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21. September 2023 – Ausgabe 40

Leserbriefe zu „Die Box“ von Mariam Lau

Seit Jahren schätze ich Sie und Ihre journalistische Arbeit sehr. Daher erlaube ich mir folgende Frage zu obigem Artikel: Wozu endet Ihr Text mit dem Hinweis, dass Dorothee Bär „seit einiger Zeit einen Jagdschein und vier Langwaffen“ besitzt. Wohlgemerkt, ich frage nicht warum?, ich frage wozu?
Kurt Eimers

Beachtlich, dass eine Frau wie Dorothee Bär sich des Themas angenommen hat, es können gar nicht genug Menschen sein, die sich von der in Deutschland praktizierten „Liberalität“ angewidert abwenden. Alleine das Foto im Artikel spricht doch Bände über die menschenunwürdige Praxis, die sich hier hinter der Freigabe der Prostitution versteckt. Als das Gesetz eingeführt wurde gab es stramme SPD-Frauen, die Referate mit dem Titel hielten: „Prostitution als Beruf“. Diese Ambitionen hinter dem damaligen Gesetz mögen ehrenwert gewesen sein, die Realität war schon immer abgrundtief Frauen verachtend. Und die nordischen Länder machen es uns vor. Der Freier wird bestraft, nicht die Frau. Prostitution wird geächtet und der Respekt vor Frauen gestärkt. Das ist der Weg! Es gibt keinen andern. Ich weiß nicht, was Deutschland davon abhält, endlich den schlimmen Makel als „Bordell Europas“ zu gelten, abzulegen.
Brigitte Kosfeld

Ein guter Artikel über ein tatsächlich katastrophales Problem, der den Einsatz zur Hilfe dieser Frauen nötig macht, zweifellos. Aber können Sie mir den letzten Absatz in Ihrem Artikel, den Jagdschein und die vier Langwaffen, dazu nochmal erklären?!
Friedhelm Groppe

 

Danke, dass Sie diesen erschreckenden, notwendigen, teilweise widerwärtigen Beitrag recherchiert und geschrieben haben. Ich fürchte, die von Ihnen beschriebenen Probleme sind nicht auf die Prostitution beschränkt. Die Beschreibung der Verletzungen von Prostituierten erinnern mich stark an jene von Frauen, die Gewalt in Partnerschaft und Ehe erfahren. Ein Mann, der eine Prostituierte körperlich und/oder seelisch misshandelt, demütigt oder in anderer Form ihr die Menschenwürde abspricht, wird das m.E. genauso bei seiner Partnerin/Ehefrau/Geliebten tun, sobald ihm ihr Verhalten nicht passt. Es geht also nicht nur darum, dass in unserem Land kein Mensch das Recht hat, eine Frau „zu kaufen“, sondern dass in unserem Land und weltweit kein Mensch das Recht hat eine/n andere/n zu kaufen/besitzen/misshandeln/entwürdigen. Das betrifft Männer und Frauen und andere, Eltern und Kinder, Menschen verschiedener Hautfarbe und Herkunft.

Vielleicht würde bei Gewalt gegen Frauen vorerst ein Ausgehverbot für Männer, insb. junge, helfen, sofern sie nicht von einer Frau begleitet werden, die für ihr korrektes Verhalten bürgt? Eine unsägliche Freiheitsbeschränkung? Nun, nicht schlimmer als die „guten Ratschläge“ an Frauen, nicht alleine aus dem Haus zu gehen (bzw. ihnen die Schuld zu geben, wenn sie diese Ratschläge ignorieren und ihnen etwas zustößt). Ich habe diese Ratschläge seit meiner Jugend gehört und sie haben mich immer wütender gemacht, weil die möglichen Opfer ihrer Freiheit beraubt wurden und nicht die möglichen Täter. Leider löst das nicht das Problem der Gewalt gegen Frauen im privaten Raum. Und es wird natürlich auch kein solches Gesetz geben. Also müssen wir einen anderen Weg finden, die Verachtung und Entwürdigung der Schwächeren zu beenden (eine Verachtung, die auch manche Frauen äussern, wenn sie selbst die Stärkeren sind). Und nochmals leider habe ich keine gute Idee, wie diese Änderung zu bewerkstelligen ist. Bitte bleiben Sie an diesen üblen Problemen dran. Sie haben meine aufrichtige Hochachtung, dass Sie sich damit auseinandersetzen. Mir fällt es schon schwer nur darüber zu lesen.
Sabine Moehler

Die Liberalisierung der Prostitution in Deutschland ist auf ganzer Linie gescheitert. Gemäß einer frz. Studie liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Prostituierten bei 33 Jahren. Da von Selbstbestimmung und von „ein Job wie jeder andere“ zu faseln, ist menschenverachtend. Der Staat unterstützt nicht die arbeitsrechtliche und medizinische Situation von Prostituierten, sondern einzig und allein deren wirtschaftliche und sexuelle Ausbeutung. Es wird höchste Zeit für das schwedische Modell und die konsequente Kriminalisierung von Freiern und Zuhältern.
Claudia Reuter

Wer beim Anblick dieser verschleiernd „Ecotoilette“ genannten Verrichtungsbox und der Vorstellung, was sich in dieser Holzkiste abspielt, nicht von Ekel und abgrundtiefer Scham gepackt sofort im Boden versinken möchte, muss schon einen extrem hartgesottenen Blick auf die Menschheit haben. Und wer das, was die Frauen dort für wenig Geld mit sich machen lassen müssen, „eine Arbeit wie andere auch“ nennt, und obendrein den offenbar immer wieder gern bemühten Mythos von der selbstbestimmten Prostituierten aufwärmt, der das angeblich Spaß macht, redet sich gewaltig was schön. Natürlich geht es da nicht um Sex, sondern um die männliche Lust an der Demütigung der Frau, das sehen Frau Bär und Frau Breymaier völlig richtig. Statt das achselzuckend als nicht zu ändernde gesellschaftliche Realität anzusehen, wäre das von beiden Politikerinnen präferierte „Nordische Modell“ sicher ein besserer Ansatz. Frauen sind keine Objekte, die man kaufen und nach Belieben benutzen kann. Gestatten Sie mir allerdings bitte eine Frage zum Schluss: Was haben der Jagdschein und die Langwaffen von Frau Bär mit dem Thema zu tun bzw. in dem Artikel zu suchen?
Heinz Wohner

So bedauerlich der Zustand in dem betreffenden Berliner Bezirk auch ist, kann ich Ihnen meine Kritik nicht ersparen, wenn Sie so ausführlich, und das noch direkt auf der zweiten Seite veröffentlichen. Die Wochenzeitung DIE ZEIT ist doch kein Boulevardblatt. Ich bin davon überzeugt, als ein langjähriger Leser ihres Leserkreises, das unter Marion Gräfin Dönhoff nicht oder zumindest, wenn schon in der Form eines kurzen Artikels in einer anderen Rubrik Platz gefunden hätte.
Klaus-Dieter Michel

Vielen Dank für diesen „Augenöffner“, was die Prostitution in Deutschland anbelangt. In unserem Land wird seit über 20 Jahren unter dem Deckmantel des Selbstbestimmungsrechts einer unglaublichen Entwürdigung von Frauen Raum gegeben, von denen die allermeisten nicht selbstbestimmt, sondern oft durch brutale Gewalt gezwungen, dieser entwürdigenden Tätigkeit nachgehen müssen, aus der es für viele keinen Ausweg gibt. Die richtige Antwort darauf ist das Nordische Modell, wie es in Ihrem Artikel beschrieben wird. Leni Breymeiers Satz vom Phantasma der Selbstbestimmung trifft meines Erachtens den Nagel auf den Kopf.
Martin Gebhardt

Das Elend des Berliner Straßenstrichs mit Sex auf Plumpsklos, Gewalt und Drogen als Aufhänger für eine Diskussion über die Liberalisierung der Prostitution zu verwenden halte ich für eine sehr einseitige, geradezu irreführende und offenbar auch nicht ausreichend recherchierte Darstellung. Es gibt auch viele Bordelle und Privatwohnungen, wo den Damen mit Respekt begegnet wird, und ich bin überzeugt, dass es den meisten der männlichen Kunden um positive Erlebnisse und eine Dienstleistung geht – und nicht darum, Frauen zu „kaufen“ oder zu unterdrücken. Sicherlich ist die Arbeit als Prostituierte oft psychisch belastend und mit Risiken verbunden – dennoch gibt es Frauen, die diesen Job aus freien Stücken wählen und manche von ihnen machen diesen meiner Erfahrung nach sogar mit Freude und Herzblut.

Die üblichen Preise bewegen sich (im Gegensatz zu den genannten Dumping-Preisen von 5-10 €) häufig übrigens bei 80-100 € für eine halbe Stunde und 150 € für eine Stunde – wohlgemerkt ohne „Extras“ und erniedrigende Sexpraktiken. Ich habe schon Frauen kennengelernt, die auf diese Weise ein Haus in ihrer Heimat abzahlen können und besser verdienen als mancher Angestellte in Deutschland. Die absolut unterste Schublade des Rotlicht- und Drogenmilieus als Argumentationshilfe für das Nordische Modell oder das von Dorothee Bär propagierte „Sexkaufverbot“ heranzuziehen ist in meinen Augen unsachlich und dreist und ich frage mich schon, wie ein solcher Artikel auf Seite 2 in der „Zeit“ landen konnte?!
Peter Müller

Zurzeit wird ja viel über die Rolle der Journalisten bei der Berichterstattung diskutiert. In diesem Kontext möchte ich den letzten Abschnitt im Artikel „Die Box“ verstehen: “Dorothee Bär, die konservative Feministin, besitzt seit einiger Zeit einen Jagdschein und vier Langwaffen. Sie ist Mutter von drei Kindern…“Warum werden der Jagdschein und die Waffen erwähnt?
Sylvia Brunold

Liebe Frau Bär, wenn Sie nicht bei der CSU wären, würde ich Sie wählen.
Sven Prevrhal

Es ist schon irgendwie komisch, dass plötzlich so getan wird als seien die sog. Verrichtungsboxen ganz normale Toiletten und auch nur als Toiletten für Passanten aufgestellt worden. Dabei war die Aufstellung eine Empfehlung vom Runden Tisch Sexarbeit zur „Vermeidung von offenem Vollzug“. Und bevor die ersten beiden 2018 aufgestellt wurden, haben sich die Verantwortlichen in Berlin Verrichtungsboxen in anderen Städten angeschaut. Aber aus Platzgründen wurden „Toiletten mit Doppelfunktion“ errichtet. Und wie sagte schon die ehemalige Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Barbara König (SPD), im Oktober 2019: „Die Bio-Toiletten im Kurfürstenkiez werden gut als Verrichtungsorte angenommen.“
Gerhard Schönborn

Der Artikel soll und wird wohl auch Betroffenheit auslösen. Wenn es belastbare Aussagen gibt, “ dass man Frauen hier in den Mund scheißen dürfe, auch das für wenig Geld“, wie es Ihre Autorin suggeriert, dann habe ich für dieses abartige Verhalten, keine Worte, die nur annähernd meine Betroffenheit mit den Frauen und meinen Ekel und meine Abscheu gegenüber den Tätern und dem Vorgang ausdrücken können. Mich beschäftigt eine derartig menschenverachtende Aussage sehr stark. Und vor allem denke ich, dass eine derartige Vermutung –, oder haben Sie handfeste Beweise – nicht in der gewählten Wortwahl hätte gedruckt werden sollen. Mir als Leser können und sollen Sie viel zumuten, aber nicht alles ist erlaubt. Es gibt Grenzen. Ihrer Autorin fehlt aus meiner Sicht in dieser Passage des Artikels die Kompetenz, ein derartiges mögliches Verbrechen gegen die Menschenwürde nicht reißerisch zu vermitteln.
Hans-J. Pierson

Es ist wirklich höchste Zeit, die Folgen der Liberalisierung der Prostitution in Deutschland kritisch zu durchleuchten. Der Beitrag von Mariam Lau mit seinen vielen erschreckenden Detailanalyen könne ein weiterer Augenöffner sein. Was mich in diesem Zusammenhang besonders erschreckt, ist die Haltung der SPD in dieser Frage. Nach aktueller Beschlusslage scheint eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten zu den Verteidigern des Systems zu gehören. Meine Empfehlung dazu ist, einmal bei dem sozialdemokratischen Urvater August Bebel nachzulesen. Bereits 1879 schieb er in seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“, dass „ehrbare Familienväter“ mit ihrem Geld dazu beitrügen, das System der Prostitution aufrecht zu erhalten.

Die Verantwortung dafür werde ihnen, so Bebel, „großzügig erlassen“, sie verschwinden in der Anonymität. Wie sind heute offensichtlich immer noch auf dem Stand gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Auch ein anderer großer Sozialdemokrat, der 1986 ermordete Olaf Palme hatte bereits zu Beginn der 80er Jahre in der damals populären Talk-Show III nach Neun, von schwedischen Erfolgen bei der Bekämpfung der „käuflichen Liebe“ berichtet. Aus seinen Erkenntnissen ist schließlich das heute auch hier diskutierte sog. Nordische Modell (sexköpslagen) entstanden. Das Thema ist aber in allen Parteien umstritten. Vermutlich wird dann (leider) alles so bleiben wie es ist, gemäß dem alten Mythos von der „Prostitution als dem ältesten Gewerbe der Welt“.
Joachim Kasten

Nicht „die Box“ ist das Problem, sondern das Unvermögen zu erkennen, ob es sich um eine freiwillige sexuelle Dienstleistung handelt und dann sicherzustellen, dass nur eine solche straffrei angeboten werden darf. Über eine professionelle, amtlich bescheinigte Freiwilligkeit könnte der wichtigste Eignungsnachweis für jede sexdienstleistende Person sichergestellt werden und jenseits dieses Kriteriums kann die Strafverfolgung beginnen.

Das ist besser als eine pauschale Kriminalisierung von Freiern und/oder Prostituierten. Das Gebot muss lauten: hinschauen und dieser unsäglichen Verrohung aktiv begegnen, denn nur dann hat eine liberale, demokratische Gesellschaft die Chance, sich gegen autoritäre Anfeindungen von innen und gegen einen moralischen Krieg autokratischer Systeme von außen zu behaupten.
Jürgen Pilz

Ich würde gerne wissen, was die Information über den Jagdschein und die Waffen von Frau Bär zum Artikel beiträgt. Ich bin politisch links verortet und verstehe etwa, worauf Miriam Lau hinaus will, jedoch finde ich diese Info hier rhetorisch sehr unglücklich. Sind solche zusammenhanglos eingeworfenen Pauschalkeulen nicht rhetorisches Mittel genau derer Gruppen, denen die Zeit mit ihrem Streben nach Fakten und Wahrheit etwas entgegensetzen will? Ich finde, um genau dem etwas entgegenzusetzen, ist höchste Vorsicht geboten in der Sprache, um nicht selbst angreifbar zu werden. Hier wirkt diese Info auf mich wie ein Versuch, die ohnehin schon deutliche Position der Autorin nochmal zu unterstreichen. Nur wird Sie hier persönlich gegenüber Frau Bär und es wirkt fast wie der Versuch, ihr die Legitimation ihrer Meinung zum Thema abzusprechen. Das wirkt einfach unglücklich.
Moritz Pfister

Es mag ja Frauen geben, die sich aus freien Stücken prostituieren, aber die Mehrzahl der Prostituierten tut dies aus purer Not und unter Zwang. Vom ältesten Gewerbe der Welt oder einem Beruf wie jedem anderen zu sprechen, ist nicht nur ein Euphemismus, sondern blanker Hohn. Es ist ja keine Auszeichnung für unser Land, als größter Puff Europas bezeichnet zu werden. Aber es ist die Wahrheit. Wir sollten uns schämen, dass vor unseren Augen Frauen ausgebeutet, gedemütigt und missbraucht werden. Je größer die Not der Frauen in den Herkunftsländern, desto billiger sind sie zu haben. Wir sollten endlich den Schlussstrich unter die Prostitution ziehen, wie es sich für ein gesittetes Land gehört.
Wolfgang Wendling

Welch ein menschentragisches, ebenso literarisch-einprägendes Drama: berichtet und beschrieben von Mariam Lau! Als 16jähriger Junge (Jahrgang 1949) bin ich zur See gefahren, fort von den Zwängen aus den konservativen Besichtigungen und Ansichten der gestrigen (auch den noch braunen) Verhaltensstrukturen: wollte daraus frei sein, hatte Paul Gauguin mir verinnerlicht, Villon, Rimbaud und die Rolling Stones schürten das Feuer der erwartbaren Selbstbefreiung in mir – und ich kam dann auf den verschiedenen Frachtschiffen in einen Haufen von Männern, die nichts anderes ausleben wollten: als Saufen und (auch) in fernen Ländern: exotisch zu Ficken… Von Hamburg oder Bremen aus fuhren diese Schiffe nach Südamerika, nach Zentralamerika, in die Südsee nach Tahiti, Neu-Kaledonien, die Tonga-Inseln und weiter nach Australien usw. auf den Weltmeeren ins Irgendwohin… Das vorrangige Thema dieser Seemänner der Mannschaften waren die Frauen in den Häfen, zumeist käufliche Prostituierte: ob nun die Verheirateten an Bord oder die Ledigen gierig hechelten – die vielen Tage und Nächte auf See wurden zumeist mit und von Alkohol sowie Drogen berauscht und überbrückt: bis zu den Erwartungen dort an Land bei den Frauen, die auf solche Seemänner als Freier warteten: da jene Unbürgerlichen das Geld locker und ohne Hemmungen fürs Besaufen und Sex raushauten, die Sau rausließen. Ich selber wurde im Hafen von Vera Cruz (Mexico) vor versammelter johlender Mannschaft in der „Messe“ von einer gekauften, prallen Prostituierten nicht nur zur Brust genommen, sondern auch öffentlich gevögelt – das gehörte zum dortigen Seemanns-Ritual meiner dann anerkannten Zugehörigkeit: und ich war ab da nunmehr mit dabei, einer von ihnen in ihren enthemmten Abenteuern und Lebensorgien. Ich hätte mich vor dieser „Vergewaltigung“ nicht drücken können – ansonsten wäre ich bei den Seemännern als Seemännchen untendurch gewesen: und das kam einer Verächtlichmachung meiner Person gleich, genauso wie eben auch das Ritual der „Äquatortaufe“ sein musste… Späterhin hat dann auf einem der Schiffe einer der Kapitäne meinen doch seriösen Eltern einen Brief geschrieben (der aus dem Jahre 1967 noch existiert!), dass er solch einen Schiffsjungen in seiner jahrzehntelangen Seefahrt noch nie erlebt habe: einen in kurzer Seefahrtzeit so verwilderten, rebellischen und absolut hemmungslosen Seefahrer in so jungen Jahren… Zu erkennen war also: diese wilden Jahre auf See (mit diesen „Piraten“) und in den Häfen der Welt: hatten auf mich abgefärbt bis unter die Haut – und somit war dann ein bürgerliches Leben auch nicht mehr möglich: ich wurde hinfort ein berauschter freier Künstler und erweiterte jenes Leben auf See dann mit schwankendem Gang an Land in den eigenen Ateliers in den Jahrzehnten als Maler, Dichter, Schriftsteller, Spieler und Jongleur im jeweiligen Lebensanteil ohne Ehen, Kinder und ohne Götter sowie den Monotheismus oder überhöhende Erwartungen an das „Gute-Schöne-Wahre“ im unsteten Menschen-Dasein – denn dagegen sind schon unsere Triebe (auch nach Geld und Macht) der falsche Antrieb für ein sogenanntes gesegnetes, reines Leben ohne die komplizierten Höhen und Tiefen, Stürze und Abstürze… Und wer werfe da den ersten Stein auf das gläserne Schiff, wer da ohne Sünde an Land sich aufhält und oft keinen Halt in seiner Un/Anständigkeit findet…

Diese Vorschau musste sozusagen sein, um zu verdeutlichen: wie das komplizierte Leben einen mit hineinmanövrieren kann in die verwilderten Lebensrituale – gleichwohl muss ich bekennen: dass die Lust und Freude an der Sexualität und „Liebe“ nicht von gekauften Frauen kommen kann: das sind dann letztlich nur zwei Körper, die sich fremd bleiben und auch keine (seelische) Harmonie vorfinden werden, mal ganz abgesehen davon, dass das Herz (nicht nur als Klischee) nicht verliebt mitschlägt in den (möglichen vorhandenen inneren) Empfindungen… Beide Seiten sind nichts als Ware, derjenige bezahlt und wird von derjenigen dafür sexuell befriedigt. Niemand sollte sich zwar darüber erhaben fühlen wollen, wenn doch er/sie in den Abläufen von sexuellem Antreffen wechselnder Erfahrungen mit Partnerinnen und Partnern: vielleicht hierbei auch nach der „wahren Liebe“ noch gesucht wird – und dafür zwar nicht direkt das Geld „davor oder danach“ auf den Tisch gelegt wird, aber dennoch irgendwie es zu in/direkten „Bezahlungen“ so oder so kommt auf welche Art und Weise auch immer…

Und wir wollen die sogenannte „Liebe“ auch nicht überstrapazieren, wenn sie in den Ehen sich verankert und es dann doch immer wieder zu den Ehescheidungen mit viel Hass und Trennungswut (einseitig?) kommt – und die andere Ehehälfte oft verdammt wird… Letztlich ist dieses Heiraten auch eine Art von erwarteter Versicherung: dass die andere Person nun vom sexuellen Fleischmarkt weggeheiratet wurde und dadurch körperlich treu bleibt – was auch wiederum (fast natürlich zwangsläufig) bei längerem, langem Beisammensein zu reizlosem, sexuellen Schachmatt führen kann. Jedoch sind der sexuelle Antrieb und Trieb mit ein Hauptmotiv für die Ehe – wie schon beschrieben auch aus den Gründen: diesen Menschen sexuell ganz für sich allein zu „besitzen“! Machen wir uns doch dabei nichts vor: wir ticken und ficken so! Garantiert aber auch dies keine heile Welt – und wenn ja: dann oft doch seeehr laaangweilig und belanglos dahintreibend? Eigenartig überdenkbar: dieser philosophische Kyniker Diogenes (in der Tonne), der wie ein Hund (altgriechisch: Kyon) leben wollte, hat die Sexualität mit einer Frau oder einem Mann als Abhängigkeit auch zu sich selbst empfunden und er wollte möglichst insgesamt im Leben absolut frei sein – hat dieserhalb sich sexuell selbst befriedigt plus seines bewusst kargen und genügsamsten Lebensanspruchs.

Wenn der RvM-Leserbriefschreiber DIE BOX-Texte von Mariam Lau in DIE ZEIT liest , wird ihm nicht nur menschlich-psychisch schlecht, sondern ihm zudem weiterhin bewusster: welcher dreckige Wahnsinn sich (nicht nur dort auf der Kurfürstenstraße) abspielt und wie tief wir Menschenfiguren in den vorhandenen Sumpf des Lebens sinken können – und wie traurig sich der Text in einem niederschlägt, wenn von Mariam Lau dort aus der Anlaufstelle von Prostituierten aus dem „Café Neustart“ in Berlin anteilig zu lesen ist: „Aber manchen sieht man die Verbreitung von Crack in der Szene an. Einigen fehlen die Vorderzähne, ihre Gesichter sind fahl und ausgehöhlt, sie reden wirr vor sich hin, schreien kurz auf oder rennen quer über die Straße. Dorothee Bär (RvM: die Leiterin des Café Neustart) hat hier einmal gesehen, wie eine Frau aus dem Auto auf den Bürgersteig geworfen wurde.“ Wie ist solch ein tragisches Leben nur irgendwie zu ertragen – und welche (unvorstellbaren?) Männer nutzen und benutzen solche Lebenswracks auch noch für ihre geilen Befriedigungen aus! In dem äußerst notwendigen Artikel von Mariam Lau kommen zwei gegensätzliche Meinungen zu Wort: zum einen verdeutlicht die Leiterin der Hilfsorganisation für Prostituierte „SWERF“, Lonneke Schmidt-Bink: Zum Sexverkaufsverbot sagt sie ein klares Nein: „Das hilft niemandem, weder den Zwangsprostituierten noch den Freiwilligen.“ „Alles verschwände dann nur im Dunkeln, die Gewalt nähme zu, und Hilfsorganisationen verlören den Kontakt zu den Frauen.“  Dorothee Bär vom „Café Neustart“ sieht das genau gegensätzlich: „Ihre Bestrebungen laufen auf das sogenannte Nordische Modell heraus, wie es zuerst in Schweden, dann in Norwegen, Kanada, Island, Frankreich und Israel angewandt wurde. Es soll die Prostituierten selbst schützen und ihnen Ausstiegsangebote machen, aber Freier, Zuhälter und Betreiber von Bordellen: bestrafen – weil Sexkauf als Verletzung der Menschenwürde, manchmal sogar als „fahrlässige Vergewaltigung“ betrachtet wird. „Es ist wirklich paradox“, sagt Leni Breymaier. „Für unsere Nachbarländer ist das Entscheidende die Menschenwürde. Bei uns ist es das Phantasma (RvM: Sinnestäuschung/Trugbild) der Selbstbestimmung.“

Die Behörden in diesem Berliner Viertel um die Kurfürstenstraße: haben Bretterhäuschen (sogenannte „Ecotoiletten“) öffentlich aufgestellt, wo sich die Prostituierten und Freier zum käuflichen Sex einfinden können oder auch sich die Spritze gegeben werden kann – alles zumeist im Minutentakt auf die Schnelle und unter welchen dreckigen auch äußeren Bedingungen: Entsetzlich und ekelhaft und wahrlich menschenunwürdig! „In Deutschland sind etwa 40.000 Prostituierte offiziell behördlich gemeldet. Sozialversicherungspflichtig bundesweit allerdings nur 40 Frauen. Wieviele Menschen sich in Deutschland prostituieren, ist unklar; es kursieren Zahlen von 200.000 bis 400.000.“  Als Mensch im Mann ist mir dieses Vorhandensein an Menschenbenutzung peinsam und tragisch zuwider – gleichzeitig aber frage ich mich, wie diese vielen Millionen Männer: die aus welchen Gründen auch immer keine „legale“ Frau auffinden oder vorfinden, ihre sexuellen Triebe befriedigen könn(t)en ohne auf Dauer durchzudrehen… Ist hier nicht die Prostitution eine Hilfe auch für die „Gesellschaft“: dass es nicht zum vergewaltigenden Auftrieb kommt – und somit die allgemeinen Frauen vor derartigen Männern geschützt bleiben… Der RvM weiß, alles ist hierzu (auch von mir) letztlich irgendwie „dahergeredet“ – und ich bin selber Mann und weiß, wie die Sexualität uns Männer vor uns hertreibt und nicht umsonst heißt es aus dem Volksmund: „Steht der Schwanz, ist der Verstand im Arsch!“ Zeus soll schon (als Stier verwandelt) die Prinzessin Europa nach Kreta entführt und sie dort vergewaltigt haben… („Europa“ – kommt daher unser Europa-Name?) Was sagt uns das als Männermenschen: haltet Euren Schwanz im Zaum und seht zu, dass ihr (wie auch immer ihr ausschaut, sozial und geistig irgendwie dabei seid) – eine Frau findet, die Euch ebenso sympathisch und anziehend/ausziehend empfindet und es vielleicht sogar zu einer zweisamen Liebesverbindung kommen könnte… Alles andere ist doch letztlich nur Körpergymnastik ohne innere wesentliche gemeinsame Gefühle – und solltet ihr Männer und Frauen den fast (seelisch und körperlich) unerträglichen aber notwendigen Artikel in DIE ZEIT von Mariam Lau gelesen haben oder hoffentlich noch lesen (auch in öffentlichen Bibliotheken ZEIT-anteilig archiviert), dann kann nur die Quintessenz daraus sich folgern: Was einst die geilen, autokratischen Kurfürsten taten und was in Berlin auf der Kurfürstenstraße passiert – kann nicht als Vorhandenheit in unserem Leben so einfach verdrängt werden! Wenn der deutsche Staat die Menschenwürde im Grundgesetzt verankert hat, ist er ebenso auch verpflichtet: dieser Unwürde Einhalt zu gebieten und sich an den Staaten und Länder zu orientieren – die den Sexkauf als Verletzung der Menschenwürde verfolgen und bestrafen. Vorerst aber sollten wir stellvertretend diesen helfenden Frauen des „SWERF“ und des „Cafe Neustart“ danken: die sich um jene Frauen bekümmern, die ihre Vorhandenheit in jenem tragisch aufgezeigten Dasein überleben müssen. Mea culpa!
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Das gängige, aber unterkomplexe Framing einer Konservativen, die „seit einiger Zeit einen Jagdschein und vier Langwaffen“ besitzt, passt vielleicht in das Weltbild des Autors und das angestrebte Narrativ von Dorothe Bär, aber nicht zum heutigen Frauenbild. Vielmehr sollten gerade die progressiven Positionen gehört werden, die einen Paradigmenwechsel in der bisherigen Unionspolitik fordern. Gleichzeitig verfängt inhaltlich das Argument, Prostitution verlagere sich bei einem Verbot ins Dunkelfeld, nicht, denn Prostitution braucht Öffentlichkeit, also einen für den Konsumenten auffindbaren Markt. Deshalb forcieren die dauerhafte Verfügbarkeit und das große Angebot an Prostitution, menschenunwürdige Bedingungen. Die Befürworter müssen die bittere Pille der Realität schlucken: Es gibt keinen Schutz von Frauen in der Prostitution, sondern nur vor Prostitution.
Jonas Deuringer

Danke für diesen aufschlussreichen Artikel zu den entwürdigenden Bedingungen, in den Frauen in der Prostitution ausgenutzt und entmenschlicht werden. In der Prostitution geht es nicht nur um Macht über Frauen, sondern auch um Geld. Die jährlichen Umsätze in diesem Bereich liegen bei 15 Mrd. Euro, vornehmlich unter Bordellbetreibern, Zuhältern, Schleppern und Schleusern aufgeteilt. Nachzulesen u.a. in Recherchen von Kriminalbeamten wie Manfred Paulus und Helmut Sporer. Dieses Milliardengeschäft wird in Deutschland mittlerweile von Clans und Rockergruppen dominiert. Im Landkreis Stade setzt sich die Kampagne „Rotlicht aus!“ mit zahlreichen Akteurinnen und Akteuren für das Nordische Modell ein und veranstaltet regelmäßig Informationsveranstaltungen zur Sensibilisierung. Damit Deutschland nicht weiterhin als „Bordell Europas“ gilt.
Sonja Domröse


Leserbriefe zu „Hilflos und gereizt“ von Paul Middelhoff

Die Asylpolitik der letzten 10 Jahre gleicht bis auf den Türkeideal einem Kampf gegen Windmühlen: viel serviert, nichts bewirkt. Der gordische Knoten ist die Rückführungsproblematik. Wer es bis zu uns geschafft hat, bleibt mit oder ohne Flüchtlingsstatus. Die Scheckbuchdiplomatie hat bisher nichts erreicht wohl auch, weil die Rücküberweisungen ein Millionenheer daheim alimentieren und mehr zählen als alle Entwicklungshilfe. Also muss dort angesetzt werden. Vorrang hat der Schutz des Gemeinwesens, erst dann folgt der moralische Imperativ. Obergrenzen sind dabei der hilflose Versuch, die Bevölkerung ruhig zu stellen, sie funktionieren nicht. Erst die Aussetzung aller Asyl- und Flüchtlingskonventionen führt zur Befriedung der Bevölkerungsmehrheit und der Einsicht, dass rd. 80 Jahre nach Kriegsende eben andere Maßstäbe gelten. Migranten würde der Zutritt verwehrt, Bootsflüchtlinge zurückgebracht. Parlamentarische Mehrheiten würden sich bei weiterem Erstarken der AfD finden mit oder ohne Brandmauer. Eine bittere Medizin, aber unabänderlich, vermutlich in Europa sogar mehrheitsfähig.
Christoph Schönberger

Ihren Artikel habe ich mit Interesse gelesen. Auch wenn es keine simple Lösung gibt, ist eines höchst wahrscheinlich: Wenn die Regierung die Grenzen nicht schützen oder wenigstens kontrollieren kann, macht sie sich lächerlich und bereitet der AfD den Weg. Wenn die Flüchtlingszahlen nicht heruntergehen, wird die Stimmung in der Gesellschaft von freundlich ins Gegenteil umkehren. Integration ist dann eine Illusion. Vielleicht ist dieser Punkt schon überschritten. Und wenn ich feststellen muss, dass meine Enkel in Klassen schlecht unterrichtet werden, in denen deutsche Kinder eine Minderheit sind und die Lehrerin mit einigen englisch sprechen muss, weil sie kein Deutsch können, finde ich das nicht mehr lustig. Die Diskussion um das Asylrecht macht mir auch Schwierigkeiten. Ich habe den 2. Weltkrieg noch erlebt, und wir konnten nirgends hin flüchten. Vier meiner Cousins, alle um die 20 Jahre, sind gefallen, einer wurde schwer verwundet. Wenn nun ein Flüchtling mit Hilfe teurer Schlepper illegal in unser Land kommt, ohne überzeugende Gründe für politisches Asyl zu haben, dann hält sich meine Sympathie in Grenzen.
Dr. Walter Engel

Hat man je in einem Leitartikel die vom Autor eingeforderte „überzeugende Idee“ gelesen, wie man das Problem ansatzweise lösen könnte. Stattdessen auch in der ZEIT immer wieder allgemeine Appelle an Werte und Menschenrechte. Wo aber soll das alles hinführen, wenn 20 Mio. Ukrainer, 50 Mio. Araber und 200 Mio. Afrikaner sich nach Europa und vor allem nach Deutschland aufmachen? Was das für unser Werteverständnis bedeutet, ist heute schon in deutschen Freibädern und Schulen zu besichtigen. Es gibt kein allgemeines Menschenrecht auf ein Leben bei uns. Und das muss endlich durchgesetzt werden.
Christoph Hartmann

Herr Gauck hat leider recht: Viele Kommunen sind am Limit, weil sie keinen Wohnraum für Flüchtlinge mehr haben, weil die Kitas und Schulen mit den Flüchtlingskindern überfordert sind, weil das Geld nicht reicht und Integration oft nicht gelingt. Deutschland darf, wenn es den potenziellen Flüchtlingen in den Herkunftsländern nicht weiterhin als das Gelobte Land erscheinen will, keine Anreize hinsichtlich der Aussichten auf Duldung und Lebensstandard selbst bei Ablehnung des Asylantrages bieten, die über jene in den anderen europäischen Staaten hinausgehen. Andernfalls wird Deutschland das bevorzugte Ziel von Flüchtlingen bleiben. Dass Deutschland viele Flüchtlinge aufnimmt und dafür viel Geld ausgibt, während andere europäische Staaten das nicht tun, leuchtet insbesondere den ärmeren Deutschen, die genauso wie die Flüchtlinge auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, schon seit Jahren nicht mehr ein. Der Aufstieg der AfD zeigt es. Die Bemühungen um die Anwerbung von Fachkräften im Ausland sollten unabhängig von der Flüchtlingsproblematik erfolgen und sich nicht an (künftige) Flüchtlinge richten, denn wenn Flüchtlinge wegen ihrer beruflichen Qualifikation geduldet und integriert werden, obwohl sie ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen gekommen sind, also kein Anrecht auf Asyl oder Duldung haben, wird sich das in den Herkunftsländern herumsprechen und den Zuzug weiterer Flüchtlinge zur Folge haben.
Ulrich Willmes

Tja, auch Herr Middelhoff hat keinen brauchbaren Vorschlag, noch nicht mal ansatzweise. Wozu also die vielen Worte? Die „europäische Lösung“ ist ein Hohlschwätz sondergleichen – das weißlängst jeder. Welches Land will denn Einwanderer aufnehmen? Selbst die einst hochgelobten Schweden sind jetzt mit ihrer „migrationsgestützten „Bandenkriminalität restlos bedient. Und „Fluchtursachen bekämpfen“ ist oberhohl: man fange doch einmal an – in Afghanistan, Syrien, Irak, Sudan, Türkei, Eritrea, Somalia, Mali, Niger usw. usw. Fakt ist: Deutschland hat dem Andrang ganz überwiegend bildungsferner und beruflich unqualifizierter Einwanderer – und wir erleben erst den wahren Anfang – nichts entgegenzusetzen. Die Aussicht, die Folgendauerhaft zu bewältigen, ist gleich null. Aus welchem Hut sollen denn die benötigten Deutschlehrer, Erzieher und Schullehrer gezaubert werden? Mit welchen Mitteln sollen denn die benötigten Wohnungen gebaut werden -und wohin? Schon die Integration der Einwanderer von 2015 ist überwiegend gescheitert – trotz aller Anstrengungen. Der beste Rat, den ich meinen Enkeln geben kann: lernt einen international verwertbaren Beruf – und dann haut ab aus Deutschland, so schnell wie möglich! Und die Seite 1 der ZEIT werde ich künftig konsequent überblättern.
Friedrich Schweikert

Diesem Kommentar kann ich nicht folgen. Bei einem so komplexen Thema kommt es aus meiner Sicht auf sachliche, unvoreingenommene Sprache, auf Argumente an. „Abschottung“ und „Festung Europa“ sind m. E. Kampfbegriffe zur Beendigung jeder sachlichen Debatte. Das Gegenstück dazu sind dann wohl Begriffe wie „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ und „Freizügigkeit für jedermann“. Weder das Eine noch das Andere sind Beiträge zur Lösung des Problems. Die seit 2015 de facto gewährte Freizügigkeit für Arbeitsmigranten und solche, die es hier auch ohne Arbeit aushalten, auf der einen Seite und die Flüchtlinge mit Rechtsanspruch auf Asyl werden sind völlig unterschiedliche Kategorien. Sie werden verallgemeinernd in einem Zusammenhang als Migranten bezeichnet. Dahinter steht möglicherweise die Absicht, die den Flüchtlingen zustehenden Attribute ebenso den Arbeitsmigranten zuzuschreiben. Solange aus Selbstverleugnung keine öffentliche klare deutsche und europäische Position zur Arbeitsmigration bezogen wird, ist der Ausgang dieser Entwicklung nicht absehbar. Weiterhin werden dank der sozialen Netzwerke die aktuell möglichen Wege nach Deutschland verbreitet. Wer Tausende Euro in den Transit bis hierher investiert und das Wort „Asyl“ ausspricht, wird dieses Angebot nutzen.
R. Reiger

Herr Middelhoff präsentiert in seinem Artikel eine in vielen Punkten richtige Analyse und auch sonst stimme ich ihm an vielen Stellen zu. Das Geraune von Herrn Gauck geht mir auch auf die Nerven, gefragt sind rationale und konkrete Schlussfolgerungen. Hier liegt aber genau das Problem des Artikels, da am Ende wieder Ideologie die Sicht verstellt. Was ist die bessere (und ehrlichere) Alternative: Menschen bis zur Klärung ihres Status in Italien festzuhalten, wie Frau Meloni, oder das Festhalten ohne klares Verfahren an deutlich fragwürdigere Staaten wie Tunesien auszusourcen, wie die EU das versucht?
Frank Scholze

Es ist schon erstaunlich, wie wenig in der Migrationsdebatte die demographische Perspektive mitgedacht wird. Ist in absehbarer Zeit erst einmal die Bevölkerung Afrikas von derzeit 1,5 Mrd. Menschen auf 2,5 Mrd. (2050) gewachsen, dann werden an einem einzigen Tag nicht 5.000, sondern vielleicht 50.000 Menschen in Lampedusa ankommen. Das wird Europas Möglichkeiten endgültig überfordern und alle Reste eines demokratischen Konsenses‘ zerstören. Ergo: bleibt der Migrationspolitik keine andere Wahl als sich grundlegend zu ändern, bevor das europäische Gemeinwesen endgültig kippt. Was nicht heißt, das Recht auf Asyl vor Verfolgung aufzugeben, aber eben nur da zu gewähren, wo es wirklich zutrifft, was manchen Ämtern nicht nur mehr Schnelligkeit, sondern auch mehr Kenntnisse abverlangt. Andrerseits für die Wirtschaftsmigration vorwiegend junger Männer-Millionen Einwanderungsregeln durchzusetzen, aber darüber hinaus in den Herkunftsländern Investitionen in Höhe des Bundeswehr-Sondervermögens für eine Zukunft der Menschen dort zu leisten, weil der ansteigende Migrationsstrom für das Leben in Europa mindestens ebenso bedrohlich ist wie die russische Aggression in der Ukraine.
Joachim Schürmann

Einst zogen Völkerwanderungen aus dem kalten Norden in den Süden, ans Mittelmeer; heute ziehen sie aus dem heißen Süden in den Norden, übers Mittelmeer! Früher wehrten sich die Einheimischen, bekämpften und vertrieben sie; heute, abendländisch humanistisch gewandelt, heißen wir sie dagegen willkommen, nehmen sie auf und versuchen, sie zu integrieren. Versäumt aber haben unsere Bundespolitiker, Grenzen der Belastung und Zumutbarkeit für ihr Volk zu ziehen und über die Folgen der Dauerimmigration für die Zukunft unseres Landes ernsthaft nachzudenken! Stattdessen klammern sie sich an verstaubte, völlig ungeeignete Asylgesetze, starren auf die ungebremste Einwanderung wie das Kaninchen auf die Schlange und schließen lieber die Augen als beherzt wie wehrhafte Demokraten zu handeln, den Auftrag ihres Amtseids zu erfüllen! Das aber, man glaubt es kaum, hat das hyggelige sozialdemokratische Dänemark getan! Kein Wunder, dass die SPD zu einer verschlafenen Splitterpartei geschrumpft ist!

Bevor es zum großen Migrationsknall kommt: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende! Die europäische Küstenwache muss die Schlepperboote von der (gefährlichen) Überfahrt nach Europa abhalten und Schiffbrüchige, die von den Schleusern ohne Skrupel in Kauf genommen werden, nicht nach Europa, sondern zurück an die nordafrikanische Küste bringen! So, wie die europäischen Staaten selbstverständlich die ukrainischen Flüchtlinge, müssen die Staaten der Arabischen Liga die Asylsuchenden und Flüchtlinge aus Asien, die Organisation Afrikanischer Staaten diejenigen aus Afrika in ihren Mitgliedsländern aufnehmen! Korrupten Regierungen, die es dort leider gibt, deren „Lebenszweck die Vermehrung ihrer Währung“ (EAV) zu sein scheint, muss der Geldhahn zugedreht werden, bis sie endlich für das Wohl ihrer Bürger, ausreichende Ernährung und Beschäftigung sorgen statt sie – Europa soll sich gefälligst um sie kümmern! – auf abenteuerlichen Wegen in eine ungewisse Zukunft ziehen zu lassen! Und endlich eine wirksame Geburtenkontrolle durchsetzen, um einen (erpresserischen) Dauerexodus zu verhindern!

Wie beim Klima, so droht auch bei einer Dauerimmigration ein Kipppunkt: wenn die Mehrheit unserer Bürger und Gemeinden sich strikt einer weiteren Aufnahme verweigert, wenn sie spürt, dass Politik nicht mehr für sie gemacht, sondern nur noch auf ihrem Rücken ausgetragen wird, wenn sie das Gefühl hat, in ihrer Heimat nicht mehr zu Hause zu sein – immer mehr Stadtbezirke entwickeln sich zu Enklaven, wenn nicht Banlieues, die offenbar noch kein verantwortlicher Bundespolitiker gesehen, geschweige denn besucht hat: dann könnte sie eine autoritäre Regierung wählen, die Gesetze im Schnellverfahren ändert und die Grenzen hermetisch abgeriegelt! Oder, es tritt das Gegenteil ein: eine neue Mehrheit, die der Immigranten und ihrer Kinder, lässt die Grenzen dauerhaft und unkontrolliert offen – so, wie sie es selbst auf ihrer Flucht erlebt hat! Begeisternde Aussichten! Lassen wir doch endlich die Gegenwartsmoral hinter die weitsichtige praktische Vernunft zurücktreten: “ Wir schaffen das!“ raus aus den Köpfen, rein stattdessen: wir handeln jetzt!
Ulrich Pietsch

Ich weiß, dass meine Meinung nicht opportun ist, zumal sie gegen eine so gewichtige Stimme antritt wie die unseres ehemaligen Bundespräsidenten. Aber die Stimme, der ich mich anschließe, hat auch Gewichtiges zu sagen. Ich beginne mit einem Zitat: “ In Europa mehren sich die Regionen, die durch mangelnde Zuwanderung in große Schwierigkeiten geraten. Hinzu kommen andere Regionen, die durch Abwanderung der Jungen und Ehrgeizigen veröden. Migranten willkommen heißen, und sei es im eigenen Interesse? Es scheint ganz so, als möchte man lieber ungestört aussterben. “ (Volker M. Heins / Frank Wolff: Hinter Mauern. Geschlossene Grenzen als Gefahr für die offene Gesellschaft, edition suhrkamp 2028, 1. Aufl. 2023, 21)

Ich verfolge die Debatte im Bundestag über den Umgang mit den Migrantinnen und Migranten und frage ich mich, ob diese Stimme noch Gehör finden kann. Unser Land braucht Zuwanderung – darauf haben sich inzwischen fast alle Parteien geeinigt. Regionen in Europa sind in Schwierigkeiten geraten, veröden, weil die Jungen arbeitsfähigen Leute fortgezogen sind, Arbeitskräfte in diesen Regionen fehlen. Menschen werden also in Europa und speziell in unserem Land gebraucht, um zu helfen, die Probleme unserer alternden Gesellschaft zu lösen. Tausende Menschen fehlen, Tausende werden gesucht und sollen in anderen Ländern angeworben werden. Diese Menschen sind erwünscht. Nicht gesucht und erwünscht sind die vielen Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Sie lösen für uns keine Probleme, im Gegenteil! sie schaffen uns Probleme.

Wohnungen, Sprachkurse, Kita- Plätze, Plätze in den Schulklassen, diese Menschen brauchen etwas von allem, was schon für die Einheimischen knapp ist. Und die Asylsuchenden kosten, denn sie haben Zugang zu unserer Gesundheitsversorgung und unserem Sozialsystem. Die Kreise und Kommunen unseres Landes stöhnen und geben an, am Limit zu sein und die Versorgung der Migranten und Migrantinnen nicht mehr leisten können. In dieser ungeklärten Lage wachsen in der Bevölkerung Unruhe und Unzufriedenheit, und rechtspopulistische Parteien machen sich diese Gefühle zunutze und kochen daraus ihr eigenes trübes Süppchen, das leider zu vielen Menschen schmeckt. Die Regierungen unseres Landes und anderer europäischer Länder spüren den Druck: Sie müssen die Versorgung der Flüchtlinge leisten, sie müssen mit der wachsenden Unzufriedenheit ihrer Bevölkerung umgehen, und sie müssen der Hetze der Rechtspopulisten Stand halten.

In dieser schwierigen Situation wissen die europäischen Länder keine andere Lösung als die, die Migrantinnen und Migranten, die in das Hoheitsgebiet der EU eindringen wollen, an den Grenzen aufzuhalten. Das geht nur mit Gewalt, und diesen Einsatz von Gewalt darf sich die EU, die einmal den Friedensnobelpreis erhalten hat, nicht schönreden. Flüchtlinge werden an den Grenzen geschlagen, beraubt und bedroht, und wenn sie über das Meer fliehen, manchmal mit ihren Booten zurück ins Wasser gestoßen. Andere Lösungen sollen her, heißt es, bessere, friedlichere… Doch welche Maßnahmen auch immer beschlossen werden, um Flüchtlinge am Übertritt in das EU-Gebiet zu hindern, alle Maßnahmen erfordern, dass das Asylrecht gedehnt und die Menschenrechte ausgesetzt werden. Das klingt nicht nur inhuman, das ist inhuman. Und die EU, die Friedensnobelpreisträgerin, die zu den inhumanen Mitteln greift, darf das nicht bemänteln, sondern muss wissen, was sie tut.

Denn die Inhumanität hat ihren Preis. Gewalt lässt sich nicht einhegen, nicht eingrenzen, nicht hübsch verpackt an den Rändern Europas ablegen. Die Gewalt, welche die EU gebraucht, frisst sich in die Mitte unserer Gesellschaft hinein, wird Teil unseres Fühlens und Denkens, wird Teil unseres Handelns, und wir spüren die zunehmende Verrohung. Die Menschen, die Rettungssanitäter bei deren Arbeit angreifen, der Jugendliche, der noch mal zutritt, wenn sein Gegner schon am Boden liegt – diese Szenen, die uns erschrecken, haben auf den ersten Blick nichts mit dem Handeln der EU zu tun, auf der Ebene des kollektiven Unbewussten sind sie die Folge der Inhumanität, die in unsere Gesellschaft hineingekrochen ist. Die rechtspopulistischen Kräfte müssen sich gar nicht mehr anzustrengen, um an ihr Material zu kommen, sie können sich an diesem in der Gesellschaft vorhandenen Nährboden von Feindseligkeit und Gewalt frei bedienen.

Heilung, so die Autoren Heins und Wolff, kann die Gesellschaft nur finden, wenn sie umdenkt und die Kehre vollzieht von 180° hin zu Menschlichkeit und Freundlichkeit. Aufnahme und Annahme müssen die Leitlinien sein anstelle von Feindseligkeit, Abschottung und Gewalt. Menschen, die zu uns kommen wollen, sollten als die Freundinnen und Freunde willkommen sein, als die erwünschten Zuwanderer, die uns helfen können, die Probleme unserer alternden Gesellschaft zu lösen. Denn die Menschen, die kommen, wollen arbeiten. Sie wollen kein Almosen und keine Barmherzigkeit, sie wollen für sich einstehen und dann mit ihren einheimischen Arbeitskolleg* innen gemeinsam den Beitrag leisten zur Wohlfahrt unseres Landes, zur Wohlfahrt von uns allen. Von den Flüchtlingen, die 2015 zu uns gekommen sind, sind inzwischen mehr als die Hälfte erwerbstätig, und deren Bildungsniveau steigt.

Die Politik der Abschreckung und Gewalt hat die rechtspopulistischen Kräfte nicht zum Verschwinden gebracht. Die gegenteilige Politik, die Politik der liebevollen Aufnahme, könnte das auf Dauer schaffen. Denn eine Gesellschaft, die nicht von Hass und Feindseligkeit geprägt ist, wird der Hetze und Menschenverachtung der Rechtspopulisten ihre Menschlichkeit und Freundlichkeit entgegensetzen. Ich verfolge die Debatte im Bundestag und habe das Gefühl, dass da in einem geschlossenen Raum diskutiert wird, einer Echokammer, die aus Hetze und Angst gebildet wird und in der dieselben Gedanken widerhallen, um dann als Widerhall wiederholt zu werden. Diese Kammer ist so dicht, dass ein fremder Gedanke, die Frage, ob eine andere Lösung im Umgang mit den Migrantinnen und Migranten möglich wäre, nicht einmal als Denkmöglichkeit Zugang bekommt, zumal, und das finde ich gefährlich, Menschen von hohem moralischen Gewicht jede andere Lösung ausschließen und Gewalt als einzig möglichen Weg befürworten.
Ursel Heinz

Wir schaffen das; das klang mal wie das Credo in der Kirche! Dann war da irgendwann mal etwas ziemlich alternativlos, jetzt haben wir dafür die Alternative für Deutschland (AfD), wie die Krätze am Hals hängen! Wie könnte wohl der nächste geniale Masterplan der Ampel-Regierung aussehen und was hätten so die Altparteien im Sonderangebot? Vielleicht weiterhin zuwarten, zusehen und zögern, aussitzen bzw. ausharren, vielleicht die Hoffnung nicht aufgeben, dass es doch mal von selbst aufhören könnte oder weiter abwarten und literweise abgestandenen Tee schlucken!? Viele Landkreise sind mehr als überbevölkert, da geht einfach nichts mehr! Deutschland gehört zur EU und nicht nur Deutschland, sondern sämtliche EU-Mitglieder robben in Sachen Migration längst schon auf dem Zahnfleisch durch die Gegend!
Riggi Schwarz

Gäbe es eine einfache Lösung für die Migrationskrise in Europa, dann hätten wir vermutlich gar keine Krise. Lampedusa in ein Sinnbild dafür, wie verfahren die Situation für alle Beteiligten ist, ausgenommen die der Schleuser. Im Jahr 2015 gab es die erste große Migrationswelle, allein 1,5 Millionen Menschen kamen nach Deutschland und schon damals sagte Joachim Gauck als amtierender Bundespräsident: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Ein Satz, der geschichtsträchtig ist, und heute aktueller denn je. Seitdem sind acht Jahre ins Land gegangen und von der vormals großmundig angekündigten Bekämpfung der Fluchtursachen ist nichts übrig geblieben, wenn sie überhaupt stattgefunden hat. Fluchtursachen zu bekämpfen bedeutet, den Menschen, die aus Armut und Perspektivlosigkeit ihre Heimat Richtung Europa verlassen, vor Ort zu helfen und ihre Ausbeutung zu beenden. Das trifft ganz besonders auf Menschen aus Afrika zu. Die Millionen Euro, die in den Migrationsdeals mit der Türkei oder Tunesien versickern, wären sicherlich bei einer reellen Bekämpfung der Fluchtursachen besser aufgehoben.

Genutzt hat die Tatenlosigkeit Europas allein den organisierten Schleuserbanden, die man durchaus als kriminelle Vereinigungen bezeichnen kann. Die Menschen, die sich in die Hände der Schleuser begeben, sind ihnen vollständig ausgeliefert, sie haben nichts mehr, außer ihr Leben. Und niemand braucht sich in der aktuellen Situation der Illusion hingeben, dass die Menschen, die ihre Schleuser schon bezahlt haben, nicht nach Europa kommen werden. Ihnen bleibt gar nichts anderes mehr übrig. Zu Eindämmung der irregulären Migration nach Europa ist es daher dringend nötig, der Schleuserkriminalität konsequenter entgegenzutreten. Das ist mühsam, ich glaube aber, dass die EU die Mittel dazu hätte. Die Gereiztheit ist Ausdruck der Hilflosigkeit. Das ist nicht gut und kann schnell zu falschen Entscheidungen führen.
Regina Stock

Da sollten wir uns in Deutschland und Europa nichts vormachen. Der Druck wird anhalten, auch wenn Erhebungen zufolge 95% der Bevölkerung ärmerer Staaten nicht über eine Flucht nach Europa nachdenken. Allein aus Äthiopien mit seinen 90 Millionen Einwohnern und vielen ethnischen Konflikten könnten sich dann trotzdem über 4 Millionen Menschen, also ca. 5%, auf den Weg machen. Bereits in Europa angekommene Geflüchtete werden nur in relativ geringer Zahl wieder freiwillig oder gezwungenermaßen in ihre Heimatländer zurückkehren. Dabei wird es egal sein, ob die Menschen wegen politischer Verfolgung, aus wirtschaftlicher Not oder sich selbst gemachter legitimer Wohlstandsversprechen, wohl nicht selten angefacht durch die Werbung auf mittlerweile überall verfügbaren elektronischen Medien, ihr Heil bei uns suchen. Die meisten, sehr oft junge erwachsene Männer, werden während der auf Grund ihrer Individualität sich lange hinziehenden Asylverfahren bei drohender Ablehnung versuchen unterzutauchen und könnten dann nicht selten ins Kriminelle abrutschen.

Wie des Öfteren schon vorgeschlagen, könnte wohl nur eine schnelle Integration in unseren Arbeitsmarkt, auch ohne Asylgewährung oder einstweilige Duldung, ein erster bescheidener Ansatz sein, das Problem anzugehen – von Lösung kann noch längst keine Rede sein – ,wobei es dabei viele Unbekannte gibt: Mindestlohn, Sprache, Anerkennung unserer Verfassung als höchste Instanz, keine Kenntnis darüber, ob die Geflüchteten wirklich mehrheitlich eine Bereicherung für unsere Gesellschaft darstellen usw. usw. Schlechter ist es allerdings, die Geflüchteten monate- oder jahrelang auf engem Raum ohne Aufgaben in Wohncontainern, Turnhallen u. ä. unterzubringen, was auf die Dauer zu Frustration und steigender Kriminalität führen wird. Konsequent zu Ende gedacht könnte es sogar bedeuten, hiesige Haushalte dazu zu verpflichten, Geflüchtete aufzunehmen.
Jörg Weddigen

In Deutschland zu leben, bedeutet mehr als nur physisch anwesend zu sein; es erfordert, einen tiefen Einblick in die hiesigen Werte und Normen zu gewinnen. Ich persönlich halte den Wertekonsens für unerlässlich, um in Deutschland wirklich Fuß zu fassen. Diese grundlegenden Werte sind nicht nur der Schlüssel zum individuellen Erfolg, sondern auch zur Schaffung einer vielfältigeren und integrativeren Gesellschaft. Es genügt nicht, lediglich die Sprache zu beherrschen. Vielmehr muss man Deutschland in seiner Gesamtheit akzeptieren: die Kultur, die Traditionen, die verschiedenen Glaubensrichtungen und vor allem die Menschen, die dieses Land formen. Es ist von höchster Bedeutung, nicht nur die deutsche Sprache zu sprechen, sondern auch die Feinheiten von Weihnachten und Ostern zu verstehen und zu respektieren. Ein „Weiter so“ ohne die Annahme dieser grundlegenden Werte ist keine Option. Menschen werden nie wirklich in Deutschland ankommen, wenn sie nicht bereit sind, diese Werte zu verinnerlichen. Gleichzeitig werden Einheimische Schwierigkeiten haben, das Gefühl der Integration zu erleben.

Es ist an der Zeit, die eigenen Grenzen zu überwinden, um den Horizont zu erweitern. Dies ist nicht nur eine Frage des kulturellen Verständnisses, sondern auch der Dankbarkeit. Wir sollten dankbar sein für die Gelegenheit, in einem Land wie Deutschland leben zu dürfen, und diese Dankbarkeit durch die Anerkennung und Übernahme seiner Werte zeigen. Indem wir gemeinsam die Werte Deutschlands annehmen und respektieren, können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Vielfalt und Integration Hand in Hand gehen. Dies ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance, eine bessere Zukunft für uns alle zu gestalten.
Ahmet Özdemir

Die europäische Migrationspolitik gleicht einem Riesentanker (Riesencontainerschiff) das ohne Navigator und Kapitän (ohne Steuermann) in rauer See (Meer) dahindümpelt (schlingert). Kein Lotse in Sicht. Nur Leichtmatrosinnen / Leichtmatrosen und Piratinnen / Piraten (mit oder ohne Augenklappe) die allesamt nicht wissen wo, wann und wie sie welches Schiff (mit rettenden Ideen) entern sollen. Seit 2015, also seit gut acht Jahren, ist die Asylpolitik in Deutschland ohne klare Bestandsaufnahme und schon gar nicht mit Lösungsansätzen hervorgetreten. Weder die große Koalition, zusammen mit der SPD, noch die jetzige Ampelkoalition hatten bzw. haben ein Konzept, um die Asyl-Migrantenproblematik auch nur ansatzweise in den Griff zu bekommen. Der Bund spricht nicht offen mit den Ländern und die Länder hören sich die Probleme der Kommunen nicht wirklich an.

Anders ist nicht erklärlich, dass die Städte, die Gemeinden und die Dörfer im ganzen Land personell und finanziell ziemlich allein gelassen werden. Aber hier werden die Unterkünfte bereitgestellt, die Kindergärten und Schulen über Gebühr belastet. Vor Ort werden die Menschen mit Deutschunterricht versorgt und es wird mit professionellen und ganz vielen freiwilligen Helfern der Versuch der Integration gestartet. Das Reden von Frau Faeser und die Asylgipfel sind keine Hilfe, wenn nicht darüber hinaus Geld des Bundes an die Länder gezahlt wird und auch eins zu eins dann bei den Kommunen landet. Bisher ist dies nicht im nötigen Umfang geschehen. Bei den geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainern hat das doch hervorragend geklappt. Die Gelder für die Autokraten in der Türkei und nun in Tunesien übertünchen das „Vor Ort“ Problem in Deutschland. Wer überprüft unabhängig die Verwendung der Gelder und den Umgang mit den Menschen in der Türkei und in Tunesien?

Hier wird wohl nicht so genau hingesehen. („Aus den Augen aus dem Sinn“) Die rechte Partei AfD jubelt und steigt in der Wählergunst. Die Politiker in Regierungsverantwortung plan -und ideenlos. Wann wird das immer wieder beschworene Mantra: „Fluchtursachen in den entsprechenden Ländern vor Ort mit geeigneten Maßnahmen zu bekämpfen“ in die Tat umgesetzt? Wann werden sichere Herkunftsländer auch ihrem Namen gerecht und wann werden Verträge geschlossen und diese auch mit Leben gefüllt zum Wohle der Menschen. Bis zu einer wie immer gearteten Lösung wird in Kauf genommen, dass Frauen, Kinder und Männer im Mittelmeer ertrinken. Das hinzunehmen ist inhuman und widerspricht ethischen und menschlichen Grundsätzen. Aber solange EU-Mitgliedsländer, wie Ungarn und Polen, sich einer Gesamteuropäischen Lösung verweigern, aber trotzdem die monetären Zuwendungen nicht gekürzt werden, wird sich absehbar nichts ändern. Ganz im Gegenteil.

Diese Haltung bestärkt Frau Meloni in Italien mit härteren Bandagen gegen die Asylsuchenden vorzugehen. Dann werden „Brandmauern“ der Asyl Politik bereits im Stadium des Fundamentes fallen oder erst gar nicht aufgebaut. Am 10. Dezember 2023 jährt sich zum 75. Mal die Verabschiedung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Sie sind bis heute vielerorts ein uneingelöstes Versprechen. Viele, vor allem Politikerinnen / Politiker, nehmen da lieber ein „Vollbad im Gesinnungsschaum“. (Wiglaf Droste)
Felix Bicker

Mit diesem Artikel bzw. Kommentar zur prekären Lage der Flüchtlingsintegration und -aufnahmen haben sie gleich einige Nägel auf den Kopf getroffen und einen wertvollen Beitrag zu einer wenigstens ehrlichen und realistischen Betrachtung geleistet, welche schließlich notwendige Bedingung für eine aussichtsreiche wenigstens bestmögliche Bewältigung nicht nur dieser Krise ist. Das wichtigste Wort dieser Ehrlichkeit war und ist wohl, dass wir es mit einem, vielleicht sogar etlichen Dilemmata zu tun haben. Da sich das nicht so gut anhört wie „Visionen“ oder „Lösungen“ greifen allzu viele — Medien, Politiker*innen und Bürger — zu Scheinlösungen, vorgetäuschten Lösungskompetenzen, Tunnelblicken auf immer nur einen Teil der Realitäten oder aber schlichten Forderungen nach Wegen, die Quadratur der Kreise doch zu lösen, oft gar nicht wahrnehmend, dass sie damit — in der Opposition besonders einfach — eine Zauberlösung, etwas unmögliches verlangen.

Angesichts der lange bekannten Klagen von Kommunalverantwortlichen zur prekären Lage der Flüchtlingsintegration und -aufnahmen und zu ihrer Überforderung haben inzwischen doch etliche verantwortliche in der Politik reagiert mit einer gewissen Einsicht, dass sie nicht „einfach“ so weiter machen können wie bisher, wenn sie nicht ungewollt am Ende viel schlimmeres erreichen wollen als sie beabsichtigen und sogar als jetzt maximal noch möglich wäre. Hier und auch bei den sonstigen Krisen anderer bekannter Probleme wird immer wieder nach „Lösungen“ gerufen, ein Wort, das viele so verstehen werden, dass „die“ Probleme aufgelöst, also behoben werden ohne nennenswerte zusätzliche Belastungen für Bürger oder die Staatsbediensteten, aber gleichzeitig ohne nennenswerte Verluste an Humanität und Werten. Das wäre nicht mehr unsere irdische Welt sondern — fast — das Paradies und ist völlig unrealistisch, insbesondere wenn wir bedenken, dass es ja nicht nur diese Problematik gibt, sondern gleichzeitig die Klimakrise, die Sicherheitskrise mit Krieg in der Ukraine, die Fachkräfte-Krise in einer ganzen Reihe von Bereichen, die Demographie, die Mängel an „bezahlbarem“ Wohnraum, an Bildung, die schon jetzt riesigen Staatsschulden, die zunehmenden Probleme der Finanzierung der Renten und Pflege und die schon jetzt schwer verantwortbare teilweise Abwälzung der Rechnungen für alles einseitig auf nächste Generationen und Inflationsopfer etc. etc.

Für das eine Problem der „Flüchtlinge“ und sonstigen Migranten haben im Prinzip sicher diejenigen Recht, vielleicht sogar für alle genannten zusammen, die sagen oder schreiben: „Das kann das Land (wieder) schaffen“. Die Frage ist nur: Wer in diesem Land — Bundesland, Deutschland oder die EU? — und wie bzw. unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Beiträgen auch anderer Länder und der Menschen auch dort? Und: Wollen die meisten Menschen das auch schaffen, wenn es nicht nur den Politikern der Regierung, sondern auch ihnen zusätzlich etwas spürbares abverlangt? Der frühere Bundespräsiden Herr Gauck hat die ganzen Dilemmata der Flüchtlingskrise in dem bekannten Satz vortrefflich auf den Punkt gebracht: „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind begrenzt“. Kürzlich ist er ja, wie auch von ihnen berichtet, noch deutlicher oder schärfer geworden. Der genannte Satz würde ähnlich auch für fast alle Krisen und idealen Wünsche zutreffen und meines Wissens hat dem niemand widersprochen.

Allerdings reden und handeln viele seitdem doch so als sei ihr Herz doch nicht soo weit, oder umgekehrt, als seien die Möglichkeiten doch nicht begrenzt oder wir von diesen Grenzen noch Lichtjahre entfernt. Selbst unser viel gerühmtes Grundgesetz scheint die Weisheit dieses Satzes der Grenzen nicht so erkannt oder ernst genommen zu haben und jegliche auch nur Möglichkeiten für eine solche evtl. Grenze versäumt zu haben, sei es aus Idealismus, Hybris, mangelnder Vorstellungskraft, Tunnelblick oder sonstigem. Aber auch für begrenzte Aufnahme nur eines Teils der nach Europa strebenden wirklichen Flüchtlinge oder sonstigen Migranten will niemand aussprechen, dass die „Lösungen“ für die ganzen Dilemmata nicht nur in „genialen“ Ideen oder humanen Beschlüssen bestehen können und damit für die alten und neuen, alten und jungen Bürger kaum spürbar gehalten werden können, sondern Unmengen von — zusätzlicher — Arbeit, Geld, Steuern und auch „Verzichten“ auf sonstige Wünsche erfordern, besonders bei Betrachtung aller derzeitiger Krisen, und dann immer noch keine idealen perfekten Ergebnisse bringen werden oder können, schon gar nicht für alle Krisen zusammen. Dieses Dilemma versuchen immer wieder Politik-Verantwortliche und Medien-Schaffende durch fromme Wünsche, Tunnelblicke oder deren Präsentation, durch Vortäuschung oder Forderung einer vollständigen „Lösungskompetenz“ eines vollständigen Lösungskurses und/oder Floskeln und Phrasen zu übermalen und verschleiern, vielleicht aus dem verständlichen Grund der Sorge vor Verteufelung von einer, wenn nicht allen Seiten.

Für die bestmögliche Behebung und manchmal nur Milderung oder Management der verschiedenen Krisen werden wir alle — nicht jeder, aber im Durchschnitt — mehr arbeiten, zahlen und/oder auf weniger existenzielles verzichten müssen, um für die Gegenwart und noch mehr für die Zukunft wenigstens ein Minimum an Humanität und Lebensqualität für möglichst viele zu erreichen. Das ist wichtiger als Zahl und Umfang der Fernflugreisen, der SUVs, der Fleischberge, der Fast-Fashion-produkte, der Streaming-dienste und sonstiger entbehrlicher Konsumgüter voll aufrecht zu erhalten.  Noch schwieriger wird das ganze durch den Bedarf an Leistungen auch für Menschen außerhalb unseres Landes und Kontinents im globalen Süden, wo ja verschiedene Fluchtursachen und auch Schlüsselteile auch für die „Klimarettung“ liegen und teils berechtigte Forderungen nach Entschädigungen für die schon jetzigen Klimafolgen und für Klimaschutz-Hilfen bestehen. Das Klima droht ja leider zu allem sonstigen Leiden auch eine immer wichtigere Fluchtursache zu werden, demnächst vielleicht wichtiger als alle anderen. Auch hier ist eine Balance der Ausgaben und Anstrengungen nötig zwischen den Flüchtlingen, die es physisch bis zu uns geschafft haben und denen, die gleich große oder gar viel mehr Gründe hätten zu fliehen, es aber nicht schaffen konnten und können.

Aber auch der globale Süden darf nicht nur die Hand aufhalten, sondern muss auch seinerseits auch das dort mögliche tun, damit unsere teils schwer erarbeiteten Hilfen nicht vergeblich in ein Fass ohne Boden gehen, z.B. durch Korruption, Kriege, unkontrolliertes Bevölkerungswachstum, etc. etc. Eine „gerechte“ von allen akzeptierte Balance zwischen den, auch nur den legitimen Bedürfnissen und Möglichkeiten aller Seiten bzw. beteiligten der Gegenwart und der Zukunft erscheint fast wie die Quadratur des Kreises. Aber wenn überhaupt lösbar gehört dazu Ehrlichkeit und Bewusstsein und die Anerkennung der Schwierigkeiten, Bedingungen und Dilemmas der Krisenlösungen und der Notwendigkeiten der Beteiligung aller, nicht nur der Politiker, nicht nur der Deutschen, nicht nur, wenn auch besonders der reichen, mächtigen oder leistungsfähigen.

Wer aber speziell für Flüchtlinge überhaupt nichts leisten oder auf gar nichts verzichten will, sollte bedenken, dass wir sehr viele aus eigenem Interesse brauchen für den Ersatz der immer mehr schwindenden Fachkräfte „Dank“ Demografie bei uns, die offensichtlich auch immer mehr IT, Maschinen und KI noch lange nicht ausgleichen können. Ohne Arbeits- und Fachkräfte auch von weit weg werden uns spätestens in einem Jahrzehnt die schon jetzt knappen Handwerker, Lehrer, Pflegekräfte, Bauarbeiter und viele andere so schmerzhaft fehlen, dass unser Leben dann deutlich mühevoller und entbehrungsreicher und auch kürzer werden wird. Und auch die Lösung der meisten anderen als der Fachkräfte-Problematik hängt mit von deren Vorhandensein ab und nicht allein von guten Ideen oder guter Politik, die selbstredend auch nötig sind. ABer wer andererseits meint, es reiche schon „einfach“ nur mehr Menschen ins Land zu lassen, um unsere Probleme zu lösen, sollte auch nachdenken, wieviel Arbeit und/oder deren Bezahlung die meisten von ihnen erst einmal von uns brauchen — für Spracherwerb, Überprüfung, Unterbringung, Schulen, Integration, Ausbildung, teils Therapien etc. — ehe sie so weit sind uns helfen zu können unsere Probleme zu lösen.

Was der vielfach als alles könnender Helfer und Retter angeführte Staat tut oder bezahlt, machen ja in Wirklichkeit seine Bürger, also wir alle, sei es als die Gesetze beachtende, als Steuerzahler, als Staatsbedienstete oder sonstige. Insofern sind die häufigen Angebereien von politisch tätigen, sie hätten dies oder das getan oder bezahlt oder beschlossen, meist, abgesehen von der Diskussion, Prüfung und Aushandlung der Regelungen, nur eben das, denn die Ausführungsarbeit und die Zahlungen leisten fast immer andere, sei es freiwillig, einsichtig oder gezwungener Maßen. Ich wüsste nicht, wo Politiker*innen, die etwas Teures beschließen, jemals durch Abgabe eines auch nur kleinen Teils Ihrer Diäten und Vergünstigungen zur Finanzierung beigetragen hätten.

Die Politiker*innen können das nicht allein, aber sie könnten und sollten mit gutem Beispiel vorangehen und als erste auf etwas verzichten, nämlich einen mindestens kleinen Anteil ihrer Diäten oder deren Steuerfreiheit und sonstiger Privilegien, da ihre Freizeit ohnehin vielfach kaum noch Spielraum lässt.

Ich habe den Eindruck, dass alle hier mit debattierenden jeweils einen Teil der Realitäten und/oder der Verpflichtungen der bestmöglichen Humanität ignorieren, ausblenden oder verschweigen. Auch Herr Gauck hat bei seinem goldenen Satz verschwiegen, dass die „Möglichkeiten“ im politischen Prozess sehr von den Bereitschaften zu den jeweils erforderlichen Kosten, Anstrengungen und Verzichten auf deren alternative Früchte abhängt, und damit auch vom Verhalten der Medien aller Art.

Die einen scheinen die Augen zu verschließen vor den Notwendigkeiten und Verpflichtungen der Humanität und eines „weiten Herzens“. Die anderen dagegen, besonders bei der Summe aller Krisen-Anforderungen vor den Grenzen der Möglichkeiten und der Notwendigkeit von Prioritäten. Es ist hier offensichtlich keine sofortige vollständige „Lösung“ für alles möglich und schon gar nicht durch „die“ Politik allein ohne — mehr als bisher– auch Beiträge und „Belastungen“ der Bürger, deren Bereitschaften bei etlichen noch begrenzter sind als die Möglichkeiten. Aber selbst, wenn man zu „Nässe“ bereit ist, statt der Forderung zu waschen, ohne nass zu machen, darf diese auch für die gutwilligsten nicht derart groß sein, dass man darin ertrinkt. Und zwar auch nicht diejenigen, die eines Tages die zunächst so beliebten, weil bequemen und konfliktarmen Schuldenfinanzierungen zu „erben“ haben, nämlich die Steuerzahler oder Kürzungsopfer oder Infaltionsopfer der Zukunft, spätestens in den nächsten Generationen.

Die nur mögliche bestmögliche Balance ist anzustreben zwischen Eigenwohl und dem anderer, zwischen Jetzt-Wohl und Zukunfts-Wohl besonders im Interesse der jetzigen Kinder, zwischen Vernunft und Impulsen, zwischen „Freiheiten“ (ein manchmal für Willkür und Rücksichtslosigkeit missbrauchtes Wort) und Rücksichtnahmen auf das Wohl anderer auch in Jahrzehnten in der Zukunft. Keine Seite oder Interessengruppe darf das Eigenwohl oder das Jetzt-Wohl so hoch setzen, dass es dem anderen mehrfach größeren Opfer abverlangt als man sich selbst ersparen will. Umgekehrt dürfen aber Hilfe-bedürftige und Hilfe-Berechtigte sich nicht derart verhalten, dass der Hilfebedarf und -anspruch durch frei wählbares eigenes Verhalten noch in die Höhe geschraubt wird. Das ist keine reine Theorie, sondern betrifft z.B. im globalen Süden Bereitschaft zu dortiger Bildung, Begrenzung von Bevölkerungszunahme, zu Gleichberechtigung der Frauen, zu stärkerer Korruptionsbekämpfung und Bekämpfung von Machtgier insbesondere mittels kriegerischer Methoden und schließlich die Schonung von Wäldern und Mooren auch dort, da deren Schwinden massiv zur Klimakrise beiträgt durch Umsetzung in Treibhausgase und Verlust von deren Bindungs-Kapazitäten. Auch letzteres dürfte kaum möglich sein ohne die Begrenzung der weiteren Bevölkerungszunahme.

Beispiele von Ansätzen für die Aufbringung der Kosten und Arbeitsmengen — ohne Abwälzung auf nächste Generationen und Inflationsopfer — wurden jüngst öffentlich genannt: 1. Die Anregung von Herrn Losse-Müller in SH zu einem Klima-Soli, der bei entsprechender Höhe auch für andere wichtige Ziele verwendet werden könnte. 2. die in mutige Hamburger Bundesratsinitiative zum Spitzen-Steuersatz. Ein dritter ergibt sich aus vielen Erfahrungen mit ehrenamtlichen oder freiwilligen Tätigkeiten und Maßnahmen, die regelmäßig die Staatskasse entlasten oder ihre Möglichkeiten ergänzen, ohne über immer neue Schulden Belastungen ganz ungerecht zuzuordnen oder abzuwälzen. Dazu gehören die ungeheuren Unterstützungen von Flüchtlings-Unterbringungen durch freiwillige 2015, die freiwilligen Investitionen oder Tätigkeiten vieler Bürger für Klimaschützende Maßnahmen und erneuerbare Heizungen oder E-autos. Und schließlich die vielen, die freiwillig ein soziales Jahr oder einen Bundesfreiwilligen-dienst oder sonstige gemeinnützige Vereinsarbeit absolvieren. Die staatlich bezahlten Taschengelder oder Aufwandsentschädigungen für solche Dienste zu erhöhen, wäre für Steuerzahler sicher günstiger als entsprechend mehr Staats-angestellte zu engagieren. Das wäre aber nur eine Möglichkeit, diese Tätigkeiten auszuweiten; dazu bräuchten wir, solange keine Pflichten gewagt werden, mindestens mehr öffentliche und private Anerkennung und Propagierung solcher Beiträge, nicht zuletzt durch Medien (wie Ihres). Auch das wäre ein Beitrag zu einem eigentlich nötigen großen „Ruck“, der durch unser Land, durch Europa und alle wohlhabenden Länder gehen müsste, um die nötigen Gelder und Arbeitsmengen zwecks Bewältigung der vielfachen Krisen dieses Jahrtausends wenigstens bestmöglich stemmen zu können. Schließlich gehörte dazu auch viel mehr Kritik und Bekämpfung von konkurrierenden und oft sozial und gesundheitlich schädlichen Tätigkeiten und Zeit-Vertreiben wie Süchten, nicht zuletzt auch der von den (a-)sozialen Medien systematisch geförderten Smartphone-Sucht, die bei vielen 3 – 6 Stunden oder mehr täglich auffrisst, meist ohne wirklich sinnvolle Zwecke wie angemessener Information, Unterhaltung, Kommunikation oder Arbeit.

Gleichwohl: auch bei Ausschöpfung all dieser Möglichkeiten bis schließlich zur Belastungsgrenze oder Grenze der Selbstgefährdung oder Selbstschädigung auch der gutwilligsten werden wir nie alle Ideale, Forderungen und Wünsche, vielleicht nicht einmal alle Verpflichtungen durch die bisherigen Gesetze, Verfassungen und Verträge erfüllen können. Und es ist sehr fraglich ob nicht zu viele weit vor der Grenze des Möglichen auch eine gutwillige Regierung blockieren und lähmen, weil sie kaum irgendwelche „Zumutungen“ selbst nur als Verzicht auf entbehrliches, Luxus, Verschwendung oder Bequemlichkeit, auf schlicht gewohnte „Errungenschaften“ akzeptieren. Aber auch für sozial und idealistisch eingestellte ist der mehrfache Problemberg nach den langen Vernachlässigungen und Fehlern nicht nur unseres Landes viel zu groß geworden, als dass wir alle Forderungen und Versprechungen einer „besseren Welt“ erfüllen könnten. Bevor wir eine solche fordern oder zu schaffen versuchen, sollten wir nachdenken, ob es nicht schon schwer genug ist sie vor schlimmen Verschlechterungen zu bewahren. Vielleicht befinden wir uns schon oder demnächst in einer Art Triage-Katastrophen-Situation, in welcher alle verfügbaren Helfer — zunächst — nur noch denen helfen können, die es am nötigsten haben und bei denen Hilfe noch wahrscheinliche Aussicht auf Erfolg hat.

Ich weiß, das hört sich nicht so „visionär“, schön oder „begeisterungsfähig“ an; vielleicht braucht man auch ein gewisses Maß an „Vision“, Illusionen, Hybris oder Vortäuschung eines Weges zu einer „besseren“ Welt, sei es nur um ausreichende Wahlstimmen (für das mögliche Gute) zu erhalten. Aber mindestens zu viel davon beinhaltet das Risiko einer späteren gewaltigen wütenden Enttäuschung durch Realitäts-Schock oder „gebrochene“ Versprechen, egal ob diese als reiner Traum oder Hoffnung oder nur ideales Ziel erkennbar waren.

Peter Selmke

«Europa geht in der Migrationspolitik die Kraft aus. Ist eine stärkere Abschottung unausweichlich?» Das Europa die Kraft ausgeht, hat einen einfachen Grund. Es gibt einen ungelösten Konflikt zwischen den Menschenrechten auf Lebensunterhalt (Asyl, etc.) und dem Menschenrecht auf Eigentum. Der Konflikt kann auch mit noch so viel Kraft nicht gelöst werden. Ein Grund: Zu den Menschenrechten auf Lebensunterhalt gehört auch das Recht, mehr Kinder in die Welt zu setzten, als die eigenen Ressourcen erlauben. Dahingegen hat das Menschenrecht auf Eigentum eine unentbehrliche, stabilisierende Funktion. Dazu Folgendes: Man kann die Ursachen des gegenwärtigen Schlamassels der Menschheit mit dem Stichwort «Tragik der Allmend» charakterisieren. Die ungeschützte Allmend ist die Aufnahmekapazität der Erde für Kopfzahl und Konsum. Und das Mittel zum Schutz der von dieser Tragik betroffenen Güter, wäre das Menschenrecht auf Eigentum.

Folgendes Beispiel für die Auswirkungen des ungelösten Konflikts zwischen den genannten Menschenrechten wurde in einer Sendung von Servus «Guten Abend Deutschland» vom 22.9.2023 gezeigt. In Berlin Pankow an der Kavalierstrasse sollen in 2 Hinterhöfen 37 alte Bäume gefällt werden, um dort Spielplätzen und Quartiertreffpunkten durch 99 Wohnungen für 400 Flüchtlinge zu ersetzen. Ein im Jahre 2019 eingereichtes bescheideneres Bebauungsvorhaben wurde von der lokalen Baubehörde gestoppt, weil es angesichts der Klimakrise nötig wäre, die Bäume zu erhalten. Nun wurde dieser Bescheid vom Berliner Senat aufgehoben: Flüchtlingsnotfallplan hat Vorrang vor dem Klimanotlageplan. Wären die Hinterhöfe im Besitz der Anwohner, gäbe es das Problem nicht. Das generelle Problem ist, dass die Ressourcen, die quasi als Einladung für die Flüchtlinge dienen, quasi Allmend sind. Wären solche Ressourcen nicht vorhanden, kämen auch keine Flüchtlinge oder es müssten Ressourcen von Privaten genutzt werden.

Aber gibt es nicht Menschen, die wirklich schutzbedürftig sind? Wenn dem so ist, muss man auch nach den Ursachen und auch nach der Eigenverantwortung der jeweiligen Gesellschaften fragen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Zahl der Schutzbedürftigen ebenso exponentiell wächst wie Kopfzahl und Konsum der Menschheit. Die Schutzbedürftigkeit wurde direkt oder indirekt durch zu hohe Geburtenraten verursacht. Wäre die Weltbevölkerung seit 1950 gewachsen wie die Afrikas gäb’s heute 16 Milliarden Menschen, wäre sie gewachsen wie die Europas gäb’s heute 3,7 Milliarden. Dieser Vergleich ist nicht nur wichtig fürs Zuteilen der Verantwortung für die schlechten Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Migration. Er ist auch wichtig fürs Zuteilen der Verantwortung für die Ursachen des Klimawandels.

Das noch immer anhaltende hohe Bevölkerungswachstum Afrikas führt dazu, dass Afrika einen größeren Beitrag zur Klima-Krise leistet als Europa. Das zeigt folgende Rechnung anhand der oben angeführten Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung ab 1950: 16 Milliarden / 3,7 Milliarden ergibt 4.3. Diesen Faktor muss man in Beziehung setzten zu den Co2 Emissionen. In «Die Zeit» Nr. 38 vom 7.9.2023 findet sich im Artikel «Der grüne Weg aus der Armut» der folgende Satz: « Afrika … stellt 17 Prozent der Weltbevölkerung, ist aber gerade einmal für vier Prozent der jährlichen globalen Co2 Emission verantwortlich». 4 Prozent * 4.3 ergibt 17.2 Prozent, das ist etwas mehr als die 17 Prozent von Afrikas Anteil an der Weltbevölkerung. Dazu kommt, dass der Co2 Ausstoß, der entsteht beim Decken des Grund-Bedarfs einer Bevölkerung (etwa Roden von Urwäldern) kaum reduzierbar ist. Im Gegenteil, die herrschende Meinung ist, dass Wirtschaftswachstum, also mehr Co2 Ausstoß, nötig ist, um die Geburtenraten zu senken. Doch Erfahrungen haben gezeigt, dass viele Öl-Länder trotz hohen Öl-Einnahmen hohe Geburtenraten haben. Fazit: Der Schlüssel fürs Lösen der Probleme ist die Verantwortungs-Übernahme durch die Verursacher (hohe Geburtenraten) des Migration-Problems.

Zum Schluss nochmals zu den Angaben zur Bevölkerungsentwicklung. Afrikas Anteil an der Weltbevölkerung von etwa 8.9 Prozent im Jahre 1950 ist auf etwa 17.9 Prozent im Jahre 2022 gestiegen. Der Anteil Europas ist von etwa 20.7 Prozent im Jahre 1950 auf etwa 9.5 Prozent im Jahre 2021 gesunken. 1950 gab’s rund 2,7 Milliarden Menschen, ca. 240 Millionen in Afrika und ca. 560 Millionen in Europa. Heute sind es ca. 8 Milliarden Menschen, davon ca. 1.43 Milliarden in Afrika und 760 Millionen in Europa. Hätte sich die Weltbevölkerung seit 1950 vermehrt wie die Bevölkerung Europas gäb’s heute knapp 3.7 Milliarden Menschen. Hätte sich die Weltbevölkerung im gleichen Zeitraum vermehrt wie die Bevölkerung Afrikas, gäb’s heute 16 Milliarden Menschen. Das ist allerdings nur eine Momentaufnahme. Der Vorsprung Afrikas beim Verursachen von Co2-Ausstoss ist am Wachsen.
Gernot Gwehenberger

Sie beschreiben korrekt die Problematik, deuten allerdings nur eine Lösung an. „Es wäre das Ende des Grundrechts auf Asyl.” Ja, es ist unrealistisch, dass wir in Deutschland Hunderte von Millionen Menschen, die Anrecht auf Asyl hätten aufnehmen. Wir müssen deshalb Grenzen setzen, die sich an dem orientieren, was verkraftbar ist und durchaus etwas über dem liegen kann, was andere europäische Länder aufnehmen. Dazu gehört dann auch, keine privaten Seenotretter im Mittelmeer zu unterstützen. Und solange deutsche Schiffe Menschen retten wäre es aus meiner Sicht auch konsequent diese Menschen in Deutschland aufzunehmen, anstatt sie in Italien an Land zu setzen. Es geht nicht mehr lange gut, wie Berlin die Belastungen einfach an Länder und Kommunen weitergibt. Spätestens dann, wenn Gemeinden dafür Grundsteuern und Kindergartengebühren erhöhen oder Freibäder schließen müssen, ist Schluss mit lustig. Über weitere Wahlerfolge der AfD braucht man sich dann nicht zu wundern.
Edgar Schwarz


Leserbriefe zu „Wie Rechte reden“ von Maximilian Sepp

Was dieser Artikel macht, ist den (historischen) Nazis nachträglich permanente Deutungsmacht über die deutsche Sprache zuzuschreiben – ob dem Autor das klar war? Das Niveau der Argumentation hier ist ein bisschen wie: „Was, du hältst einen Schäferhund? Das tat Hitler auch! Bist du etwa ein „Rechter“?“ – oder: „All ihr Vegetarier! Wisst ihr eigentlich, dass Hitler das auch war?“ – ein bisschen sehr primitiv und erbärmlich, oder?
Karl-Heinz Grau

Auf Seite 3 der ZEIT N°40 im Buch POLITIK fehlt ein wichtiger Hinweis! Denn Werbung dieser Art muss mit „Anzeige“ gekennzeichnet sein und darf nicht als redaktioneller Beitrag erscheinen. Eine ganze Seite von Zitaten AfD – Angehöriger sowie deren Begründung ihrer Rechtmäßigkeit in einer Gegenüberstellung von Zitaten aus der NSDAP – Zeit! Das ist ungeheuerlich! Mehr lässt sich dazu nicht sagen.
Hans Jürgen Hahn

Eine sehr wichtige Analyse. Ein wichtiger Befund: Björn Höcke bewegt sich sprachlich im Resonanzraum des Nationalsozialismus. Der große Bruch in unserer Geschichte sind die Verbrechen der Deutschen gegen die Menschlichkeit. Es gibt eine Sprache, die diese Verbrechen legitimiert, normalisiert, verharmlost. Diese Sprache darf keine Macht gewinnen. Der Bruch wird immer bleiben. Die sprachliche Brücke von Björn Höcke führt ins Verbrechen. Niemand sollte da mitgehen. Wir haben die Wahl.
Reinhard Koine

Ein wenig überzeugendes Statement! Was wird hier krampfhaft an Beweismitteln herangezogen, um AFD-Mitglieder noch rechter zu machen, als sie sind? Wie wird mit leichtfertigen Projektionen die demokratische Weitsicht verengt? Werden damit nicht Ängste geschürt und das Gegenteil eines liberalen und freiheitlichen Denkens beschworen?!
Walter Moritz

Ich habe den Versuch gewagt, diesen Artikel jenseits meiner zivilisatorischen und humanistischen Grundhaltung, eher mit dem, mich stets erschreckenden Verständnis meiner verstorbenen, aber zu Lebzeiten stets national-sozialistisch geprägten Mutter zu verstehen. Sie hätte dieses Benennen und damit Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Gedanken anders gewertet, als ein naiver Journalismus damit vielleicht beabsichtigt. Diese Seite 3 der ZEIT vom 21.September 2023 ist nicht mit einer Sachaufklärung versehen, sondern als unkommentierter „Überblick“ von menschenverachtenden Inhalten adressiert. Ist der Glaube der Redaktion wirklich so naiv, anzunehmen, dass die Leser der ZEIT durchweg aufgeklärt sind. Mit diesem Artikel trägt die ZEIT auch zur Verbreitung von Propagandamitteln des Grauens bei und würdigt damit umfassend einen Protagonisten dieser Tatsache. Ich bin von diesem bestenfalls naiven Journalismus erschreckt und erschüttert.
Jürgen Dressler

Eine Recherche über die Wortwahl von Björn Höcke und seine möglicherweise bewussten Bezüge zum Nazijargon ist sicher begrüßenswert und erhellend. Das muss man Herrn Sepp zugutehalten. Wenn man die aufgelisteten Beispiele allerdings genauer unter die Lupe nimmt, stellt man fest, dass die aufgeführten Worte und Begriffe der deutschen Sprache keineswegs immer so ohne weiteres einer Nazigeschichte entspringen. Bei Begriffen wie „entartet“ oder „Tat-Elite“ kommt man freilich nicht daran vorbei, das deren Verwendung im politischen Genre nicht zu akzeptieren sind. Aber bei „Hammer oder Amboss“ wird das schon sehr viel schwieriger, wie Herr Sepp selber zugibt. Der Begriff stammt tatsächlich vom späteren Reichskanzler von Bülow und datiert auf das Jahr 1899. Die Formulierung „die Halben“ geht zurück auf den berühmten Ausspruch Ernst Moritz Arndts: „Die Freiheit und das Himmelreich gewinnen keine Halben“ und stammt aus der Zeit der Befreiungskriege von 1813.

Dass Hitler den Begriff der „Halben“ einmal verwendet hat, macht ihn noch nicht zum Urheber dieses Wortes. Die Rede von einem „totalen Sieg“ wird kaum jemand auf Goebbels zurückführen. Warum? Er sprach in seiner berühmten Sportpalastrede vom Februar 1943 vom „totalen Krieg“, nicht vom totalen Sieg. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff „gesundes Volksempfinden“, das sicher die Nazis verwendeten, aber vor ihnen auch im Kaiserreich und in der Weimarer Republik verwendet wurde und auch noch in der jungen BRD. Wenn Herr Sepp dann auch den Begriff einer „organischen Marktwirtschaft“ bei den Nazis verortet – in NS-Juristenkreisen wurde der Begriff „organische Wirtschaft“ gelegentlich verwendet –, dann besitzt er ein Spezialwissen, das kaum jemand haben dürfte. Zudem wird der Begriff auch heute noch völlig unpolitisch etwa in der lesenswerten Schrift des Ökonomen Stefan Mekiffer – Warum eigentlich Geld genug für alle da ist – verwendet.

Die Zeitung „der Freitag“, dessen Verleger Jakob Augstein war, sicher kein Nazi, bewertete das Buch sehr positiv. All das zeigt, wie vorsichtig man sein sollte, von Worten und Begriffen, die meist eben nicht eindeutig ideologisch zugeordnet werden können, und das sind viele, auf die Gesinnung des Redenden zu schließen. Dabei denke ich freilich nicht an Björn Höcke, den ich ähnlich wie Herr Sepp einschätze, sondern ich sorge mich vor einer allgemeinen Hexenjagd, die in trüben Wassern fischt und genau wissen will, wie jemand denkt, der gewisse Worte verwendet, nur weil ein Nazi sie möglicherweise auch verwendet hat. Haben wir nicht schon genug Mühe mit manchen Sprachpolizisten? Ich rate zu mehr Zurückhaltung.
Bernhard Olpen

Sie sind ein ganz, ganz kleiner, links weichgespülter Schreiberling. Herr Höcke und … werden „vergehen“, aber die Sorgen der 20-30% AfD Wähler, werden von Ihnen und Konsorten totgeschwiegen! Schämen sollten Sie sich.
Herbert Loitsch

Wenn Höcke von seinen Sprüchen behauptet, deren Bedeutung sei ihm nicht bewusst, lügt der Gymnasiallehrer für Geschichte mehr als dreist. Die Verwendung von leicht abgewandelten NS-Parolen in seinen politischen Äußerungen verraten Björn Höcke als lupenreinen Neonazi. Dazu passt, dass auch der Thüringer AfD Landesverband, dem er vorsteht, inzwischen vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Was liegt also näher als die AfD in Thüringen zu verbieten? Der Vorschlag des Staatsrechtlers Gärditz in einer Sonntagszeitung vom 10.September sieht vor, genau das zu tun. Damit wären dem rechtsextremistisch geprägten Landesverband Thüringen unter Höcke die Flügel politisch gestutzt und die Bundes-AfD empfindlich getroffen. Leider scheint dieser juristische Weg zurzeit die einzige Möglichkeit zu sein, um die AfD zu bekämpfen.

Politisch ist in dieser Frage ein Versagen aller deutschen Parteien zu konstatieren. Egal ob CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke oder FDP, sie alle fürchten den Unmut von Wählern, die mit der AfD sympathisieren. Aber am meisten wird der Anstieg des Protestwähler-Potentials gefürchtet der den etablierten Parten zu viele Stimmen abnehmen könnte. Als Folge entstehen Koalitionen, die aus mindestens drei Parteien bestehen müssen, um rechnerisch eine parlamentarische Mehrheit zu erzielen. Wie schlecht die Ampel mit ihren 3 Parteien funktioniert ist täglich zu beobachten. Kein Wunder daher der Verlust von SPD, Grünen und FDP bei Wählerumfragen. Eine spannende Frage auch, wie sich Wählerschichten öffentlich darstellen deren Sympathien für rechtspopulistische oder gar rechtsextreme Parteien ständig wachsen.

Ist es die gerne als schweigende Mehrheit bezeichnete Mitte in der deutschen Gesellschaft, wo die Abneigung gegen die etablierten Parteien grösser wird? Die aber nicht wahrhaben will, dass eine Partei wie die AfD, die beabsichtigt mit untauglichen Mitteln in das Gefüge EU und einer vernetzten Wirtschaftspolitik einzugreifen, was aber Deutschland nicht nur politisch ins Abseits führen muss? Wie oben festgehalten, kann eine neonazistisch eingefärbte Partei niemals ein halbwegs geklärtes Verhältnis der Deutschen zu der Hitler-Diktatur mit ihren Verbrechen in einer stabilen Lage halten. Es ist doch offensichtlich, dass die AfD (Höcke) gerne die deutsche Geschichte umschreiben lassen würde!
Klaus Reisdorf

Ich bin keinesfalls ein Wähler der AfD, noch deren Sympathisant. Dies nur vorneweg. Ihr Artikel vermeidet sorgfältig, die 14 Zitate als Belege für die rechtsextreme Gesinnung von Herrn Höcke zu bezeichnen. Dies ist auch besser so, denn dazu taugen sie m.E. keineswegs. Was möchten Sie uns dann damit zeigen? Dass Herr Höcke ein wenig nach Franz Josef Strauß klingt? Nein, sie drucksen herum und sagen, dass Sie zahlreiche Bezüge zur Sprache der Nationalsozialisten erkennen. Aus einem Zeitraum von fast 10 Jahren tragen sie nun 14 aus dem Zusammenhang gerissene Sätze zusammen, die Ihre These belegen sollen. Und da muss ich leider feststellen, dass viele Ihrer Belege arg konstruiert sind. Ich würde bei manchen sogar sagen: an den Haaren herbeigezogen!

B.: Satz 1 mit ihrem Kommentar in Zusammenhang zu bringen ist bestenfalls unseriös. Der Satz ist sicherlich pathetisch, vielleicht sogar albern, ihn aber mit dem Kult des individuellen Selbstopfers für die Nation aus der Kriegerverehrung in Zusammenhang zu bringen, ist fernliegend. Nationalsozialistisch ist das besagte Pathos auch nicht originär, Sie selber schreiben ja schon, dass der Satz „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“ bereits aus dem Jahr 1914 stammt. Z.B.: Ähnlich unseriös ist es, den Ausdruck „vollständigen Sieg“ aus Satz 7 mit der Sportpalastrede parallel zu setzten. Abgesehen von der sprachlichen Ferne waren die militärtheoretischen Konzepte des Totalen Krieges, auf die sich Goebbels bezog, keineswegs Erfindungen der Nationalsozialisten. Z.B.: „Hammer und Amboss“ als Beleg für Bezüge zur Sprache der Nationalsozialisten zu vewenden, wenn Sie selber bereits konstatieren müssen, dass sich Herr Höcke explizit auf von Bülow bezieht, kann doch auch nicht verfangen. So kann man zu jedem der gewählten Sätze mehr oder weniger stichhaltige Einwendungen vorbringen.

Herr Höckes Duktus mag unappetitlich sein, ist meistenteils aber nicht justiziabel. Von Ihren 14 Sätzen mögen vielleicht in Vieren NS-Begrifflichkeiten auftauchen, die dem Laien als solche erkenntlich sind („Lebensraum“, „entartet“, „Volksverderber“, „Volksempfinden“). Ferner weitere Begriffe, die im Allgemeinen nicht als solche wahrgenommen werden („Halbe“, „Tat-Elite“, „organische Marktwirtschaft“). Wenn das alles ist, was Sie aus 10 Jahren Redemanuskripten, Interviewbeiträgen usw. zusammentragen konnten, und davon die Hälfte geradezu böswillig konstruiert ist, dann kann es nicht so schlimm sein, wie Sie uns weismachen wollen. Dieser Artikel ist somit bloß Wasser auf die Mühlen derer, die von unfairer Berichterstattung, von „Systemmedien“ und Kampagnen gegen die AfD sprechen. Sie haben somit also Herrn Höcke keinesfalls demaskiert, sondern beste Wahlwerbung für Ihn gemacht. Ich hätte mir daher gewünscht, Sie hätten diesen Artikel nicht veröffentlicht. Er enthält keine neuen Informationen, keine neuen Erkenntnisse. Er ist schlechter Journalismus und ein Bärendienst für die Demokratie.
Carlo Schneider

Zum Fall Björn Höcke habe ich gestern einen sehr interessanten Leserbrief im Münchner Merkur unter der Überschrift „Von den Nazis missbraucht“ des Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Helmut Berschin aus Regensburg gelesen. Diese angeblich nationalsozialistische Losung: „Alles für Deutschland“, um die es bei der Verhandlung vor dem Landgericht Halle gehen soll, soll laut des obengenannten Professors keine „Erfindung“ der Nazis sein, dieses angebliche Nazi-Vokabular soll von König Ludwig I aus Bayern stammen, die der König u.a. am 6.März 1848 an die Ständevertreter der bayerischen Pfalz geschrieben hat. Diese endet mit folgenden Worten: „Bayern! Euer Vertrauen wird erwidert. Lasst uns erwägen, was…dem gemeinsamen Vaterlande (=Deutschland) not tut. Alles für mein Volk! Alles für Deutschland! Ludwig.“ (mit teilweise wörtlichen wiedergegeben Stellen aus dem Leserbrief von Prof. Dr. Helmut Berschin im Münchner Merkur vom 14.9.2023, siehe PDF)
Klaus P. Jaworek

Björn Höckes Rhetorik ist ganz klar dem NS-Vokabular entlehnt, wenn nicht sogar gleich. Das fällt gar nicht so auf, liest oder hört man seine man seine Ausdrücke und Begrifflichkeiten einzeln. Erst im Überblick kann man deutlich erkennen, dass Höckes verbale Entgleisungen kein Zufall sind, sondern Ausdruck seiner Denkweise und rechtsextremen Einstellung. Als früherer Geschichtslehrer weiß doch er ganz genau, was er sagt, und natürlich kennt er die Bedeutung seiner Worte und die Folgen seiner Wortwahl. Genau damit will er ja politisch etwas bewirken. Wie wohl sein Geschichtsunterricht ausgesehen hat zum Thema „Drittes Reich“ und Nazi-Zeit? Björn Höcke sagt: „Wer die Begriffe prägt, der prägt die Sprache. Wer die Sprache prägt, der prägt das Denken…“. Man kann nur hoffen, dass er mit seinen Begriffen und seiner Sprache nicht das Denken seiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler geprägt hat.
Regina Stock

Der Artikel klingt nach Fleißarbeit. Doch was wollen Sie damit bezwecken? Wen wollen Sie damit erreichen? Die einen werden denken, endlich habe ich es schwarz auf weiß, wie sehr Höcke ein Faschist ist, die anderen sehen darinnen linguistische Haarspalterei von solchen, die auch Gendersternchen verwenden.
Detlev Zirkelbach

In Ihrem Artikel erwähnen Sie u. a., dass gegen einen Herrn Höcke wegen der Verwendung des Ausdrucks „Alles für Deutschland“ die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wurde. Die Verwendung des Begriffs „Alles für Deutschland“ soll dabei ein Beispiel für „rechtes Reden“ sein. Herr Höcke hat den Begriff „Alles für Deutschland“ in seiner Rede neben der Aussage „Alles für die Heimat“ usw. verwendet. Demokratische Medien wie DER SPIEGEL verwenden diesen Begriff „Alles für Deutschland“ offensiver, so DER SPIEGEL Nr. 37 v. 9. 9. 2023 S. 122. Man findet dort diesen Begriff als Überschrift halbfett in Versalien mit größeren Buchstaben als der nachfolgende, belanglose Text.

Die Auflage von „DER SPIEGEL“ soll allein in der Papierform ca. 700.000 betragen, Reichweite wohl mehrere Millionen. Die Verwendung des Begriffs „Alles für Deutschland“ ist in Deutschland gemäß § 86 a StGB strafbar. Der Unterzeichnende hat daher am 14. 9. 2023 bei der StA Hamburg gegen die Verantwortlichen für diese Überschrift Strafanzeige per beA gestellt. Trotz mehrfacher Bitten um die Mitteilung des Aktenzeichens hat er bisher von der StA Hamburg noch nichts gehört. Möglicherweise geht man bei der Verfolgung von Verwendung verbotener Parolen politisch selektiv vor. Nach meiner Ansicht müsste man aber den Titel Ihres Beitrags „WIE RECHTE REDEN“ ändern. DER SPIEGEL ist doch keine rechte Publikation, oder doch?
B. Bytomski

Das Grausen überfällt einem, liebe Zeit! B.Höcke weiss genau was er sagt und wie er seine Anhänger gewinnen kann. Wie kann auch nur ein Mensch dieser sogenannten Alternative ihre Stimme geben. Schämen müssen sich alle, die sich ‘Protestwähler’ nennen. Ich möchte Herrn Sepp Viktor Klemperer ans Herz legen, falls er das ‘Notizbuch eines Philologen’ nicht kennt. Die darin beschriebene LTI: Lingua Tertii Imperii zeigt deutlich, wie schnell eine Sprache pervertiert werden kann.
M. M. Brauch

Ein Rechter bin ich nicht (wohl das Gegenteil), aber ich habe das Zitat von Goethe aus dem Gedicht „Ein andres“ (gemeint ist ein andres „Kophtisches Lied“) schon manchmal in Schriften zitiert:  das vom „leiden oder triumphieren, Amboss oder Hammer sein“ handelt. Auch der Heinrich Lersch mit seinem „Deutschland muss leben“ ist mir lieb (auch wenn ich nicht sterben mag). Er ist zwar 1935 von den Nazis eingefangen worden, aber 1914, als er das Gedicht schrieb, war er ein patriotischer Arbeiterdichter (in einer Zeit, in der auch die SPD-Kriegskredite bewilligte). Er hat noch 1934 einen von mir geliebten Genossenschaftsroman geschrieben „Die Pioniere von Eilenburg“.  Übrigens: bei Goethe können noch viele Rechte fündig werden. Aber Linke natürlich auch. Wenn Zitate bei den AfD’lern Gesinnungen belegen sollen, werden sie nicht automatisch verbrannt. Das halten die aus.
Armin Peter


Leserbriefe zu „Wie kann das enden?“ von Navid Kermani

Navid Kermani weiß also auch nicht weiter und straft damit alle Lügen, die selbstsicher und hochfahrend vor Monaten ihre kruden Botschaften unter die Leute gebracht haben. Was auch er unterschlägt, ist die (Opfer-)bereitschaft der Überfallenen. Statt über Lösungen des Konflikts zu spekulieren, sollte man in Kiew nachfragen. Dort stehen die Leitplanken, an denen sich der Westen zu orientieren hat. Solange das ukrainische Volk quasi mit der Schlinge um den Hals durchhält, bedarf es keiner Friedensmissionen oder Belehrungen der Partner. Nötig ist dann einzig die materielle Unterstützung.
Christoph Schönberger

Trotz tw. anderer Einschätzungen finde ich Herrn Kermanis Darstellung zu Widersprüchen und (Selbst-)Zweifeln im Ukrainekrieg mehr als gelungen. Seine Kritik am deutschen Außenministerium (sinngemäß keinerlei Arbeit an einer Friedenperspektive) sollte eigentlich Außenministerin Baerbock in der nächsten Ausgabe der Zeit begegnen!
Martin Hommel

Im Feuilleton habe ich einen interessanten Artikel von Navid Kermani über eine Friedensinitiative beim Krieg in der Ukraine gelesen. In der Spalte rechts oben sind “Vorbereitungen für eine politisch-strategische Kontaktgruppe analog zur militärischen Rammstein-Kontaktgruppe” erwähnt. Das ist leicht zu verwechseln mit der Rammstein-Musikband; die militärische Ramstein-Kontaktgruppe schreibt sich nur mit einem m.
Andreas Oeynhausen

Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine ist der Raum des Möglichen unendlich groß. Das Mögliche speist sich aus dem nicht berechenbaren tatsächlichen Geschehen und dem nicht sicher kalkulierbaren Gewollten der vielen Akteure. Die relativ stabilen Fronten schaffen keine stabilen Voraussetzungen. Unterstellte Interessen und Ziele der Akteure sind letztendlich nur Vereinfachungen und vage Hypothesen, um dem Möglichkeitsraum eine Struktur zu geben und eine Übersichtlichkeit wenigstens gedanklich zu erzeugen. Eine fehlende Strategie der Bundesregierung könnte Ausfluss der faktisch großen Unklarheit sein und gewollt selbst zur Unübersichtlichkeit beitragen. Getroffene Entscheidungen haben einen Effekt wie auch nicht getroffene Entscheidungen. Was also sind in dieser Gemengelage die richtigen Fragen, um richtige Antworten zu erhalten? Niemand weiß das. Und dennoch müssen die Entscheidungsträger die Fragen richtig stellen, um die untragbare Verantwortung tragen zu können.
Reinhard Koine

Angesichts der beiden Artikel zum Krieg Putins/Russlands gegen die Ukrainer*innen frage ich mich, warum die beiden Autoren vor der Veröffentlichung der Artikel offenbar nicht miteinander gesprochen haben. Vielleicht wäre dann zumindest der Artikel „Wie kann das enden?“ anders ausgefallen. Denn wenn Herr Putin keinen Frieden oder auch nur Waffenstillstand will, erübrigen sich alle Friedensinitiativen oder -strategien. Dann bleibt nur, auf den militärischen Sieg der Ukrainer*innen zu setzen und sie entsprechend zu unterstützen. Dass das bislang keineswegs schnell genug und in ausreichendem Maße geschehen ist und die Gegenoffensive der Ukrainer*innen deshalb sehr schleppend verläuft, ist leider wahr und nicht zuletzt den vermeintlichen Friedensfreund*innen und faktischen Putinunterstützer*innen in Deutschland sowie Olaf Scholz geschuldet. Die Ukrainer*innen zahlen für diese Zögerlichkeit mit Elend, Blut und Leben.
Ulrich Willmes

Der Artikel ist eine genaue Analyse der derzeitigen Zustände. Man kann nur hoffen, dass es zu einem wie auch immer gearteten Friedensschluss oder dergl. kommt. Alles andere wäre fatal sowohl für die Ukraine als für ganz Europa. Vielen Dank an Navid Kermani.
Ingeborg und Dr. Herwig Fischbeck

Der D-Day am 6.Juni 1944 hat die Befreiung der Welt von dem Naziregime eingeleitet. Mit Erfolg! Die Welt und die Ukraine brauchen einen neuen D-Day. Gebündelte, massive, zielgesteuerte und effektive Waffenlieferungen aller unterstützender Länder. Kein Kleckerkram. Klotzen, einmal kurz und zielführend. Nur so kann die Ukraine den aufgezwungenen Angriffskrieg gewinnen, nur so kann unsägliches Leid schnell beendet werden. Russland darf niemals einen Gewinn erzielen, weder militärisch, ideologisch und auch nicht territorial. Das heißt auch: Alle besetzen Gebiete gehen zurück an die Ukraine. Die bislang unzureichenden Waffenlieferungen bringen mehr und mehr Staaten an die Grenzen der eigenen Verteidigungsfähigkeit. Es droht eine „Kriegsmüdigkeit“ in den Unterstützerstaaten, es droht, dass Trumps Revival die Nato spaltet, es droht, dass dieser Angriffskrieg eine Blaupause für zukünftige Kriege wird. Der UN- Sicherheitsrat ist machtlos, solange das Vetorecht nicht novelliert wird. Und- die Ukraine muss zeitnah Mitglied der Nato werden. Der diktatorische Geschichtsfälscher im Kreml wird und kann sich nicht mit der Nato anlegen. Bitte macht es so!
Andreas Löbbers

In der Tat fällt es schwer, sich vorzustellen, wie dieser Krieg weiter gehen soll. Ein Aspekt, den ich mit am wenigsten verstehe, ist, welche Perspektive die Ukraine den in den besetzten Gebieten verbliebenen Menschen eigentlich anbietet, um ein Zusammenleben im Falle eines ukrainischen Sieges zu gewährleisten. Wie stellt man sich den Wiederaufbau vor, wie will man mit den prorussischen Kämpfern umgehen, wie soll die Sprachpolitik aussehen, ist ein Sonderstatus vorgesehen, eine Form von Föderalismus? Mit anderen Worten, wie nimmt man den Menschen dort die von Russland geschürte Angst vor der Ukraine, was bietet man ihnen eigentlich an, um einen ewigen Konflikt zu vermeiden? Dass diese Fragen gar keine Rolle spielen, es immer weiter nur um Waffen und Bodengewinne etc. geht, lässt wenig Raum für Hoffnung auf mehr als einen eingefrorenen Krieg.
Dieter Schöneborn

Der ZEIT und Herrn Kermani kann man nur dankbar sein, dass sie den Mut hatten (ja, in der aktuellen aufgeheizten Situation braucht es Mut) einmal den gesunden Menschenverstand zu Wort kommen zu lassen. Während der Westen in der Ukraine seine “Werte” verteidigen lässt, wird eine ganze Generation junger Männer in ein sinnloses Gemetzel geschickt mit Tausenden Toten, Verwundeten, Verstümmelten, Traumatisierten auf beiden Seiten.
Michaela Bohmig

Schon in der Unterüberschrift – „die Fronten im Krieg in der Ukraine bewegen sich kaum. Europa braucht endlich eine Strategie, um Frieden zu ermöglichen…“ – wird menschenwürdig hervorgehoben: SEID FRIEDENSBEREIT! Und genau in diesem Zusammenhang gibt die Überschrift WIE KANN DAS ENDEN? – letztlich genau den Überblick zu der unausweichlichen Realität eines Friedensschlusses, auch ohne die momentane westliche-östliche labyrinthische Vorstellbarkeit: wie das denn politisch (auch für die fernere nachbarschaftliche Zukunft) auszuloten wäre… Der Friedenspreisträger (zu welchem Friedenspreis?) Navid Kermani analysiert sehr einleuchtend in diesem ganzseitigen ZEIT-Text die Situation des vorhandenen „Patts“ (genauer definiert: Stellungskrieges) zwischen den Kriegsgegnern, dem Aggressor des Putin-Russland und den Verteidigern (in) der Ukraine! Militärisch ist dieser Verteidigungskrieg gegen das kriegerische Putin-Russland nicht zu gewinnen… – denn dies müsste doch zuvor bedeuten, dass das ukrainische Militär das russische Militär an die Grenzen des eigenen Landes zurückkämpfen kann und darüber hinaus evtl. sogar anteilig russisches Gebiet erobert, um (dirigistische) Friedensverhandlungen damit zu positionieren…

Doch diese Vorstellung alleine schon ist aussichtslos, wird ein solches Szenario niemals stattfinden können, selbst wenn man mit allen ukrainischen Möglichkeiten (zu der waffenliefernden Auslandshilfe) den „russischen Bären“ zu verjagen versucht: aber das militärische und wirtschaftliche Kräfteverhältnis zwischen der Ukraine und Russland spricht (realistisch erkennbar) dagegen, und niemals würde ein Putin oder ein Nachfolger in dieser (diktatorischen) Funktion (?) sich dieser (unsinnigen) Vorstellbarkeit praktisch unterwerfen können… Und erst hierbei (in dieser Illusionierung des Unvorstellbaren) würde das gesamte russische Volk sich mit den Machthabern solidarisieren, wenn es je zu einem militärischen Vordringen über die russische Grenze kommen könnte… Wie beschrieben: eine absolute Illusion – und somit muss sich die Ukraine dieser unausweichlichen Realität des baldigen „Kompromisses“ als „conditio sine qua non“ allmählich stellen, um nicht ein jahrelanges Patt, eher aber vorstellbarer: weitere Gebietsverluste und viele Zehntausende Menschenleben an Soldaten und Zivilpersonen als Opfer dadurch langfristig militärisch „einzuplanen“! Putin hat „sein“ Russland zurzeit nicht wirklich kriegsmobil befohlen, noch geht der russische Alltag seinen gewohnten Gang, die russischen Männer sind nicht staatlich einberufen zum Befehl an die Front – und erst dann käme es wie ein Sturm über die Ukraine! Noch ist dieser Krieg von Putin relativ in (dennoch überschaubare) Normen und Formen gehalten – aber wehe der Diktator sieht sich in die eigene Enge getrieben… Wir ersehen daraus auch: Atomwaffen sind k/eine wirkliche Abschreckung in einem regionalen Krieg: weil sie nicht eingesetzt werden können in dieser Welt der dann atomaren Gegenschläge: in den allgemeinen Untergang der Menschheit. Es ist einem unerklärlich, welche Macht solch ein Putin-Diktator in jetzigen (modernen) Zeiten einem Volk aufbürden kann – und dass ein Volk solch einen Tyrannen nicht fortjagt…

Navid Kerman beschreibt in/direkt sehr strukturiert zukunftsschauend: „Es ist offensichtlich, dass Wladimir Putin auf den Regierungswechsel in Washington spekuliert, der Stand jetzt wahrscheinlich ist, da sich die Demokraten mangels Alternativen an den greisen Joe Biden klammern, was einem Offenbarungseid des liberalen Amerikas ziemlich nahekommt. Die Erfolge nationalistischer Parteien überall in Europa werden die westliche Solidarität weiter untergraben, sodass Putin der Zukunft vergleichsweise gelassen entgegensehen kann, sofern seine Armee bis in den Winter hinein standhält. Diese Realität auszusprechen bedeutet nicht, sie zu wollen, und schon gar nicht bedeutet es, auf der Seite Russlands zu stehen. Eher ist es umgekehrt: Wenn die Ukraine etwas nicht gebrauchen kann, ist es das Wunschdenken westlicher Unterstützer, die sich Frieden nur ohne Putin vorstellen können. Nicht sie sterben im Krieg, falls Putin bleibt“.

Und eines scheint sehr sicher – Wladimir Putin hat seine Hierarchien so eng um sich sortiert, dass es vom inneren Circle her keine „Meuterei“ oder einen Umsturz geben wird – und auch von Seiten des russischen Volkes in der Mehrheit auch keine Rebellion oder ein Aufstand gegen das Putin-System vorstellbar sei: zu sehr schon gilt dieser Krieg (und längst als keine strategische Operation in der russischen Öffentlichkeit mehr „verkündbar“) eher als eine Causa (und seltsamerweise zudem eine Ehre) des russischen Selbstwertgefühls: verloren kann und darf dieser Krieg nicht werden! Das sind die unausweichlichen Fakten – und somit müssten die westlichen Länder als mitbeteiligte Financiers und Waffenlieferer dieses Verteidigungskrieges der Ukraine: sich auch politisch endlich im Klaren sein, dass nur ein Verhandlungsprinzip mit dem Putin-Russland evtl. den Diktator und seine Clique (und die Mehrheit des hinzuverführten russischen Volkes) zu einem Friedensabkommen bereitfinden lassen könnte; keinesfalls aber mit „Gesichtsverlust“ auf russischer Seite! Wladimir Putin kann und „wird“ solch einem „Verhandlungsfrieden“ (initiiert von den mächtigsten Staaten der Welt – hoffentlich inclusive der Chinesischen Volksrepublik) nur zustimmen, wenn der Donbass und die Krim dann als die Gebiete für Russland auch „völkerrechtlich“ anerkannt werden – alles darunter oder weniger, macht für den Diktator keinen Sinn auch nur darüber nachzudenken, sich etwa auf die alten Grenzen militärisch zurückzuziehen und diesen Krieg sozusagen ohne Land-Gewinn als strategische gelungene Strafoperation der russischen Bevölkerung (in der vorhandenen Stärke) zu vermitteln…

Das weiß die ukrainische Führung und auch die westlichen politischen Führungen machen sich hierbei sicherlich keine falschen Hoffnungen zu deren „Wunschdenken“ zu einem solchen Ausgang eines nur so verhandelbaren Endes des Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Auf Russlands Seite sind Zehntausende von Soldaten an den Fronten des Krieges getötet worden – der Initiator dieses Krieges, Wladimir Putin: kann sich einen anderen „Sieg“-Frieden vor dem russischen Volk gar nicht leisten: die vielen Toten werden als „Gegenrechnung“ ihm stets präsentiert (bleiben)! Die weiterhin gefährdete Ukraine wird und muss sich der weiteren Konsequenzen bewusst sein – selbst wenn deren Toten als Bewusstsein eines Verteidigungskrieges: ehrenvoll für ihr Land gefallen sind und nicht nur in gegenseitige „in Rechnung“ gestellt werden könnten: die Unabhängigkeit des (geographisch verminderten) Landes hat/hätte in der politischen Vernunft letztlich oberste Priorität – und an Revanche wird ebenfalls nie auch nur zu denken sein… Welche dramatischen Voraussetzungen für die beiden Länder in der Zukunft nach einem so genannten Friedensabkommen!

Der Friedenspreisträger Navid Kermani schreibt Klartext ohne Verhüllungen zu der einen oder anderen Seite – ist hierbei auch zu sehr (?) friedensbewusster Pragmatiker zwar ohne Zukunftsvisionen: – doch warnt er gleichzeitig unsere westlichen Führungen (und somit auch dieses politische Deutschland) wenn er beschreibt: „… Wie gesagt, dass weiß ich alles nicht. Aber stellt sich eine Frage nicht gerade dann, wenn man die Antwort nicht schon kennt? Umgekehrt müssten sich die politisch Verantwortlichen in den westlichen Hauptstädten und erst recht die Strack-Zimmermanns, deren politische Fantasie für die Ukraine sich auf den Ruf nach Waffenlieferungen beschränkt, doch ebenfalls fragen lassen, wohin es führen soll, wenn alles weitergeht wie bisher – wohin sonst als zu einem jahre- oder jahrzehntelangen Abnutzungskrieg mitten in Europa? Oder gar zu einem Desaster für die Ukraine, falls ab Januar 2025 ein Republikaner im Weißen Haus sitzen wird? Um Antworten zu finden, muss man mit den Fragen beginnen.“

Es wird allerhöchste Zeit, dass in der westlichen Welt (besonders sind vor allem auch die europäischen PolitikerInnen gefordert): gemeinsame Friedenspläne mit der Ukraine durchgedacht werden – dass dann dieser russische Diktator Putin zu reagieren hätte, reagieren muss: um aus seinem verursachten Dilemma, einem schrecklichen Krieg mit eigenen hohen Verlusten, da herauszukommen, sein Gesicht zu wahren und dennoch für beide Seiten dies irgendwie vertretbar sein könnte…? Glauben zu wollen, dass dieser Krieg von russischer politisch-militärischer Seite quasi ohne Forderungen, beendet würde: wäre ein unsinniges Wunschdenken, und auch die Verwünschung in Erfüllung zu bekommen: dass Putin aus seiner Machtposition verschwände, ist ebenso zwar vorstellbar, aber nicht realistisch! Navid Kermani schreibt ohne diplomatische Tarnungen als Friedenspreisträger: „Ohne Waffenlieferungen würde eine politisch selbstständige Ukraine nicht mehr existieren.

Andererseits sind Waffenlieferungen kein Selbstzweck, und ebendieser Zweck gerät aus dem Blick, wenn man sich anderthalb Jahre nach Kriegsausbruch immer noch schwertut, ihn zu formulieren. Soll es ein Systemwechsel in Russland sein, wie es der deutschen Außenministerin vorzuschweben scheint, wenn sie Putin vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag sehen will? Das wäre in vielerlei Hinsicht wünschenswert, auch für das russische Volk selbst, aber realistisch ist es vorläufig nicht – und wenn es das je werden sollte, dann eher wegen politischer Entwicklungen in Russland selbst, die niemand absehen kann, als nach einer militärischen Kapitulation… Oder soll es darum gehen, die Ukraine in die Lage zu versetzen, erfolgreich Friedensverhandlungen zu führen, wie es der Bundeskanzler Deutschlands andeutet…“

Deutschland hat über eine Million UkrainerInnen in Schutz und Obhut genommen, bezahlt für diese geflüchteten Menschen ihren Aufenthalt und Unterhalt, finanziert das deutsche Volk somit auch bereitwillig (?) die Folgen dieses Krieges zwischen Russland und der Ukraine… Nur dürfen sich Deutschland und Europa nicht in diesen Krieg mit mehr als weiteren Waffenhilfen (und anderen Finanzierungen) involvieren lassen – auch nicht mit dem politischen Nachdruck als Gedanken spielen: dass die Ukraine in die Europäische Union aufgenommen würde sowie der Nato beitreten könne… Das wären die zusätzlichen Unmachbarkeiten und Bedrohungen einer Friedensmöglichkeit zwischen diesen beiden kriegsführenden Staaten – und sollten aus den politischen Strategien der Westmächte absolut herausgedacht werden. Die Außenministerin Annalena Baerbock hat ja bereits den Staatspräsidenten Xi Jinping der Volksrepublik China öffentlich und politisch herausposaunend: als einen Diktator betituliert! Ohne aber gleichzeitig verraten zu wollen, wie sie sich ein turbokapitalistisches China mit über 1,4 Milliarden Menschen vorstellen mag, dass dann in einer kapitalistischen „Demokratie“ amerikanischer Prägung sich hemmungslos dem Produzieren und Verbrauchen ergeben müsste …

Annalena Baerbocks grüne Phantastereien sind nicht nur außenpolitisch für Deutschland äußerst gefährlich und tragen (in der Welt der militärischen Mächte ist sie doch nur ein ephemeres feminines Baerböckchen) sicherlich nicht zu einer deutschen Vermittlungsmöglichkeit zwischen den Fronten bei – mag sie noch so menschenfreundlich denken: doch dann sollte sie sich bei „Greenpeace-Deutschland“ bewerben und nicht als weltumfassende Oberbaerbock den politischen Bock bzw. den chinesischen Drachen abschießen wollen… Überhaupt: kann man in solch ein Amt der Repräsentation Deutschlands – eine so unbedarfte, undiplomatische Person hemmungslos drauflosplaudern lassen… Bundeskanzler Scholz sollte ihr einen Maulkorb verpassen oder sie aber zumindest in weltfraulicher Diplomatie unterweisen, so er denn seines obersten Amtes für Deutschland walten kann und seine grüne Außenministerin unter Kontrolle oder Aufsicht behält… Es geht uns nämlich etwas an, wenn in China deutscherseits „ein politischer Reissack“ umfällt oder ein unbedarfter Annalena-Schmetterling dadurch einen Sturm erzeugen kann… Und will etwa die Außenministerin Baerbock den „russischen Bären“ nach ihrer Pfeife tanzen lassen – welch eine doch hierbei beratungsresistente Amtsinhaberin von ganz eigenen Überzeugungen: überfordert auf die politische Welt losgelassen wird…

Eines scheint aber verdeutlicht: eine Welt ohne Waffen wird es in diesem Menschenwahnsinn nicht geben können – und Voraussetzung für den Frieden in der Welt wird es zwischen den Großmächten im erweiterten Sinne sein: „Ci vis pacem para bellum“ – wenn Du für den Frieden bist, rüste Dich gegen einen evtl. Angriffskrieg! Und die Abschreckung können nur die modernsten technischen Waffen sein – zurzeit noch die Atombombe. Wäre die Ukraine atomar bewaffnet gewesen, hätten Putin und Konsorten dieses Land nie angegriffen! Ergo: wird man mit der Atommacht Russland verhandeln müssen – zwar nicht auf Teufel komm raus: aber in der klaren Einsicht, dass ohne die Kompromisse seitens der Ukraine: es keinen künftigen und „dauerhaften“ Frieden geben wird. Und illusorisch würde es auch sein, dass die Ukraine in die Europäische Union aufgenommen wird oder gar in die Nato der Zukunft… Das werden mit die Bedingungen Russischerseits zu den letztlich doch unausweichlichen Friedensverhandlungen, sein – je eher das von der Ukraine und dem zurückhaltend solidarischen Westen begriffen wird, umso schneller kommt es zu der Aussetzung des Krieges.

Ein japanischer Militär des 18. Jahrhunderts wusste: „Wenn der Gegner an absoluter Macht und Stärke überlegen ist und dadurch keine Aussicht auf den Gewinn des Krieges bestehen kann, sind die Verhandlungen unabwendbar und bedeuten zwar Verluste, aber immer noch günstiger als selbst dem Untergang entgegensehen zu müssen…“  Und schon Clausewitz (1780-1831) wusste in seinem Buch „Vom Kriege“: „Das russische Reich ist kein Land, das man förmlich erobern, d.h. besetzt halten kann, wenigstens nicht mit den Kräften jetziger europäischer Staaten. Ein solches Land kann nur bezwungen werden durch eigene Schwäche und durch die Wirrungen des inneren Zwiespalts“. Somit ist ein baldiger Frieden des „Kompromisses“ unumgänglich – auch im Sinne des Weltfriedens! Schließlich und endlich leidet auch die Welt darunter, hat Deutschland immense Kosten mit zu tragen und wird sicherlich mit Russland in der erweiterbaren Zukunft: keine guten Beziehungen auffinden können, besonders auch nicht zum russischen Volk – denn das sieht die Deutschen (und nicht nur deren PolitikerInnen) als wesentliche Mitbeteiligte an diesem Kriegsgeschehen gegenüber ihrem Land (egal wie die Vorausbedingungen dieses Krieges sich beginnend zur Wirklichkeit, jeweils aufzeig/t/en!).
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Der Artikel von Herrn Kermani zum Fortgang des Verteidigungskrieges der Ukraine ist das beste und hellsichtigste, was ich dazu bislang gelesen habe. Weitab von Kapitulationsfantasien à la Wagenknecht, beurteilt er die militärischen Möglichkeiten der Ukraine, speziell vor dem Hintergrund der möglichen zukünftigen Entwicklung in den USA, sehr realistisch. Außerdem spricht er deutlich über seine Ratlosigkeit und versucht nicht, absolute Gewissheiten zu verbreiten. Ich teile seine Hoffnung, dass, zumindest hinter den Kulissen, Kriegsziele definiert sind und mögliche Szenarien für ein Kriegsende existieren.
Andreas Zabel

Solange die Ukrainerinnen und Ukrainer bereit sind, für die Freiheit und Unversehrtheit ihres Landes zu kämpfen und zu sterben, ist es unsere Pflicht, ihnen nach besten Kräften zu helfen. Was wir nicht tun. Eines Tages könnte der Wille der Ukraine erschöpft sein. In diesem Moment kann man die Gesamtlage betrachten und über Verhandlungslösungen und Friedensordnungen nachdenken. Davor sind alle Gedanken hierzu verschwendete Zeit, da keine der Kriegsparteien sich daran beteiligen will. Und sie sind auch kontraproduktiv, da dies in Moskau als weiteres Zeichen unserer schwindenden Entschlossenheit gewertet werden kann.
Jens Lüttge

Schreibfehler machen das Leben lustiger (durchaus auch eigene — ich habe schon mal ein n zu viel getippt und mich darüber sehr gefreut, denn an meinem Bildschirm las ich dann „die Verneinten Nationen“). Insofern bin ich auch dankbar für die Gelegenheit, bei der Lektüre plötzlich laut aufzulachen, als ich in dem Artikel von Navid Kermani von der „Rammstein-Kontaktgruppe“ las. Ich nehme an, das sind all die Frauen, die schon mal bei der Band zu sexuellen Gefälligkeiten gedrängt wurden. Der Ort mit dem US-Stützpunkt in der Pfalz schreibt sich mit einem m. :-)
Corinna Friesen


Leserbriefe zum Titelthema „Sozialer Aufstieg, wie weit komme ich?“ „DER UNSICHTBARE VORTEIL“ von Carla Neuhaus und Ann-Kathrin Nezik

Mit großem Interesse habe ich Ihren o.a. Leitartikel gelesen, haben Sie dafür meinen Dank. Sie behandeln ein auch aus der Sicht eines alten Lehrers wichtiges Thema. Anschaulich stellen Sie die unterschiedlichen Bildungschancen und -wege von Nicht-Akademikerkindern und Akademikerkindern gegenüber und stellen fest „Es sind die sogenannten Soft Skills, die weichen Faktoren, die lange Zeit übersehen wurden und die nun stärker in den Fokus von Ökonomen und Bildungsforschern rücken, weil sie den vielleicht entscheidenden Unterschied für den Lebenserfolg eines Menschen ausmachen.“ Diese Erkenntnis kommt m.E. allerdings reichlich spät, hätte doch ein Blick in die deutsche Bildungsgeschichte gezeigt, dass es immer schon massive schichten- bzw. klassenspezifische Unterschiede im Lern- und Lebenserfolg gab. Um meine Behauptung zu konkretisieren, möchte ich ein längeres Zitat aus Johann Wolfgang Goethes Roman „Wilhelm Meisers Lehrjahre“, dem deutschen Bildungsroman schlechthin, anführen (aber wahrscheinlich liege ich mit meiner Vermutung nicht ganz falsch, dass solche wichtigen und erhellenden Traditionsbestände heute nicht mehr allgemein präsent sind)

(…) In Deutschland ist nur dem Edelmann eine gewisse allgemeine, wenn ich sagen darf personelle Ausbildung möglich. Ein Bürger kann sich Verdienst erwerben und zur höchsten Not seinen Geist ausbilden; seine Persönlichkeit geht aber verloren, er mag sich stellen, wie er will. Indem es dem Edelmann, der mit den Vornehmsten umgeht, zur Pflicht wird, sich selbst einen vornehmen Anstand zu geben, indem dieser Anstand, da ihm weder Tür noch Tor verschlossen ist, zu einem freien Anstand wird, da er mit seiner Figur, mit seiner Person, es sei bei Hofe oder bei der Armee, bezahlen muss: so hat er Ursache, etwas auf sie zu halten und zu zeigen, dass er etwas auf sie hält. Eine gewisse feierliche Grazie bei gewöhnlichen Dingen, eine Art von leichtsinniger Zierlichkeit bei ernsthaften und wichtigen kleidet ihn wohl, weil er sehen lässt, dass er überall im Gleichgewicht steht. Er ist eine öffentliche Person, und je ausgebildeter seine Bewegungen, je sonorer seine Stimme, je gehaltener und gemessener sein ganzes Wesen ist, desto vollkommener ist er.

(…) Nun denke dir irgendeinen Bürger, der an jene Vorzüge nur einigen Anspruch zu machen gedächte; durchaus muss es ihm misslingen, und er müsste desto unglücklicher werden, je mehr sein Naturell ihm zu jener Art zu sein Fähigkeit und Trieb gegeben hätte. Wenn der Edelmann im gemeinen Leben gar keine Grenzen kennt, wenn man aus ihm Könige oder königähnliche Figuren erschaffen kann, so darf er überall mit einem stillen Bewusstsein vor seinesgleichen treten; er darf überall vorwärtsdringen, anstatt dass dem Bürger nichts besser ansteht als das reine, stille Gefühl der Grenzlinie, die ihm gezogen ist. Er darf nicht fragen: ›Was bist du?‹ sondern nur: ›Was hast du? welche Einsicht, welche Kenntnis, welche Fähigkeit, wieviel Vermögen?‹ Wenn der Edelmann durch die Darstellung seiner Person alles gibt, so gibt der Bürger durch seine Persönlichkeit nichts und soll nichts geben. Jener darf und soll scheinen; dieser soll nur sein, und was er scheinen will, ist lächerlich oder abgeschmackt. Jener soll tun und wirken, dieser soll leisten und schaffen; er soll einzelne Fähigkeiten ausbilden, um brauchbar zu werden, und es wird schon vorausgesetzt, dass in seinem Wesen keine Harmonie sei noch sein dürfe, weil er, um sich auf eine Weise brauchbar zu machen, alles Übrige vernachlässigen muss.

An diesem Unterschiede ist nicht etwa die Anmaßung der Edelleute und die Nachgiebigkeit der Bürger, sondern die Verfassung der Gesellschaft selbst (Hervorhebung von mir) schuld; ob sich daran einmal etwas ändern wird und was sich ändern wird, bekümmert mich wenig; … (aus. Wilhelm Meisers Lehrjahre, 5.Buch, 3.Kapitel) Abschließend möchte ich Sie darin unterstützen, dass sie den Vorschlag des auch von mir sehr geschätzten Aladin El-Mafaalani zur Lösung der Bildungsproblematik hervorheben: eine allgemeine Ganztagsvorschule.
Jörg Ulrich Meyer-Bothling

Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag zu einem hoch relevanten Thema. Wissenschaftlich ist der dargestellte Zusammenhang zwischen den genannten Herkunftskategorien und sozial Aufstiegschancen gut belegt. Allerdings möchte ich einen zentralen Aspekt benennen, der in Ihrem Beitrag leider nicht erörtert wird: Herkunft und Sozialer Aufstieg wird in den nationalen und internationalen Studien und in den daran anschließenden Publikationen und Berichterstattungen gemessen und bewertet an der Frage, ob ein Mensch studiert (hat) oder nicht. Zentral sind damit also die Chancen auf ein Abitur und ein anschließendes Studium.

Doch was ist eigentlich mit denjenigen Menschen, die über eine Berufsausbildung und eine berufliche Weiterbildung eine erfolgreiche berufliche Entwicklung beschreiten, nicht selten verbunden mit relativ hohen Erwerbschancen, Verdienstmöglichkeiten und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten? Diese vielen Menschen sind Handwerksmeister, Facharbeiterinnen und Kaufleute. Sie nehmen Führungsverantwortung wahr, auch in mittleren und großen Unternehmen. Nicht selten sind sie selbständig tätig.

Diese Menschen profitieren von einem etablierten beruflichen Bildungssystem, betrieblich-dual und schulisch. Insbesondere in den internationalen Vergleichen zum Zusammenhang zwischen Bildung und Gesellschaft wird vergessen, wie wichtig in Deutschland die Rolle der Berufsbildung für die persönliche Entwicklung und die sozialen Aufstiegschancen ist. Vor dem Hintergrund des hohen Fachkräftebedarfs sollte diese Sicht der Dinge nicht noch weiter in den Hintergrund gestellt werden.
Dietmar Frommberger

Zu weiten Teilen kann ich als Erstakademiker“ und Lehrkraft einer Beruflichen Schule Ihren Ausführungen zustimmen, vor allem den Sachverhalten „Habitus“ und „Kämpfer-Gen“. Dennoch schreiben auch Sie wie viele Ihrer Vorgänger davon, dass jemand „das Abitur nachholt“. Solange wir solche Formulierungen lesen und benutzen wird sich am Habitus, vordergründig auch derer, die das Abitur nicht nachholen oder daran scheitern, wenig ändern. Als Beratungslehrer verweise ich auf Wittgenstein, der treffend bemerkte, dass die Grenze der Sprache zugleich die Grenze der (individuellen) Welt bedeutet. Erweitern wir also bitte auch in dieser Debatte bitte unsere Grenzen – das Schulsystem zumindest erlaubt und ermöglicht dies schon sehr lange!
Marcus Nagel

Zunächst fällt mir als Erststudierter in meiner Familie in dem Artikel auf, dass schon die Wortwahl „aus einfachen Verhältnissen“, „in besseren Kreisen“ eine inakzeptable Wertung nichtakademischer Familien beinhaltet. Dies zeigt in einer Nussschale genau das, womit Menschen wie Frau Huesmann und ich ein Leben lang zu kämpfen haben: Bei aller Selbstreflexion und kritischer Haltung gegenüber einer vermeintlich „besseren Herkunft“ ein nicht ganz zu überwindendes Gefühl der Unsicherheit und Angst vor demütigendem Verhalten der sogenannten Gebildeten. (Auch hier wäre eine Begriffsklärung nötig.) Wer in der Schule oder anderswo gesagt bekommen hat: “Arbeiterkinder gehören nicht aufs Gymnasium“, wird das Gefühl nie vollständig los, weniger wert zu sein als Gleichaltrige aus materiell abgesicherten Familien mit langer Ausbildung.

Es ist eben nicht „einfach“, in einer Familie mit Krankheit, Arbeitsunfall, Arbeitslosigkeit, wenig formaler Bildung und geringem Lohn sein Leben zu bewältigen und dabei menschliche Wärme, Hilfsbereitschaft und persönliche Würde zu bewahren. Solche Familien waren für meine Jugend prägend. Es fordert eine enorme körperliche und seelische Kraftanstrengung, mit stark beschränkten Mitteln den familiären Alltag zu bewältigen. Das Bittere dabei: Dies findet kaum gesellschaftliche Anerkennung, wenn nicht sogar Abschätzung vonseiten der wohlsituierten Mitmenschen. Rückblickend auf meinen Werdegang ist mir eine Bemerkung einer Kommilitonin eingefallen, die sich rühmte, nie einen Spüllappen in der Hand gehabt zu haben. Sie gehörte zu der Gruppe von Studenten, die in den Semesterferien um die halbe Welt reisten und nicht selbst ihr Studium finanzieren mussten: Mit Babysitting, als Stubenmädchen und Tellerwäscherin in Hotels, als Aushilfe in einer Geflügelschlachterei, bei der Post und in einem Kinderheim. Sicher hat die Kommilitonin nicht nur nie einen Putzlappen, sondern auch nie Strick- oder Nähnadeln in ihren zarten Händen gehalten, wenn sie neue Kleidung brauchte. Behördengänge und Anträge haben wohl auch andere für sie erledigt wie die übrige gesamte Haushaltsführung.

Die Aufzählung der Arbeiten, die ich mir abverlangt habe, um studieren zu können, zeigt einen oft übersehenen Aspekt neben der Ausdauer und dem Kämpfen um die angestrebten Ziele: Wir haben Einsicht gewonnen in unterschiedlichste Lebenswelten, die in meiner Arbeit als Grundschullehrerin den Blick auf die gesamte Schülerschaft und deren Herkunft geschärft hat, um sie nach besten Kräften zu fördern. Wir sahen auch, dass körperliche Arbeit nicht schändet, dass wir dadurch allerlei Kompetenzen erwarben, von denen wir, neben Selbstständigkeit und ausgeprägtem Problemlösungs- verhalten, in Beruf und Alltag ein Leben lang profitieren.

In der aktuellen Diskussion kann es nicht nur um Abbau des Arbeitskräftemangels gehen, sondern auch darum, jedem Kind in diesem Land zu zeigen, was in ihm an Fähigkeiten steckt, um ein selbst bestimmtes, würdevolles Leben zu ermöglichen. Was denkt das hässliche Entlein im Märchen von H. C. Andersen: „Es schadet nicht, in einem Entenhofe geboren zu sein, wenn man nur in einem Schwanenei gelegen hat.“ Es ist meine feste Überzeugung, dass Lehrkräfte aller Schulstufen in der Verantwortung sind, bei jedem Kind in der Klasse sein „persönliches Schwanenei“ zu entdecken und fördern. Auch wenn vielerorts die Rahmenbedingungen für schulisches Lehren und Lernen dies eher erschweren, geht es um die Einstellung zum einzelnen Kind, so dass in keinem Kollegium Sätze fallen wie: „Arbeiterkinder gehören nicht aufs Gymnasium.“ Hätte ich auf darauf gehört, wäre ich als Dänin nie in den deutschen Schuldienst gekommen.
Karen Lisbeth Geisler

Ihre Entscheidung, das Thema Aufstiegschancen in Deutschland auf drei Seiten umfassend zu betrachten, lässt sich als wirtschaftlich und gesellschaftlich relevant redaktionell sicherlich gut begründen. Erhebliche Zweifel an Ihrer redaktionellen Sorgfalt kommen mir allerdings, wenn Sie mir in der unteren Infografik zum Bildungsweg in Abhängigkeit der Bildungsabschlüsse der Eltern weismachen wollen, dass die Eltern von 28 Prozent der Schüler eines Gymnasiums kein Abitur haben sollen, bei 58 Prozent der Gymnasiasten soll ein Elternteil Abitur haben, bei 75 Prozent der Schüler haben nach der Grafik beide Elternteile Abitur. Ergibt eine satte Gesamtmenge aller Gymnasiasten von 161 Prozent. Das im Wirtschaftsteil. Bleibt zu hoffen, dass sich diese neue ZEIT-Mathematik nicht auch in der realen Wirtschaft durchsetzt.
Walter Budziak

Im kapitalistischen Sinn: Jeder, soweit er es schafft. Im sozialistischen Sinn: Jeder nach seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen. Was mich an dieser andauernden Befindlichkeit am meisten stört, ist: „In der BRD ist es am allerschlimmsten, welche Bedeutung die soziale Herkunft hat“. Schauen wir uns doch nur ganz kurz in unserer Nachbarschaft um. Wenn man in Frankreich oder England nicht auf der richtigen Schule/Universität war, kommt man nicht weit. Und diese Institute sind teuer. In der BRD stehen allen die Möglichkeiten offen, eine Ausbildung und/oder ein Studium zu machen. Natürlich ist es einfacher, wenn man aus „besseren“ Verhältnissen kommt, aber nicht entscheidend.

Ich bin mit zwei Jahren nach Deutschland gekommen, als eins von fünf Kindern der vertriebenen Donauschwaben aus dem Banat (heute Serbien). Mein Vater, zu Hause relativ gut situierter Landwirt, musste die Familie als Hilfsarbeiter ernähren und versorgen. Er sagte, wenn ihr hier zu etwas kommen wollt, müsst ihr lernen. Das haben wir beherzigt. An meinem Beispiel: Acht Jahre kath. Volksschule (Zwergschule, Klasse 1-4/5-8). Ausbildung zum Modellschreiner, Berufstätigkeit. Bundeswehr (18 Monate). Berufstätigkeit. Zweijährigen Fachoberschule, allg. Fachholschulreife. Studium an der integrierten Gesamthochschule Siegen (mit Brückenkursen). Abschluss als Dipl. Math. Berufstätigkeit als Projektleiter im IT-Bereich (am Anfang hieß es noch EDV) in mehreren Firmen.

Ähnliche Werdegänge kenn ich viele aus Familie, Verwandtschaft und Freundeskreis. Fazit: Nicht jeder kann Vorstandsvorsitzender oder Generaldirektor werden, es hängt aber nicht nur an der sozialen Herkunft. Voraussetzungen um weiter/nach oben zu kommen: Man muss den A…. hochkriegen und darf nicht erwarten, dass einem alles auf dem Tablett serviert oder nachgetragen wird. Vermutlich werden das von einigen Leuten als reaktionär bezeichnet werden. Mich würde dann natürlich schon interessieren, aus welchen Verhältnissen diese stammen.
Ignaz Seiler

Auch ich bin ein Erst-Studierender und Arbeiterkind. Ich würde mich freuen, wenn sozial schwach nicht als Synonym für finanzielle Not in unserer gesellschaftlichen Schicht verwendet werden würde. Neben fehlenden finanziellen Mitteln kommt auch Bildungsferne als Hemmnis hinzu, erfolgreich zu studieren. Sozial schwach waren wir jedoch nie.
Johannes Meissner

Es ist unverständlich, dass in einem Land, in dem die gut ausgebildeten Menschen die einzige Ressource darstellen, dem Schulwesen so wenig Beachtung und Wertschätzung entgegengebracht wird und Finanzen bereitgestellt werden. Im Gegenteil: die Politik aus der Oberschicht und der gehobenen Mittelschicht fahren das Bildungswesen schon seit Jahren mit Vollgas an die Wand. Unter den Unzulänglichkeiten des Schulwesens sowohl in Fragen der personellen Ausstattung als auch der Gebäude und sonstigen Ausstattung leidet in erster Linie die unterprivilegierte Schicht, die sich keinen Nachhilfeunterricht und auch keine Privatschule leisten kann. Das Zweiklassensystem im Schulwesen wird noch dadurch verstärkt, dass die Lehrer weitgehend aus dem gehobenen Bürgertum abstammen. Die privilegierten Schichten haben diesem abgewirtschafteten Schulwesen längst Lebewohl gesagt und schicken ihre Kinder auf Privatschulen; inzwischen besucht jedes 10. Kind eine Privatschule.

Aber warum vernachlässigt das Bürgertum, das in diesem Staat das Sagen hat, das Schulwesen? Die Bürgerschicht gönnt den Kindern der Unterschicht keinen Bildungsbissen; sie ist eher bereit, die Transferzahlungen zu erhöhen (siehe Kindergrundsicherung) als ihr Bildungsprivileg zu teilen. Selbst wenn Kinder aus unteren Schichten genauso kompetent sind wie Kinder aus privilegierten Familien, haben sie dennoch schlechtere Chancen auf eine Versetzungsempfehlung in der Grundschule. Der Herkunftseffekt beschränkt sich nicht auf das Schulsystem, denn auch danach geht es nach einem ähnlichen Muster weiter. Selbst bei der Betrachtung von studierten oder sogar promovierten Personen – also Menschen auf dem gleichen höchsten Bildungsniveau – wird man bei der Karriere und bei dem Gehalt feststellen, dass die soziale Herkunft eine sehr große Rolle spielt. Das Bürgertum sesetzt die Karriereposen in Wirtschaft und Verwaltung und blockiert soziale Aufsteiger, da es Führungspositionen für ihre Kinder reservieren möchte.
Hermann Nanz

«Die Herkunft entscheidet in Deutschland noch immer über die Karrierechancen. Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten, viel mehr Menschen beim Aufstieg zu helfen.» Von hundert Nicht-Akademikerkindern, die die Grundschule besuchen beginnen nur 27 ein Studium. Bei den Akademikerkindern sind es 79. Ein krasser Unterschied und ein Abbild sozialer Ungerechtigkeit. Aber das hat nicht nur Nachteile.

Vorausschicken möchte ich, dass ich Erstakademiker bin. Mein Vater war der Reihe nach Schuhmacherlehrling, Wirtschaftsflüchtling, Soldat in einem Gebirgspionierbattaillon, Schwerkriegsverletzter, Arbeitsloser, Schuhmacher, Handelsangestellter. Mein Studium hat ihn keinen Groschen gekostet. Ich hatte Glück wegen Aufnahme in einem Studentenheim: erstes Jahr Vierbettzimmer, dann Dreibettzimmer und schließlich Zweibettzimmer. Im Eingang des Studentenheims war eine Tafel, an dem Arbeitsangebote für Studenten aushingen. Etwa Eisverkaufen bei einem Autorennen, Begleiten von Schulbussen, Zettelverteilen, Keller von meterhohem Ruß räumen (der dort während Jahrzehnten gelagert wurde, danach unter die kalte Dusche, denn im Heim gab’s weder Zentralheizung noch Warmwasser), das dabei verdiente Geld reichte für die Ferien-Fahrt nach Schweden (Job als Elektropraktikant), Privat-Taxi, Küchendienst in einer Mensa, etc.

Aber zurück zum Thema soziale Ungerechtigkeit. Ideal wäre es, wenn sich die Zahl der Studierenden am Bedarf der Gesellschaft orientierte. Studieren, was einem Freude macht, ohne Berücksichtigen des Bedarfs, können sich eher nur Akademikerkinder leisten. Das erklärt auch zum Teil den oben genannten Unterschied. Es entlastet aber auch die Konkurrenz im Bildungs- und Berufs-Bereich, wovon auch Nicht-Akademikerkinder profitieren. Die Folgen zu hoher Konkurrenz zeigt ein Beispiel aus Südkorea: Der dortige Konkurrenz-Druck ist so stark, dass dort Nachhilfeunterricht nach 22 Uhr verboten ist, um Gesundheitsschäden vorzubeugen. Ein anderes Beispiel: Am 15.6.2023 kam in «SRF news» ein Bericht aus China, in dem am Beispiel eines arbeitslosen jungen Informatikers über die dortige hohe Jugendarbeitslosigkeit berichtet wurde. Diese beträgt für 16 bis 24-Jährige über 20%. Die Ursache ist wirtschaftliche Flaute, während viele bestens ausgebildete Jugendliche neu auf den Arbeitsmarkt drängen.

Es gibt noch andere Gründe für die geringeren Aufstiegserfolge von Erstakademikern. Es wird weniger Einkommen benötigt für Hobbies und Wohnkomfort, um in höheren Kreisen mitzuhalten. Das mühelose Managen des eigenen Aufstiegs verlangt ein spezielles Talent. Fehlt dieses, ist es nützlicher, sich weiter unten unentbehrlich zu machen. Weiter oben ist weniger Fachwissen nötig. Einmal platzte mein Chef in die Kaffeerunde: Warum ich hier Kaffee tränke, während mein Programm nicht läuft. Das Programm lief seit Monaten. Daher konnte der Grund nur ein Hardware-Problem sein.

Angesichts der Klima-Krise ist es auch notwendig, über ein grundsätzliches Problem nachzudenken. In der Bibel steht geschrieben «Der Mensch lebt nicht von Brot allein». Er braucht auch Perspektiven und die sucht er dort, wo sie zu finden sind, entweder im Bereich der Demographie (Folge hohe Geburtenraten) oder im Bereich der Ökonomie (Folge zu hoher Konsum). Die Folgen sind einmal das bisherige exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum sowie das Entstehen von Gräben. Daher muss das Nutzen von Perspektiven gefördert werden, die mit dem langen, guten Fortbestehen der Menschheit vereinbar sind. Nötig ist das Koordinieren der unterschiedlichen Anforderungen von Wirtschaft, Zufriedenheit, Natur und Gesellschaft.
Gernot Gwehenberger

„Blattgold. Auf Langstreckenflügen mit unserem Privatjet haben wir Kinder es als Esspapier bekommen. Superlecker.“ So oder so ähnlich von Phil Laude. Zusammenhang? Immens! Hat Herr Otto denn das Interview noch mal durchgelesen, bevor seine Frau und er das zum Druck freigegeben haben? Extra nach Afrika oder Grönland fliegen, um Bodenständigkeit zu feiern: Guck, da, Leute, die weniger haben, als Du, mein Sohn. Und jetzt eine Kartoffel. Habe ich selber gefangen.
Polina Dekarz


Leserbriefe zu „Lohnt sich Arbeit?“ von Mark Schieritz (Text), Mario Mensch (Grafik)

Finde den Fehler: Könnten Sie mir bitte erklären, wie bei 3000 brutto nach Abzug von Miete und Heizkosten 2980 übrig bleiben? Wenn man so rechnet, wundert mich nicht, dass sich Arbeit lohnt. Für wie dumm wollen Sie uns Leser verkaufen?
Joseph Zenz

Ihnen ist ein Fehler im Artikel „Lohnt sich Arbeit“ im Politikteil der Zeit vom 21.9.23 unterlaufen: Man kann nie Wohngeld und Bürgergeld bzw. Kinderzuschlag und Bürgergeld gleichzeitig beziehen. Jedoch kann man Kinderzuschlag und Wohngeld gleichzeitig beziehen (dann aber kein Bürgergeld).
Pia Raps

Ja. Arbeit soll sich lohnen, aber nicht wegen eines Vergleichs mit bescheidenen Sozialleistungen, sondern wegen guter Löhne! Die Dividenden sind ja auch gut, fragt doch mal Susanne Klatten und Stefan Quandt. Für sie lohnt die Arbeit der Arbeitenden, sofern ich mich nicht täusche. Die Welt ist halt immer widersprüchlich.
O. Gröflin

Folgenden Satz verstehe ich nicht: „Wenn die Fa­mi­lie mit zwei Kin­dern 3000 Euro brut­to im Monat ver­dient, dann blei­ben davon nach Miete und Heiz­kos­ten 2980 Euro übrig.“ Wie kann das sein?
Karla Mertesdorf

Ihre Nachrechnung scheint formal zu stimmen, müsste aber auf Basis meiner beruflichen Erfahrungen als Maschinenschlosser-Lehrling, als Facharbeiter, als Dipl.-Ing.., als Unternehmensberater auf dem Gebiet Industrial Engineering zwischen 1952 und 2016 im In- und Ausland, wie folgt qualitativ und quantitativ ergänzt werden: Arbeitslose, die ich persönlich kennenlernte, reagierten oft wie folgt:

A.) — intensive, oft verzweifelte Suche nach passenden Stellen, Nutzung von Fortbildungsmöglichkeiten, leider nicht „on the job“, dann Aufgabe der Bemühungen, und rascher Verlust der Motivation und Fähigkeit normal zu arbeiten,
B.) — oder wenig intensive Bemühungen eine neue feste Anstellung zu bekommen, Inanspruchnahme aller Möglichkeiten soziale Leistungen zu nutzen, dann Schwarzarbeit als zusätzliche Quelle von Einnahmen, dabei Nutzung der öffentlichen Infrastruktur, ohne dafür Steuern zu zahlen.
C.) — Mischlösungen zwischen A.) und B..)

Auf Basis dieser Erfahrungen arbeitete ich Lösungsansätze aus, die diese Mängel unseres Umgangs mit Arbeitslosen verhindern sollten, präsentierte diese Medien, Politikern, Managern, ohne je zur Verteidigung meiner Vorschläge eingeladen zu werden. Als ich mehrere Vorschläge bei „Aufbruch Bayern“ präsentierte, gab es einen prächtigen Bildband und ein wunderbares Begleitschreiben, danach keinerlei Ansätze ernsthaft an diese Mängel heranzugehen.
Diether Sieghart

Ich bin in der glücklichen Situation mir keine Gedanken darüber machen zu müssen, wie das Bürgergeld zustande kommt. Mein Weg führte jedoch über die Erfahrung, im Aldi für 2 Cents Preisvorteil Käse auszusuchen und die Erkenntnis an diesem Ende der Einkommensspanne nicht verweilen zu können. Ihre Darstellung zeigt mir, dass diese Erfahrung heute kaum mehr einer zu machen braucht. Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, lohnt sich scheinbar sogar sehr. Ich frage mich wem damit geholfen ist. Vielleicht können Sie der Politik die Leistung des Ifo-Institutes zugänglich machen, um sozial-ökonomische Zusammenhänge zu verstehen, bevor das Bürgergeld reformiert wird.
Philip Trompke

Leider ist Ihr Artikel irreführend und stellt nur die halbe Wahrheit dar. Der „Fehler“ liegt in Ihren für Wohnraummiete angesetzten Beträgen. Um den Beweis dafür anzutreten, dass, wer arbeitet, „stets mehr hat“, dürfen Sie nämlich nicht (nur) mit den Durchschnittsmieten rechnen, sondern müssen auch die Situation in Städten mit hochpreisigem Mietmarkt betrachten, wie etwa München oder Hamburg. Ein „Bürgergeld-Paar“ mit zwei Kindern erhält in München als Wohnkosten bis zu 1.444 EUR zzgl. Heizkosten (Quelle: https://stadt.muenchen.de/infos/mietobergrenzen.html). Das ist fast das Doppelte, wie die in Ihrem Artikel genannten 870 EUR! Damit verändern sich die dort dargestellten Ergebnisse erheblich.

Fakt ist: In Städten mit hochpreisigen Mietmärkten lohnt es sich insbesondere für Alleinverdiener mit Kindern nicht mehr, im Niedriglohnbereich zu arbeiten, da eine Bürgergeldfamilie am Ende des Monats mindestens genauso viel Geld in der Tasche hat. Dies lässt sich ganz einfach nachrechnen, auch ohne ifo-Institut. Wieso weisen Sie auf diesen Umstand in Ihrem Artikel nicht hin? Die politische Lösung wäre übrigens einfach und naheliegend: Man müsste im Rahmen des Bürgergelds die Wohnkostenerstattung einstellen und stattdessen einen (deutschlandweit einheitlichen) Fixbetrag, etwa um die 1000 EUR für Singles, auszahlen, der auch die Wohnkosten abdeckt. Wenn sich der Empfänger hiervon eine Wohnung in München oder Hamburg nicht leisten kann, muss er eben umziehen. Sozialhilfe soll das Existenzminimum sichern – zum Existenzminimum zählt aber nicht das Recht, in den teuersten Gegenden des Landes zu leben.
Martin Arzberger

Danke für diesen ungemein lesenswerten und faktenreichen Artikel! So brisanter und interessanter Stoff hätte sich allerdings meiner bescheidenen Meinung nach mehr Platz im Blatt verdient. Insofern hoffe ich, dass dieser Artikel erst ein Auftakt ist. Was (mir) fehlt, das ist die konkrete Auflistung all jener Sozialleistungen, die Singles, Alleinerziehende und Doppelverdiener in Anspruch nehmen müssen, damit sie das in der Grafik angegebene Einkommen erzielen. Und was (mir) ebenfalls fehlt, das ist eine realistische Einschätzung jener Ausgaben, die sich jene, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen (müssen), eben dadurch ersparen (können). Ich nehme jedenfalls nicht an, dass diese Einsparungspotentiale – zum Beispiel bei Essen, Kleidung, beruflicher Fortbildung, erforderlicher Mobilität (um physisch an den Arbeitsplatz zu gelangen) und/oder erforderlicher technischer Ausstattung (um vom Home-Office aus arbeiten zu können) bereits vollumfänglich in die Datensätze des Ifo-Instituts eingepreist sind. Oder?

In der wertenden Einschätzung jener Bürger und Politiker, die „glauben, der Sozialstaat sei zu großzügig“, dürfte zudem auch die heikle Frage, ob bzw. wieviel Einkommen Menschen, die ihren Lebensunterhalt offiziell alleine vom Bürgergeld bestreiten, währenddessen – z.B. auf dem inoffiziellen Arbeitsmarkt – erzielen, eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Ihrer Einschätzung, dass 328 Euro „viel Geld“ ist, „wenn man nicht viel Geld hat“, stimme ich daher zwar vollumfänglich zu. Das schale Gefühl, dass (mir) auch im vorliegenden Artikel nicht viel mehr als „nur die halbe Wahrheit“ geliefert wird, dieses schale Gefühl aber werde ich nicht los. Immerhin lenkt aber bereits dieser – meines Erachtens leider eben noch in einigen entscheidenden Punkten ergänzungsbedürftige – Artikel am Ende gekonnt auf eine Ursache des Problems: nämlich darauf, dass es tatsächlich (zu) kompliziert ist, alle staatlichen Leistungen so aufeinander abzustimmen, dass für Erwerbstätige jederzeit deutlich erkennbare Leistungsanreize bestehen.

Schärfere Kritik hätte sich dabei aber die Ungeheuerlichkeit, dass Alleinerziehende, die ihr Bruttoeinkommen von 2000 auf 3000 steigern, derzeit nur einen Nettoeinkommenszuwachs von – sage und schreibe – 51 Euro pro Monat erzielen, verdient. (Wobei, wohlgemerkt: die ebenfalls lächerlichen zusätzlichen 56 Euro pro Monat bei Doppelverdienern, die ihr Bruttoeinkommen von 3000 auf 4000 Euro steigern, sind natürlich fast genauso schlimm!) 51 Euro monatlich, 612 Euro pro Jahr, als Gegenleistung für ein Drittel mehr Arbeitsstunden – das kann man, selbst beim besten Willen, nur als Hohn empfinden, als schlechten Witz, als intellektuelle Bankrotterklärung einer Regierung. Oder aber als blanken Zynismus. Darum, bei allem gebotenem Respekt: Angesichts der in diesem Artikel zu Tage geförderten – geradezu grotesk wirkenden – Fakten darf es eigentlich niemand wundern, dass Deutschland bedauerlicherweise immer mehr in populistisches Fahrwasser gerät und seit Jahren ständig nach rechts driftet.
Peter Jungwirth

Die Antwort lautet: Arbeit – insbesondere für Niedriglöhner – lohnt sich nur dann, wenn sie zusätzlich Sozialleistungen in Anspruch nehmen. – Das ist eine Zumutung und Demütigung für diese Beschäftigten, die trotzdem von Sozialleistungen abhängig sind. Und es ist eine Zumutung für den Sozialstaat (= seine erwerbstätigen Bürger), der nicht nur für das Bürgergeld, sondern auch die notwendigen Sozialleistungen für Niedriglöhner aufkommen muss. Dabei lassen sie die in Deutschland sehr hohe Niedriglohnquote von ca. 20 Prozent und die daraus resultierenden hohen Kosten unerwähnt. Die Idee des Sozialstaates kommt an seine finanziellen Grenzen, wenn die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zur Regel wird. Noch schlimmer ist: Immer weniger Menschen identifizieren sich mit Demokratie und Gemeinwesen.
Frank Hepke

Sie ignorieren wieder die in meiner mail v.  17.09.23 an Sie (bezüglich Ihres Artikels v.07.09.23) ausführlich dargestellten zwangsläufig entstehenden arbeitsbedingten Kosten der Arbeitnehmer, die ein Bürgergeldempfänger nicht hat. Das betrifft insbesondere die Mobilitätskosten Wohnung – Arbeit. Da wir über „netto“ reden sind die Kosten („Pendlerpauschale“ einfache Entfernung!) weitestgehend in der Arbeitnehmerpauschale berücksichtigt, steuerliche Anrechenbarkeit würde die Kosten ohnehin nicht 1:1 ausgleichen. Geschätzte 10km Entfernung täglich erscheinen im Durchschnitt (es gibt exakte Statistiken) realistisch und dürften monatlich ca. € 200 Aufwendungen ergeben.
Dieter Beuschel


Leserbriefe zu „Brandmauer-Fall“ von Tina Hildebrandt

Vielen Dank für Ihren Leitartikel „AFD-Brandmauer-Fall“, in der Zeit vom 21. September 2023. Die Brandmauer ist schon längst gefallen. Denn der rechte Rand von CDU/CSU, FDP und FW wird vom gleichen Sentiment getragen wie das, welches die AFD in den Umfragen hochtreibt. Und genau dieses Sentiment treiben Sie durch Ihr Handeln als Redaktion und als Verlag (Leser*innen trennen das nicht, ich weiß, Sie legen größten Wert darauf). Denn Ihr Handeln als Redaktion und Verlag macht die Spielräume für die aktuelle Politik und die Zukunft unserer Kinder immer enger und verschärft den Konflikt an unseren EU-Außengrenzen! Blättern Sie bitte selbst mal in Ihre Zeitung von vorne bis hinten durch: Einerseits bringen Sie fortlaufend Klimakatastrophen-Schreckensnachrichten, die behaupten, dass ganze Landstriche verdorren, ausgestreckte Wälder verbrennen, Städte in Rus hüllen oder wegschwemmen. Ihr Wissenschaftsteil belegt angeblich minutiös, wie unser industrialisierter Lebensstil Meere überhitzt, kostbare Ressourcen für immer verbraucht und die Artenvielfalt auslöscht.

Aber gerade Sie als meinungsbildendes Blatt, als eines der intellektuellsten journalistischen Produkte mit einem der höchsten moralischen Ansprüche, treten diese Tatsachen in die Tonne und ermutigen Ihre Leser noch mehr und noch klimaschädlicher zu konsumieren. Entweder durch Ihre eigenen entsprechenden redaktionellen Artikel wie im ZEITmagazin: „Wie komme ich da hin“, „Das günstigste Zimmer in den besten Hotels“ oder Ihre Kolumnen „Stil“ und „Ohne Strom“. Ihr Verlagsangebot Zeitreisen bewirbt sogar auf aggressivste Art als Veranstalter die klimaschädlichsten Reisen mit „Entdecken, worauf es ankommt“ Kreuzfahrten mit QM2, die klimaschädlichsten Interkontinentalflüge zur „Großartige Artenvielfalt“ in Namibia oder, Weltuntergangsstimmung säend, „die letzten Naturparadiese der Erde erleben“ in Kenia. Dabei dient Ihre journalistische Arbeit auch noch dazu, möglichst erfolgreich für Klima-, Arten- und Ressourcen schädliche Produkte zu werben. Sei es für 2,5t schwere Luxusautos auf Seite 5 und 63, für klimaschädliche tierische Produkte „Erste Sahne, Sahne!“ Seite 23 und die vielen anderen abgebildeten Werbungen für Kreuzfahrten, Airlines, riesige Luxusmöbel, die nur in den klimaschädlichsten und raumgreifensten Häusern Platz haben, Luxus-Kleidung und Uhren.

Treten Sie damit nicht jegliche wissenschaftliche Vernunft und jegliches Gebot des kategorischen Imperativs von Kant oder christlichen Werte mit Füßen? Ignorieren Sie damit nicht die Wirklichkeit schlimmer als alle Populisten und Verschwörungschwurbler. Ich stelle die These auf: Ihr Handeln als Redaktion und Verlag, entbehrt jeglicher wissenschaftlicher und moralischer Vernunft im Angesicht der Klimakatastrophe. Deshalb sind Sie der größte Antreiber der Klimakatastrophe und Wahlhelfer für die AFD. Denn Sie drängen uns dazu auf den Erhalt des Status Quo zu pochen, darauf, dass wir an uns und unserem Konsumverhalten nichts ändern müssen, aber alle anderen schon, und zwar zu unseren Gunsten. Das ist dieselbe Ignoranz und Nietzeanische Hybris, die wir am rechten Rand von allen Ampel Parteien, CDU/CSU und FW finden. Aber am meisten Resonanz findet diese Haltung im faschistischen Denken das die AFD, dank Ihrer oben skizzierten Hilfe, in der Mitte der Gesellschaft vorfindet: „wir sind besser, mehr wert, usw. und dürfen das, doch die Inder, die Chinesen und alle anderen Menschen die klimatisch weniger günstig leben sollen sich doch bitte krumm machen um zuerst unsere Probleme zu lösen, was mit ihnen dann in ihren Heimatländern geschieht, aus denen wir die Ressourcen holen, die am meisten unter unserem Lebensstil leiden und wohin wir auch gerne noch in den Urlaub fliegen, das interessiert uns nicht“

Sie generieren bei uns Lesern genau das Fear Of Missing Out (FOMO) Gefühl, das uns antreibt, ein Zweithaus, ein Zweit-, und Dritt-SUV, öfter und immer weiter zu verreisen oder mehr Luxus zu kaufen. Es ist genau der damit verbundene Verbrauch fossiler oder elektrischer Energie und den dafür notwendigen Ressourcen, der die Massen in den klimatisch prekären Regionen diktatorischen und unmenschlichen Klimakatastrophen aussetzen. Kein Gebirge wird hoch genug sein, keine Wüste zu heiß, noch ist irgendein Meer zu weit, so dass die Flüchtenden nicht dahin gehen, wo Ihre Kinder mehr Sicherheit und ein besseres Leben erwarten als in Ihren Herkunftsländern. Inhumanes vorschnelles Abschieben oder Zurückdrängen durch EU-Verträge oder Frontex, ja selbst jahrelange Lagerhaft sind ein Witz im Vergleich zu den Nöten und Schrecken, die unser heutiges andauerndes Pochen auf unser jetziges Konsumniveau für die Flüchtenden in Ihren Heimatländern bedeuten.

Denn wir brauchen die Diktatoren, die sie bedrängen, und wir wollen noch lange klimaschädlich so weiter machen, siehe oben, und „unter uns“ bleiben. Dabei fehlen uns immer mehr Menschen, die anpacken unsere Alten und Kranken zu versorgen, Dienstleistungen zu erbringen oder im Handwerk bei der Klimawende zupacken. Aber dazu leider auch von Ihnen kein Wort. Und damit wird wieder einmal die Anzahl der AFD-Wähler aus der Mitte der Gesellschaft weiter zunehmen, da ein jeder der verheißenden Reklame und dem klimaschädlichen „Handeln“ von Redaktion und Verlag „DIE ZEIT“ mehr glauben schenkt als den Appellen an die Vernunft, welche die Wissenschaftler seit Jahren an uns unverändert richten: „Stoppt, am besten sofort, jegliches klimaschädliche Handeln, sowohl als Individuum als auch als Betrieb oder Staat!“

Schade, dass auch Sie diese Verbindung immer noch nicht sehen und deshalb auch nicht herstellen können. Oder ist es Ihnen vielleicht unangenehm oder gibt es ein unausgesprochenes Tabu, dass Sie das nicht ansprechen lässt?
Klaus Siersch

Es muss verdrießlich sein. Da hat man sich jahrelang verbissen gegen Rechts, vulgo Rechtsaußen, ins Zeug gelegt, kräftig flankiert von den doch so unabhängigen Funkhäusern, am Ende ein Kampf gegen Windmühlen. Die Affäre in Thüringen jetzt als Dammbruch hochzujazzen, gleicht einem letzten Aufbäumen. Ramelow hätte doch die AfD zum Schweigen bringen können. Viel mehr schmerzt in manchen Verlagshäusern der drohende Verlust der medialen Deutungshoheit, da es nun mit AfD und CDU (verstärkt noch durch Freie Wähler) eine konservative Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Damit neigt sich das Zeitalter linksgrüner Visionen seinem Ende zu. Auch eine „Zeitenwende“, übrigens in vielen Teilen des Kontinents. Für Deutschland kein Desaster, da muss Merz nur noch zugreifen. Selbst Italien hat sich mit einer Postfaschistin arrangiert.
Christoph Schönberger

Wenn CDU und FDP in Thüringen einen Antrag stellen, wissen sie doch vorher, dass er nur mit der AfD eine Mehrheit bekommt. Sich dann hinzustellen und zu sagen, man sei für das Abstimmungsverhalten der AfD nicht verantwortlich bzw. arbeite nicht mit ihr zusammen ist scheinheilig. Und wenn die FDP dann noch sagt, sie habe sich nur an die CDU angehängt, ist das perfide. Wenn man die Minderheitsregierung dann für alles verantwortlich macht, weil die ja nicht auf die Opposition zugegangen sei, fragt man sich, warum denn die Opposition nicht auch auf die Minderheitsregierung zuging. Ein Kompromiss wirkt von beiden Seiten.

Das alles riecht nach: keine Verantwortung übernehmen wollen. Künftig sollte die CDU vorher ankündigen, dass ein Antrag von ihr auch die Zustimmung der AFD bekommen könnte. Das wäre ehrlich und integer. Frei nach den Warnhinweisen auf den Zigarettenschachteln: „Das Einbringen dieses Antrags könnte die Republik brauner einfärben.“
W. Michel

Ein wirklich brillanter Artikel! Der gesellschaftliche und politische Diskurs muss raus aus den hergebrachten, Endlosschleifen und Komfortzonen, in denen man vermeintlich nichts falsch machen kann. Ein ZEITgemäßer Denkanstoß. Danke.
Andreas Ehrlich

Tina Hildebrandt sei Dank für den Leitartikel. Er offenbart erneut die Fragwürdigkeit der Errichtung sogenannter Brandmauern, da Friedrich Merz und andere Politiker offenbar noch nicht verstanden haben, dass mit Parteipolitik keine das Allgemeinwohl fördernde Arbeit zu machen ist. Es braucht vielmehr eine Sachpolitik, die den Menschen dient, auch wenn man dazu hin und wieder auf die Stimmen des politischen Gegners angewiesen sein sollte. Dass manche Politiker weit von diesem pragmatischen Denken entfernt sind, zeigen die entsetzten Reaktionen aus CDU-Kreisen auf die Empfehlungen ihres Vordenkers Andreas Rödder. Mit dem Fallen der nicht zu haltenden Brandmauern geht unweigerlich auch der Vertrauensverlust vieler Menschen in die Regierungen einher, zumal sich die Brandmauer-Verkünder angesichts der Realität kleinlaut von ihren ‚Richtlinien‘ verabschieden müssen. Die Menschen wenden sich nachvollziehbar in immer größerer Zahl jenen zu, die pragmatische Problemlösungen versprechen. So darf man angesichts des bestehenden Vertrauensverlusts und Zweifel an den Regierenden auf das Ergebnis der jetzt anstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern gespannt sein. Es könnte vor allem in Bayern ein Weckruf werden.
Harald Seidel

Tina Hildebrandts rhetorische Frage, ob sich die CDU nicht erst recht nach der AFD richten würde, wenn sie auf eigene Anträge verzichtete, „weil die Falschen zustimmen würden“, ist als Versuch einer Rechtfertigung des Verhaltens der Thüringer Christdemokraten kein bisschen überzeugend. Ihren Versuch, den Opportunismus der CDU als notwendige „Beinfreiheit“ zu deklarieren, und einen Zusammenhang mit den Problemen der Grünen und der konsequenten Durchsetzung deren Klimapolitik zu konstruieren ist sehr weit hergeholt; ich finde sie geradezu abenteuerlich. Franz Josef Degenhardts Lied: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder“ gilt, auf die AfD bezogen, immer, überall und ohne Einschränkungen. Jedes Abweichen von diesem Gebot bedeutet, gemeinsame Sache mit Feinden der Demokratie zu machen. Es erstaunt mich, dass Tina Hildebrandt anders denkt.
Sven Herfurth

Die Ampel-Regierung fühlt sich, so wie man so ständig zu hören bekommt, als die Oberhüterin der urdemokratischen Demokratie. Nach deren Vorstellungen kann die AfD nie und nimmer eine demokratische Partei werden, aber eben nur deshalb, weil das die Ampel so beschlossen und fest zementiert hat. In Thüringen erleben wir zurzeit die Urform der Demokratie. In diesem Bundesland muss bei jedem Gesetzesvorhaben eine Mehrheit erkämpft werden, denn die rot-rot-grüne Regierung regiert ohne Mehrheit. Jetzt haben blöderweise CDU, FDP und auch die AfD für eine Absenkung der Grunderwerbsteuer gestimmt, und damit die Stimmung dieser Minderheitsregierung von Thüringen total versaut. Die AfD hat sich schnell ins Boot von CDU und FDP gesetzt und die hatten einfach nichts dagegen. Die Ampel-Regierung fühlt sich trotzdem weiterhin als die Oberhüterin der urdemokratischen Demokratie, aber der Motor stottert irgendwie schon ganz gewaltig!
Klaus P. Jaworek

Eine Brandmauer, errichtet im schwarzen Elfenbeinturm des Reichstags, hochgezogen in allen Länderparlamenten und Kommunen? Die Basis schüttelt (mehrheitlich) den Kopf! Es sind dies die Mitglieder der vielen Gemeindeparlamente, die keine ideologischen Schaukämpfe mit „rechts“ ausfechten, sondern mit ihnen eine vernünftige praktische Politik für die Bürger machen wollen! Die „Höckes“ sind dort in der Minderheit, mehrheitlich Rechtskonservative, also eher natürliche Verbündete der (ehemaligen) CDU!

Par ordre de Bundesregierung werden sie jedoch gezwungen, trotz kargen Budgets, immer und immer wieder Immigranten aufzunehmen und zu betreuen, dafür auch Turnhallen für ihre Bürger zu schließen; die Grünen fordern von ihnen genderkonforme Amtssprache und Toiletten; und, ganz am Schluss, dürfen noch die ansässigen Gewerbetreibenden ein Programm gegen die Verödung der Innenstädte vorstellen! Tagtäglich begegnen sie ihren Wählern, beim Gang zum Bäcker oder in die Kneipe – sofern es die überhaupt noch gibt – werden in Diskussionen verwickelt, gelobt oder getadelt. Mit diesem engen Bürgerkontakt entwickelt sich in den Ortsparlamenten eine scheuklappenfreie, problemorientierte Zusammenarbeit aller dort vertretenen Parteien zum Wohl der Gemeinde! Vorbild für den Bundestag – oder lieber weiterhin Ausgrenzung bestimmter Parteien durch Brandmauern?
Ulrich Pietsch

Das Problem ist doch nicht, dass die CDU mit der AfD gestimmt hat, sondern dass es einen Fraktionszwang gibt. Den verbietet Artikel 38 des Grundgesetzes, aber er wird so normal praktiziert, dass jeder ihn schon für normal hält. Ist denn das schon Demokratie, wenn jeder Abgeordnete macht, was die Partei befiehlt?
Bernd Enke


Leserbriefe zu „Generäle an die Macht!“ von Issio Ehrich

Endlich ein guter Artikel, der ein wenig besser verstehen lässt, was im Niger geschieht. Ein Aspekt ist vielleicht ein wenig radikaler zu formulieren: die desaströse Rolle Frankreichs in der und gesamten Subsahara. Nicht alle Probleme der Region, von Burkina Faso, Niger, Mali, Tschad lassen sich auf den Kolonialismus zurückführen. Aber auffällig ist, dass es die ehemaligen französischen Kolonien sind, die zu den ärmsten Ländern gehören, in denen nun überall Putschisten an der Macht sind. Frankreich hat diesen Ländern kaum etwas an Infrastruktur, stabilen Bildungssystem, medizinischer Versorgung hinterlassen als es diese Länder in die Unabhängigkeit entließ und hat alles unternommen, um dort ökonomisch, kulturell und politisch die Kontrolle zu behalten. Dabei hat Frankreich konsequent Machthaber unterstützt, denen die eigene Bevölkerung und die Werte der Demokratie völlig gleichgültig waren. Diese Strategie wurde bis in die jüngste Vergangenheit weitergeführt. Leider ist dies weder ein Thema in Frankreich selbst noch in der europäischen Union. Und nun lamentieren wir über Flüchtlinge, ohne einen wirklichen Strategiewechsel einzuleiten.
Dieter Schöneborn

„Raus mit den Franzosen“ und einiges mehr, schrie die aufgebrachte Frau im Niger und Tausende taten es ihr gleich. Wobei von den Tausenden schon einige gepackt haben, um sich als illegale Migranten auf den Weg nach Europa, z.B. Frankreich zu machen. Selbstredend, dass sie davon ausgehen, in Frankreich keinen solchen Fremdenhass zu erfahren, wie sie selber ihn in Niger vorführen. Nur ein klitzekleiner Rassismus. Auch der Autor des Berichts liefert unterschwelligen Rassismus, wenn er den alten Mann, der einst mit dem Geigerzähler durch die Wüste trabte, wie einen tumben Esel aussehen lässt, der keine Ahnung hatte, was er eigentlich tat. Da der Nigriner als Mensch der Sorte Homo Sapiens aber einen Verstand besitzt, wird er nicht nur die vorherige Job-Unterweisung verstanden, sondern bei Unklarheiten auch nachgefragt haben.

Aus sicher “gutmenschlicher“ Absicht hat der Reporter uns dann vorenthalten, wie sehr sich der Mann zuvor bemüht hatte, diesen Job überhaupt zu bekommen, da es eine bezahlte Arbeit war. Okay, diese Information hätte insbesondere in Deutschland das geliebte Klischee gestört: hier dunkelhäutiges Opfer, dort böser weißer Mann. Als Drittes noch ein sachlicher Aspekt: Wenn man eine Uranmine besucht, sollte man ahnen, dass mit dem radioaktiven Element logischerweise auch das uranhaltige Gestein radioaktiv sein wird. Wie es überhaupt auf der Erde kein Plätzchen gibt, das frei von Radioaktivität ist! Wenn der Geigerzähler also auf der Halde nicht nur tickt, sondern gegenüber der natürlichen Umweltradioaktivität erhöhte Werte anzeigt, sollte dies trotz beabsichtigten Gruseleffekts nicht verblüffen, denn – Überraschung – auf diesem Unterschied basiert das Prinzip, Uran-Lagerstätten zu explorieren.
Ernst Kaffanke

Wenn sich Journalisten hie und da mit ihren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern gemein machen, mag das zur Lebendigkeit einer Reportage beitragen. Dass Issio Ehrich aber in seinem Dossier über Niger kritiklos ins Klagelied eines arbeitslos gewordenen Schleppers einstimmt, der sich sein Haus mit den Ersparnissen von Geflüchteten gebaut hat, die er an die libysche Grenze gekarrt hat, geht meines Erachtens zu weit. Zumal Ehrich, so er jemals einen Blick ins „Zeit“-Archiv geworfen hat, wissen müsste, dass noch 2017 Zehntausende dieser Migrantinnen in Libyen misshandelt, vergewaltigt und zum Teil als Sklaven verkauft wurden. In diesem Zusammenhang von der Freizügigkeit des Handels im angeblich grenzenlosen vorkolonialen Afrika zu schwärmen, wie Ehrich es tut, zeugt von grenzenlosem Zynismus. Oder von mangelnder Recherche.

Lesetipp: Der Reisebericht des deutschen Afrikaforschers Heinrich Barth aus dem Jahr 1850, in dem er nicht nur die Schikanen und die Gewalt an den Grenzen der zahlreichen Scheichtümer dieser Region schildert, sondern auch die Sklaven, die auf den Feldern vor Agadez schufteten, wie Ochsen vor die Pflüge gespannt. Auch die Nutznießer des vorkolonialen Fernhandels sind Barth nicht entgangen: Araber, die am Markt von Agadez Sklaven gegen Kamele tauschten. Neben der Schlepperei ein weiterer florierender Wirtschaftszweig dieser Region, den erst die Kolonialmacht Frankreich unterbunden hat. Etwas mehr journalistische Distanz und etwas weniger postkoloniale Ideologie stünden einer Qualitätszeitung wie der „Zeit“ gut an.
Kurt Arbeiter

Herzlichen Dank für das hervorragende Dossier. Wenn ich aus dieser Geschichte kurz gefasst eine Schlussfolgerung ziehen sollte, fällte diese sehr ernüchternd aus. Es ist verständlich, dass die Art der Demokratie, wie der Westen, in diesem Fall Frankreich, sie nach Afrika trägt, von der Bevölkerung abgelehnt wird. Es geht auch nicht um Demokratie, sondern nur darum, dass der entsprechende Machthaber dazu beiträgt, dass das Land, hier von Frankreich, postkolonial ausgebeutet werden kann. Unser Ausdruck des Bedauerns über den Sturz einer Demokratie, ist pure und zynische Propaganda. Wer übernimmt die Kosten für die Folgen einer radioaktiven schweren Belastung der Menschen?

Es ist aus den Lebensumständen der Menschen sehr verständlich, wie sie zu Schleppern werden – verständlich nicht wünschenswert. Und aus den Umständen heraus ist es sogar nachvollziehbar, wodurch der islamische Terrorismus genährt wird. Dieses Dossier zeigt anschaulich, dass sowohl die Probleme innerhalb (nicht nur) des Niger, als auch unser Flüchtlingsproblem wesentlich vom ach so demokratischen Westen verursacht wurden. Unsere Lebensweise schafft deren Probleme und die Flüchtlingsströme sind die Folge. Aus Sicht der Nigrer wäre es doch nur gerecht, wenn nun auch wir die Konsequenzen für unser Verhalten tragen. Wann fangen wir endlich an, die Fluchtursachen zu bekämpfen? Z. B. durch Beziehungen auf Augenhöhe, faire Handelsbeziehungen und die Unterstützung einer ihnen gemäßen Entwicklungschance.
Petra Harink

Die Analyse ist meines Erachtens stimmig und aufschlussreich. Die neokolonialen Strukturen, Machtverhältnisse und Einflüsse von kapitalistischen, europäischen, US-amerikanischen und asiatischen Ländern in den ehemaligen afrikanischen Kolonialländern bewirken, dass in Afrika (und anderswo) bis heute keine Chancen für eine eigenständige, ökonomische und politische, demokratische Entwicklung bestehen. Das sind auch die Erfahrungen, die ich als ehemaliger Angehöriger der 1962 in Niamey/Niger eingerichteten Deutschen Botschaft mit mir trage.
Jos Schnurer

Wie wenig wissen wir über Schwarzafrika, über die kolonialen und postkolonialen Strukturen, Interessen und Mächte! Niger ist ein plastisches Beispiel für Korruption, Vetternwirtschaft und Macht. Der gestürzte Präsident Mohamed Bazoum war offenkundig eine typische Marionette Frankreichs; die Hilfsgelder der EU flossen ebenso offenkundig in die Taschen der korrupten Eliten und nicht dorthin, wo sie gedacht waren. Frankreich als gar nicht so heimliche (Ex-) Kolonialmacht betreibt ein schmutziges Geschäft, die EU macht mit und Deutschland steht wohl „fest an der Seite“ der „Grande Nation“.  Dagegen gäbe es viel zu tun, um aus diesem bettelarmen Land eine wirtschaftlich gesunde Region zu machen. Es bedürfte nur eine Blickänderung hin zu den Menschen: Ihnen eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektive zu geben, wäre das Gebot der Stunde. Dann würde nicht nur der islamistische Terror verschwinden, sondern der Auswanderungsdruck ebenso, Die Subsahara muß stabilisiert werden, um der dortigen Menschen willen, aber genauso um unseretwillen.
Wolfgang Philipps


Leserbriefe zu „Gar nicht mal so rechts“ von Jens Jessen

Die Aufklärung und die ihr folgenden Revolutionen setzten auf Freiheit, Gleichheit und Eigentum. Die soziale Frage blieb ungelöst. Die einzigen Denkangebote, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verbanden, kamen von Anarchosyndikalisten wie Kropotkin mit seiner Analyse gegenseitiger Hilfe als eigentlichem Antrieb der Evolution. Marx setzte dagegen auf die Eliminierung der Freiheit durch das Postulat eines Gesetzes, das ohne das bewusste Handeln des Einzelnen in eine Diktatur führen sollte und musste. Seine eigene moralische Empörung, die seine Schriften immer wieder unterbrach und antrieb, verleugnete er, wohl aus Ohnmachtsgefühlen, die er ideell zu bewältigen suchte. Auch in Fragen der Wirtschaftsordnung bestimmt politisch gesehen das bewusste Handeln von Menschen das Sein, insbesondere wenn es Mensch und Natur zusammenzudenken bereit ist. Dazu ist die Industriegesellschaft aber nicht bereit, weil sie die Ausbeutung von Mensch und Natur zu ihrer ideologischen Basis gemacht hat. Die in diesem System eingeschlossenen Arbeiter haben daher stets für die industrielle Lebenswelt des Nationalstaats votiert, um ihren Anteil am national eroberten Kuchen nicht zu gefährden. Ich wüsste nicht, was ein orthodoxer Marxismus zu einer gerechten Lösung dieser Zukunftsfrage beitragen könnte.
Volker Gallé

Bisher ist mir kein Zeitungsartikel untergekommen, der die Wurzeln der totalitären Tendenz unserer Zeit so treffsicher und sachgerecht analysiert. Durchweg trägt er das Gepräge eines vernünftigen Geistes. Fachkundig und gelassen seziert Jens Jessen die Nebelkerzen der neuen „Linken“, um deren gleichermaßen schlichte und maliziöse Stoßrichtung ins grellste Licht zu stellen: Das Ende der Aufklärung.
Andre Hempel

Ein unglaublich gründlicher und tiefschürfender, dabei überaus allgemeinverständlich formulierter Aufsatz, eine wirklich hilfreiche Analyse eines aktuellen und sehr kontroversen Themas. Chapeau, Herr Jessen! (naja, da zeigt sich halt doch der „Altmeister“…)
Karl-Heinz Grau

Über Sahra Wagenknecht ist in letzter Zeit viel berichtet worden. Jens Jessens Beitrag ist mit Abstand das Beste, was ich zum Thema Wagenknecht gelesen habe. Ihm gelingt eine sehr zutreffende Sicht auf Wagenknechts politische Wurzeln und ihre Beweggründe, sich von der eigenen Partei abzuwenden. Es muss für sie eine große Enttäuschung sein, dass sich „Die Linke“ jetzt auch der Wokeness – Bewegung zuwendet und dabei die Menschen aus den Augen verliert, die zu vertreten sie einst angetreten ist. Natürlich sehen sich die Politikerinnen und Politiker der Linkspartei nicht als „Lifestyle – Linke“, häufig genug zu Recht, die Verbitterung auf beide Seiten ist demzufolge groß.

Sahra Wagenknecht aber in die rechte Ecke zu stellen, ist Quatsch, und ich denke, die meisten Menschen verstehen das als einen ziemlich durchschaubaren Versuch, sie zu diskreditieren. Ob Sahra Wagenknecht mit einer eigenen Partei auf Dauer politischen Erfolg haben kann, steht ohnehin in den Sternen. Sie vertritt ja auch Positionen, die durchaus strittig sind und mir häufig genug weltfremd und von vorgestern vorkommen.
Regina Stock

«Was ist falsch an Sahra Wagenknecht? Sie missfällt einer Linken, die sich von Marx verabschiedet hat» So die Feststellung von Jens Jessen. Tatsächlich kann Wagenknecht davon profitieren, dass es zwar notwendig ist, linke und rechte Positionen zu kombinieren, dass aber dafür die politische Basis fehlt. Eine solche Basis wäre notwendig, um eine solide Brücke in die Zukunft zu bauen. Das Vorbild könnte das Bauen einer realen Brücke sein. Eine neue Brücke muss einerseits stabil, finanzierbar und rechtzeitig errichtet werden. Das sind eher rechte Vorstellungen. Und sie muss allen offen stehen und die Belastung beim Bauen muss die unterschiedliche Leistungsfähigkeit berücksichtigen. Und beim Bauen einer realen Brücke müssen die realen, praktischen Gegebenheiten beachtet werden. Ohne Theorie geht’s allerdings auch nicht, aber die muss aus den praktischen Erfahrungen abgeleitet werden.

Jessen führt dazu unter anderem ein Beispiel an. Wer meint … durch eine Willkommenskultur den Migranten zu helfen (statt die Ausbeutung in Afrika zu beenden), der tut nichts Gutes – er arbeitet im seinerzeit berühmten „Verblendungszusammenhang“». Das Beispiel veranlasst zu einer Frage. Kann das Beenden der «Ausbeutung in Afrika» das Migration-Problem lösen? Oder hat dieses Problem nicht eher eine demographische Ursache? Das Problem ist zwar durch eine Art „Ausbeutung“ entstanden, aber nicht, weil Afrika dadurch verarmt ist, sondern im Gegenteil, weil dadurch die Mittel bereitgestellt wurden, die zu hohen Geburtenraten geführt haben. Gerade auch in den Öl-Ländern mit hohen Öl-Einnahmen, die im Lande blieben, ist die Bevölkerung ebenfalls stark gewachsen. Der Schaden durch die „Ausbeutung“ ist dadurch entstanden, dass die hineinfließenden Mittel die Notwendigkeit beseitigten, mit den vorhandenen Ressourcen auszukommen. Diese Notwendigkeit hätte bewirken sollen, dass die Geburtenrate nicht höher wuchs, als diese lokalen Ressourcen es erlaubten. Die Willkommenskultur war insofern schädlich, weil sie zusätzliche falsche Signale aussendete.

Ein wesentliches Grundproblem ist dabei der Konflikt zwischen grünen und roten Ideen. Als sich nur wenig ein Auto leisten konnten, war der Co2-Ausstoss noch gering. Problematisch wurde es, als sich immer mehr Menschen ein Auto, Fernreisen und mehr Wohnraum leisten konnten. Die folgende Story illustriert den Sachverhalt. Ein Bauer wurde mal gefragt, warum er immer noch Monarchist sei. Er meinte, er habe festgestellt, dass eine fette Sau weniger fräße als zwölf magere. Auf der massiv ungleichen Einkommensverteilung beruht auch der relativ tiefe Öko-Fußabdruck Afrikas. Fazit: Umverteilung kann das Klima-Problem aber auch andere Probleme nicht lösen. Das demographische Problem des globalen Südens kann ebenfalls nicht durch wohlstandsvermehrende Industrialisierung gelöst werden. Dazu reichen die Ressourcen der Erde nicht aus.
Gernot Gwehenberger

Vielen Dank für Ihre brillante Analyse zu Wagenknechts (wahrscheinlichen) Positionen! Ich kann nicht einschätzen, ob Frau Wagenknecht tatsächlich dieses Denkgebäude vertritt, ihr Buch habe ich noch nicht gelesen. Aber beim Lesen Ihres Artikels wurde ich mir meiner eigenen Position klarer und ich kann mein „Unwohlsein“ gegenüber den etablierten „Linken“ nun besser artikulieren. Möglicherweise spüren viele Menschen (besonders hier im „Osten“) dieses Unwohlsein. Sie fühlen einfach, dass an „woken“ Positionen etwas nicht stimmt, können aber die Ursache nicht benennen.

Darum wenden sie sich denen zu, die die Kritik an den „Woken“ am lautesten, jedoch aus anderer Motivation heraus, äußern. Und wählen dann gegen ihre eigenen Interessen. Denn die extrem Rechts- Konservativen sind die Letzten, die die Interessen der Nichtbesitzenden vertreten. Sollte Frau Wagenknecht tatsächlich eine Partei gründen, so hoffe ich, dass sie diese Interessen vertritt und diese auch wirkungsvoll zum Ausdruck bringen kann. Es braucht dringend einen wahrnehmbaren, tatsächlichen Gegenpol zu neoliberalen Positionen.
Kerstin Winge

Merci vielmals für den klarsichtigen Artikel von Herrn Jens Jessen in Ihrer letzten Ausgabe. Ich lese Herrn Jessens Artikel sehr gern, ich verschlinge sie sozusagen. Das liegt an der umfassenden Bildung des Autors. Gedanklich „Stühle zurechtzurücken“ ist seine Stärke. Den Marxschen Satz „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ zu zitieren, ist ein tiefgründiger Schachzug in den ideologisierten Debatten unserer Tage. Und ich rede mir in vielen Gesprächen oft den Mund fusselig, wo Herr Jessen nur einen Satz braucht: „Die Kapitalismuskritik, jedenfalls die marxistische, führt zwingend zur Ablehnung eines Aktivismus, dem es nur um die Gesinnung geht und der daher dem Kapital nicht lästig fällt.“ Mit gewissenhaftem Gendern hat keine Frau den gerechten Lohn für gleiche Arbeit auf ihrem Konto. Aber es fühlt sich gut an.
Norbert J. Heikamp

Herr Jessen hat seinen Marx gründlich gelesen, und ich stimme seiner Argumentation in dem Artikel im Wesentlichen zu. Ich möchte aber eine Anmerkung machen, die vielleicht verdeutlichen kann, warum die Gründung einer „Wagenknecht-Partei“ bisher vor allem im „Überbau“ der deutschen Medienlandschaft und nicht an der Basis dieser Demokratie stattgefunden hat. Und dort auch nicht stattfinden wird, wenn Frau Wagenknecht so klug ist, wie sie mir bisher immer entgegengekommen ist. Das Klientel einer neuen Wagenknecht-Partei wird ein bunter Haufen unzufriedener Zeitgenossen sein, die keine Heimat in anderen Parteien des gesamten Spektrums dieser Landschaft in Deutschland zur Zeit finden. Das steht im Gegensatz zur Position, die Herr Jessen für eine „wahre“ neue Partei von Sahra Wagenknecht links von den „Linken“ sieht.  Das wäre eine Partei in der Nachfolge von Karl Marx, um die Basis zu ändern, nicht am Bewusstsein der Massen rumzufummeln. Was die Parteien in der BRD seit ihrem Bestehen tun. Heute mit verstärkter „Wokeness“, einem Begriff, dem es um Bewusstsein geht, nicht um Veränderung des Seins.

Frau Wagenknecht wird sich mit dieser Anhängerschaft wohl begnügen müssen. Denn das Subjekt der Geschichte, das die Basis verändern wollte und könnte, und der Utopie von mehr Gerechtigkeit, Gleichheit und Glück für seine Zeitgenossen zur Wirklichkeit verhelfen könnte,  gibt es nicht  (mehr): ein revolutionäres Proletariat, das auch das Bewusstsein seines Veränderungswillens hätte. Hat es in Deutschland mit solcher Macht zur Veränderung wohl auch noch nie gegeben. Es geht hier heute eher um plärrende und wütende Verteidigung von Privilegien eines Wohlstands von Individuen, eines Wohlstands, der aus der Trennung von Kapital und Arbeit geboren wurde. Diese Trennung stand nie zur Disposition. Will Frau Wagenknecht diese aufheben? Das Individuum der westlichen Gesellschaften will heute dies und morgen jenes, nur nicht regiert werden. Eine Funktion des Überbaus eben, der von der Basis bestimmt wird. Beide haben sich aber getrennt. Kommt daher das breite Unverständnis für den „allgemeinen Willen“, wie er vom Staat verfügt wird?

Es gehört zur Tragödie der Aufklärung und ihrer marxistischen Nachfolger, dass beiden das Subjekt ihres Tuns abhandengekommen ist: das aufgeklärte und das revolutionäre Subjekt. Für beide gehört Rationalität zur Grundausstattung menschlichen Denkens und Handelns. Heute wird genau sie für viele Krisen der Gegenwart verantwortlich gemacht: die persönlichen und die gesellschaftlich-klimatischen. Keiner will mehr seinen Verstand gebrauchen, um aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu entkommen. Man bedient sich lieber bei Esoterik und vermeintlicher Identitätssuche im gemeinsamen Bekenntnis zu Freiheit und Konsum. Beides duldet keine Einschränkungen.

Aufklärung wäre aber die Grundvoraussetzung, dass das Projekt einer „Wagenknecht-Partei“ gelänge, die an Marx‘ Basis geht, und nicht das Bewusstsein von irgendwas verändern will. Denn das haben die Philosophen in der Vergangenheit schon zur Genüge getan. Marx wollte etwas anderes: „Die Philosophen haben die Welt verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern“ 11. Feuerbachthese, 1845. Mit wem wollte Sahra Wagenknecht DAS anstellen? „Philosophen“ haben wir genug zurzeit. Ich schätze Frau Wagenknecht als kluge Frau ein, die sicher solche Überlegungen auch kennt, und die sie zögern lassen, eine „Linke Partei“ neu zu gründen.
Lutz Jückstock


Leserbriefe zu „Über Frauen, die keine Jungen gebären wollen“ von Harald Martenstein

Mit großem Interesse – und ebensolcher Überraschung – lese ich vom Trend des ‚gender-disappointment‘. Während dies für unser Land in dieser Form wohl eine neue Entwicklung ist, kennen wir vergleichbares aus anderen Ländern seit langem. In Indien beispielsweise sind oftmals zwar nicht die werdenden Mütter selbst, wohl aber deren Ehemänner und Schwiegermütter, schwer ‚disappointed‘ wenn sich statt des ersehnten männlichen Nachwuches ‚only a girl‘ ankündigt. Liegt angesichts dieser Komplementärsituation die Lösung sowohl für die genannten deutschen wie auch die indischen Mütter bzw. Familien nicht auf der Hand?
A. Bothe

Danke für die treffliche Kolumne. Als Ergänzung sende ich Ihnen den folgenden Link zum Thema: „Wenn die Söhne aussterben“ – eine Hörgeschichte aus meiner Feder und Produktion. https://youtu.be/kG08Cgcj–o?si=1PSdJA85RASXlVC0

Bernhard W. Rahe

Ich bin irritiert, dass ihr noch immer an Martenstein festhaltet. Warum? Einen Text wie „Frauen, die keine Jungs gebären wollen“ zu veröffentlichen, der offensichtlich misogyn und transfeindlich ist, erwarte ich von der Welt oder der BILD, aber von euch? Jemandem wie Martenstein eine Bühne zu bieten über den Verlust an Respekt für alte weiße Männer zu trauern ist schwach. Es wäre schön zu sehen, wenn ihr euch von solchen Kolumnen emanzipieren könntet.
Carla Gollmer

Was mir zur Kolumne von Harald Martenstein „Über Frauen, die keine Jungen gebären wollen“ einfällt? Die armen weißen Männer! Sie verkörpern nicht nur das Privileg schlechthin mit ihren fulminanten Bildungs- und Karrierechancen – nein, sie dürfen sich auch noch in einem einseitigen Artikel im ZEITmagazin darüber beklagen, wie SEHR sie sich doch von der Schönheitsindustrie, Gender-Fragen, vielleicht auch Frauen im Allgemeinen und darüber hinaus noch Trans-Menschen angegriffen fühlen.

Mal abgesehen davon, dass sich der Autor höchst unwissenschaftlich auf „Forenbeiträge“ mit Einzelmeinungen stützt, findet sich ein Potpourri an populistischer Meinungskundtuerei, das in meinen Augen völlig fehl am Platz ist. Niemand lässt sich freiwillig und „kinderleicht“, aus einer Laune heraus „umoperieren“. Nicht alle Frauen wollen plötzlich keine Jungs mehr. Im Gegenteil: zur Genüge höre ich in meinem Freundinnenkreis die Aussage „Lieber hätte ich einen Jungen, dann muss er sich nicht mit dem Gender Pay Gap, Sexismus, Cat-Calling und gläsernen Decken herumschlagen.“ Da wurde noch nicht der Druck der Schönheitsindustrie (nicht zuletzt durch Formate wie „Germanys next Topmodel“ befeuert) erwähnt, der junge Mädchen und Frauen in Essstörungen stürzt oder sich finanziell für kosmetische Eingriffe verschulden lässt. Aber klar: bloß nicht in die Selbstreflexion gehen und mal überlegen, wie sehr das Ganze nach Stammtisch klingt. Zeit ist es definitiv: für eine neue Kolumnistin!
Luisa Hesse

Schon Monteverdi kannte das Problem:
FÜNFTE SZENE, Die kaiserlichen Gemächer, Octavia, die Amme
OCTAVIA
Verschmähte Königin, / erbärmliche Gattin des römischen Kaisers! / Was soll ich nur tun? Was denken? Wo bin ich? / O unseliges Geschlecht der Frauen! / Frei geboren / von Natur und Gottes Wille, / werden wir in der Ehe wie Sklaven gekettet.
Wenn wir einen Knaben empfangen, / o unseliges Geschlecht der Frauen, / so bilden wir die Glieder unseres eigenen Tyrannen! / Wir nähren den grausamen Henker, / der uns zerfleischt und tötet, / und unser unwürdiges Schicksal zwingt uns, / unseren eigenen Tod zu gebären!
Andreas Schmeer

Ich lese das ZEITmagazin sehr gerne und freue mich meist über interessante Artikel aus verschiedenen Blickwinkeln. Leider habe ich diese Woche den Text von Harald Martenstein gelesen in dem aus der dritten Person und mit verdrehten Quellen über Frauen und ihr Problem mit Kindern gelästert wird. Sein persönlicher Bezug zu dem Thema oder ein Gefühl von Verantwortungsbewusstsein, aus dem sich eine Perspektive für Alternativen ergibt, war ebenfalls nicht erkennbar. Bitte holen Sie Ihren Kollegen aus der Bubble in die er sich verlaufen hat. Ich hoffe der Text war ein qualitativer Ausrutscher.
Klaudia Schossleitner


Leserbriefe zu „Schwerer Irrtum“ von Max Hägler

Seit unserer letzten Kommunikation haben Sie mindestens drei Artikel zur E-Mobilität veröffentlicht: in keinem erwähnen Sie die essentielle, mich hierbei umtreibende Tatsache, dass die verbauten Antriebsbatterien unserer überfälligen „Energiewende zum Regenerativen“ entzogen bleiben, obwohl sie die nächsten Jahre alternativlos unentbehrlich dafür sind. Dieser wesentliche Fakt sollte aus journalistischer Umsicht beim Thema immer miterwähnt werden! Automobilmarken profilierende Spitzenleistungen können ja aus individuellen Leistungsbatterien kommen, aber die Langstrecke muss über Wechselbatterien unseres regenerativen Pufferpools befähigt werden! Das sollte alle überzeugen und begeistern können. Helfen Sie endlich mit!
Hans-Jörg von Lücken

Man orientiert sich an Tesla: „Auch wenn der finale Name des elektrischen Kleinwagens noch nicht bekannt ist – geplant ist das Tesla Model 2 für 2024. Tesla-Chef Elon Musk hat im Herbst 2022 entsprechende Pläne und auch den ehrgeizigen Preis von 25.000 US-Dollar netto (rund 23.543 Euro; Stand Januar 2023) bestätigt“ finde ich richtig.
Klaus Wolfbeisz

Habe mit Interesse den Artikel gelesen. Der Hauptkostenanteil der E-. Mobilität im Basisbereich sind die Speicher. Energiedichte erst mal geringer, aber vom Material her thermisch besser zu verdichten, hat „Natrium-Ionen“ viele Vorteile. Kein Kobalt, kein Nickel. Der Grundstoff ist Salz. Deutschland hat, wie immer, viel Zeit. Beim vielen Draufschauen und Hinkucken wird das Machen vergessen. 3,7 Millionen für die Batterieforschung in 2023 durch die FDP-Ministerin und immer noch wird Lithium als Hauptförderung angezeigt. In China und den USA wurden schon in 2022 große Fertigungsstandorte für die Natrium-Ionen-Batterien hochgezogen. Die von 70000 Menschen gezeichnete Petition zum Klimabürgerrat nach schottischem Vorbild wird seit 3 Jahren verfassungswidrig nicht beschieden. Preisvorteil aktuell 40%. https://www.notebookcheck.com/Natrium-Ionen-Batterien-koennten-LiFePO4-Batterien-bald-ersetzen-fuer-guenstigere-Elektromobilitaet-und-Energiesysteme.717239.0.html
Michael Rother

Welch schwerer Irrtum, Parkplätze größer zu machen. In den engen Städten bleibt noch weniger Raum für Grün, Spielplätze, Erholungssuchende, Flanierer*innen und gute Laune. Autos sind wie Häuser: eine Machtdemonstration. Je größer, desto reicher und mächtiger der Besitzer. Extremer Landschafts- und Ressourcenverbrauch waren früher dem Adel mit seinen Kutschen und Schlössern vorbehalten. Fluch und Segen der konsumorientierten, demokratischen, individualistischen, kapitalistischen Leistungsgesellschaft ermöglichen es heute auch dem mittleren Bürgertum. Dafür bezahlen und leiden wir alle, denn dem Verlust an Natur, dem Verbrauch an Energie, der Belästigung und Bedrohung durch immer noch mehr und noch schwerere „Kutschen“ entkommt keiner. Je größer die Autos, desto mehr CO2 wird für Kohle- und Erdgas Strom emittiert, mehr Solarparks funkeln uns gemein von einst beruhigend grünen Wiesen entgegen und immer mehr Windräder vernichten einst ruhige, technikfreie Rückzugsorte.

Aber seit O.J Simpson 1994 live im Fernsehen stundenlang unbehelligt mit seinem SUV vor den dutzenden, ihn wegen Mordes verfolgenden, gewöhnlichen Polizeiautos herfuhr, fahren alle Fernseh-Schurk*innen und Held*innen, die mächtigen der Welt, kurz, ein jede*r der sich ebenso egoistisch und rücksichtslos Machtvoll, unangreifbar und sicher im Verkehr bewegen will, mit ähnlich großen, Furcht und zugleich Macht ausstrahlenden Autos. Egal ob Benzin, Diesel oder Strom, diese Energie-Macho-Autos zeigen allen den ausgestreckten Mittelfinger: Den anderen Verkehrsteilnehmer*innen, den ihren Ressourcen beraubten Völkern des globalen Südens und der wissenschaftlichen Vernunft. Kein Wunder, dass die hoffnungslos selbstbewusste Kleinwagen Opel-Adam Reklame mit Claudia Schiffer schon bald der Garaus gemacht wurde, denn wer einen Neuwagen kauft, der ist meistens männlich und sehr auf seinen Status bedacht. Alle Autohersteller geben 90% (!) ihres Werbeetats für ihre größten und luxuriösesten Wägen aus. Wer sich diese Modelle nicht leisten kann, der hofft, dass etwas von dieser Macht-, Fortschritt- und Ansehen ausstrahlenden Reklame auch auf sein Model abfällt. So einfach werden die niedrigen Instinkte und Bedürfnisse geweckt und befriedigt. Schiffers weibliche Vernunft des Klein = Fein hatte dagegen nie den Hauch einer Chance.

Dabei wissen wir schon längst, dass für uns die Welt zu einer Hölle wird, wenn alle SUVs fahren: für unsere Städte, für unsere Natur und für den globalen Süden. Wer ein SUV wählt, zwingt egoistisch uns allen mehr Raum, Ressourcen und Energie ab, wie es ihrem oder seinem gerechten Anteil an der Erde entspricht, nämlich 2, 3 oder sogar 5 mal so viel. Mit ihrem oder seinem Verbrauch erheben sie oder er sich zum nietzscheanischen „Herrenmenschen“, dem mehr zusteht als anderen. Sie erheben sich damit auch über die Vernunft und die Humanität des kategorischen Imperativs von Kant: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Dieses Leugnen der Vernunft, dieses sich menschenverachtende Erheben über andere nach dem Motto: „Ich werde mich und meinen Konsum erst fürs Klima einschränken, wenn die in den USA; Indien und China das auch tun!“ ist das Mantra des rechten Randes von FW, FDP, CDU/CSU und SPD. Ja, selbst die rechten Ränder der Linken und Grünen liebäugeln damit. Aber am perfektesten passt die Wirklichkeit verleugnende Mittelfinger-, Macho-, „mir ist alles und sind alle anderen Egal-Ideologie“ zur AFD.

Ihre geschilderten Bemühungen für kleine Autos sind geradezu rührend. Diese werden aber schon bald von der Klimarealität überrollt. Denn der Gesetzgeber muss den Erhalt der natürlichen Ressourcen gewährleisten, er muss also mit Regeln und Maßnahmen eingreifen die z.B. wie in Tokyo eine Kleinwagenkultur fördern, https://de.wikipedia.org/wiki/Kei-Car. Tut er dies nicht, dann baut unsere Generation immer größere Automonumente, die wertvolle Natur, Energie und Ressourcen verschleudern. Gleichen wir dann den ehemaligen Bewohner*innen der Osterinseln? Bauen wir etwas immer mehr, größer und schneller, das den Untergang unserer Erdgemeinschaft beschleunigt? Beten wir jetzt unsere Autos genauso an, wie sie einst ihre monumentalen Figuren? Die Osterinsulaner*innen blieb danach nur der Kannibalismus, um das knappe Nahrungsangebot zu überstehen. Wie wird es unseren zukünftigen Generationen ergehen? Schade, dass die Zeit noch immer sich dem Tribun SUV unterwirft, dem unmoralischen Angebot der Autoindustrie nicht wiedersehen kann und deshalb, wegen der „wirtschaftlichen Zwänge“ wahrscheinlich, Moral, Verstand und Verantwortung fahren lässt. Willfährig drucken Sie auch in dieser Ausgabe SUV-Reklame auf den Seiten 5 und 63 ab. Schade, dass in Ihrem Artikel nicht mehr Platz für Vernunft basierte Kritik an SUVs war.
Klaus Siersch

Ich fahre einen 9 Jahre alten elektrischen Renault Kangoo + benötige nun eine neue Batterie. Renault berechnet dafür 22.000,- + Mwst. + Einbaukosten. Dafür bekomme ich doch eigentlich ein ganz neues Auto… Sie zu mieten ist seit 2019 nicht mehr möglich! Deshalb sollte sich jeder Kunde vorher „schlau machen“
Bettina Krauß


Leserbriefe zu „Darf man Xi einen Diktator nennen?“ von Anna Sauerbrey

Aber wozu dann – was nützt es? Ist man schon zufrieden, wenn man feststellt, dass unsere Außenministerin diesmal wohl keinen allzu großen Schaden angerichtet hat?
Dieter Wurm

Die Annahme, dass Xi uneingeschränkt herrscht, wird durch Hinweise aus China zu relativieren sein. Der Verdacht einer beginnenden Halbwertzeit seiner Macht ist in der dramatischen ökonomischen Krise dieser Volkswirtschaft und durch seine Exkulpierungsversuche mit dem Entsorgen von Ministern begründet. Der lapidare Einwurf von Sauerbrey über die geringe Wertschätzung von Baerbock in China darf eher nachdenklich stimmen, bedeutet es eher die Geringschätzigkeit für die deutsche Regierung.
Jürgen Dressler

Auch wenn Baerbocks Aussage, Xi sei ein Diktator, inhaltlich richtig ist, ist diese kaum zielführend. Es sei denn, eine solche Aussage würde im nennenswerten Umfang dazu beitragen, dass die beschriebenen Missstände beseitigt werden würden. Ansonsten stellt sich die Frage, was eine solche Aussage bezweckt? Die Bundesaußenministerin sollte als oberste Diplomatin des Landes letztlich, wie auch im Amtseid dargelegt, Schaden vom Volk wenden und dessen Nutzen mehren. Sie sollte deshalb diplomatisch reden und handeln um die Interessen des eigenen Landes nicht zu gefährden, was jedoch bei derartig scharfer Rhetorik nicht ausgeschlossen ist. Cui bono?
Reiner Gorning

Man darf. Und frau inzwischen noch viel mehr. Am Stammtisch durfte man es sowieso schon immer. Aber ist das „feministische Außenpolitik“? Wenn ja, muss nach fast zwei Jahren langsam Bilanz gezogen werden – welche Erfolge gibt es zu verzeichnen, wieviel besser geht es den Menschen seither auf der Welt, welchen Stellenwert genießt Deutschland auf diplomatischer Ebene? Ich fürchte, das Ergebnis ist ernüchternd – die Abhängigkeit von den USA ist gewachsen, ansonsten werden wir überwiegend noch gern als Unterstützer instrumentalisiert, aber kaum noch ernstgenommen.
Martin Schwager


Leserbriefe zu „Aus der Balance“ von Elena Erdmann et al.

Im großen Diagramm, an dem der Artikel Aus der Balance aufgehängt wird, muss sich ein sinnentstellender Fehler befinden. Aufgetragen sind die Wassertemperaturen, genauer die Abweichung vom langjährigen Durchschnitt 1971 bis 2000. Die Null-Linie ist also der Durchschnitt, d.h., die Abweichungen von 1971 bis zu 2000 müssten sich zu Null ausgleichen. Das tun sie aber nicht. Die Werte von 1982 bis 2000 aus dem Diagramm schwanken um einen Mittelwert von etwa -0,13. Wie kann das sein?
1. Die Temperaturen von 1970 bis 1982, die im Diagramm nicht mehr ersichtlich sind, lagen wesentlich höher; das ist wohl auszuschließen.
2. Der Referenzzeitraum ist falsch angegeben. Der müsste dann vielleicht von 1980 bis 2015 liegen. Kann passieren, sollte aber nicht.
3. (und wahrscheinlichstes) Die Null-Linie wurde falsch eingetragen, ob absichtlich oder nicht, auf alle Fälle sinnentstellend. Natürlich ist es beeindruckend, dass seit 2000 fast alles rot ist, und vorher fast alles weiß. Entspricht aber nicht den Tatsachen. Eine renommierte Zeitung wird auch daran gemessen, ob die Fakten, dieverbreitet werden, richtig sind.
Wolfram Strehl

Dass die deutlich unterschiedlichen Wärmekapazitäten von insbesondere kondensiertem Wasser und atmosphärischen Gas, wie N2 oder CO2 mal Erwähnung finden in dem oft fruchtlosen Gerede von Klimawandel und Erderwärmung: Ausgelöst durch besorgniserregende und verheerende Unwetter mit ungezählten Toten im Mittelmeerraum. Bisher hörten wir immer nur von CO2, Decarbon(is)ierung und fossil-grüner Erderwärmung – ein eher unvollständiges Szenario. Nun, da endlich auch die Antarktis im Schwinden begriffen ist und das Oberflächenwasser der Ozeane meßbar erwärmt, wird die Thematik noch realistischer!

Da brauchen wir dringend den Energiewandel vom reichlich zunehmend besteuerten Verbrenner zum subventionierten E-Mobil, weil elektrischer Strom, überall wo er fließt, von der Quelle bis zum Verbrauer reichlich dissipative Wärme als Begleiterscheinung produziert. Elektrischer Strom wird also ein dauerhaft fördernden Beitrag zur unerwünschten generellen Erwärmung der Erdmasse und mithin auch zur weiteren Erwärmung der Ozeane führen. Wenn erst flächendeckend Strom von A (wie Analog) nach D (wie Digital) fließt, und Autos schon stehend beim Tanken (Schnell-Laden), und nicht nur beim Fahren Wärme an die Umwelt abgeben, dann werden wir den tieferen Sinn des angestrebten Energiewandels verstehen.
Wolfgang Pape

Vielen Dank, dass Sie nicht müde werden auf die prekäre Lage des Klimas und seines Schutzes hinzuweisen, obgleich man verzweifeln könnte angesichts der allzu vielen, die sich immer noch mehr Sorgen um die Kosten und Anstrengungen der Abwendung wenigstens noch des schlimmsten machen als vor den Folgen des nicht oder mangelhaften Handelns, selbst jetzt, nachdem immer wieder die Befürchtungen der Wissenschaftler negativübertroffen wurden und es immer mehr Anzeichen für den Beginn der unheilvollen selbstverstärkenden Prozesse gibt, mit fraglicher Restzeitfrist, bis diese das Ruder voll übernehmen und auch die bestmöglichen Bemühungen vergeblich machen.

Autoren wie Sie machen es – zusammen mit den aufopferungsvoll ehrenamtlich arbeitenden Klimaaktivisten — auch mir noch möglich nicht aufzugeben, wie ich es – vor dem Auftauchen von „Greta“ schon einmal getan habe. Jetzt gilt für mich:

„. . . Ich weiß, die Chance ist klein, wenn wir bedenken / wie viel verlor’ne Jahr‘ zum Abgrund lenken, / wie viele Chancen, die man wollt‘ verschenken. / Doch kann ich, dürfen alle nicht aufgeben, / die auch voraussehn *künftiges Erleben, / nicht „Greta“ und die vielen *im Stich lassen, / nichts tun, als ob wir ihre Zukunft hassen: / die jetzt und künftig leben, sind betroffen, / selbst handeln und auf Fairness, Hilfe hoffen, /dass wir doch noch die Chance halten offen, / nicht länger weitermachen wie besoffen, / doch noch die Kurve zu guter Zukunft kriegen / System und inn‘re Schweinehunde, Ignoranz besiegen / Wir all‘ entscheiden, ob das bleibt ein Wunsch-Traum, / ob Wende dieser Welt hat, zeitnah, Raum / ob Zivilisation soll länger leben auf der Erde, / ob unser Planen, Handeln, sie retten werde. . . . „
Doch für allzu viele scheint es solch ein Motto zu sein:
„Lasst uns in Ruh‘ mit dem Gequatsche von Zerstörung, Zukunft der Enkel, / mit „Gretas“ Warnung, Mahnung, Forderungen geht ihr auf den Senkel: / man muss doch positives sehn statt sich mit Folgen rumzuquälen, / die nur die Laune stör’n, wir woll‘n kein Limit für den Spaß der Seelen. / Die Wissenschaft hab‘ lang gewarnt, man kann es nicht mehr hören, / Natur und Umwelt lieben wir, doch soll‘n sie uns nicht stören; / für uns ist es doch immer gut gegangen in der Welt; / wir glauben nur dem Fakt, dem Rat, der uns gefällt, / sonst hör’n wir nicht, was Wissenschaft für nötig hält; / doch glauben wir an ihre Zauberkunst und Kraft: die zählt / um jetzt und künftig das schmerzfrei zu heilen, / dass sie dafür die Lösung wird austeilen, / wovor sie warnt bei unserm Tun und Lassen, / nur so kann sie zu unserm Willen passen. / Sie wird uns retten, falls Natur das übertreibt, / was jetzt schon manche Zeitung schreibt, / wenn Katastrophen, fern und nah, Rekorde überbieten Jahr für Jahr, / Äcker vertrocknen, flut-nasse Häuser brechen, schimmeln, falls nicht klar / von großen Geldern sie geschützt, um wieder herzustell’n am Ort, / oder um umzuzieh’n in neuer Regionen Hort.
Und sehn wir endlich doch, was droht und auch was nötig ist, / so glauben wir noch lange nicht – es ist zu trist – / dass wir’s sein sollen, die‘s getan und die es ändern müssen / mit anders wählen, reisen, bauen, and’rem Leben und Genüssen. / Es sind so viele schlimmere als Täter in dem Spiel / die Schuld zu tragen, Abhilfe zu bieten, nur die können so viel, / die soll‘n doch zahlen, handeln, sich anstrengen, / die mit dem Wissen, Macht, dem Geld in Mengen. /„Ich bin es nicht, der das gemacht, ich bin zu klein, zu schwach, / ich soll was ändern, soll in Frage stellen, was ich mach? / Nein, nur die großen, mächtigen und reichen, ‘s ist deren Sach‘“.
Wenn viele Opfer es bisher schon gab und mehr es sind von Mal zu Mal, / wir fordern und erwarten das Genie, uns zu erspar’n die Qual der Wahl, / die Retter, die alles erfüllen und nichts nehmen von uns’rer Ansprüch‘ Zahl. / Doch in Alpträumen sehn wir den Planet‘ in seinem Elends-Fieber, / getröst‘t vom ält’ren Bruder, der ihm sagt: „Mein Lieber, / habe Mut, du hast nur Homo sapiens, das geht vorüber, / nicht dauerhaft sind deine Krankheitskeime, / denn sie zerstör’n auch ihrer Enkel Lebens Heime. . . .. “ (beide gereimten Passagen aus meinen Klima- und Zukunftsgedichten).

Ich habe kurz vorher eine Mail zum Seite-1-Artikel zum Flüchtlings-Dilemma-Thema geschrieben, auch im Zusammenhang mit den mehrfachen gleichzeitigen sonstigen derzeitigen krisen, allen voran die Klimakrise. Das dort geschriebene will ich nicht nochmal wiederholen, sondern nur ergänzen: Angesichts der Größenordnung der drohenden Folgen und der Dringlichkeit steht das Klima m.E. in der Prioritäten-Rangfolge an erster Stelle, wo am allerwenigsten zu kürzen oder aufzuschieben verantwortbar ist.
Peter Selmke

Danke für den interessanten Artikel. Allerdings wundert es mich, dass zwar die Wetteranomalie El Nino gewürdigt wird, aber kein Wort über den Hunga Tonga-Hunga verloren wird. Der höchste je beobachtete Vulkanausbruch, der, weil der Krater unter dem Meer liegt, gewaltige Wassermassen in die Stratosphäre und darüber hinaus beförderte. Forscher sagten bereits im März ein extrem heißes Jahr voraus, mit Bezug auf diesen Vulkan und den durch das Wasser ausgelösten zusätzlichen Treibhauseffekt. Insofern gibt es möglicherweise eine weitere Ursache der Extreme des Jahres 2023 – und ggfs. auch für die der Folgejahre, da das Wasser wohl für einige Jahre in der Stratosphäre verbleiben könnte. Falls Ihnen keine anderen Erkenntnisse zu den Folgen des Ausbruchs bei Tonga vorliegen, hätte er doch in Ihrem Artikel erwähnt werden müssen. Eine Einordnung mit Bezug auf die allgemeine Klimaerwärmung und El Nino hätte mich jedenfalls interessiert.
Björn Bühlmeier


Leserbriefe zu „diverse Autoren zu Constantin Schreiber“ Glauben & Zweifeln, von Evelyn Finger

Constantin Schreibers Haltung ist nur allzu verständlich. Schon der Mainstream-Islam praktiziert orthodox-konservative Verhaltensweisen, die den (nicht nur interreligiösen) kritischen Diskurs erschweren. Ich persönlich sehe auch keinen Sinn mehr darin, mit Hardlinern wie Frau Hübsch zu „streiten“. Nicht, weil ich meine, der Klügere müsste nachgeben, sondern weil mir Brandolinis Gesetz – „Das Widerlegen von Blödsinn erfordert eine Größenordnung mehr Energie als dessen Produktion“ – gerade im Hinblick auf den Umstand einleuchtet, dass hier jede Kritik sofort in Feindlichkeit umgedeutet wird. Ich streite also auch nur noch mit denen, mit denen der Streit lohnt.
Michael Neuner

Sicher, Frau Hübsch muss auch mancherlei erdulden. Aber bei einer Tortenattacke wäre sie dank Kopfschutz besser geschützt als Constantin Schreiber.
Max Steinacher

Ein schöner Beitrag. Ich empfinde es als beruhigend, diese reflektierten und moderaten Stimmen zu hören. Und dennoch: Die Religionszugehörigkeit ist kein unabänderliches Merkmal wie die Augenfarbe, die Körpergröße oder der Geburtsort. Sie sollte eine bewusste, informierte Entscheidung darstellen. Gewiss haben auch andere Weltreligionen ihren Anteil an Fanatikern. Aber de facto ist der Islam in unserer heutigen Welt die intoleranteste, repressivste und gewalttätigste Weltreligion. Mich wundert, dass so wenig Muslime zu friedfertigeren Religionen konvertieren.
Thorsten Brandes

Die Stellungnahmen berühren mich und überzeugen mich sehr. Wer aber sind die beklagten „Politik“ und „Deutschland“, von denen sich die KommentatorInnen sich alleine gelassen fühlen? Die Presse, die Universitäten, die Kulturschaffenden, politische Gruppierungen und Religionsgemeinschaften sollten hier lautstark und sichtbar unterstützen. Vielleicht auch mit konzertierten Aktionen. Ich wünsche mir geballten Mut, wie er von den AutorInnen dieses Artikels ausgeht, die sich leider als Einzelne erleben müssen.
Charlotte Bossinger


Leserbriefe zu „Müssen Sie zusammenarbeiten?“ Streit von Bodo Ramelow und Mario Voigt, moderiert von Anne Hähnig und August Modersohn

Vielen Dank für Ihren Streit „Müssen Sie zusammenarbeiten?“, in der Zeit vom 21. September 2023. Leider lässt Ihr Streit offen, was die Gemeinsamkeit des rechten Randes aller Parteien ist. Meine These: Bei allen Parteien, von der Linken bis zur AfD, gibt es am rechten Rand einen gemeinsamen, immer wieder zurückkommenden Nenner der besagt: „wir müssen zuerst dafür sorgen, dass es uns gut geht, wie es um die Menschen in den Ländern bestellt ist aus denen unsere Ressourcen oder Produkte kommen oder was unser luxuriöser klimaschädlicher Konsum und Lebensstil mit ihnen macht, das braucht uns nicht zu kümmern.“ Fokussierend auf diese Inhumane und die Klima Wirklichkeit verleugnende Haltung lassen sich nahtlose Brücken zwischen allen Parteien finden. Und gerade DIE ZEIT ist der größte Brückenbauer darin. Macht ihre unablässige Reklame für immer mehr klimaschädlichen Luxus die Spielräume für die aktuelle Politik und die Zukunft unserer Kinder nicht immer enger? Blättern Sie bitte selbst mal Ihre Zeitung von Vorne bis Hinten durch.
Klaus Siersch

Hier sieht man deutlich, dass CDU leider langsam einen Rechtsdrall anstrebt. Schon die Aussage „CDU und Linke…“ zeigt deutlich, dass CDU und AfD anscheinend ein ähnliches Staatsverständnis und Gesellschaftsbild haben und das macht mich sehr stutzig. Das Die Linke aus PDS und SED entstanden ist, ist schlimm, aber wie ist es mit CDU und ihre Nazischergen? Man braucht nur an dem Todesrichter als Ministerpräsident oder an den vielen Juristen die übergangslos von NS-Staat im BRD weiterbeschäftigt wurden, denken. Wenn man den Gesetzen von damals nachforscht, waren viele „NS-Light!“. Als Ausländer ist man erschrocken über wie locker viele in der CDU/CSU die AfD betrachtet, denn viele von uns sehen in der AfD Vorboten eine Nazipartei. Als überzeugte Skandinavier finde ich die dortigen rechten Parteien nicht gut, aber so rechtslastig wie AfD sind sie i. A. nicht.
Stein-Erik Greter

 

Voigt.: Würde ich den u. a. Satz logisch vervollständigen, dann : … aber Staatsverständnis und Gesellschaftsbild von CDU und AFD stimmen grundsätzlich überein… Danke an Herrn Voigt für die Offenlegung seines Demokratieverständnisses.
Geelke Braun


Leserbriefe zu „Der Krieg bin ich“ von Michael Thumann

Der Artikel über den Kremlherrscher Putin und Russland macht mich traurig und zornig zugleich. Für mein Verständnis ist er eine Verdrehung der Tatsachen, denn nicht Putin sperrt sich gegen einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, sondern der Westen mit seinen Maximalforderungen und seiner Intention der Rückeroberung aller besetzter Gebiete einschließlich der Krim. Wir Deutsche waren immer gut beraten, wenn unsere Beziehungen zu Russland freundschaftlich waren. Obwohl ich auch in den USA verständnisbereite antibellistische Kräfte verorte, durchzieht die Geschichte doch eine blutige Spur amerikanischer Interventionen in die Integrität anderer Staaten. Das Gleiche kann man von Russland nicht sagen, auch nicht zu Zeiten der Sowjetunion. Viele Deutsche lieben die russische Kultur und Gastfreundschaft, die erstaunlicher Weise noch bis vor kurzem gegenüber uns Deutschen, die wir für 27 Millionen getöteten 2. Weltkrieg durch Hitlers Rasse- und Vernichtung verantwortlich sind, bestanden hat. Der besagte Artikel führt mich im Übrigen zu dem Urteil, dass dies nicht mehr „Die Zeit“ eines Helmut Schmidt und einer Gräfin Marion Dönhoff ist, ähnlich wie die SPD nicht mehr die Partei eines Willy Brandts und eines Egon Bahr ist, die viel dafür taten, dem kalten Krieg ein Ende zu setzen. Jetzt steht der Westen in der Verantwortung, einen 3. Weltkrieg zu verhindern, der die Apokalypse bedeutete mit allen fürchterlichen Folgen für die Menschheit auf unserem Planeten.
Wilhelm Pollmann

Ich fürchte, Michael Thumann hat mit seiner Analyse recht: Der russische Präsident braucht den Krieg inzwischen zur Sicherung seiner Herrschaft. Das kleine Wort inzwischen erscheint mir hier entscheidend. Es war also nicht immer so. Und was folgt daraus für den Westen? Immer weiter so, immer mehr und gefährlichere Waffen liefern, die immer weiter in die Eskalation führen und einen Ausweg immer mehr versperren. Letztendlich ist es völlig egal, ob der Westen das russische Narrativ von der Täuschung Russlands durch den Westen für reine Putin-Propaganda hält. Entscheidend ist, dass diese Sichtweise in Russland geglaubt wird. Auch wir betreiben z.T. eine sehr einseitige Propaganda und das geht mir zunehmend auf die Nerven. In einem Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Und ist es nicht so, dass man in jedem menschlichen Konflikt versuchen sollte, die andere Seite zu verstehen, um dazu beizutragen den Konflikt aufzulösen? Verstehen heißt nicht akzeptieren und akzeptieren heißt nicht befürworten.

Es bleibt eine entscheidende Frage: warum hat der Westen und die internationale Gemeinschaft nicht schon längst auf einen Ausgleich und Frieden mit Russland gesetzt. Letztendlich schon lange vor dem Februar 2022. Und nach dem Februar zumindest auf einen Waffenstillstand? Muss man es nicht wenigstens versuchen? Machen wir, macht der Westen sich nicht mitschuldig, wenn wir einen solchen Versuch hartnäckig unterlassen. Am Krieg ist Russland schuld und dieser ist ein Verbrechen. An dem Jahrzehnte währenden Konflikt zwischen dem Westen mit Russland, in den die Ukraine von beiden Seiten immer stärker hineingezogen wurde, ist nicht nur Russland schuld. Glaubt der Westen, glauben wir wirklich keinen Anteil an der Schuld für diese verheerende Entwicklung zu haben? Die Ukrainer*innen sind die Opfer und leider können auch sie nicht anders als verbissen weiterkämpfen. Wohin soll das noch führen?

Fällt Frau Strack-Zimmermann, Herrn Hofreiter, Frau Baerbock, Herrn Kiesewetter etc. nicht mehr ein, als ausschließlich auf Waffenlieferungen zu setzten? Aber das Wichtigste liefern wir nicht oder zu wenig: z.B. Minenräumgeräte und gepanzerte Fahrzeuge. (Navid Kermani in der gleichen ZEIT Ausgabe) Naja, dafür liefert die USA die geächtete Streumunition, damit noch viele, viele Menschen auch nach dem Krieg daran sterben oder sich auf zwei Beinstümpfen fortbewegen müssen. Es kann in Europa keinen Frieden ohne Russland und schon gar nicht gegen Russland geben. Frieden ist nicht alles, ja. Aber ohne Frieden ist alles nichts.
Petra Harink

Es wird wohl so sein, dass Putin sich mittlerweile auf einen „ewigen Krieg“ mit all seinen katastrophalen Folgen eingestellt hat. Das entspricht der traurigen Tatsache, dass der Typ Putin, solange es Menschen auf dem Planeten Erde gibt, höchstwahrscheinlich unsterblich ist. Denn sterben können und dürfen nur Menschen, die vorher gelebt haben. Und zwar verantwortlich für sich selbst und gemeinschaftlich mit allen anderen, für die ihr Menschsein wichtiger ist als ideologische Strategien zur Fütterung ihrer größenwahnsinnigen Pseudo-Identitäten. Die sind das Ergebnis von Einsamkeit in Verbindung mit der Verdrehung historischer Gegebenheiten und dem Rausch der Verfügbarkeit über Menschen und Besitztümer. Wer davon besessen ist, ignoriert unsere Existenzbedingungen und will stattdessen seine egozentrischen Machtansprüche durch die Verschiebung von Grenzen verabsolutieren. Solche Typen können also nicht ruhig sterben, weil sie als Erwachsene nie wirklich gelebt haben. Das Fatale: Sie wollen andere mit in diesen perversen Abgrund ziehen und finden dafür sogar noch kopfverdrehende Argumente.
Christoph Müller-Luckwald


Leserbriefe zu „Schweizer Anleger“ von Marc Widmann

Vielen Dank für den sehr lesenswerten Artikel über die HHLA „Schweizer Anleger“in der Zeit vom 21. September 2022 Rotterdam wird immer mehr ins Meer hinaus gebaut, Antwerpen hat auf der linken Flussseite genügend freie Flächen. Für Hamburg wird es schwer, denn je tiefer die Elbe ausgebaggert wird, desto langsamer fließt das Wasser und desto mehr Schlick setzt sich ab. Der steigende Meeresspiegel beschleunigt diese Entwicklung. Schon längst können die größten Containerschiffe viel leichter Wilhelmshaven erreichen. Hamburgs Misswirtschaft beschränkt sich nicht nur auf die Wahl des Hafen Direktors und Anlegers, sondern zeigt sich auch daran, dass 1.) Hamburg und der Hafen keinerlei Aktivitäten entfaltet, mit dem erwarteten steigenden Meeresspiegel fertig zu werden. 2.) Sich damit abfindet, dass die größten Containerschiffe Hamburg nicht genauso günstig anlaufen können wie Rotterdam und Wilhelmshaven.
Klaus Siersch

Nachdem ich über den Einstieg der Reederei MSC bei der HHLA so viel lesen konnte, Meinungen studieren und Vorschläge diverser Akteure (Kühne, Eckelmann, Peiner, Hapag Lloyd u.a.) studierte, so kommt es mir vor wie ein Tollhaus dessen, was die SPD-Regierung Tschentscher da abzieht.

Ich möchte indes den Fokus auf etwas ganz anderes legen: der Einfluss und die Macht der Gewerkschaften. Diese haben es bislang – so meine Kenntnis aus Gesprächen mit Fachleuten – verhindert, dass die HHLA grundlegend modernisiert werden konnte. Da gibt es immer noch nur personengeführte Container-Ladebrücken, die eigentlich voll automatisiert werden könnten. Stattdessen werden da Löhne gezahlt, die weit entfernt sind von denen in anderen Häfen wie Antwerpen oder Rotterdam – da spricht man von Differenzen von über 40 Prozent höherer Kostengegenüber anderen Häfen! Gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer erhalten wohl in nicht geringer Zahl Löhne jenseits der 100.000 Euro/Jahr – für Jobs, die nicht hoch-qualifiziert sein müssen/sind. Dass da Gewerkschaften auf die Straße gehen, ist nur zu verständlich – ihre Erbhöfe und Einflüsse stehen auf dem Spiel. Da müssten die Medien mal stärker einsteigen – recherchieren.

Die Komplett-Privatisierung der HHLA wäre der sinnvollste Schritt, um das Unternehmen marktwirtschaftlich sinnvoll für die Zukunft aufzustellen. Warum muss die Stadt Hamburg da die Mehrheit halten? Ideal wäre ein Mix aus Investoren, die strategisch nach vorne schauen lassen und dies unternehmerisch – von MSC über Hapag Lloyd, Eurokai + Kühne – begleiten. Der leider wirtschaftsfremde SPD-Senat sollte da raus sein und die Macht der Gewerkschaften sollte dringendst reduziert werden – im Sinne eines florierenden Hafens, der dem Wettbewerb marktwirtschaftlich begegnen kann. Und. Die Beteiligung an Hapag Lloyd gehört umgehend über die Börse breit platziert – da muss die Stadt nicht mehr beteiligt sein – warum?
Sven Jösting

In einem ungewöhnlich ausführlichen und kenntnisreichen Beitrag im Wirtschaftsteil der Zeit hat der Autor Marc Widmann auf die überraschende Entwicklung im Hamburger Hafen, unmittelbar vor der nationalen Hafenkonferenz, reagiert. In der Kürze der Zeit war es dabei sicher nicht möglich, alle Aspekte umfassend zu berücksichtigen. So wäre es sicher auch interessant zu wissen, wie es der MSC (Mediterranean Shipping Company) möglich war, in relativ kurzer Zeit die große Anzahl Containerschiffe zu finanzieren, die sie zur größten Container Reederei der Welt hat werden lassen. Die Schiffe wurden alle in einem Zeitraum in Dienst gestellt, als in der Containerschifffahrt eher magere finanzielle Ergebnisse erzielt wurden. Der Autor weist mit Recht auf die Verschwiegenheit in diesen Fragen der Eigner hin, die der Standort in der Schweiz des italienischen Unternehmens möglich macht.

Ergänzend ist weiter anzumerken, dass die Verantwortlichen der HHLA schon im Jahr 2007 versucht haben, 49 % der HHLA-Anteile im Rahmen eines internationalen Bieterverfahrens zu veräußern. Die australische Investmentbank Macquarie und ein Konsortium um den Baukonzern Hochtief als die Meistbietenden, bekamen dabei jedoch nicht den Zuschlag, da die Verantwortlichen Der HHLA sich damals zu einem eigenständigen Börsengang mit 3o % der Aktien entschlossen haben.

Es ist nicht übertrieben anzumerken, dass die Kleinaktionäre an dieser Platzierung bisher wenig Freude gehabt haben. Der Kurs der Aktie ist, nachdem die HHLA kurz in den M DAX aufgestiegen ist, von über50 € auf derzeit 17 € gefallen. Übrigens sind davon auch alle die HHLA-Mitarbeiter betroffen, die im Rahmen eines „Family and Friends“ Programms vergünstigt Aktien gezeichnet haben. Der Vorschlag von M. Kühne mehrere Großreedereien an den Terminals zu beteiligen ist eine interessante Diskussionsgrundlage. Das könnte dann in einer „Deutsche Bucht A.G. münden, wenn denn auch die Terminals in Bremerhaven und Wilhelmshaven einbezogen würden. Man kann sich vorstellen, dass die Verantwortlichen in Hamburg vor schweren Entscheidungen stehen. Dabei ist ihnen eine glückliche Hand und stets ein Fuß Wasser unter dem Kiel (insbesondere letztes ist in Hamburg wichtig) zu wünschen.
Rolf Stuchtey


Leserbriefe zu „Die goldblonde Mitte“ von Jolinde Hüchtker

Wieso ist diese Frau jetzt ein Star und keine Starin?
Wolfgang Burkhardt.

In der Ausgabe 40/2023 DIE ZEIT wurde geschrieben: „ Bei den MTV Video Music Awards gewann sie jüngst nicht nur mehr Preise als je ein anderer Künstler in einer Nacht – neun Stück.“ Laut Wikipedia, wenn Wikipedia korrekt recherchiert hat, gibt es einen anderen Künstler, der im Jahr 1987 noch einen mehr, nämlich ZEHN Awards in einer Nacht gewonnen hat!!! Tatsächlich hat mich ein Taylor-Swift-Fan darauf hingewiesen, dass das so in den Medien berichtet wurde, nur nicht in DIE ZEIT … Über eine Berichtigung würde ich mich SEHR freuen …
Stephan Stehl

Wie sich die Zeiten geändert haben (zum Guten) kann man an den Dixie Chicks (heute Chicks) sehen. Sie kritisierten 2003 den Krieg von George Bush gegen den Irak und danach war ihre Karriere zu Ende. Taylor Swift macht aber auch vieles richtig, kürzlich hat sie allen Fahrern ihrer Eras Tour je 100.000 $  geschenkt, das kommt natürlich gut an. Endlich ist die Emanzipation auch im Musikgeschäft angekommen und die Künstler müssen nicht das machen, was die Manager wollen. Ein weiteres Beispiel ist Alma Deutscher. Obwohl sie klassische Musik macht und komponiert, lehnt sie die zeitgenössische Klassik ab und kritisiert, dass Kritiker und „große“ Künstler aus der Musik eine Religion machen, die nur den Eingeweihten zugänglich ist.
Peter Pielmeier


Leserbriefe zu „Verfahren“ von Jana Simon, Fotos Mustafah Abdulaziz

Ein grandioser Einblick in den Alltag der deutschen Innenministerin. Danke dafür. Ratlos bin ich dann doch geblieben, denn es verfestigt sich leider mein Eindruck, dass es bei allem Wollen schlicht am Vermögen mangelt. Am Vermögen, die immer komplexer werdenden Themen noch geordnet einzufangen und mit, für den Bürger greif- und nachvollziehbaren Lösungen, zu bestücken. Es mag den einen Hebel nicht geben und es mag auch so sein, dass Kompromiss auf Kompromiss doch Lösungen zumindest erahnen lässt. Leider ist es genau das, was der Demokratie vorgeworfen wird. Das ewige Gezerre um scheinbar auf der Hand liegende aber in der Masse der 27 EU-Staaten einfach nicht zu lösende Probleme. Das Migrationsthema ist nun wieder ein Solches, dass nie und nimmer auf Einigung hinausläuft. Und selbst wenn es diese mit Ländern wie Polen und Ungarn über Aufnahmekontingente gäbe, die Migranten würden dennoch ungehindert genau dahin gehen, wohin sie möchten. Illegal. Und leider ist es genau dass, was der Normalbürger nicht mehr will. Es war eine schöne Zeit mit offenen Grenzen, aber sie wird zu Ende gehen, je eher sich das Grüne und SPD eingestehen, desto eher wird die reale Gefahr der Unregierbarkeit dank immer weiter erstarkender AfD in Deutschland, nicht verschwinden.
Thomas Harnisch

„Ach du liebe Zeit!“, sagte meine Oma immer, wenn sie sich über etwas gewundert oder geärgert hatte. Das sagte auch ich, als ich im ZEIT-MAGAZIN Nr. 40, vom 21.09.2023 sage und schreibe 11 Seiten über unsere Innenministerin Nancy Faeser vorgefunden habe. Der ZEITpunkt war wohl als Wahlwerbung für die Hessenwahl am 08.10.2023 gedacht. Dafür rechtzeitig war aber auch ihr Auftritt am Donnerstag bei „Illner“, wo sie jedem ins Wort fiel, der nicht auf ihrer Linie war. Das Video habe ich meinem pubertierenden 14 Jahre alten und politikinteressierten Enkel als Negativbeispiel vorgeführt. Für die ZEITgleiche Bayernwahl wird im nächsten ZEIT-MAGAZIN doch sicher ähnlich Platz vorhanden sein. Oder? Ausgleich habe ich dann aber einige Seiten weiter in dem Beitrag über alte und neue Birnensorten gefunden. Vielen Dank
Rudolf Reinhardt

So kurz vor der Wahl in Hessen dieser grundsätzlich so positive Artikel über die Innenministerin. Ein Schelm, wer da Wahlwerbung vermutet. Aber in jedem Fall zu diesem Zeitpunkt einer unabhängigen Zeitung unwürdig. Nun können wir uns als Normalbürger wahrscheinlich nicht vorstellen, wie schwierig der Job eines Ministers ist. Es ist aber befremdend, wenn die Innenministerin mit einem solchen gleichermaßen wichtigen wie schwierigem Amt, das zudem aktuell mit einem besonders hohen Ausmaß an Problemen kämpft, auch noch Zeit für ihren Wahlkampf in Hessen findet. Alleine das wäre ja schon fast ein fulltime Job. Sie wird also beides nicht zu 100% leisten können. Noch befremdender ist aber, dass sie dem Job in Hessen den Vorzug gegenüber dem aktuellen als Innenministerin gibt, denn sonst würde sie sich ja nicht darum bewerben. Und gänzlich unverständlich ist dann, dass sie ihren aktuellen Job in Absprache mit Herrn Scholz sogar behalten kann, wenn sie die in Hessen letztlich doch nicht Ministerpräsidentin werden sollte. Womit haben wir das verdient? Und Olaf, how dare you?
Manfred Sehmsdorf


Leserbriefe zu „Mehr als nur Bierzelt“ von Max Hägler

Dass antisemitische Parolen nicht immer schaden, kann man bei Claudia Roth sehen. Obwohl sie den BDS unterstützt und die antisemitischen Werke auf der letzten Documenta als Kunstfreiheit verteidigte, ist sie eine der beliebtesten Grünen Politikerinnen.
Peter Pielmeier

Der Fall Aiwanger und was wirklich passiert ist zeigt, dass es, wenn man genau die Wirklichkeit anschaut, einen Gewinner gibt, die Freien Wähler gewinnen an Sympathie und Stimmen hinzu zum Wahltermin in Bayern. Auf “ Bewährung “ die längst geendet hat mit der Entscheidung von Söder, dass es unverhältnismäßig sei, Aiwanger zu entlassen. Der entscheidende Punkt ist – die Causa Aiwanger und Veröffentlichung zwei Schwächen aufweist, das es bereits 35 Jahre zurückliegt und das Flugblatt offenbar nicht von Hubert Aiwanger selbst verfasst worden ist, den Beweis konnte die “ Süddeutsche “ nicht beibringen. Ein schwerer Fehler, der Versuchung nicht zu widerstehen zu können, um sich selbst auf die demokratische „Schulter“ und der absoluten “ Pressefreiheit zu dienen.
Thomas Bartsch Hauschild


Leserbriefe zu „Am See meiner Kindheit“ von Anatol Regnier

…und wenn dann alles von vorn beginnt, kann man wieder vom Seeshaupter Dampfersteg in den Strudel des abfahrenden Mittagschiffs springen. Wunderbarer Artikel, man möchte alles zitieren, u.a. München ist voll wie eine Sardinendose…
Beatrix von Hagen

Sie könnten Herrn Anatol Regnier öfter mal zu einem Gastbeitrag einladen. So stimmungsvoll, aber deutlich habe ich lange keine Abhandlung über unsere jüngere Geschichte und aktuelle Situation gelesen. Ich stellte mir vor, wie sein Vater, Charles Regnier, diesen Text nonchalant auf einer Bühne oder einem TV-Beitrag gesprochen hätte.
Hartmut Wagener


Leserbriefe zu „Steffi sagt, es ist Liebe“ von Fabian Hillebrand

Vor einigen Jahrzehnten lebte ich in den USA und hatte die nordamerikanische Ausgabe der ZEIT abonniert, heute gibt es sie meines Wissens nicht mehr. Wir ZEIT-Leser nannten sie damals die „kastrierte“ Ausgabe, was nicht einmal abwertend gemeint war: Sie umfasste deutlich weniger Seiten als die in Deutschland veröffentlichte Zeitung, beschränkte sich aufs Wesentliche und Relevante.

Heute halte ich das neueste Exemplar der ZEIT in Händen (Nr. 40/2023) und sehne mich nach der eingedampften Version des Blatts in den USA zurück. Wieso? Weil sich die ZEIT zu einem aufgeblähten, enorm viel Holz verschlingenden Papierfettwanst entwickelt hat, von dem gleich nach dem ersten Durchblättern und Überfliegen etwa die Hälfte aller Seiten ungelesen in meinem Papierkorb landen – diese Beiträge sind ganz irrelevant für mich und wahrscheinlich auch für viele andere Leser.

Nur zwei Beispiele aus der dieswöchigen Ausgabe: Im Wirtschaftsteil ein Interview mit den Versandhaus-Ottos (“Ich hatte andere Möglichseiten“, S. 22) – eine ganze Seite, angereichert mit einem Bild der beiden lächelnden Jungmillionäre. Wen interessiert das? Wer hat nicht ganz andere Sorgen? Ist das die ZEIT-Version der Hofberichterstattung der „Bunten“, nur hier für Dr. Lieschen Müller und deren männliches Pendant? Das andere Beispiel befindet sich im Buch „Entdecken“ („Steffi sagt, es ist Liebe“, S. 60 f.): zwei volle Seiten über eine Frau, die „sich in einen Chatbot verliebt“ hat. Will man mich veräppeln? Warum um Himmels willen sollte ich das lesen? Täte ich es, es wäre nur verschwendete Lebenszeit, ohne jeglichen geistigen Nährwert. Vielleicht denken Sie einmal ernsthaft über eine Neuauflage der kastrierten Ausgabe nach – diesmal für den deutschen Markt.
Michael Knittel

Was für eine Unlogik! In Ihrem Artikel wird Randy am Anfang noch als „künstliche Intelligenz“ vorgestellt, am Ende sagt die Herstellerfirma, dass der Chatbot nur ein Algorithmus sei. Und was stand nochmal in der Infografik auf Seite 44? „Anders als herkömmliche Software folgt KI nicht starr festgelegten Rechenoperationen (Algorithmen).“
Thomas Manthey


Leserbriefe zum Titelbild (Nancy Faeser) im ZEIT Magazin

Ich bin entsetzt über eine so schreckliche Nahaufnahme von der Ministerin Nancy Faeser. Warum?

Edith Schmidt

Das Titelbild soll vielleicht ästhetisch sich, ist aber nur sexistisch!
Udo Stockum


Leserbrief zu „56% der Deutschen finden: Kein Einheitsbrei im Osten“ von Peter Dausend

o.a. erguss setzt bei lesern mindestens einen bachelor im kinigucken voraus! so schade für mich armen, alten, ignoranten banausen!!! aber eine frage habe ich noch? ist das, was sie vor dem erguss eingeworfen haben, legal erhältlich, gesundheitlich unbedenklich und wo kann ich es kaufen???? erbitte erleuchtung!!!

klaus j clemens


Leserbrief zu „Eine Kugel reicht“ von Anna Dotti et al.

Flüchtlinge kommen nach Deutschland, die in ihrer Heimat politisch verfolgt wurden. In gleichem Zuge dulden wir Zuwanderer, die die Verfolgung von Gegnern des Regimes in Eritrea unterstützen. Welchem Bürger ist das noch zu erklären? Dazu bedarf es wahrscheinlich besonderer geistiger Kapriolen, die die Mehrheit der Wähler nicht mehr nachvollziehen kann.
R. Reiger


 

Leserbrief zu „Kähne und Särge“ von Christian Vooren

Werden nicht Krokodilstränen vergossen, wenn einerseits praktisch Freizügigkeit für jedermann aus aller Welt gewährt wird und andererseits nicht das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ geboten werden kann? Niemand der politisch Verantwortlichen hat den Mut, diesem Elend ein Ende zu bereiten. Sie verstecken sich hinter der Moral und schauen zu.
R. Reiger


Leserbrief zu „Am Ende des Tages: Eine gute Wahl“ von Peter Kümmel

Julian Nagelsmann folgt auf Hansi Flick, ein Ex-FC-Bayern-München-Trainer folgt dem anderen Ex-FC-Bayern-Hollywood-Trainer, nunmehr auch als Trainer der deutschen Herren-Fußball-Kicker der Nation. Hansi Flick hatte als Trainer dieser deutschen Herrenfußballer kein Glück und ist seinen Job verhältnismäßig zügig, aber nur auf Druck wieder aufgeben, ob es dieser Julian Nagelsmann dort besser bringen kann, da wird sich zeigen! „Wenn Führungskräfte einerseits eine agile Organisation haben und andererseits in dieser die volle Kontrolle behalten wollen, dann ist das so, als wünschte man sich einen eisigkalten, sonnigen Regentag.“ (Zitat von Dr. Markus Reimer, Unternehmer, Unternehmungsberater, Autor & Redner)
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „Die Emigrantin“ von Maxim Biller

Ich wollte Maxim Biller nochmal eine Chance geben und seine Kolumne lesen, habe aber nach dem dritten Wort „Hitler“ aufgehört. Gibt es einen Text von ihm wo nicht die Wörter Hitler, Nazi und Jude vorkommen? Man sollte Geschichte nicht vergessen, aber das penetrante Wiederholen bewirkt das Gegenteil.
Oliver Wedlich


Leserbrief zu „Akute Pelzigkeit“ von David Hugendick

Herr Hugendick ist am Überlegen welches Haustier zu ihm passt. Mein Rat gar keines. Schaffen Sie sich keines an, dann müssen Sie nicht überlegen. Und bitte beachten Sie den Beitrag „Hundsgemein“ vorige Woche in der ZEIT.“Tiere im Deutschen Bundestag?“ Wenn Sie was Pelziges brauchen, kaufen Sie eine Kuscheldecke.

Hans-Emil Schuster


Leserbrief zu „Noch ist Amerika nicht verloren“ von Peter Kümmel

So eine zutreffende Aussage bzw. essenzielle Wiedergabe dessen was Richard Ford in seinem – hoffentlich nicht letzten – Werk ausdrücken wollte habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Danke! Ich beneide Herrn Kümmel um sein Gedankengut!
Monika Allerston


Leserbrief zu „Frisch erforscht“ „Auf der Spur der ersten Häuslebauer von Urs Willmann

„Das Städterinnen und Städter den gefiederten Nachbarn ……..“ Das kann ja nur ein Witz sein!!!
Ingeborg Gierse


Leserbrief zu „Wirtschaft in einem Satz“

Wirtschaft in Kürze: Subventionierter Industriestrompreis. Auch in der Kürze möge man doch bitte journalistisch arbeiten: Ein aus den Mitteln des Klimafonds oder irgendeiner anderen staatlichen Quelle subventionierter Strompreis für große Verbraucher wird von allen Bürgern bezahlt über Steuern oder verminderte Leistungen an anderer Stelle! „Finanziert aus dem Fond“ klingt nur, als wenn es den Einzelnen nichts kostet!
Jochen Zieriacks


Leserbrief zu „Fliegen zum Kampfpreis“ von Jonas Schulze Pals

Sie spannen in Ihrem Artikel ziemlich viele Bögen von alten ineffizienten Flugzeugen, fehlerhaften Motoren, zähe Flottenerneuerungen, Kerosinpreisentwicklung, Steuern, Sustainable Aviation Fuel (SAF), Arbeitskräftemangel bis zur Kapazitäts-, beziehungsweise die damit einhergehende Ertragssteuerung (Yield-Management) der Airlines. Leider bleiben Sie im eurozentrischen und individuellen Klein-Klein des individuellen Geiz-Faktors nach dem Motto: „Kann ich noch einen supergünstigen Schnäppchen-Flug für meinen Urlaub herausschlagen oder nicht?“ „Werde ich abgezockt, wenn ich mehr bezahle oder ist es o.k. wenn ein Flug teurer ist?“

Sie versäumen, auf das exponentielle Wachstum der Luftfahrt mit einer Verdoppelungsrate von 12 Jahren hinzuweisen. Noch erwähnen Sie, dass Ryanair, die mit Abstand größte europäische Fluggesellschaft, sein Angebot schon bald verdoppelt und WizzAir mit ihr gleichziehen will und deshalb sein Angebot verdreifacht. Andere Airlines werden, um nicht noch mehr Marktanteile an sie zu verlieren, mit diesen mitwachsen müssen. Aber schon heute ist der Luftraum überfüllt und Flughäfen haben zu wenig Flächen, um die vielen Flugzeuge unterzubringen. Den Luftraum auszuweiten, wird schwer und es ist fraglich, ob Bürger*innen unter immer mehr Einflugschneisen und an immer breiteren Autobahnen, die dahin führen, wohnen wollen. Der Ausbau des Münchner Flughafens wurde bereits 2012 durch einen Bürgerentscheid gestoppt. Noch erwähnen Sie, dass laut EU Green Deal ‚Fit for 55‘ die Luftfahrt genauso wie andere Sektoren auch bis 2035 55% weniger CO2 ausstoßen muss und in 2050 klimaneutral sein muss und das nur durch SAF, also teurer, geht. Übrigens ist diese Verteuerung nicht dramatischer wie die, welche die von Ihnen geschilderten Effekte aktuell haben.

Auch ich spanne nach den vielen obigen noch einen Bogen, nämlich wiederum weg vom Individuellen zu unser aller Verantwortung. 1% der Weltbevölkerung verursacht 50% der weltweiten Klimaschäden durch das Fliegen, 4% der Weltbevölkerung gar 80% davon. Diese 4% sind jetzt noch die ca. 0,5 Milliarden Menschen in den westlich orientierten Industrienationen, also wir. Dabei verursachen nur 6% der durchgeführten Flüge über 50% des in der EU mit dem Fliegen verbundenen Klimaschaden. Dies sind die ganz langen und deshalb besonders schädlichen Flüge, bei denen der Flug eines einzelnen klimaschädlicher ist, als wenn ein Vierpersonenhaushalt ein Jahr lang mit Öl heizt! In den Schwellenländern Indien und China werden 3,5 Milliarden Menschen es bald uns gleich tun. Dort verzehnfacht sich in den kommenden Jahren das Passagieraufkommen. Auch sie werden Athen, Rom, Paris und London besuchen wollen.

Sie verheimlichen, dass Auslandsflüge komplett von der Mehrwertsteuer befreit sind und Flüge ins außereuropäische Ausland von jeglicher Energie und CO2-Abgabe befreit sind und nur einmalig eine Luftverkehrssteuer https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Glossareintraege/L/001_Luftverkehrsteuer.html?view=renderHelp von €12,77, €32,35 bzw. €58,23 bezahlen und „Umsteiger“ gar nichts. Also mit Energie, CO2- und Mehrwertsteuer zum Discounter und Naherholungsgebiet, aber von diesen Steuern befreit auf die Seychellen, Bali oder NY. Wer klimaschonend mit dem Zug oder dem Auto in den Urlaub fährt, zahlt also mehr Steuern, wie die klimaschädlichsten Flugpassagiere. Ihr Artikel suggeriert, dass dies alles absolut o.k. ist, denn Sie klammern diese Frage komplett aus. Ihre Leser*innen sind also geneigt billige Flüge als ein verbrieftes (Grund-)Recht anzusehen, dass Ihnen die EU oder die Airlines wegnehmen wollen. Damit ist, sicherlich ungewollt, Ihr Artikel weiteres Wasser auf den rechten Rand von FW, FDP, CDU/CSU und SPD. Ja, selbst LINKE und GRÜNE haben Ohren dafür. Ich finde, dass solche Berichterstattung wie die Ihre sogar der Hauptantrieb ist, der immer mehr Menschen aus der bürgerlichen Mitte sich, die Wirklichkeit verkennend, öffnen für die „klimafrustrierten“ und „wir einfachen Leute kommen zu kurz, jetzt reicht es!“ Argumente der AFD.

Leider hinterfragt DIE ZEIT diese offensichtlich klimaschädliche Eigenschaft Ihrer Redaktion und die Angebote des Verlags bisher in keinem Ihrer Formate. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies für Ihre Redaktion oder Herausgeber*innen intellektuell eine zu große Herausforderung ist. Fehlt es Ihnen an geeigneten Persönlichkeiten, die sich trauen, diese offensichtliche Diskrepanz anzusprechen? Ich bin selbst Flugkapitän bei einer führenden europäischen Airline im Ausland und damit selbst Profiteur bzw. Betroffener.
Klaus Siersch


Leserbrief zu „MDMA“ von Stefanie Kara

Mit Interesse habe ich Ihren Artikel zur Behandlung von PTBS in der ZEIT gelesen. Dazu habe ich ein paar Anmerkungen, die ich Ihnen gern übermitteln möchte. Normalerweise schreibe ich nicht so umfangreich, in diesem Fall ist es mir jedoch ein wichtiges Anliegen.

Mir sind einige geläufige Vorstellungen über PTBS aufgefallen, die nicht mehr dem aktuellen Stand der Forschung bzw. Arbeitspraxis entsprechen. Auch wenn die Krankenkassen und der Zeitgeist von einer „Störung“ sprechen, handelt es sich bei Traumafolgen um normale Reaktionen auf unnormale Situationen. Zudem können Traumata eben nicht nur durch einzelne Situationen entstehen, sondern auch durch langanhaltende Umstände wie Vernachlässigung usw. Man spricht dann von einem Bindungs- und Entwicklungstrauma mit den entsprechenden Traumafolgen. Letztere sind weitaus verbreiteter als bisher vermutet, werden aber oft erst nach langen Therapieversuchen als solche erkannt.

Sie schreiben, dass diese Menschen gehemmt sind zu reden. Auch dazu möchte ich noch etwas schreiben. Die von den Krankenkassen bezahlten Therapieformen sind allesamt Gesprächstherapien. Die neueste Traumaforschung zeigt jedoch, dass man in der Regel den davon betroffenen Menschen mit Gesprächen kaum erreicht. Viele machen über Jahre Therapien, sind frustriert und verstehen nicht, warum Ihnen das Angebot nicht weiterhilft. Und das hat vor allem damit zu tun, dass die Ereignisse eines Traumas anders prozessiert werden als z.B. eine klassische Angst. Inzwischen bieten deshalb moderne Therapeuten körperorientierte Verfahren an, da sich Trauma überwiegend im Nervensystem und Körper manifestiert. Leider ist das im breiteren Bewusstsein und auch bei den Krankenkassen noch nicht angekommen. Viele der neuen Verfahren könnten einigen Menschen sehr helfen, wenn sie davon erfahren und Zugang dazu erhalten würden. (Z. B. auch Neurofeedback usw.).

Da das Thema Trauma und Traumabewältigung momentan so omnipräsent ist, würde ich mich freuen, wenn Sie meinen Impuls aufgreifen und ihm Raum in der Öffentlichkeit geben.

Hilfreich Quellen wären da Verena König, Dami Charf, Bessel van der Kolk und einer der wichtigsten und wegweisendsten Traumatherapeuten Peter Levine.
Eva Ettingshausen


Leserbrief zu „»Es wäre der große Wurf gewesen«“. Gespräch mit Elise Sarotte geführt von Elisabeth von Thadden

Fügt man der Einschätzung von Sarotte die vielfach bestehenden pathologischen Bewertungen Putins hinzu, erkennt man die Richtigkeit der Vergleiche mit Hitler und dass alle sachpolitischen Erklärungen für sein absurdes Verhalten falsch sind. Ansonsten würde es keinen juristischen Grund für seine Einordnung als Kriegsverbrecher geben.
Jürgen Dressler


Leserbrief zur Infografik „Maschinelles Lernen“ von Sophia M. Phildius (Infografik) und Ulf Schönert (Recherche)

In der letzten Infographik wird unter den Überschriften „Parameter“ und „Mustererkennung“ graphisch angedeutet, ein neuronales Netz (NN) lerne bestimmte Eigenschaften (Features) der Elemente, die es zu erkennen lernt. Das war, soweit ich weiß, nur bis zum Aufkommen der Convolutional Neural Networks (CNN) der Fall; deren Erfolg beruht aber gerade darauf, auf das sog. Feature Engineering zu verzichten, und ein Bild (bzw. Teile des Bildes) als Menge von Pixeln zu behandeln.

Ob Sie das so ausdrücken wollten, weiß ich nicht. Ich finde die gewählte Darstellung allerdings deshalb nicht passend, weil sie andeutet, KI lerne etwas über die Gegenstände, die sie zu erkennen lernt (ein Pferd hat Schweif, Mähne, Hufe). Das ist ja aber gerade nicht der Fall: DALL-E „weiß“ nicht, wie eine Katze aussieht (oder was eine Katze ist), GPT-4 weiß nicht, was ein Herbstgedicht ist. Das ist eine Fehlannahme, der ich sehr viel begegne, und ich finde es deshalb wichtig, ihr gerade in solchen Infographiken zu entgegnen.
Lukas Schmid


Leserbrief zu „STIL. Farbe mit Botschaft: Jackett in Bordeauxrot von Brunello Cucinelli“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Was mir bei der Lektüre des ZEIT-Magazins immer wieder auffällt: Sie machen nur Werbung (kommentieren) für Luxusklamotten, die sich ein normaler Mensch nicht leisten kann. Diesmal die Jacke von Cucinelli, die ein paar Tausend Teuronen kostet. Mirko Borsche dagegen ‚testet‘ wöchentlich Artikel, die ihm irgend jemand ‚zur Verfügung stellt‘. Verkappte Werbung, das alles. Immerhin unterhaltsam. Was zahlen euch eigentlich all diese Firmen für deren Produktpräsentation?
Joseph Zenz


Leserbrief zu „Hundeleben“ Illustration von Laon Kim, Text von Alexander Krützfeldt im Zeit Magazin

Lustiger Verleser: ich habe „Kontaktlinse“ statt „Kontaktliste“ gelesen und mich schon gewundert, wie man darin herumscrollen kann. Würde mich nicht erstaunen, wenn ich nicht der Einzige war.
Thomas Manthey