kritik der Außenministerin an den unzureichenden Hilfslieferungen sein.
Volker v. Moers

Ihr o.g. Artikel, S. 4 „Eine Wand der Antipathie“ belegt mit einem der wichtigsten Beispiele, warum das Außenministerium und seine Botschaften wie auch das Entwicklungsministerium nicht weniger, sondern deutlich mehr Personal, Mittel und Finanzen brauchen als bisher in vergleichsweise besseren Zeiten. Annalena Baerbock macht wohl hervorragende Arbeit, die sie hoffentlich nicht ins Burn-out treibt. Aber sie kann natürlich nicht alles allein schaffen, was nötig ist an Verständniswerbung, Korrektur von Einseitigkeiten, Verdrehungen, Tunnelblicken, und an Differenzierung zwischen Lebensrecht Israels und insbesondere der weltweiten unschuldigen Juden einerseits und den Fehlern und Anmaßungen von Siedlungs-Politik und an sonstiger teils extremistischer Politik der Netanjahu-Regierung, und schließlich an Entlarvung von Scheinheiligkeiten und Manipulationen seitens der schlimmsten Profiteure des Gaza-Konfliktes wie Russland und Iran. Dazu gehört auch der immer wieder nötige Hinweis, dass die angeblich propagandistisch so genannten nur „westlichen“ Werte in Wirklichkeit humanitäre, völkerrechtliche, Menschlichkeit, Stabilität und Frieden international sichernde oder wenigstens fördernde Werte sind, teils auch demokratische Werte, die ein Volk aber auch ablehnen kann, wenn es riskieren will, darüber danach nie mehr entscheiden zu können. Das alles nur als „westliche Werte“ darzustellen, die angeblich den anderen Völkern „übergestülpt“ werden sollen, ist eine Verdrehung der Diktaturen, die nur selbst ihren Völkern ihre eigenen „Werte“, vor allem ihre Macht aufgezwungen haben.
Regierungsmitglieder begehren ja gerade gegen Lindners Sparkurs — auch bei Außen- und Entwicklungspolitik — auf: Die ganzen derzeitigen teils neuen oder verschärften Problemlagen in der ganzen Welt belegen einen erhöhten Arbeits-, Material- und Finanz-Bedarf nicht nur in der Verteidigung, sondern auch in der Außenpolitik, der Entwicklungspolitik und manchem anderen:    So brauchen die Flucht- und Migrationsprobleme, sowohl die erwünschten als auch die unberechtigten unerwünschten Anteile viel mehr Kooperation mit anderen Ländern. Der Krieg in Gaza und die damit einhergehende abnehmende internationale Unterstützung der Ukraine und abnehmendes Verständnis für die Solidarität mit Israels Verteidigung (auch soweit diese nötig und völkerrechts-konform ist) und ihre genannte Abgrenzung: All das braucht immer mehr Arbeit der Botschaften und des Außenministeriums. Auch die Klimakrise kann bekanntlich letztlich hinreichend nur international gelöst werden, was nicht nur bei auch den anderen Staaten große Mehranstrengungen/Zahlungen/Verzichte bedeutet, sondern auch noch zusätzlich zu Landesinneren Maßnahmen unsererseits, zwecks Hilfen für willige, aber arme Länder, dazu Aufklärung, Diplomatie und Druck auf noch klimaschutz-unwillige Länder. Das und wiederum die Erhaltung von guten Beziehungen auch hinsichtlich Ukraine und Freiheit erfordert viel, viel mehr an Entwicklungszusammenarbeit und Hilfen; zu all dem kommt dann noch zusätzliche Arbeit, um Sicherheiten und Kontrollen gegen Missbrauch solcher Hilfen zu gewährleisten. Ein Finanzminister kann natürlich kein Geld zuteilen oder bewilligen, das er gar nicht hat; und das oft geforderte Mehr an Krediten würde die Lasten nur unfair und teils intransparent und unklar auf auch gar nicht so leistungsfähige Inflations-opfer und zukünftige abwälzen. Damit die Schecks des Finanzministeriums sozusagen gedeckt sind, müssen sie mit mehr Vermögensanteilen und Arbeit von Bürgern hinterlegt werden, nicht unbedingt sofort, aber mindestens mit Tilgung noch von dieser Generation statt erst in Jahrzehnten. Letzteres würde hinauslaufen auf Tilgungen mit immer neuen Schulden, was de Facto ein Schneeballsystem wäre, das noch nie dauerhaft gut gegangen ist. Deshalb braucht es zur Steigerung der Einnahmen Steuererhöhungen, aber flankiert durch Kooperation ähnlich wie beim Klima mit willigen und noch unwilligen Ländern für eine internationale Arbeit gegen „Steueroasen“ und sonstige im In- und Ausland, die die Steuerflucht, -hinterziehung, –betrüge wie bei CumEx, CumCum und die leider noch legale Steuervermeidung anstiften oder begünstigen. Des Weiteren steigt das BSP und damit die Steuereinnahmen durch mehr Arbeitstätigkeit, und umgekehrt. Dänemark hat dies bei der Ukraine-Kriegs-veranlassten Steigerung des Verteidigungs-Etats berücksichtigt mit einem gestrichenen Feiertag, und auch bei uns wurde vor ein paar Jahrzehnten die Mehrbelastung der Wirtschaft und Arbeitnehmer durch die Beiträge für das Pflegegeld kompensiert durch Streichung des Buß- und Bettags als arbeitsfreier Feiertag.
Bekannt ist auch die Neigung verschiedener internationaler linker Gruppen zur alleinigen Verteufelung und Beschuldigung Israels. Das macht es unserer Außenpolitik nochmals schwerer, insbesondere angesichts des Dilemmas der Haltung auch zu den Fehlern und Völkerrechtswidrigkeiten der besonders rechtsradikalen Teile der israelischen Regierung und der teils aggressiven bis kriminellen Siedlerbewegung, die auch von vielen Juden kritisiert werden. Aber das alles mit einer Verherrlichung oder Verharmlosung der Hamas und anderer terroristischer angeblicher Befreiungsbewegungen zu beantworten und deren Nutznießer in Moskau und Teheran zu ignorieren, macht solche linke Idealisten zu „nützlichen Idioten“ für die staatlichen und nicht-staatlichen internationalen Terroristen und sonstigen Völkerrechts-Kriminellen, verschlimmert mit der häufigen Einschüchterung bis Schädigung und Freiheitsberaubungen von Juden überall, die überhaupt nichts mit der derzeitigen Israel-Regierung und -politik zu tun haben, sie vielleicht sogar mit kritisieren. Diese Konflikte und Ablenkungen in den westlichen Ländern und im globalen Süden spielen ganz auffällig den inzwischen fast verbündeten Regimen Russlands und Irans in die Hände, so dass ich es für eine plausible, wenn auch kaum beweisbare Theorie halten würde, wenn diese beiden das ganze über ihren Einfluss auf Hamas, Huthis und Hisbollah inszeniert hätten, um die Kräfte und Glaubwürdigkeit der westlichen Länder als Unterstützer der Ukraine und Ankläger des russischen und iranischen Regimes (auch dessen Frauenunterdrückung) zu untergraben. Desgleichen untergräbt der Gaza-Krieg und seine Propaganda die israel-bezogenen Friedensbemühungen und Beziehungsverbesserungen moderater arabischer Regierungen. Ein weiterer Grund, dass wir deutlich mehr Ausgaben für Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit brauchen, um dem entgegenzuwirken.
Israels Dilemma und das seiner Unterstützer, auch bei einer besseren Regierung, wäre immer noch die geringe Einwohnerzahl und wenigen Dauersoldaten, die im Krieg durch eigentlich für die Wirtschaft nötige arbeitstätige ergänzt werden müssen. Dadurch kann es viele Wiederholungen von Angriffen wie am 7. Oktober oder militärische Dauer-Konflikte kaum verkraften, die bei zu viel verbleibender Kampfkraft der Hamas und deren Verbündeten zu befürchten wären. Zum zweiten versteckt sich die Hamas bekanntlich hinter und unter Zivilisten, sogar Krankenhaus-Personal als lebender Schutzschilde, was es nahezu unmöglich macht, sie ohne große zivile Opfer zu bekämpfen. Man kann trotzdem Schonung der Zivilisten fordern, sollte aber immer dabei sagen, dass zivile Opfer mindestens genauso Opfer der Hamas-Taktiken sind. Das alles macht die Aufgaben der westlichen Außenpolitik und der Entwicklungszusammenarbeit zu einer Art Quadratur der Kreise, auf jeden Fall zu einer unglaublich aufwändigen, anstrengenden, langwierigen und teuren Angelegenheit, für die die Ministerinnen von möglichst vielen unterstützt werden muss, ohne den Anspruch, dass das alles die Bürger keinen Cent und keine zusätzliche Arbeitsstunde mehr kosten darf.
Peter Selmke

Welch politische Schizophrenie. Außenministerin Baerbock beklagte noch vor einiger Zeit die „Hölle von Gaza“ und befeuert diese stets selbst mit der Befürwortung von Waffenlieferungen. Zehntausende Zivilisten, unschuldige Frauen, Kinder und Männer, die nicht verantwortlich sind für den fürchterlichen Terror der Hamas – einfach getötet! Aber es gibt ja Hilfslieferungen. Das beruhigt das schlechte Gewissen. Man merkt schnell, wertegeleitete Politik ist nichts wert, wenn sie Ausdruck von Doppelmoral ist und mit zweierlei Maß misst. Das unsere Außenministerin zumeist von wertebasierter internationaler Politik schwafelt und selten vom Völkerrecht spricht, ist wahrscheinlich nicht nur mir aufgefallen, denn beides passt zumeist nicht zusammen. Kritik an den USA und Israel gehört seit je her nicht zur wertegeleiteten deutschen Politik, egal was die tun. So wird das Handeln bestimmt, politisch und medial eingekesselt von einer ominösen verordneten Staatsräson und der besonderen Affinität zum westlichen Hegemon. Völkerrechtswidrige Praktiken Russlands und der Chinesen? Geht ja gar nicht! (Zustimmung.) Aber von unseren „Wertepartnern“? Da werden doch gleich beide Augen zugedrückt. Und die Ohren obendrein. Stein für Stein wird dadurch die Mauer aus Antipathie errichtet. Nun dürfte es auch zukünftig unter unserer Außenministerin nicht besser werden, mit ihrer blinden, „wertegeleiteten“ Politik. Ihre Kritik an Israel geht immer nur soweit, wie die der Amis. Als wenn sie ständig auf dem Schoß von US-Außenminister Blinken säße und seinen Einflüsterungen lauschte. Darf ich, darf ich nicht, darf …?
Der Grund scheint offensichtlich. Politisch u.a. sozialisiert im Young-Global-Leader-Programm des Weltwirtschaftsforums. Young Global Leader. Junge globale Führungskräfte! Kein Witz. So heißt das wirklich. Zum Wiehern, wenn es nicht einen ernsten Hintergrund hätte. Zumindest für die, die nicht zum erlauchten Kreis gehören. Auch ist Frau Baerbock Mitglied der Atlantik Brücke. Der Kaderschmiede US-höriger Politik. Das erklärt fast alles. Und dabei könnte es so einfach sein: Richtlinie deutscher Politik sollte eben nicht die Orientierung an einer unscharf definierten Staatsräson sein, sondern das Völkerrecht. Alles andere bekommt schnell eine unschöne Schlagseite und widerspräche auch dem Geist eines würdigen Gedenkens an (frühere) Opfer deutscher Politik. Das die fehlgeleitete Politik der Außenministerin nun das mühsam aufgebaute Ansehen Deutschlands im Nahen Osten, auch bei problematischen Staaten, sukzessive zerstört, untergräbt den eigenen Anspruch. Denn dadurch reduziert sich auch die Möglichkeit positiv Einfluss zu nehmen. Dennoch, die Mauer der Antipathie könnte zügig zum Einsturz gebracht werden, schließlich befürwortete Frau Baerbock mit feierlichen Worten auch die Zwei-Staaten-Lösung. Nur müssen den wohlfeilen Worten auch Taten folgen. Die Forderung nach Freilassung der Geiseln sollte gekoppelt sein an einen Fahrplan zu Frieden, würdigen Lebensbedingungen und Sicherheit für alle, für Israelis und Palästinenser. Dann klappt es auch wieder mit dem Aufbau von Sympathie.
Reiner Gorning

Annalena Baerbock befand sich gerade in Odessa. Doch die Journalisten wollten von ihr «vor allem wissen: Was geschieht in Gaza? Und was tut Deutschland?» Eine befriedigende Antwort ist schwierig zu geben. Denn die Situation im Gazastreifen stellt nicht nur Deutschland, sondern einen grossen Teil der Menschheit vor einen Zielkonflikt. Der Zielkonflikt besteht schon lange, wird aber durch den Krieg virulent. Den Zielkonflikt kann man mit folgender grundsätzlicher Frage illustrieren: Ist aus den Menschenrechten ableitbar, dass du deinem Nachbarn den Lebensunterhalt sichern musst, auch wenn er verkündet, dass er dich oder andere umbringen will und wenn er einen Teil der Hilfe nutzt, um dafür die Voraussetzungen zu schaffen? Eine solche Frage ist dann nicht einfach zu beantworten, wenn es sich beim Nachbarn um eine Gesellschaft von 2 Millionen Menschen handelt, von denen nicht alle mit dem Vorgehen ihrer gewählten Regierung einverstanden sind. Es gibt allerdings eine ähnliche Frage, die das Vernichtungsziel ausklammert und damit nicht nur das Regime betrifft: Ist es aus den Menschenrechten ableitbar, dass du deinem Nachbarn den Lebensunterhalt sichern musst, auch wenn er diese Hilfe nutzt, um weit mehr Kinder in die Welt zu setzten als für das Fortbestehen seiner Familie nötig ist und wenn dieses Verhalten dazu führt, dass er immer mehr Hilfe benötigt, was schließlich dazu führen wird, dass in absehbarer Zeit die Mittel für Hilfe nicht mehr ausreichen?
Beide Fragen betreffen kurzfristige und langfristige Entscheidungen. Natürlich muss der unmittelbar benötigte Lebensunterhalt gesichert werden. Das steht nicht in Frage. Problematisch ist, dass aus einer bestimmten Interpretation der Menschenrechte Verpflichtungen ableitbar sind, die langfristig nicht realisierbar sind. Dazu kommt, dass durch solche Verpflichtungen mittelfristig das Menschenrecht auf Eigentum der Geberländer ignoriert werden muss. Dazu kommt, dass dadurch ganz allgemein die Möglichkeiten fürs Gewähren der meisten anderen Menschenrechte nicht mehr gegeben sind. Dazu ein Beispiel: Bei Fortsetzung der aktuellen Entwicklung hätte nach vier Generation der Gazastreifen (2 Millionen Einwohner, Geburtenrate 3.5) doppelt so viele Einwohner wie Italien (59 Millionen EW, Rate 1.25) nämlich 18 Millionen gegenüber 9 Millionen in Italien. Entsprechende langfristige Überlegungen sind für eine langfristige gute Zukunft im Nahen Osten unabdingbar. Es geht nicht nur um das Existenzrecht Israels, das übrigens auch ableitbar ist aus der Tatsache, dass der Großteil seiner Einwohner aus muslimischen Ländern stammt. Es geht vor allem um eine gute Zukunft für den gesamten Nahen Osten.
Europa hat das Recht und die Pflicht, sich an der Diskussion zu beteiligen. Dies nicht nur als Geberland und als Ziel von Migration. Sondern auch wegen seiner historischen Erfahrungen mit der Kontrolle des Bevölkerungswachstums. Ein Beispiel: Vielerorts erbte ein Kind den Bauernhof. Die Geschwister hatten oft nur die Wahl zwischen einem geistlichen Beruf (z.B. Kloster) oder einem Leben als Dienstboten. Ein konkretes Beispiel: Im Dorf, in dem mein Vater geboren ist, hatte der grösste Bauer zeitweise 14 Knechte und 7 Mägde. Das betraf indirekt total 14 Frauen, da die 14 Männer keine Familien gründen konnten. Insgesamt betraf es zeitweise einen großen Teil der Dorfbewohner. Unser Wohlstand ist kaum auf Kolonialismus zurückzuführen, sondern vor allem auf Begrenzung des Bevölkerungswachstums. Die Menschheit steht vor der Aufgabe einen sanften Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum von Kopfzahl und Konsum der Menschheit zu ermöglichen. Die Verantwortung muss auf alle Gesellschaften verteilt werden, soweit dies nötig ist, um das genannte Ziel zu erreichen. Es wäre Größenwahn, wenn der globale Westen, etwa dank seiner technischen Mittel, dafür die Alleinverantwortung übernähme. Denn «Die Technik reicht nicht» (Titel meines Buchs, BoD 2016). Die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengung sollte Anlass und Grundlage sein beim Lösen von lokalen Konflikten, insbesondere auch im Nahen Osten.
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zu „Lassen wir die Reichen laufen?“ von Ingo Malcher und Marc Widmann

Da ist was dran. Wer Geld hat, kann sich die besten Anwälte leisten, oft im Konvoi. Verzögerungen bis hin zur Obstruktion sind Sand im Getriebe und zermürben die Anklage. Die selbstverschuldete Krux im System: alles bis ins Detail aufzuklären anstatt sich auf wesentliche, leichter nachweisbare Vergehen zu konzentrieren. Dann mag der Delinquent zwar etwas milder davonkommen, doch der Rechtsstaat hätte wiederum Freiräume gewonnen, um an anderer Stelle losschlagen zu können. Den Missstand entlarven die zahllosen Entlassungen Krimineller wegen Überschreitung der zulässigen Untersuchungshaft.
Christoph Schönberger

Der Artikel setzt sich kritisch mit den Gründen auseinander, die Frau Brorhilker dazu geführt haben, ihre Arbeit als Oberstaatsanwältin und Leiterin einer Abteilung, die sich mit dem Cum-Ex-Fällen beschäftigt, aufzugeben. Die Beispiele, die in dem Artikel zur These von der ordentlichen Aufarbeitung von wirtschaftskriminellen Fällen in der deutschen Justiz angeführt werden, stammen meist aus relativ umgrenzten Handlungen. Die Kritik von Frau Brorhilker an massiven Erschwernissen durch den Föderalismus wird mit einem Satz – „Richtig lustig wird es, wenn…in mehreren Bundesländern etwas zu ermitteln ist“ abgetan. Wobei es wohl nicht immer Zufall ist, wenn der Amtsschimmel an solchen Orten besonders laut wiehert und den Fortgang der Ermittlungen behindert, wo einflussreiche Teilnehmer an diesen Geschäften ihren Sitz haben. Die Folge: schon wird der Ruf zu einer bundesstaatlichen Regelung laut. Vor vergleichbaren Problemen stand die Justiz schon bei der Verfolgung der NS-Verbrechen am Ende der 50er Jahre. Die Justizminister der Länder schufen 1958 mit der `Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung der NS-Verbrechen´ schon vier Monate nach dem Ulmer Einsatzgruppenprozess ein föderal legitimiertes Instrument, um die Vorermittlungen zentral vorzunehmen und die einzelnen Prozesse in den Ländern effektiv vorzubereiten. Könnte man bei ähnlichen weitverzweigten und überregionalen Fällen (Mafia, Geldwäsche, Drogenhandel usw.) nicht ähnliche Institutionen zur Vorermittlung einrichten?
Gunter Berg

In dem Artikel hätte mich ja mal eine genauere Auflistung von Fällen interessiert, von deren Aufarbeitung bzw. Urteilen die Kölner Oberstaatsanwältin enttäuscht ist, und nicht die illustrierten Gegenbeispiele von Angeklagten, die eben doch noch frei herumlaufen, weil sie sich freigekauft haben. Ohne Grund hat Frau Brorhilker sicherlich nicht ihren Job gewechselt.
Martin Grau

Das die Justiz überlastet ist und sich deswegen immer mehr auf Deals mit den Angeklagten einlässt ist ein pragmatischer Ansatz. Ohne eine solche Lösung würden manche wohl straffrei davonkommen, weil die Dauer des Verfahrens die Kapazitäten der staatlichen Verfolgertruppe überfordern würde. Der richtige Ansatz sollte aber sein die komplizierte Steuergesetzgebung so zu vereinfachen, dass deren riesige Schlupflöcher, die von findigen Beratern schnell erkannt und zugunsten ihrer gedanklich kriminellen Klientel zum Vorteil beider Konten umgesetzt werden, geschlossen werden. Das ist die Aufgabe der Politik. Aber wie sagt man im Volksmund “ Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“.
Herbert Büttner

Bei sehr vielen Themen kommt es darauf an, wen man fragt, und ggf. wie befangen und mit Interessenskonflikten beladen der/die Befragte ist. Denn viele wissen ja um die evtl. Konsequenzen einer Änderung der Politik oder des Zugebens von bisherigen Vernachlässigungen  oder Übertreibungen der Befugnis-Beschneidungen  von Polizei und Justiz.  Angesichts der vielen eingestellten oder mit „Deals“ beendeten Verfahren, der immer längeren Dauern und dem Arbeiten der engagierten beteiligten „am Limit“ halte auch ich die Justiz und Polizei für viel zu schwach aufgestellt und die Konsequenzen für sehr ungerecht. Entsprechend milde sind auch oft die Urteile, wenn es überhaupt zu einem solchen kommt angesichts des Ungleichgewichts zwischen immer größerer Zahl der Verfahren — auch inzwischen bzgl. Hass, Hetze und Drohungen in den politischen Auseinandersetzungen, bis hin zu den jüngsten Freiheitsberaubungen und tätlichen Angriffen auf friedliche EU-Wahl-Kämpfer. Das Entsetzen und die Warnungen und verbalen Verurteilungen und teils auch Aufrufe zu mehr Polizeischutz und sonstigen Maßnahmen angesichts der zunehmenden gewalttätigen Angriffe auf politisch teils sogar ehrenamtlich engagierte sind alle berechtigt.  Auch dabei reichen sie aber bei weitem nicht mehr aus.  Zu Recht werden Forderungen gestellt nach dringend nötigen auch konsequente(re)r Strafverfolgungen und  lagerübergreifendem  Zusammenstehen aller demokratischen Kräfte, und zwar nicht nur der Politiker, sondern auch der Wähler,  gemeint wohl auch der ebenfalls Maßnahmen und Wahlen beeinflussender und/oder mit motivierender Medien.
In weiterer logischer Konsequenz bedeutet das dann aber auch die Bereitschaft, dem Staat und anderen Institutionen, ob bei Finanz- oder Gewalt-Kriminalität besonders gegen demokratische Mandatsträger oder Wahlkämpfer,   die nötigen personellen, materiellen und finanziellen Mittel und auch Befugnisse zuzugestehen bzw. zu geben.   Die nötigen zusätzlichen Maßnahmen, sowohl soziologisch und pädagogisch zum Demokratie-Verständnis samt aller Paradoxien und Dilemmas, ab der Schule und zur Demokratie-Förderung  als auch zur Förderung der Kontrolle, Aufdeckung und  Verfolgung von demokratie-  und menschenrechtsfeindlichen  Äußerungen und vor allem Taten, wie auch die Aufdeckung und Bestrafung von Steuerhinterziehungen und Betrügen, die den Sozialstaat und seine Aufgaben bestehlen:  Dies alles verlangt viel mehr Arbeit und, soweit professionell und bezahlt, mehr Geld  und vielfach auch mehr Befugnisse bei Polizei und Justiz,  die ansonsten schon lange am Limit und oft nur noch unvollständig arbeiten können.   Wir können nicht erwarten, dass der Staat immer mehr Aufgaben, Wünsche und Notlagen bei zunehmenden Gehältern und „Inflationsausgleichen“ der Staatsbediensteten mit weiterhin den selben Mitteln, teils abnehmender Zahl an ehrenamtlichen und oft noch abnehmenden Arbeitsstunden seiner Bediensteten leisten kann.   So stark steigt die Produktivität schon lange nicht mehr, am wenigsten bei den staatlich organisierten Leistungen wie Sicherheit, Gesundheit, Pflege und Bildung.  Und auch der Staat selbst ist nicht nur Erzeuger, sondern dann auch Opfer der Bürokratie und des Datenschutzes.  Da die Bürger aber auch keine beliebig hohen Steuern und Abgaben stemmen können, sind auch die Gewerkschaften gefordert  bei Lohnsteigerungen und mehr Freizeit-Forderungen  Maß zu halten, besonders bei der Kombination von beidem. Die jüngsten GDL-Streiks waren da ein sehr unrühmliches abschreckendes Beispiel. Ohne solche Bereitschaft, Akzeptanz und Rücksichtnahme  sind alle Forderungen nach Verbesserungen von Demokratie,  Sicherheit, Bildung, Wirtschaft und Klima und sonstigen Staataufgaben  letztlich Schall und Rauch.
Es reicht nicht, wenn einige besonders prominente öffentlich bekannte Fälle und Täter irgendwann verurteilt werden.  Es kommt auf den %-Satz und die Konsequenz der Strafen im Verhältnis zur Schwere und Zahl der Delikte an.  Es gibt auch viel zu viele erlaubte Möglichkeiten für Topanwälte, die Staatsanwaltschaften und Gerichte zu „beschäftigen“, behindern und quasi zu lähmen, mindestens bezg. sonstiger Verfahren, die sie dann nicht mehr schaffen.  Hier ist inzwischen ein Teufelskreis eingetreten zwischen Zahl der Fälle, resultierend abnehmender Zahl und Schwere der Verurteilungen und daraus resultierend noch weniger Risiko und Abschreckung vor weiteren Taten derselben oder von Nachahmungstätern.  Mit einem Weiter-So ist das auch hier nicht mehr getan, sondern nur noch mit einem Ruck  zu mehr Priorität, Mitteln und Befugnissen für die zuständigen Behörden.
Peter Selmke

Auch der Ort des Gerichtsverfahrens ist wichtig: z.B. Köln mit seinem Klüngel. Der Verantwortliche der Herstatt Pleite wurde zunächst zu 4 1/2 Jahren verurteilt, später auf 2 Jahre mit Bewährung reduziert, am Schluss wurde die Strafe erlassen. Ganz ähnlich verlief der Prozess von Madeleine Schickedanz gegen die Oppenheim-Esch-Holding, der mit Freispruch endete.  VW-Vorstände haben in Wolfsburg bzw. Hannover wenig zu befürchten, siehe Diesel-Betrug.
Peter Pielmeier


Leserbriefe zu „Analyse“ „Der Stromschlag“ von Marc Widmann

In Ihrer Analyse schreiben Sie, dass das technisch alles geht und nur eine Kostenfrage darstellt. Ich gebe Ihnen dahingehend recht, dass technische Aufgaben grundsätzlich lösbar sind. Es stellt sich die Frage wieviel Zeit benötigt wird und wie groß der finanzielle Aufwand wird. Wie Sie ja auch schon in anderen Artikeln geschrieben haben, gibt es noch sehr hohe Hürden bei der sogenannten Energiewende: 1) Stromleitungen mit genügender Kapazität. 2) Energiespeicher wie Pumpspeicherwerke, Batterien, H2-Kavernen. 3) Fragen zum H2-Energiesystem wie beispielsweise H2-Turbinen. Ich finde es interessant, nachdem wir noch nicht wissen wie oben genannten Techniken (2 und 3) gestaltet werden müssen, dass bereits ein Kostenrahmen genannt wird. Ich erinnere hier an den Artikel in der ZEIT wo die Umbaukosten zu H2-Betrieb bei den Gaskraftwerken als unbekannt beziffert wurden. Meinen Informationen nach möchte nun ABB eine H2-Versuchsturbine mit 200 MW betreiben. Es weiß bisher keiner, was da noch alles auf uns zukommt! Es ist leider nicht so, dass die technischen Fragen geklärt sind und nur noch in die Praxis umgesetzt werden müssen. Wer das alles bezahlt, ist doch klar! Wir der Bürger von Deutschland, ob nun über eine Steuer oder Umlage oder einen entsprechenden Strompreis, ist letztendlich egal. Ja und es ist auch ein großer Fortschritt, wenn beispielsweise nur 80% CO2 freier Strom erzeugt wird. Ich teile Ihre Meinung, dass der Weg richtig ist – er wird länger und steiniger als einige uns einreden wollen. Das sollten Sie auch weiterhin kritisch begleiten. Bleibe Sie dran an der Thematik
Timon Gruber

Der Artikel „Der Strom Schlag“ hat die Kosten der notwendigen Energiewende in Deutschland als zentralen Punkt für die Akzeptanz und den Erfolg thematisiert. Es wurden auch einige kostentreibende Faktoren erwähnt, leider aber nicht die systemischen Fehlanreize, die zu hohen Kosten führen. Wenn heute Windparks ihre Einspeisung unterbrechen müssen, weil sonst das Stromnetz überlastet ist, wird der Windpark-Betreiber hierfür entschädigt. Dies ist so, als würde ein Automobilhersteller entschädigt, weil nicht genügend Transportmittel zur Verfügung stehen, um die Autos an den Kunden zu bringen. Würde dies nicht geschehen, würde der Windpark-Betreiber dafür sorgen, dass seine Energie gespeichert wird, und er sie später verkaufen kann. Die Politik fördert zurzeit zu sehr die Produktion von Strom, ohne die Speicherung von Strom im selben Maß mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu fördern. Es braucht auch nicht eine hohe Anzahl an Ersatzkraftwerken, sondern eine deutlich geringere Anzahl an Grundlastkraftwerken, die entweder bei Bedarf ins Netz oder in Speicher einspeisen. Die Politik muss marktwirtschaftliche Anreize setzen, die die Produktion, die Speicherung und die Verteilung mit demselben Augenmerk verfolgen. Die aktuelle Politik, die Stromproduktion schneller hochzufahren als die anderen notwendigen Bestandteile einer verlässlichen Stromversorgung, wird zu hohen Kosten führen.
Georg Arens

Es gibt zwar schon Daten-Clouds, ob man aber sich größere Mengen elektrischen Stroms über „überirdische“ Leitungen schicken kann, bezweifle ich doch sehr.
Ulrich Laube

Das Thema der sogenannten Systemkosten ist eine Thematik der Energiewende, die bisher nur in Fachkreisen behandelt wurde, in ihrer Dimension aber nicht ansatzweise transparent ist. Auch Die Zeit berichtet darüber nur mit einem kleinen Artikel, der der Bedeutung des Themas in keiner Weise gerecht wird. Ich habe hier den Eindruck, die Regierung hat bei diesem Thema die Orientierung verloren und beherrscht die Komplexität des Themas in keiner Weise mehr. Wohin steuern wir als eine der größten Wirtschaftsnationen mit dieser Energiepolitik?? Mir macht das wirkliche Angst. Dieses Thema gehört auf die Titelseite !!
Helmut Rausch

Es ist der ZEIT hoch anzurechnen, ehrlich auf die Kosten der „Energiewende“ (wenn auch etwas versteckt) aufmerksam zu machen.  Für den Zweckoptimismus am Ende habe ich Verständnis, erlaube mir aber den Hinweis, dass noch längst nicht sämtliche Kosten aufgeführt wurden. Ein Artikel in meiner (seriösen) Tagespresse listete vor kurzem die nötigen Kosten für die Umstellung der PKW-Nutzung auf Elektromobile allein in unserer Kleinstadt auf: hohe Millionenbeträge für die Anpassung der Umspanneinrichtungen, erst recht für ein neues Umspannwerk!  Tja – „Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld …“  Nach Schunkeln ist mir freilich nicht zumute.  Seien wir doch ehrlich: eine in kürzester Zeit umgesetzte „Energiewende“ führt zu einer Verschuldung unfassbaren Ausmasses. Das wäre durchaus in Ordnung, wenn dadurch das Weltklima gerettet würde. Nur: Deutschland trägt gerade mal 4 Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß bei.  Wer will mir weismachen, dass andere Länder (außerhalb Skandinaviens) dem lobenswerten Beispiel folgen wollen?  Gewiss: Präsident Biden will hohe Schulden u. a. auch für die „Energiewende“ aufnehmen. Ausgerechnet in der ZEIT wurde kürzlich auf die Untragbarkeit dieses „Schuldenkurses“ hingewiesen.  Mit anderen Worten: die Aussicht auf einen finanziellen Ruin Deutschlands ohne die ersehnte Wirkung motiviert nur eingeschränkt zur Unterstützung der „Ampel“-Regierung.
Friedrich Schweikert


Leserbriefe zu „Ein Hauch von Vietnam“ von Lukas Hermsmeier et al.

Gaza-Vietnam? Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich! Also: Ein naiver, weltoffener, linker (und heute woker) Westen hat etwas gemacht, was die meisten islamisch-arabischen Staaten meiden und bekämpfen, wie der Teufel das Weihwasser – die Einwanderung islamistischer, antisemitischer Menschen und Ideen in die eigene Kultur. Was werden die wohl machen, wenn der Krieg von hunderten, Millionen, Islamisten aus Iran, Jemen, Syrien, Libanon und Gaza gegen einige Millionen Israelis losgeht? Der Westen hat die Feind gegen seine freiheitliche Kultur selber eingeladen und der Antisemitismus ist die Speer-spitze im Kampf gegen den Westen. Der Antisemitismus versteckt sich nur hinter der Israel-Kritik. Und die Israel-Kritik versteckt sich nur hinter einem Krieg, den die Hamas jeden Moment beenden könnte. Sind Israel und die Juden beseitigt, kommt der Westen selber an die Reihe. Der törichte Vergleich mit Vietnam dient nur der Verschleierung eines tödlichen Konfliktes des Westens mit einem radikal-politischen Islam. Dies wird auch darin deutlich, dass dies auch für Europa gilt. Ich füge hinzu: Der Antisemitismus und faule, verkommene Freiheitsfeindlichkeit kennen noch viele andere Wege, sich auszutoben.
Fred Klemm

Es ist bezeichnend für den speziellen Diskurs in Deutschland, dass anders als z.B. in der englischen, französischen und selbst US-amerikanischen Presse bei uns so gut wie nicht darüber berichtet wird, dass sich auch sehr viele jüdische amerikanische Studenten an den Protesten gegen die israelische Politik und den Gazakrieg beteiligen. Leider spielt die ZEIT dabei mit und verschweigt diese Tatsache.
Björn Luley

Sie konzentrieren sich zu sehr auf 1968. Mir fällt zuallererst der 4. Mai 1970 ein (Jahrestag am Samstag), als es zum Kent-State-Massaker mit vier Toten und neun Verletzten („Four Dead In Ohio“, Crosby, Stills, Nash and Young, übrigens nicht das erste dieser Art, aber solange „nur“ Schwarze dabei umkamen, niemand den Pulitzer-Preis für ein Foto einer über einem toten Kommilitonen knienden jungen Frau bekam und niemand darüber sang, anders als in Orangeburg oder am Jackson State College in Mississippi, hat das kaum jemanden interessiert) an der dortigen Universität kam. Man sollte heute ruhig wieder ein Blutbad an den „Gören, Freaks und feigen Faschisten“ (damaliges Zitat von Ronald Reagan vor dem Einsatz der Nationalgarde; Nixon nannte die Studenten „bums“ / Penner / Gammler / Nichtsnutze) anrichten. Diesmal würde es wenigstens die Richtigen treffen. Das können gerne 40 oder auch 400 Tote sein! Antisemitic lives do NOT matter! Vorsorglich möchte ich mich aber genau wie Reagan (im Nachhinein) von dieser Aussage distanzieren und sie als pure Rhetorik kennzeichnen.
Thomas Manthey

«In den USA protestieren Studierende gegen die Nahost Politik von Präsident Joe Biden und verlangen einen Kurswechsel. Der gesellschaftliche Konflikt erinnert an 1968 und ist doch anders.» Etwa Wichtiges haben beide Konflikte gemeinsam: Die tieferen Ursachen sind Zielkonflikte innerhalb der akzeptierten Weltsicht. Der Ausweg besteht darin, die akzeptierte Weltsicht auszudehnen auf sich geänderte Voraussetzungen hin. Das bedeutet aber, dass sich Solidarität mit Israel auch darin äussern muss, die Zielkonflikte zu thematisieren und einen Ausweg zu suchen. Das muss geschehen, durch Fokussieren auf ein übergeordnetes Ziel und das ist das gute Fortbestehen der Menschheit. Dieses Ziel ist im Interesse aller Beteiligten, insbesondere auch der Bewohner des Gazastreifens. Eine Ursache des Zielkonfliktes kann man mit Zahlenangaben zum Gazastreifen illustrieren. Und zwar mit zwei Gruppen von Zahlen. Zur ersten Gruppe: Laut WHO war im Jahre 2022 die durchschnittliche Lebenserwartung im Gazastreifen für Männer 72,5 und für Frauen 75 Jahre, ungefähr gleich wie in Ägypten, Jordanien und Libanon. Die Alphabetisierungsrate ist mit ca. 90% eine der höchsten der Welt, höher als z.B. die Ägyptens. Bereits 2022 waren 80 % der dortigen Menschen auf internationale Hilfe angewiesen. Die Zahlen zeigen, dass es dem Gazastreifen eigentlich nicht schlecht ging, wenn man ausschließlich 3 Punkte berücksichtigt: Hohe Lebenserwartung, hohe Alphabetisierung, Hilfe von außen
Diesen positiven Zahlen stehen Zahlen gegenüber, die einen wesentlichen Grund für den aktuellen Krieg beschreiben. «Etwa 40 % der Einwohner zwischen 15 und 24 Jahren sind arbeitslos». (dw.com/de/stichwort-gazastreifen). Die Folgen sind fehlende normale Perspektiven, was dazu führt, dass Perspektiven im Bau von Tunnels (ca. 700 km) und Raketen genutzt werden und Perspektiven, die mit hoher Geburtenrate verbunden sind. Diese tieferen Gründe für den aktuellen Krieg werden letztlich auch durch internationale Hilfe ermöglicht. Es scheint einen unlösbaren Zielkonflikt zu geben zwischen dem Ziel «Ausreichende Versorgung» und dem Ziel «Begrenzung der Versorgung soweit, dass keine überschüssigen Mittel verfügbar sind für Tunnel- und Raketenbau und für hohe Geburtenraten». Dass eine tiefere Geburtenrate auch im langfristigen Interesse der Einwohner des Gazastreifens liegt, zeigt folgender Vergleich zwischen den demographischen Entwicklungen in Italien (als aktuelles Beispiel für ein Geberland) und im Gazastreifen. Der Gazastreifen hat 2 Millionen Einwohner und die Geburtenrate 3.5. Beim Fortsetzen der Entwicklung hätte der Gazastreifen nach einer, zwei, drei bzw. vier Generationen Einwohnerzahlen von 3.5, 6.1, 10.7 bzw. 18.8 Millionen. Italien hat 59 Millionen Einwohner und die Geburtenrate 1.25. Das ergäbe bei Fortsetzung der Entwicklung nach einer, zwei, drei bzw. vier Generationen Einwohnerzahlen von 36.9, 23.0, 14.4 bzw. 9.0 Millionen. Also gäb’s in Italien dann nur noch halb so viele Einwohner wie im Gazastreifen. Es ist offensichtlich, dass bei Fortsetzung der Entwicklungen, ab einem gewissen Punkt es nicht mehr möglich sein wird, im Gazastreifen (aber auch in den anderen Krisengebieten) genug internationale Hilfe zu leisten.
Im Februar rief der ägyptische Wissenschaftler Mohamed Abdou in einem Gastvortrag zur Revolution gegen Amerika und Israel auf: «Amerika ist eine siedlerkolonialistische Gesellschaft …Wir müssen wieder davon träumen, gefährlich zu sein.» Es ist erstaunlich, dass ein „Wissenschaftler“ nicht begreift, was heute nötig ist, damit die Menschheit – also auch die Gemeinschaft der Muslime – langfristig gut fortbestehen kann. Es gilt einen sanften Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum von Konsum und Kopfzahl zu finden. Der Grund für den Klimawandel und für einen Grossteil der Konflikte beruht auf eine Art «Tragik der Allmend» wobei die Allmend die Aufnahmekapazität der Erde für Kopfzahl und Konsum ist. «87 Prozent der Amerikaner waren 1968 Euroamerikaner, gegenwärtig sind es nur noch 62 Prozent». Das zeigt: die Amerikanische Gesellschaft kompensiert durch die Aufnahme von Einwanderern die Verstöße die andernorts – auch in muslimischen Ländern – gegen die genannte Allmend gerichtet sind. Der Traum von einer guten Zukunft sieht anders aus als der Traum durch Expansion wieder «gefährlich zu sein».
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zu „Krah, Krah, Krah“ von Mariam Lau

Es ist sehr fragwürdig, die Diktaturen von China und Russland zu mögen. Aber ist es Landesverrat? Und hab ich eine neue Definition von „Spionage“ verpasst? Hat Herr Krah sich schuldig gemacht, als er einen Spion anstellte? Sollte der Spion seine Nebentätigkeit für China in der Bewerbung verschwiegen haben und dafür Krah dennoch verantwortlich gemacht werden, dann ist so ziemlich jeder Arbeitgeber in der EU in einer heiklen Lage. Irgend etwas stimmt hier nicht. Bin ich zu blöde oder spielen Logik und Begriffe beim Kampf gegen die AfD einfach keine Rolle? Und was, wenn die Unterwanderung der AfD durch China und Russland nur deshalb SPIEGEL und den anderen Helden-Medien auffällt, weil sich die Unterwanderung der anderen Parteien schon vor Jahren vollendet hatte. Vielleicht dient die AfD-nahe Spionage nur der Ablenkung von den „großen Fischen“? Jetzt sind sie aber baff! Aber bei Spionageweiß man nie! Oder doch?
Fred Klemm

Hah, hah, hah! Eine Million geistig Verwirrte haben sich ein sechseinhalb Stunden langes Interview mit Krah angesehen?! Das grenzt ja an Masochismus, nur noch vergleichbar mit den acht (?) Stunden Wagner am Stück, die sich Andrea Petković kürzlich angetan hat. Ist das Interview eigentlich vor oder nach der Spionageaffäre geführt worden? Merkwürdig, aber auch nicht weiter verwunderlich, dass Krah in der AfD als „Intellektueller“ verschrien ist, was man dort halt so unter „Intellektualität“ versteht, wahrscheinlich muss man dafür Schampus statt Bier saufen. Oder man schreibt als fünfter Kolumnist direkt für Putins Propagandablätter, wie es der MdL Hans-Thomas Tillschneider in Sachsen-Anhalt macht. Und nicht nur von der CDU und der Jungen Union wandern die ewigen, heimat- und vaterlandslosen Nazigesellen zur „Alternative“ für Russland und China (AfRCh), sondern auch von der SPD. Mal sehen, wie lange es Aust da noch halten wird …
Thomas Manthey

Hat sich da womöglich schon wieder ein AfD´ler an der deutschen Demokratie versündigt? Heutzutage reicht schon die lapidare Bemerkung, selbst ohne eindeutige belegbare Belege aus, um jemanden für Wochen negativ in die Schlagzeilen zu hieven. Hat dieser Maximilian Krah (AfD) etwa einen Mitarbeiter für sich arbeiten lassen, der auch schon mal für die Chinesen und für den Inlandsgeheimdienst spioniert haben soll? Um Gottes Willen auch das noch, ein Doppelagent!? Ist dieser Agent mit Namen Jian G. gar aus einem James-Bond-Film entsprungen? Auch ja, für mich ist jetzt alles klar, denn die Europa-Wahlen stehen vor der Tür und Maximilian Krah will wieder ins EU-Parlament gewählt werden.
Riggi Schwarz


Leserbriefe zu „Ursulas Mondfahrt“ von Ulrich Ladurner

Treffender Titel. Das Alter Ego von Ursula von der Leyen ist ihre Busenfreundin Angela Merkel. Von ihr hat sie die Grünfärbung ihrer Politik geerbt, anschließend weggelobt nach Brüssel und mit Macrons Deal – Lagarde an die Spitze des EZB – zur Präsidentin gekürt. Doch VdL hat die tektonischen Verschiebungen nicht wahrgenommen, die eine Ende grüner Deutungshoheit bescherten. Öko ist entzaubert, weil es plötzlich ans Portemonnaie geht und viele einer brachialen Energiewende misstrauen. Ihr plötzlicher Kurswechsel wirkt deshalb unglaubwürdig. Sie hinterlässt wie im Verteidigungsministerium einen Scherbenhaufen aus opportunistisch angezettelten Reformen. Eine Amtsperiode reicht.
Christoph Schönberger

Ursula von der Leyen ist eine deutsche Politikerin (CSU) und noch die derzeitige EU-Kommissionspräsidentin, die sie auch gerne bleiben möchte! Für mich ist diese EU ein Ausbund der übertriebenen Bürokratie und das in Reinkultur. Alles muss bis ins Kleinste geregelt werden und daran wird irgendwann einmal der letzte demokratische Funken, der gerade noch so züngelt, ersticken! Deutschland mit der Ampel, das sind die größten Zahlmeister, die ständig Milliardensummen in die EU-Kasse einzahlen. Geht es dann um das Thema Kernkraft und die angebliche Klimaneutralität, dann stellt sich Robert Habeck ganz plötzlich taub, obwohl selbst die EU, die aus Kernkraft erzeugte Energie, als „grüne Energie“ eingestuft hat. Falls Robert Habeck doch einen Zuhörfehler haben sollte, so könnte/sollte er vorsichtshalber einen HNO-Arzt konsultieren!
Klaus P. Jaworek

Die Überschrift hätte ich gern anders formuliert, etwa „unsere europäische Mondfahrt“.  Sonst hört es sich nämlich so an, als sei es nur von der Leyens Projekt und Problem, nicht etwa unser aller, jedenfalls für all die, denen das Klima und damit das künftige Schicksal unserer Kinder und Enkel nicht gleichgültig ist. Es wäre ein tragisches Armutszeugnis, falls von der Leyen nun opportunistisch die Fahne nach dem Wind hängend „einfach“ vom Green Deal Abstand nimmt oder ihn so – mit — verwässert, dass er noch weniger reicht für einen ausreichenden und noch rechtzeitigen Klima- und Umwelt- und Arten-Schutz  als schon bisher, denn „mehr Klimaschutz“ reicht schon lange nicht mehr, wenn er nicht ausreichend und rechtzeitig ist. Es ist ja schon länger klar, dass eine Klimaneutralität bis 2050 viel zu spät käme, falls nicht ein großer Löwenanteil viel, viel früher vollendet ist, ehe die 1,5 Grad — beim Jetzt-Kurs schon 2030 — und bald danach auch die großen Kipp-punkte überschritten sind, nach denen es wohl kein Halten mehr gibt, höchstens noch eine Verzögerung durch Bremsen. Die neuesten Befunde, Statistiken und Zahlen belegen ja immer mehr, wie nahe inzwischen eine Klimakatastrophe als ausgewachsene Steigerung der bisherigen Krise und lokalen Katastrophen, Opfer und Schäden ist.
Leider haben auch linke und Grüne ein wenig mit zu dem verheerenden rechtslastigen Umschwung beigetragen durch  zu viele — so verstandene — Versprechungen von weiterem Wohlstand, Bequemlichkeit und für die Bürger Kostenlosigkeit von Energiewende und Klimaschutz, und des weiteren durch unzureichende Anerkennung der zwar — mindestens teils — wirtschaftlich und humanitär nötigen, aber auch Risiken und kurzfristig Belastungen bringenden steigenden Migration, und durch mangelnde Priorisierung  und Verdünnung der Kräfte durch  Nebenschauplätze wie Gendern, Wokismus,  bedingungsloses Grundeinkommen etc.   Natürlich ist Europa, mehr noch Afrika, auf die noch kommenden Auswirklungen der Klima-Erhitzung nicht vorbereitet, wo sich alle schon jetzt schwer tun mit der Bewältigung der bisherigen Schäden, die teils wie die Waldbrände schon einen Teufelskreis aus Folgen und Ursachen weiterer Erhitzung antreiben.  Ordnungsrecht statt alleiniger Marktüberlassung des Klimaschutzes hatte schon seine Gründe, z.B. dass der Markt — zumindest allein — mehr Ungerechtigkeiten schafft und/oder viel mehr Geld kostet.  Dafür hat das Ordnungsrecht natürlich auch seine Belastungen z.B. durch immer mehr Bürokratie, ob bei Klimaschutz oder anderem, was ja schon lange Wirtschaftskraft beeinträchtigt, viele Prozesse bis zum Stillstand verzögert  und viele Bürger und Firmen auch belastet oder überfordert.   Es ist also eine Balance zwischen zu viel und zu wenig Regulierung und Vorschriften, zu viel oder zu wenig Markt und der Frage wo und wie.  Der Weg der USA mit seiner massiven Verschuldung für den „IRA“, der eigentlich im Gegenteil ein Inflationssteigerungsgesetz ist, ist aber auch gefährlich, schon jetzt inflationstreibend und nicht auf Dauer möglich, wie ein kürzlicher Artikel der ZEIT belegte, zu dem ich auch geschrieben habe.
Wer allerdings den Green Deal nur als verschwenderisches lebensfremdes „arrogantes Elitenprojekt“ brandmarkt, hat die Brisanz und das Zerstörungs-Potential der Klimakrise, demnächst auch Klimakatastrophe überhaupt nicht begriffen  oder spekuliert zynisch zwecks Machtgewinn oder Machterhalt auf Wähler, die das ihrerseits nicht begriffen haben oder für eine geographisch oder zeitlich im Wesentlichen noch ferne  und daher persönlich irrelevante Sache halten.  Hier ist für alle beteiligten noch immer sehr viel Aufklärung, Argumentation, Motivation nötig   und Bekämpfung von Egoismen, Verdrehungen, Irreführungen, Lügen, Illusionen und Verschwörungserzählungen und Entlarvung der Widersprüche, Unlogik und Unglaubwürdigkeit der Betreiber von all dem.  Als bessere Alternative zum zu oft wiederholten „Schwingen der Nazi- oder Faschisten-Keule“, schlimmsten Falls gegen alle,  die auch nur einem Millimeter „rechts“ oder anderweitig außerhalb von der eigenen Position stehen.   Dazu ist heute mehr als lange Zeit auch der Sinn eines alten Gedichts zu bedenken, das etwa so ging:  „Manche meinen lechts und rinks können nicht velwechsert welden.  Werch ein Illtum!“ Der Satz „Jetzt muss vor allem frisches Kapital her“, wirft die große Frage auf:  Wo her?   Um es nicht den falschen wegzunehmen, wie bei noch mehr Schulden auf Dauer den Inflationsopfern, die sich keinen Ausgleich erstreiken können,  oder den künftigen Zins- und Tilgungszahlern,  teils zB. auch durch Inflation leer ausgehenden auch bescheidenen Gläubigern oder den dann betroffenen Kürzungsopfern. Denn diese Schulden durch „einfach immer wieder neue“ zu tilgen ist allzu offensichtlich ein Schneeballsystem, das noch nie auf Dauer gut gegangen ist.  Auch dazu gibt es Alternativen wie Verzichte auf andere Früchte von Geld  oder mehr Arbeit ohne genauso viel mehr Lohn, Sold oder Gewinn, was teils ja schon beim Ordnungsrecht und resultierender Bürokratiearbeit oder Einschränkungen der Fall ist. Wenn, wie im letzten Satz gesagt, die „Rakete schon gebaut ist“ könnten wir sicherlich noch eine bessere oder größere brauchen. Vor allem aber fehlt es zum „Abheben“, hoffentlich nicht vom Boden der Realität, noch am Treibstoff, hoffentlich grünem, und der entspricht in der Wirtschaft und im privaten Leben einem Mehr an Geld, Arbeit und/oder teils Verzichten auf deren sonstige Früchte.
Peter Selmke


Leserbriefe zu „Jung und konservativ“ von Florian Eichel

Leider kommt der Artikel – in einem elaborierten Feuilleton-Jargon verfasst – ohne fragwürdige Klischees und gewagte Schlussfolgerungen nicht aus. Die Rede ist vom „Mainstream der Alten und Etablierten“, die der aktivistischen Jugend „frenetisch applaudierten“. Und nun, da ein Mentalitätswechsel der Jungen offenkundig geworden ist, erzieherisch und moralisierend auf die juvenilen Zeitgenossen eindreschen würden. Ähnliche Anwürfe vernimmt man zur Genüge aus rechtspopulistischen und neurechten Kreisen. Analytisch unscharf und in diesem Kontext irreführend bleibt die Metapher vom „technischen und moralischen Fortschrittsglauben“. Die Präferenz der Jungen für konservative und rechtsradikale Positionen deutet Florian Eichel als ein Aufbegehren gegen eben jenen behaupteten „linken Fortschrittsoptimismus“. Diese Argumentation ist aus zweierlei Gründen wenig schlüssig. Der in vielen konservativen Kommentaren beklagte angeblich „grüne Zeitgeist“ gipfelte in der Forderung radikal-ökologischer Milieus nach einer Post-Wachstumsökonomie – Entschleunigung statt Turbokapitalismus. Genau diese Haltung wird aus wirtschaftsliberaler und konservativer Perspektive als rückschrittlich, wohlstandsgefährdend und fortschrittsfeindlich gegeißelt. Florian Eichel gibt selbst zu bedenken, dass die neuen Konservativen auf egoistische Eigeninteressen pochen, der Gemeinwohlgedanke ihnen fremd sei. Wohlstandsbewahrung und Sicherheit sind ihnen wichtiger als klimapolitische Anstrengungen. Und damit erweisen sie sich gerade nicht zuvörderst als „Rebellen“, die gegen die “ Alten und Etablierten“ in Medien, Politik und Gesellschaft aufbegehren, sondern reihen sich geräuschlos ein in den Mainstream der sogenannten bürgerlichen Mitte, der es vor allem um Besitzstandswahrung geht und die sich gegen klimapolitische Zumutungen verwahrt. Bei aller Freude über den Rechtsschwenk treibt den Autor aber auch die berechtigte Sorge um, dass „völkisch verhetzter Rechtsradikalismus“ die Oberhand gewinnen könnte. Wie er die jungen AfD-Sympathisanten für die Union gewinnen will, bleibt allerdings sein Geheimnis.
Rüdiger Paul

Florian Eichel bekennt sich als junger Konservativer. Auf was mag sich die „Trauer um den Verlust“ beziehen? Wieso er seine Hoffnung auf eine neue konservative Generation setzt, wird auch nicht klar. Denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Gefahren durch ein verändertes Klima kommen bei ihm nicht vor. Er selbst betone zwar die „Notwendigkeit erneuerbarer Energien“. Aber wieso? Keine rationalen Begründungen, alles ist hier Gefühl: Träumen, Fordern, auf die Palme bringen, Stirnrunzeln, Gemüt, Pessimismus, Glauben, Sehnsucht, Trauer, Skepsis. Interessant auch die von ihm identifizierten „drei wichtigsten Themen“, die mit „Inflation, Kriegen und Immobilienpreisen“ eigentlich nur zwei sind. Das konservative Schlüsselthema Immigration unterschlägt Eichel – warum? Absichtliche Verharmlosung? Nein, er scheint auf einen sauberen Konservatismus zu setzen, der wie er selbst „für eine humane Flüchtlingspolitik plädiert“. Worin besteht dann der Konservatismus? In der Trauer um Landschaften voller Windräder wie bei Adam Soboczynski? In derselben Ausgabe suggeriert der, nicht Hochspannungsleitungen, Autobahnen und krebsartig wuchernde Industriegebiete seien hässlich, sondern nur Windräder. Leider ist er wohl seit seiner Jugend nie mehr mit der Eisenbahn durch Norditalien gefahren, sonst hätte er gesehen, was ein wildgewordener landschaftsfressender Bausektor mit einer einst schönen Gegend macht. In einem früheren Beitrag behauptete Eichel, sowohl ein „Problembewusstsein als auch ein Handlungswille“ seien beim Thema Klimawandel in Deutschland vorhanden. Wirklich? Ist nicht die neue rechte Welle gerade ein Ausdruck der Verweigerung, hier konsequent tätig zu werden?
Claudia Stursberg

Erst wenn man konkrete Maßnahmen mitsamt Risiken und Nebenwirkungen verstanden hat, welche „das Gute“ bewirken sollen, gibt es eine Grundlage zur Diskussion und verschiedene politische Bewertungen. Jede Vorab-Einstufung nach politischer Farbenlehre ist bis dahin sinnlos. Deshalb sind „DIE GRÜNEN“ auch nicht mehr „die Guten“: Zu viele Menschen haben deren Inkompetenz in komplexen Energie- und speziell Strom-Fragen verstanden, und auch, dass nationale Maßnahmen das Weltklima nicht retten werden. Und dann kommt DIE ZEIT mit ihrer Jubiläumsausgabe, wo schon per se der „Kohleausstieg“ als gut beurteilt wird. Noch und absehbar auch nicht in 10 – 15 Jahren wird unser Stromsystem ohne Kohle- oder Kernkraftwerke zuverlässig funktionieren. Welche „grünen“ Menschen kennen denn das „grüne“ Gutachten für FFF vom Wuppertal-Institut vom Oktober 2020 – Seite 15 mit „irre hohem“ Wasserstoffbedarf? Oder haben den GRÜNE schon längst im Petto, verschweigen ihn aber?
Wolfgang Ströbele


Leserbriefe zu „Stimmt’s?“ „Raucher belasten Gesellschaften weniger als Nichtraucher“ von Christoph Drösser

Danke für den Artikel. Als vor ca 60 j die Tabakindustrie bekannt gemacht hat, dass ihre Produkte Krebs verursachen können, hat Deutschland unter andere Länder, nicht sofort reagiert, ein Understatement leider. Heute in 2024 für manche Länder mit universale Krankenkassensystemen sind die Tabakfirmen Staatsfeind NUMER EINS. Deutschland ist nicht einen davon fast im Gegenteil, hier wo der Bundeskanzler genannt war ..Tabakman des Jahres von der Tabakindustrie gut gemacht oder ! nach ca 30j in Deutschland (obwohl für Leute die keine Tabakprodukten benutzen es ist besser geworden) ich bin der Meinung , Rauchen war gut für die Wirtschaft und ist immer noch gut für die Wirtschaft hier die sehr enge Zusammenarbeit zwischen die Politik und die Tabakindustrie hat geführt dazu dass das Rauchen endlich gekämpft werden musste, aber nicht wirklich. Wenn man schaut in wie viele Orten in Berlin zb das Rauchen nicht gestattet wird. Rauchen bring Jobs !! auch für Ärzte, Spätkaufläden, Hotels wie Marriott mit ihrem Raucherbubble gegenüber vom Verteidigungsministerium sogar. Clubs, kleine Bars, Wettbüros, Restaurants die einen Zelt draußen bauen wollen ..usw. Nirgendwo gibt es eine rauchfreie Welt, aber die Tabakautomaten an jeder Straßenecke können weg denke oder lieber nicht
Brian Agro

Nicht zynisch!, sondern sachlich und realistisch nimmt sich die Studie der Schweizer Ökonomen aus. Einen noch größeren Gewinn könnten Volkswirtschaften durch die Freigabe von Natrium-Pentobarbital erzielen. Sie würden sehr kräftig an Rentenzahlungen sparen, Kranken- und Pflegekassen kämen aus ihrem Defizit, Rauchern bliebe – nach eigener Entscheidung –, die unangenehmen Folgen von Herz/Kreislauferkrankungen, COPD und Lungenkrebs erspart. In Pflegeheimen hätte das Personal mehr Quality time für die wenigen Bewohner und die Therapie- und Arzneimittelkosten für schwer depressive Mitmenschen wären für die Solidargemeinschaft locker zu stemmen. Und die Würde des Menschen wäre aufgrund seiner selbstbestimmten Entscheidung zum Freitod wieder hergestellt. Das steht außer Frage.
Eva-Maria Fahl

Vielen Dank für Ihren Artikel aus der Serie „Stimmt‘s? Raucher belasten Gesellschaften weniger als Nichtraucher“ vom 3. Mai 2024. Ihr Artikel ist im Duktus so gehalten, wie es die Tabakindustrie es gerne hat. Er wogt zwischen einem Für und Wider, sodass trotz des kräftigen Schlusssatzes der Eindruck haften bleibt: „Es macht nicht so viel aus, ob ich rauche oder nicht, vielleicht tu ich sogar der Gesellschaft was gutes damit!“ Es tut so weh, gerade wegen dieser „Zweifel“ so viele Menschen so unsäglich und unnötig leiden zu sehen! Meine Mutter starb als Nichtraucherin an Lungenkrebs, obwohl 95% der Patienten Raucher*innen sind! Ihr Leiden wünsche ich nicht einmal meinen ärgsten Feinden! Wie beim Tabak, so beim Klima. Medien können die Lösung sein aber auch das Problem verschärfen. Bitte sehen Sie unten. Vor allem die Geschichte Edward Bernays wird Sie berühren. Sehen Sie bitte ganz unten, wie selbst das EURO 2024 Symposium der ZEIT höchst fragwürdigen und nur wirtschaftlich motivierte Statements einen medialen Raum bietet.
Klaus Siersch


Leserbriefe zu „Guckt auf eure Handys“ von Sascha Chaimowicz im ZEIT Magazin

Ihr 2-seitiges Gejammer oder Plädoyer (?) für oder gegen das Smartphone hat mich – gelinde gesagt –ziemlich genervt und auch entsetzt, denn nach dem Lesen ihres Artikels war mir nicht klar, ob es sich um eine Satire oder um ihre eigenen, ziemlich queren Ansichten gehandelt hat. Wenn sich ein bekennender Internet-Süchtiger diesem Thema widmet, ist das Fazit eigentlich ziemlich klar, weshalb eine Satire ausgeschlossen sein dürfte. Durch die vielen offensichtlichen Widersprüche versuchen sie jedoch auf dümmliche Weise die andere Seite immer wieder lächerlich zu machen, und dabei gleichzeitig ihre eigenen Argumente abzuschwächen. Dabei handelt es sich nach meiner Meinung um ein hoch brisantes Thema das nicht nur unsere Jugend, sondern auch Leute in ihrem Alter und noch Ältere betrifft. Was sie so begeistert, und was sie in bunter Reihenfolge von sich geben mit ihrem eigenen Art- Lernprozess, dem Cholesterin, dem Klapphandy, dem Wichser und ihren Schuheinlagen (ein hochinteressanter Tagtraum, den sie deuten sollten) ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Statt von digitaler Demenz reden sie von Wahnsinnigen, Chihuahuas, dem Wetter, teuren Datteln, 3stündiger TikTok-Unterhaltung und anderem Schwachsinn, der in “ der Zeit „, -auch im Magazin- nichts zu suchen hat. Offensichtlich ist das aber genau ihr Bedürfnis und Geschmack, was für mich befremdlich und auch unverständlich ist. Für sie ist das Internet das Lustigste, Schlaueste und Wahnsinnigste was die Menschheit je hervorgebracht hat. Wenn dem so wäre, hätte nie eine Entwicklung der Menschheit stattgefunden, und wir wären Troglodyten geblieben.
Jeder denkenden Person ist klar, dass es kein Patentrezept für den Umgang mit dem Smartphone gibt. Das Handy ist zu einem Bestandteil unseres Lebens geworden. Wenn aber selbst Eltern wie sie nicht mit gutem Beispiel vorangehen, wie und wann ein Smartphone verwendet werden soll, wird ein Kind niemals lernen, dass mit dem Handy auch Spannendes gemacht werden kann, außer daddeln, liken und posten, sondern kommunizieren und Wissen nachschlagen und sich über Videos Sachverhalte zu erschließen oder erklären zu lassen. Ein Multitasker wie sie kann offenbar sein Kind auf dem Spielplatz beschäftigen und gleichzeitig den Sommerurlaub im Internet buchen. Respekt kann ich da nur sagen. Wer bleibt da aber auf der Strecke? Sie dürfen raten und wenn sie ehrlich sind, wissen sie das ganz genau. Aus der Sicht von Hirnforschern und Jugend-Psychotherapeuten ist das Vielsurfen mit Klingeln, Vibrieren und Piepen der Handys eine permanente Störquelle und führt zu Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Stress, Ablenkung und zu Sucht und Abhängigkeit. Gefährlich sind auch die gestörte Gehirnentwicklung und die mangelnde Empathie infolge ständiger Beschäftigung mit dem Smartphone anstelle eines direkten Miteinanders. Ich bin mir sicher, dass sie als Arztkind und einem abgebrochenen Medizinstudium meine Einwände gekannt haben oder zumindest unterbewusst oder sublimiert gewusst haben. Bleibt für mich eigentlich nur die Frage offen, warum sie -trotz Intervention ihrer Frau- diesen polemischen und überflüssigen, grottenschlechten Artikel verfasst haben.
Wolfgang Kern

Ich bleibe bei dem Gejammer, dass Menschen zu viel auf ihre Handys gucken. Vor mir liegt die physische Ausgabe der Zeit und erstmalig schreibe ich ihnen, weil ich einen Artikel wirklich ätzend finde. 1. Sehr viele Menschen da draußen vereinsamen, weil eben keine oder kaum noch Blickkontakte mehr stattfinden und kein spontanes Gespräch mehr entstehen kann.  2. Erwachsene sind Vorbilder. Wenn sie schon die ganze Zeit nur noch aufs Handy starren, wollen es Kinder ebenso tun. Diese sollten aber erstmal lernen, wie wichtig es ist auf ihre Umgebung zu achten, denn sie lernen die Welt erst noch kennen (und ihre Risiken) und erfahren auch nur über das Erleben wie schützenswert sie ist. Und: Kleinkindern halten wir auch nicht direkt das schwer verdauliche Steak hin – die Welt des Smartphones ist auch eine Welt der Reize und Reizüberflutung. 3. Was sind ihre schönsten Momente? Dinge an die sich noch lange denken? Vermutlich nicht das schönste Katzenvideo (außer sie sind dabei lachend von Bett gefallen). Selbst die bloße Anwesenheit eines Smartphones teilt ihr Aufmerksamkeit, selbst wenn sie es nicht nutzen. Heißt, sie sind nicht ganz da. Sie erleben das Leben also nicht real, verpassen Details, die dazu beitragen sich voll umfänglich an einen (vielleicht schönsten) Moment in ihrem Leben zu erinnern.  Sie bekommen ein Präsenzproblem, was zu weiteren inneren Konflikten führen kann und so ihnen und ihrer Umgebung noch weniger dient. 4. Am Ende ihres Lebens werden sie auf dem Sterbebett nicht denken: hatte ich doch mehr in mein Handy geguckt. Sie werden sich nach echten Kontakten und Liebe sehnen, die ihnen die virtuelle Welt nicht geben konnte. Danke, jetzt geht es mir besser,
Jaqueline Britz

Der Autor wurde laut Artikel vom Saulus zum Paulus in Sachen Smartphone-Sucht. Er hat eine 180- Grad-Wende vollzogen, sich vom Smartphone-Meckerer zum Apologeten des intensiven Gebrauchs gewandelt. Der Wandlung geht allerdings kein Damaskuserlebnis mittels Erleuchtung voraus, Chaimowicz spricht von einer „Art Lernprozess“. Er bekennt, dass er zunächst zu den Menschen mit „hoher Bildschirmzeit“ gehörte, die – wie gemeinhin alle Warner und Kritiker des übermäßigen Handykonsums predigen – wie eine Sucht „bekämpft“ gehört. Chaimowicz schildert die Versuche einer selbst auferlegten Smartphone-Abstinenz, nennt das Ergebnis aber eine Enttäuschung. Statt Digital-Berieselung fühlte er sich als „Telefonverweigerer“ – eine Übertreibung und Übung, die keiner verlangt hat – einer banalen Real-Berieselung ausgesetzt: langweilige, beleidigende und triviale Gesprächsfetzen. Auf einer Bahnfahrt aus dem Fenster, statt aufs Smartphone zu schauen, erlebt Chaimowicz als vergeudete Zeit. Statt „wie ein Wahnsinniger“ aus „dem „Fenster zu gaffen“ und nur Bahnsteige, Mülleimer, Jugendliche und Bäume zu sehen, könne man vielfältige digitalen Angebote der Popkultur – ein Eldorado für ZEIT-Leser? – genießen oder die neuesten Nachrichten lesen. Nebenbei: Könnte es nicht sein, dass Reisende ohne Wahnsinn und ohne von Eindrücken angeödet zu sein, mit „Lässigkeit“ ruhig und gelassen aus dem Fenster gucken und ihren Gedanken nachgehen? Andere werden in eine Zeitung oder ein Buch gucken oder auf längeren Bahnfahrten an ihrem Laptop arbeiten. Der Ablenkungen oder Beschäftigungen sind viele.
Chaimowicz wenden sich gegen die allgemein kolportierte und gängige Auffassung, dass „Smartphones nur wertvolle Lebenszeit rauben.“ Die Rede vom Zeitraub macht allerdings nur Sinn, wenn man eine konkrete Vorstellung davon hat, wie man seine Zeit besser nutzen könnte und müsste. Wenn man also am Handy daddelt oder prokrastiniert, statt berufliche oder private Pflichten zu erledigen. Chaimowicz will selber denken, seine Gedanken niederschreiben, unabhängig davon, was der Modeton der Zeitgenossen dazu sagen mag. Ist der Aufstand gegen Gemeinplätze der Grund, einen aufsehenerregenden Artikel abliefern zu wollen, der dem Mainstream widerspricht? Schon Jean- Jacques Rousseau hatte mit dieser Taktik ein „Preisausschreiben“ gewonnen. Die Preisfrage der Académie von Dijon lautete: «Le Rétablissement des sciences et des arts a-t-il contribué à épurer les mœurs?» (deutsch: „Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste dazu beigetragen, die Sitten zu reinigen?“). Rousseau hatte die provokante Idee, die Frage zu verneinen, und schrieb seinen Discours sur les Sciences et les Arts („Abhandlung über die Wissenschaften und die Künste“), worin er die nach Luxus strebende zeitgenössische europäische Gesellschaft in die sittliche Dekadenz abgleiten sieht. Der Discours lief den Vorstellungen vieler Intellektueller der Zeit zwar völlig entgegen, wurde aber von den Vertretern des aufstrebenden französischen Bürgertums gut aufgenommen. Rousseau erhielt 1750 den ersten Preis und wurde, auch dank der Diskussion, die er auslöste, über Nacht europaweit bekannt.
Chaimowicz ́ Plädoyer für zeitintensiven Smartphone-Gebrauch, in dem er weder sittliche Dekadenz oder Unhöflichkeit noch Zeitraub erkennen kann, wird von allen Smartphone-Süchtigen sicher gut aufgenommen. Rousseaus erste Preisschrift über die Frage, ob der Fortschritt von Wissenschaft und Künsten die Sitten verfeinert oder verdorben habe, schielte nur auf den äußeren Effekt einer Verneinung aller aufklärerischen Gemeinplätze. Sie geht der Anekdote nach auf einen schnöden Marketing-Gag zurück. Diderot soll Rousseau eingeflüstert haben: „Schreib das Gegenteil von der Vernunftverherrlichung!“ Die Geschichte findet sich bei Abbé Maurelays in seinen posthumen Memoiren circa 1820, und da sagt er: „Das wusste jeder in dem Enzyklopädistenclub, so war es!“ In einer Art Fundamentalopposition begann Rousseau noch 1753 eine zweite kritische Preisschrift. 1755 publizierte er seinen Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes („Abhandlung über Ursprünge und Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“), der wiederum die Antwort auf eine Preisfrage der Académie de Dijon war: «Quelle est l’origine de l’inégalité parmi les hommes, et est-elle autorisée par la loi naturelle?» (deutsch: Welches ist der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, und ist sie durch das natürliche Gesetz (Naturrecht) gerechtfertigt? Rousseaus Antwort, die mit ihrer radikalen Zivilisationskritik dem Zeitgeist widersprach, war ein weiterer Schritt in Richtung Bekanntheit und Berühmtheit.
Sascha Chaimowicz hat als Zivilisationsbefürworter gegen die angebliche Smartphone-Verteufelung angeschrieben. Ruhm wird ihm deshalb gewiss nicht zuteil. Seine Antwort auf die nicht gestellte Preisfrage Welches ist der Grund für die Bildschirm-Fixierung unter den Menschen, und ist sie durch die im Smartphone abrufbaren digitalen Angebote gerechtfertigt? ist m.E. mit ungeeigneten Beispielen veranschaulicht und – wie im Folgenden dargelegt – argumentativ nicht stringent. Eingangs schildert Chaimowicz „zwei Menschen in einem Restaurant, die sich gegenüber sitzen und auf ihre Smartphones starren.“ Der Autor nennt den Mangel bzw. den Verlust des kommunikativen Austausches zwischen dem Paar zwar einen Verstoß gegen die Konvention, feiert ihn aber quasi als kulturkritisch-revolutionäre Tat: „Woher nehmt ihr die Lässigkeit, miteinander essen zu gehen und dabei gegen jede Konvention mit euren Smartphones im Internet zu verschwinden, also dem Lustigsten, Schlauesten, Wahnsinnigsten, das die Menschheit je hervorgebracht hat?“ Er hat vergessen zu sagen, wie viel Bullshit, Falschinformationen, Hassaufrufe (Hate Speech) und Demagogisches man findet, wenn man im Internet „verschwindet“. Auffallend ist in seinem Beitrag die fehlende Unterscheidung der Nutzungssituationen eines Smartphones. Das eine ist die Nutzung der „schlauesten Menschheitserfindung“ in Gesellschaft/geselliger Runde, ein anders der Gebrauch in Situationen, die man gewöhnlich nicht „Kommunikationssituationen“ nennt.
Warum sollte eine allein reisende Person nicht ausdauernd – wie andere in ein Buch – auf sein Smartphone schauen statt aus dem Zugfenster? Mitreisende Personen, die sich sich fremd gegenüber sitzen und auf ihre Smartphones starren, werden sich nicht beschweren können, wenn man ihnen keine Aufmerksamkeit schenkt. Das wäre auch beim Buch- oder Zeitunglesen der Fall. Bei einem Paar im Restaurant ist das anders. Da erwartet man Austausch, Gespräch, gegenseitige Aufmerksamkeit und Zuwendung, – wenn auch nur aus Höflichkeit. Sonst könnte jede Person allein an einem eigenen Tisch sitzen. Das gilt auch für Interaktionen auf dem Spielplatz. Der Autor verbreitet den Mythos, dass viele Eltern ohne „Arbeitstelefone“ nicht auf dem Spielplatz stehen könnten. Unter der Woche sind Kinder in der Kita, in der Grundschule. Und es gibt Elternzeit. Wer ein Kind beim Schaukeln anschubst, interagiert mit dem Kind. Die Interaktion wird üblicherweise begleitet mit Kommunikation: mit Blickkontakt, ermunternden Worten, Lachen. Wenn das Kind mit anderen im Sandkasten spielt, bedarf es nur der Aufsicht. Dann spricht nichts dagegen, auf einer Bank sitzend mit dem Smartphone zu hantieren oder ein Buch zu lesen und ab und zu nach den Rechten zu sehen. Für einen Erwachsenen ist ein Spielplatz sicherlich unattraktiv und langweilig. Er betritt ihn nur als Mutter oder Vater oder als Oma oder Opa mit den Enkeln. Für ein Kind ist ein Spielplatzbesuch aber ein Abenteuer, das Kinder – je nach Alter – in Kontakt mit ihren ihnen zugewandten Eltern erleben möchten. Manche tragen ausdrücklich das Wort „Abenteuerspielplatz“. Zeit mit Kindern auf dem Spielplatz ist Kinderzeit statt Handyzeit oder Arbeitszeit.
Saulus wird vom Verfolger der Urchristen zum Missionar mit göttlichem Auftrag berufen als „Apostel für die Völker“. Nach der Erkenntnis im Damaskuserlebnis wendet sich Saulus vom Schlechten ab- und zum Guten hin. Das Gute wäre im vorliegenden Fall nicht ein Plädoyer für einen – im Alleingang und der individuellen Freizeit selbst zu verantwortenden – exzessiven, unkritischen Smartphone-Gebrauch, sondern ein Missionsauftrag, der für die Bedeutung der leiblichen Anwesenheit in Gesellschaft sensibilisiert und Aufmerksamkeitsdefizite in Kommunikationssituationen u.a. als Unhöflichkeit benennt und kritisiert.
Vinzenz M. Becher


Leserbriefe zu „Es war ein ganz normaler Abend“ von Simon Langemann

Können sie mir bitte sagen, was so ein Artikel für einen Sinn macht? Außer, dass mehrere Fälle von Messerattacken aneinandergereiht werden, kann man daraus so gut wie keine Information ziehen. Wer sind nun diejenigen welche zustechen in Deutschland? Hat die AfD nun recht damit das es zum überwiegenden Teil keine Deutschen sind, welche diese Taten begehen? Man wird doch wohl niemanden einreden wollen das man das nicht weiß.
Mayrhofer Herbert

Das Problem sind nicht in erster Linie die Messer, das Problem sind die Drogen, an erster Stelle der Alkohol! Aber darüber werden wohl keine Statistiken geführt?
Thomas Manthey


Leserbriefe zu „Jetzt reicht‘s“ von Jens Többen

Weil Redakteur Többen unkommentiert Gründe von neuen Parteigängern veröffentlicht, hier zwei, wie ich glaube, erforderliche Hinweise, um den Beitrag richtig einordnen zu können: 1. Die Person mit ihrem Bekenntnis für die AFD kann mit Unterstützung der ZEIT ihre Feigheit, sich nicht namentlich zu zeigen, ausleben. 2.Wohltuend ist der Verzicht auf eine Interessensbekundung für Frau Wagenknecht. Eigentlich bei der ubiquitären Neigung der Medien, diese Person durch eine ständige Präsenz überzubetonen, überraschend.
Jürgen Dressler

Ich war noch niemals Mitglied einer Partei und ich werde wohl auch nie ein Mitglied einer Partei werden wollen. Wenn ich sehe, wie Parteien, wie die SPD, die FDP, die CDU, die CSU, die Grünen, die Linken mit der AfD umgehen, aber auch umgekehrt, dann wird mir einfach nur übel. Hass und Hetze, Angriffe nach allen Seiten, Verteufelung, Rufschädigung, Intrigen, Angriffe, Verleumdung, Diskriminierung, Erniedrigung, Seitenhiebe – mehr nach rechts als anders wohin, üble Nachrede, Lästerei, Verunglimpfung, Unterstellung, Denunziation und so weiter und so fort; nein danke, das brauch´ ich wirklich nicht! Irgendwie sehe ich in keiner Partei mehr so etwas, das ich als ein vernünftiges Umgehen miteinander bezeichnen möchte; es reicht einfach nicht mal mehr zu so etwas, wie zu einer Art von „Mindestanstand“!
Klaus P. Jaworek


Leserbriefe zu „Nachruf“ „Und jetzt?“ von Katja Nicodemus

„Wahrscheinlich gibt es für die wirklich wichtigen Dinge, die man fühlt, keine Worte“. (Matthias Brandt) Katja Nicodemus hat sie gefunden!
Ingeborg Lukowski

Über den Filmemacher und Arzt Michael Verhoeven (1938-2024) kann ich irgendwie nichts Neues schreiben, vieles, wenn nicht alles, das wurde schon über ihn geschrieben. Michael Verhoeven ist nun am 22.4.2924 verstorben. Aus diesem Anlass hat der Bayerische Rundfunk (BR) am Samstag (27.4.2024) sein Programm geändert. Der BR zeigte Michael Verhoevens Film „Let´s go!“ aus dem Jahr 2014, dieser mich schwer beeindruckt hat; daher mein Prädikat: „Extrem sehenswert“, deshalb unbedingt angucken! Es geht darin kurz, um die jüdische Familie Fingerhut, und wie aus einem fast total zerstörten Nachkriegs-Deutschland, (fast) wie durch ein Wunder und natürlich durch Anpacken aller Menschen, ein „Made in Germany“-Wirtschaftswunder werden konnte. Dieses gemeinsame Anpacken in der Nachkriegszeit, das vermisse ich im heutigen Ampel-Deutschland von 2024, wo es anscheinend nur noch eine himmelschreiende Schwarz-Weiß-Malerei zu geben scheint!
Klaus P. Jaworek


Leserbriefe zu „Palermo“ von Sandra Hoffmann

“ O, mein Palermo, das so heiß ich liebe, lass des alten Ruhmes Sterne leuchten, sei unsere Königin „. I vespri siciliani von Guiseppe Verdi. Die Arie der großen Bassisten der Opernhäuser.
Hartmut Wagener

Danke Sandra Hoffmann, ein wunderbarer Artikel. Ich suche schon nach Eisenbahn-Tickets Richtung PALERMO
Peter Krieger


Leserbriefe zu „Das Buch seines Lebens“. Gespräch mit Hubertus Meyer-Burckhardt geführt von Giovanni di Lorenzo

„Worte sind Luft. Aber die Luft wird zu Wind. Und der Wind macht die Schiffe segeln“ – Arthur Koestler
Ingeborg Lukowski

Ein lesenswertes Interview voller prägender Ereignisse und Lebensweisheiten, gespickt mit Sätzen, über die nachzudenken sich lohnt. Mit zusätzlichen Episoden des bunten Hubertusschen Lebens und weiteren Zitaten aus seinem Buch hätte man leicht alle Seiten von „Entdecken“ mit spannendem Lesestoff füllen können! Allein die Aufforderung seiner Großmutter, wenn man stolz auf sein Volk sein wolle, solle man Imker werden, wäre es wert, in die Walhalla weiser Worte aufgenommen zu werden! Sicher findet sich im Meyer-Burckhardtschen Zitatenschatz ein weiterer bekannter Spruch von Mark Twain: „Der Unterschied zwischen dem richtigen und dem fast richtigen Wort ist wie der zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen“. Wie sehr wünschte man gerade unseren Politikern Geistes- und Wortblitze, denen blitzschnell blitzgescheite Taten hinterherflitzen! Doch zwischen Wort und Tat stehen nahezu unverrückbar unsere bedächtigen demokratisch-bürokratischen Mühlen, durch deren „Bearbeitung“ die einstigen Blitze den größten Teil ihres Feuers und ihrer Leuchtkraft verlieren; bis sie als mattschimmernde Glühwürmchen auf den Tellern unserer Bürger landen! Da die meisten von ihnen zu Bescheidenheit und Genügsamkeit erzogen wurden, wünschen sie sich trotz dieser Miniportion: Guten Appetit!
Ulrich Pietsch


Leserbriefe zu „Mich bringt niemand zum Schweigen“ Gespräch mit Maia Kobabe geführt von Kathrin Hörnlein in Kinder- & Jugendbuch

Ihren Artikel über gecancelte Bücher in den USA fand ich inhaltlich sehr relevant. Ich begrüße auch sehr, dass Sie die Pronomes den Autormenschen erwähnt und erklärt haben. Mich macht allerdings fassungslos, dass Sie innerhalb der Erklärung der korrekten Pronomen misgendern. Falls Ihnen der Begriff überhaupt etwas sagt. Wie konnte das passieren? „Sie möchte mit den sogenannten Spivak-Pronomen „e/em/eir“ angesprochen werden, im Deutschen „dey, derem, demm“. Ist Ihnen nicht bewusst, dass dieser Satz ein einziger riesiger Widerspruch ist? Ich bin wirklich erschrocken, was in einer eigentlichen Qualitätszeitung wie der Ihrigen für ein Quatsch steht. Und „Quatsch“ ist wirklich noch sehr vorsichtig formuliert. Auch die Erwähnung „wurde (1989) als Mädchen geboren“ ist komplett fehl an der Stelle, eine solche Information ist erstens sehr privat und hat somit überhaupt gar nichts in einer großen Zeitung zu suchen. Zweitens ist diese Information auch schlichtweg unnötig, es hat exakt nichts mit dem Inhalt zu tun. In solchen Zeiten, in denen es – wie ja treffenderweise auch im Artikel thematisiert wurde- es maximal schwierig für uns trans- Personen ist, ist es wirklich unnötig, noch ein Problem hinzuzufügen. Ich hoffe, Sie nehmen sich dieses Anliegen zu Herzen und ändern endlich etwas daran, wie Ihre Zeitung mit dem Thema umgeht. Es ist wirklich nicht so kompliziert.
P. Becker

Vielen Dank für viele interessante Beiträge in Ihrer letzten Ausgabe; besonders das Interview mit Asha Hedayati fand ich großartig, aber auch das mit Maia Kobabe im Feuilleton. Eines hat mich bei letzterem allerdings verwundert: In dem kurzen Text zu dem Artikel wird zuerst gesagt, dass Kobabe das feminine Pronomen ’sie‘ für sich selbst nicht benutzt und auch nicht will, dass andere das tun, aber gleich in der nächsten Zeile wird es mit Bezug auf Kobabe von Ihnen verwendet. Es geht in Kobabes Werk und auch in dem Interview ja um nichtbinäre Geschlechtsidentitäten, da wäre dies doch sicher eine gute Gelegenheit gewesen, die (im Deutschen noch nicht sehr etablierten) nichtbinären

Pronomen auch zu verwenden?
Dagmar Paulus


Leserbriefe zu „Liebe Leute“ „Die schon wieder“ von Claire Beermann im ZEIT Magazin

Ich mochte sehr gerne die Anmerkung, dass sie schon seit längerem nicht mehr von Dritten interviewt wurde. Vielleicht wäre es da möglich etwas vom ZEITmagazin zu organisieren, wenn sie in Deutschland tourt. Ich kann verstehen, dass die Medienpräsenz eines erfolgreichen Popstars „anstrengend“ sein kann, wie in dem Text geschildert wurde. Und genau deshalb frage ich mich auch, würde jemand anderes in einem anderen Beruf ebenso erfolgreich sein und ebenso erfolgreich vermarkten, ob dann nicht darüber ebenso viel berichtet werden würde. Und ich fand es verstörend, wie der Text formuliert wurde. „Taylor Swift scheißt uns so zu mit ihrer Musik und ihrem Supersein.“ (Das „sorry!“ entschuldige ich an der Stelle nicht, da ich das eine unterirdische Bemerkung finde.) Und deshalb solle SIE sich eine Pause gönnen. Ich verstehe nicht, wo das Umgehen mit Emotionen und Informationen anderer Personen ihre Aufgabe sein soll. Und ich bin sehr frustriert darüber, dass man erfolgreiche Frauen so klein machen möchte. Welchem Mann wird gesagt, sei Mal nicht so erfolgreich, denn das nervt mich. Z.B. wird bei Elon Musk oder Jeff Bezos ihre alleinige Macht verständlicherweise kritisiert, nicht aber ihr Erfolg und dass sie sich deshalb mal kleiner zu halten haben. Ich weiß nicht, ob das wieder ein Ergebnis der deutschen Neidkultur oder etwas anderem ist, aber genau darüber könnte man Journalismus machen. Leute befragen, was sie stört und an ihr inspirierend finden. Zusammenfassung wieviel sie tatsächlich Medienpräsent ist, oder ob es sich subjektiv nur „mehr anfühlt“. (Frauen wird häufig gesagt sie würden mehr sagen, wenn sie teils weniger als ein Mann gesprochen haben…) Ich kenne mich damit jetzt auch nicht so aus, würde mich aber in Zukunft über mehr Recherchearbeit basierend auf Fakten freuen.
Luise Peschke

Möchte Ihnen mitteilen, dass diese Art der „Fäkalsprache“ nach meiner Ansicht nicht zum Format und Anspruch Ihrer Zeitung passt. Hoffe, dass es sich hier um ein „fake“ handelt. Wenn dem nicht so wäre, würde ich mein Vorhaben, Ihre Zeitung zu abonnieren, wenn ich mal mehr Zeit habe, aufgeben.
Josef Wirkert


Leserbriefe zu „Der Raubzug“ von Wolfgang Bauer im ZEIT Magazin

Zunächst einmal ehrlichen Respekt für den Mut der Journalisten, diese Unternehmung auf einem solchen Holzboot zu einem solchen Ziel mitzumachen. Das ist schon sehr nahe an den Kriegsreportern – von den viele „in action“ selbst ins Gras bissen… Und danke für den Blick auf die skrupellose Großmacht- und Militärpolitik Chinas, das den Angriff auf Taiwan mit einer beeindruckend langfristigen Strategie vorbereitet. Trotz eifrigem Nachrichten-Konsum war mir das bisher nicht bewusst.
Friedrich Schweikert

Eine vorbildliche Reportage, wie man sie nicht mehr gewohnt ist. Bitte mehr davon, anstelle von Uhrensuchen, Modestrecken und ähnlichem Coffeetable-Pippifax!
Hartmut Retzlaff


Leserbrief zum Titelbild

Was haben Sie sich bei diesem Titelfoto gedacht? Zu einer Befriedung der Situation trägt das sicher nicht bei.
Harald Seidel


Leserbrief zu „Greenwashing“ „Katjes, no, no, no! von Hannah Knuth

Ich lasse mich von diesem unsinnigen Label „klimaneutral“ hergestellt nicht mehr ins Bockshorn jagen. Für mich ist so eine Bezeichnung nur purer Nonsens, Quatsch, Hokuspokus, Kappes, Mist, Quark, Kokolores, Humbug, Stuss, Bockmist, Mumpitz, hausgemachter Blödsinn und noch so manches mehr. Was soll das überhaupt sein, eine Klimaneutralität? Die Schweiz als Land, die kann sich neutral verhalten und die Schweiz versucht auch diesen Standard zu halten, aber wie soll das im Umgang mit dem Klima gehen, das wir etwas als klimaneutral hergestellt bezeichnen?
Riggi Schwarz


Leserbrief zu Infografik „Das Auf und Ab der Wörter“ von Leonie Dauner (Recherche) und Simone Brünnich (Grafik)

„Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ In der Infografik/ Zeit Wissen N°19 finden wir unter der Überschrift: „Weniger Gott … und gleichzeitig gab es Bewegung hin zur Demokratie“ zwei Diagramme. Das erste zeigt einen Rückgang des Begriffes „Gott“ zwischen 1600 und 1780, das zweite eine Zunahme des Wortes „Demokratie“ v.a. seit 1900, nach einem vorübergehenden Hoch von 1810 bis 1870. Das ist nicht gleichzeitig, das ist nacheinander. Da hat man wohl versäumt, die Statistik der These anzupassen… Es ehrt die ZEIT, dass sie ihre eigene Aussage durch die beigefügte Statistik angreifbar macht. Trotzdem halte ich die These: Je weniger Gott – desto mehr Demokratie, für falsch. Ich weiß, dass manche das anders sehen. darum hätte die These eine differenziertere Betrachtung verdient: Viele moderne Demokratien tragen den Gottesbezug in ihren Verfassungen. Es war die evangelische Kirche mit ihren demokratischen Strukturen, in der sich die Demokratiebewegung der DDR sammeln konnte. Es war die katholische Kirche, die entscheidend die Demokratiebewegung im Polen der 80er Jahre unterstützt hat.
Otto Guggemos


Leserbrief zu „Die einzige Frauenarmee der Welt“ von Andrea Böhm

Im Zusammenhang mit dem Berichte über den Hollywood-Film „The Woman King“ von 2022 fehlt aber gerade für das deutschsprachige Publikum – und somit der ZEIT-Leserschaft – der Hinweis auf den Historien-Film „Cobra Verde“ von Werner Herzog. Der hatte bereits 1987 die Geschichte des Königreichs Dahomey mit seiner Amazonen-Armee und im Kontext des atlantischen Sklavenhandels ins Bild gesetzt. Historisch ist der Herzog-Film auch näher an der Realität: die Frauen-Truppe hatte -im Auftrag des Königs von Dahomey- keine Sklaven befreit, sondern die Bevölkerung umliegender Regionen eingefangen und gewinnbringend an europäische Sklavenhändler an der Küste verkauft. Daher ist die Erzählung im „Woman King“-Film, wonach die Amazonen-Kriegerinnen Sklaven befreit hätten, historischer Unsinn.
Bernd Leber


Leserbrief zu „Wie soll ein Einzelner das schaffen?“ von Hanna Grabbe

Es stimmt genau so, wie es beschrieben wird. Meine Eltern wurden zeitgleich in ein Pflegeheim (mein Bruder ist Arzt, konnte bestens alles über meinen Kopf hinaus entscheiden) eingewiesen. Krankheit, Stürze…haben dazu geführt. Hauptsache schnell ein Problem lösen. Ich hatte einen pflegebedürftigen Mann, der im Hospiz verstorben ist. Nachdem meine Mutter nach vier Heimmonaten auch verstorben war, hat mein Vater noch durchgehalten. Ich bin jeden Tag im Heim gewesen, habe mich durch meine Präsenz unbeliebt gemacht. Die Pflege war und ist eine einzige Katastrophe. Wo soll das enden?
Birgit Liebert


Leserbrief zu „Die bösen Deutschen“ von Maxim Biller

Wenn die Schriftstellerin Deborah Feldman in ihrem Buch „Judenfetisch“ gegen den Zeit-Autor Maxim Biller austeilt, ist dies für die ZEIT Grund genug, ein geführtes Interview mit ihr nicht zu veröffentlichen, um die Gefühle des Autors nicht zu verletzen. Nun pöbelt Max Biller fröhlich gegen Frau Feldman. Das findet die ZEIT offenbar okay. Er beleidigt sie und wirft ihr vor, Israel zu hassen. Das ist Unsinn.  Was sie an Israel stört, sind die fundamentalistischen religiösen Menschen dort. Die ZEIT agiert nach Gutsherrenart. Irre Zeit.
Bernhard Koch


Leserbrief zu „Sind wir wirklich alle Narzissten?“ von Verena Friederike Hasel

„Sind wir wirklich alle Narzissten?“ Ja, und das ist kein neues Phänomen. Spätestens mit Beginn der Industrialisierung setzte eine Entwicklung ein, die uns als Spezies zu NarzisstInnen schlechthin gemacht hat. Vor allem in urbaner Umgebung spielt sich das (menschliche) Leben heute fast ausschließlich in von Menschen geschaffenen physischen und sozialen Strukturen ab. Unsere Lieblingszeitung ist mittendrin: von Menschen für Menschen gemacht, berichtet sie über die menschliche Politik, die menschliche Wirtschaft, von Menschen geschaffener Kunst und Kultur, über Trends in menschlichen Freizeitbeschäftigungen und im menschlichen Konsum. Wir sind so sehr in unserer Blase gefangen, dass wir sie nicht als Blase erkennen. Draußen gibt es mehr als 700 Millionen Spezies, die mit uns diesen Planeten teilen. Wer beschäftigt sich ernsthaft damit? Es herrscht narzisstische Nabelschau, so weit das Auge reicht, und das ist nicht weit. Unser Weltbild ist durch und durch anthropozentrisch.
John Stevens


Leserbrief zu „Waren Sie zu naiv, Mojib Latif“. Gespräch mit Mojib Latif geführt von Stefan Schirmer und Martin Spiewak

Da fahren, fliegen oder schippern bis zu 100.000 Teilnehmer zu irgendwelchen Weltklimakonferenzen, um es sich mal wieder irgendwo auf der Welt gut gehen zu lassen und um einiges zu bequatschen. Vielleicht sprechen diese Teilnehmer auch darüber wie viel CO2 sie gerade nur für ihre Anreise in die Atmosphäre verpulvert haben, um an den Wunschort ihres Klima-Gipfels gelangen zu können (die Rückreise ist da noch gar nicht berücksichtigt). Vielleicht interessieren sich diese angeblichen Experten auch gar nicht für so banale Dinge, wie für den Ausstoß von CO2 bei deren An- und Rückreise!? Für mich gibt es weder ein globales Klima noch eine globale Lufttemperatur oder gar eine globale Erwärmung. Klima findet überall, zwar ständig, aber immer unterschiedlich statt. Wenn ich früh am Morgen von Büchenbach mit der S-Bahn nach Nürnberg fahre, so herrscht in Büchenbach ein anderes Klima als in Nürnberg. Dieses sogenannte globale Weltklima ist eine rein theoretische Erfindung aus dem Labor der Statistiken und Hochrechnungen.
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Das Euter ist ein perfektes Umfeld“. Gespräch mit Martin Beer geführt von Tom Kattwinkel und Florian Schumann

Die Texte des selbsternannten „Pressesprechers“ von Herrn Drosten, Florian Schumann, waren mir bereits in den Anfängen der Corona-Zeit (2020) aufgefallen. Nun warnt Florian Schumann vor der Vogelgrippe… Ich hatte gehofft, die ZEIT hätte aus der Corona-Ära gelernt, dass es Aufgabe der Journalisten ist, der Politik, ihren Beratern und Pharmakonzernen nicht blindlings zu folgen, sondern deren Aussagen kritisch zu hinterfragen. Die Hoffnung war offensichtlich vergebens, wie der neue Beitrag von Herrn Schumann & Co zeigt. Zur seriösen Einordnung des Geschehens empfehle ich Ihnen folgendes Gespräch:  https://www.achgut.com/artikel/wird_jetzt_die_vogelgrippe_die_neue_pandemie. Noch eine Frage: Wann findet die ZEIT endlich zur alten journalistischen Qualität zurück?
Ute Baumgarten