Lesezeichen
 

17. August 2023 – Ausgabe 35

Leserbriefe zum Titelthema „Die beste Generation aller Zeiten“ von Tillmann Prüfer

Meine 4 Geschwister und ich, allesamt Boomer, haben in aller Bescheidenheit nicht das Wirtschaftswunder geschaffen, von dem die Rede ist. Das war die Elterngeneration, die nach dem Krieg nur eines wollte, wieder hoch- und weiterkommen. Für die Boomer und ihre Kinder stand dann die Leiter bereit für den weiteren Aufstieg. Und der Arbeitsmarkt war ja ergiebig trotz gigantischer Jahrgangsstärken, die aber längst eingebrochen sind. Womit wir in der Gegenwart wären. Die Demographie ist quasi die „Erblast“ der Boomer. Sie haben – vielleicht in narzisstischer Attitüde – die Generationenbalance vernachlässigt und für zu wenig Nachwuchs gesorgt. Und dürfen dennoch eine solide Altersversorgung erwarten aus der Kasse der Jungen, für die sich eher frugale Kost abzeichnet. Wäre es nicht gerecht im Sinne des Generationenvertrages, die Boomer ihre „Defizite“ stärker spüren zu lassen als sie auf die Zukunft zu vertagen? Nebenbei: Wir sind keine demographischen „Rohrkrepierer“ mit 12 Kindern und wachsender Enkelzahl.
Christoph Schönberger

 In Ihrem Artikel „Die verkannte Generation“ wird den Babyboomern die Zeitspanne der Jahrgänge von 1946 bis 1964 zugeordnet… das scheint mir doch sehr gewagt und weit gefasst. In der Schweiz mag das (lt. Wikipedia-Eintrag, s.u.) so sein. In Deutschland allerdings bezeichnet man als Baby Boomer die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1955 und 1969. Und das scheint mir eher realistisch. Manche zählen sogar noch spätere Geburtenjahrgänge hinzu: Auszug:

(…) Es gab zwar bereits zuvor, in den Jahren 1947–1950, einen Anstieg der Geburtenrate, doch von 1950 bis 1955 stagnierte die Geburtenrate wieder. Christoph Quarch sieht die Jahrgänge 1960–1975 als Babyboomer und „Kinder der 80er“.[10]

… dann wäre allerdings auch Autor Tillmann Prüfer „mit an Bord“. Sorry bout that!

Andererseits freut es mich, dass meine Generation lt. Text die beste von allen ist. Das sehe ich übrigens genauso. Eigentlich bin ich nicht so pedantisch, doch es betrifft mich und meine Generation – da muss man vorsichtig sein, denn sonst wären wir einfach zu viele!
Birgit Compin

Volles Kontrastprogramm, einerseits sehr aufschlussreich: danke Boomer (gehöre selber dazu) andererseits 10!!!Seiten teures Papier zu: Chillen in Bademoden. War das ein Ergebnis einer Überhitzung in der Redaktion. Es macht dem Niveau der Zeit keine Ehre. Völlige Verschwendung im Hinblick auf den ökologischen Aspekt, (s.Papier), mit dem zum Glück aller Generationen sich auch die Generation „Z“ sehr auseinandersetzt.
Geelke Braun

Danke für den Artikel über die Boomer. Da ich selber Jahrgang 1964 bin habe ich Ihren Artikel mit großem Interesse gelesen. Für mein Verständnis sind die typischen Babyboomer die 60er Jahrgänge. Wobei ab 1968 der “Pillenknick” in der Geburtenstatistik erkennbar ist. Das deckt sich nicht mit dem in Wikipedia dargestellten Definitionen… Es ist interessant, dass in Deutschland alle 30 Jahre eine “Geburtenwelle” erfolgt (1930, 1960, 1990, 2020). Wenn sie in so einer Blase aufwachsen, erleben diese Personen, dass immer alles knapp ist. Erst sind es die Kita-Plätze, dann die Schule, ggf. Studienplätze, Arbeitsplätze sowieso, und nun werden diese Jahrgänge 1960 etc. auch noch Rentner. Das hätten die Rententräger vorhersehen können. Beruhigend finde ich, dass Sie viele Facetten der Generation beschrieben haben.
Timon Gruber

Vielen herzlichen Dank für Ihre sensible Verteidigung der Boomer (meiner Generation). Oft ist es einfach nur dumm, was selbstgerechte junge Leute über die Boomer schreiben (auch in der ZEIT), und doch tut es manchmal weh, zum alleinigen und ausschließlichen Bösewicht erkoren zu werden – ohne Ansehen der persönlichen Lebensentscheidungen, auf die es in moralischen Fragen doch schließlich ankommt.

Ich bin Jahrgang 1962, habe mit 58 Jahren meine Stellung als Entwicklungsingenieur in einem internationalen Konzern aufgegeben und arbeite seither ehrenamtlich in einer Grundschule mit benachteiligten Kindern. Und doch bleibt unserer Generation eine Schuld, die nicht wegzudiskutieren ist: Als ich geboren wurde, gab es noch tropische Regenwälder, Korallenriffe und Alpengletscher. Wenn ich einmal sterbe, werden sie weitgehend verschwunden sein. In meiner Lebenszeit ist es passiert.
Kai Seyffarth

Nein Danke, Boomer! Darauf hat die Welt gewartet. Eine Lobeshymne an eine „gescholtene“ Generation. Babyboomer – was für ein Unwort! Damit werden Menschen bezeichnet, deren einziges Vergehen oder Leistung es war, in einer bestimmten Zeit geboren zu sein. Sie selbst haben niemals geboomt. Das Einzige, was geboomt hat, war die Geburtenrate. Danach kam der Pillenknick. Das müssten dann die Pillenknicker sein. Aber diese pauschal klischeehafte Etikettierung von Menschen, die man damit über einen Kamm schert, ist vor allem diskriminierend. Eine Anerkennung, die auf einer solchen Begrifflichkeit basiert, macht die Sache nicht besser. Daher: Nein Danke.
Reinhard Wick

Die Aufrechnerei zwischen verschiedenen Generationen scheint mir eine Scheindebatte aus dem Feld „Teile und Herrsche“. Ob da die einen oder anderen die besseren Ausgangsgehälter haben, wer da mehr zur Volkswirtschaft beiträgt, indem er Cappuccino trinkt, ist doch ziemlich unerheblich. Im politischen Bereich jedenfalls sind sehr viele Bewegungen, welche die letzten Jahrzehnte geprägt haben, ob nun die Antiatombewegung, aus der schließlich die Grünen entstanden, Frauenbewegung oder die Friedensbewegung von dieser Generation getragen worden. Und ob im politischen oder im privaten Bereich hätte es weder einen Wandel in den Geschlechterverhältnissen, Diskussionen über Inklusion oder auch eine Veränderung der Erziehung gegeben. In vielen Bereichen wurden so Fortschritte erreicht und wenn man sich ansieht, wer sich heute in der Flüchtlingshilfe, den Tafeln, politischen Organisationen engagiert, der stellt sich eher die Frage, warum die Jungen, den Grauköpfen diese gesellschaftliche Verantwortung einfach überlassen.
Dieter Schöneborn

Als Vater von drei „Babyboomern“ fühle ich mich genötigt, der Lobrede des Autors auf diese Generation („Kaum eine Generation hat so viel Gutes…hervorgebracht!“) zu wider­sprechen. Dabei möchte ich vorrausschicken, dass es immer problematisch ist, einer Generation pauschal gewisse Verhaltensweisen und Denkmuster zuzuschreiben. Meine Einwände beziehen sich daher ausdrücklich auf die pauschalen Aussagen Prüfers zur Generation der Babyboomer, zum Beispiel, wenn er schreibt, „Ohne die Boomer wären wir kulturell schlecht dran.“ Wirklich? Haben nicht vielmehr die Beatles und die Rolling Stones schon früher den Boden bereitet für die kulturelle Revolution nach dem Muff der Nachkriegsjahre? Und haben nicht die Boomer jene aggressiven Jugendkulturen befördert mit ihrer Fokussierung auf das Wohler­gehen des Individuums? Haben sie damit nicht die Basis geschaffen für wokeness und cancel-culture, welche die heutige Gesellschaft zu zerstören drohen?

Prüfer betont, dass die Babyboomer einen großen Teil unseres Wohlstands geschaffen haben. Wohl war. Aber: Er erwähnt nicht, dass dieser Wohlstand offensichtlich durch exzessiven Konsum und ausbeuterische Produktionsmethoden letztlich teuer erkauft wurde! Sind nicht Slogans wie „Geiz ist geil!“ und „Hauptsache, ihr habt Spaß!“ kennzeichnend für eine Generation, die es selbstverständlich fand, sinnlosen, oft durch Kinderarbeit ermög­lichten Schnäppchenjagden hinterher zu jagen oder über’s Wochenende nach Malle zu fliegen? Das Brutto­sozialprodukt wurde damit zweifellos erhöht – gleichzeitig aber die Zukunftspers­pektiven nachfolgender Generationen dramatisch verschlechtert!  Typisch auch, dass die etwa von Erhard Eppler, Carl Amery oder E.F. Schumacher angestoßenen Fragen nach einer lebenswerten Zukunft von den Boomer nicht aufge­griffen, geschweige denn weiterentwickelt oder gar beantwortet wurden.

Die von der Boomergeneration ausgelösten technischen Neuerungen (Digitalisierung, Inter­net, i-Phone, usw.) haben sicherlich das Leben für Viele erleichtert – gleichzeitig aber wie sich heute zeigt – zahl­reiche schwerwiegende ökologische und gesellschaftspolitische Probleme geschaffen. Prüfer weist darauf hin, dass die Boomer ohne ideologische Gewissheiten aufgewachsen sind. Man könnte es auch anders formulieren: Diese Generation ist ohne einen handlungs­leitenden Wertekanon aufgewachsen, hat es zugelassen, dass die Gesellschaftswissen­schaften von einem materialistischen Menschenbild und einem einseitig naturwissen­schaft­lichen Wissenschaftsbegriff verdrängt wurden. Sie hat das „Wir“ durch das „Ich“ ersetzt. Alles in Allem: Ein pauschaler Lobpreis auf die Babyboomer ist m. E. nicht gerechtfertigt!
Wolfgang Fischer

Der Artikel von Herrn Prüfer hat mich sehr gefreut, endlich mal keine Schelte für die vermeintlich verschwenderischen Boomer. Wer gesund bleibt, wird sicher auch im nachberuflichen Leben aktiv sein und andere Menschen unterstützen. Freiwillig, weil wir teilen und sparen gelernt haben und weil es richtig ist. Freundlich zu uns zu sein, ist sicher kein Nachteil.
B. Fance

Ich habe den Eindruck, dass viele gesellschaftlichen Debatten und Probleme unkritisch von den USA auf Deutschland übertragen werden. So auch bei den sogenannten Boomern. Diejenigen die in den fünfziger und sechziger Jahren in den USA geboren wurden, kann man nicht mit denen in Deutschland vergleichen. Der Unterschied geht ja schon durch Deutschland hindurch. Adenauer auf der einen Seite, Ulbricht auf der anderen. Im Verhältnis zu dieser Generation leben die Jugendlichen und jungen Erwachsenen heute in einem damals unvorstellbaren Luxus. Der Ressourcen- und Energieverbrauch ist doch heute um ein Vielfaches höher als vor fünfzig Jahren. Viele Freiheiten, die die heute junge Generation für selbstverständlich hält, waren für diese Generation oft nur ein Traum. Internet und die dazugehörigen Endgeräte gab es noch nicht. Flugreisen bis in den letzten Winkel des Planeten hielt man eher für eine Spinnerei. Wer von denjenigen die auf die Boomer schimpfen, möchte den seine Kindheit und Jugend in der Adenauer-Ära verbringen? Horror und Entsetzen! Kein Smartphone. Der Paterfamilias bestimmt wann man zu Hause zu sein hat, welche Weltanschauung die richtige ist und mit wem man Umgang hat. Deine Haare sind zu lang; Beatmusik verleitet die Jugend zu Gewalt und Drogenkonsum; Jeans? zieh dir gefälligst anständige Hosen an! Auf der Straße demonstrieren? die Polizeiprügel geschieht dir recht!. Bis in die achtziger Jahre war doch jeder Langhaarige ein Staatsfeind. Mehr brauchte man nicht um auffällig zu sein. Die „Letzte Generation“ wird in Ruhe von der Straße getragen. Damals gab es die Härte des Polizeiapparats, die sich so mancher von der CDU zurückwünscht.
Olaf Goldschmidt

Herzlichen Dank für die Hommage an meine Generation in Ihrem ZEITmagazin. Es war mir ein großes Vergnügen den Artikel zu lesen. Ich, 1964 geboren, möchte Sie an dieser Stelle mitnehmen auf eine kleine Zeitreise und Sie zusammengefasst kurz daran teilnehmen lassen, wie ich aufwuchs.

Im Kindergarten konnte ich kaum erwarten, in die Schule zu kommen. Ich erinnere mich an ein Ereignis, als ich mit einer Wurzelbürste eine Wachstuchtischdecke im Waschraum zu schrubben hatte, weil ich mit Wachsmalstiften es faszinierend fand, über den Papierrand hinaus zu malen und so einen bunten Rahmen mit geraden Linien darauf schuf.

Ich bin gerne zur Schule gegangen, jedenfalls zur Grundschule. Danach habe ich ein humanistisches Gymnasium besucht, welches nur ein Jahrgang zuvor nur Jungen unterrichtet hatte. Ausgewählt wurde es deshalb, weil ich es zu Fuß erreichen konnte und ich kein Ticket für die Straßenbahn brauchte. Die Lehrkräfte, die noch ein Jahrgang zuvor ausschließlich Jungen unterrichtet haben, konnten mit gemischten Klassen überhaupt nicht umgehen und haben ganz offen ihre Abneigung gegen Mädchen ausgelebt. Solche Erlebnisse, wie die Erklärung eines Lehrers, dass die Bezeichnung „Mädchen“ von kleinen „kleinen weißen Würmchen“ herkäme, mussten wir aushalten. Abgeschult auf eine Realschule, an welcher ebenfalls zuvor nur Jungen unterrichtet wurden und es pro Jahrgang immer noch eine Klasse je Jahrgang ausschließlich nur für Jungen gab, war es auch nicht viel besser. Alte verknöchterte Pädagogen drängten Mädchen von herein auf die Schiene, dass sie rechnen und mathematisches Denken eh nicht können.

Im Fernsehen liefen Sendungen wie der 7. Sinn, in welche sich auf Kosten der Frauen über ihre Fahrkünste lustig gemacht wurde. Oder, um auf einen anderen brillanten Artikel in Ihrer Ausgabe Bezug zu nehmen, Aktenzeichen XY mit Eduard Zimmermann, der in uns Mädchen und Frauen Ängste schürte, wenn wir uns wagten zu frei und bedenkenlos in die Welt zu gehen, wir schrecklichen Verbrechen zum Opfer fallen würden. Die Bilder von den mutigen Frauen, die Spott und Häme über sich ergehen lassen mussten, weil sie in der Öffentlichkeit ihren Sport Fußball ausübten, sind jetzt während der Frauen WM gezeigt worden. Meine Mutter musste sich eine Unterschrift von meinem Vater abholen, damit sie arbeiten gehen durfte. In meiner Lehrzeit in einer Rechtsanwalts- und Notariatssozietät, wurde ganz offen, auch von den anderen „Lehrmädchen“, darüber philosophiert, wie schön es doch wäre, wenn ein Junge sich für das vornehme Notariat als Bürovorsteher ausbilden ließe.

Im Notariat hätte dieser Exot dann sogar einen eigenen Schreibtisch bekommen und hätte nicht von morgens bis abends in der Registratur Akten beisuchen müssen, woraus vornehmlich meine Tätigkeit bestand. Kein Junge hätte freiwillig Rechtsanwalts- und Notariatsgehilfe werden wollen. Ich hatte 21 Werktage Urlaub, ich musste den Samstag also mitzählen, insgesamt also 3 Wochen Jahresurlaub, arbeitete von Montag bis Freitag von morgens 9:00 Uhr bis abends um 18:00 Uhr und verdiente im ersten Lehrjahr 350 DM wovon 50 DM direkt in einem Sparbrief angelegt wurden. Ich traue es mich gar nicht zu schreiben, aber aus dem Schreibbüro sind wir damals per Sprechanlage von den Schreibkräften herbei befohlen worden mit den Worten „schick mir mal nen Neger rüber“. Ja, wir haben uns beschwert aber dann doch letztendlich weiter gemacht. Hinschmeißen wäre undenkbar gewesen. Eine Lehrstelle abbekommen zu haben, das war damals ein Privileg, egal, welche Bedingungen dafür auszuhalten waren.

Jungen meiner Generation mussten damals zum Bund. Es gab da kein Entkommen, es sei denn, sie wurden ausgemustert aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen. Die Musterung musste aber jeder Junge über sich ergehen lassen. Wollten sie nicht an die Waffe, haben sie Briefe bekommen mit der Anrede „an den Wehrdienstverweigerer“ und Abhandlungen darüber schreiben müssen, warum sie persönlich keinen Gebrauch von der Waffe machen und nicht auf Menschen schießen könnten. Die Jungs hatten da keine Wahl, es musste dann Wehrersatzdienst geleistet werden. Wir Mädchen übrigens auch nicht. Denn die Möglichkeit, zur Bundeswehr zu gehen, falls es mit der Ausbildungsstelle nicht klappen würde, diese Wahl gab es für uns Mädchen nicht.

Auch Ökonomen halten den Fachkräftemangel für ein Märchen. Wir Babyboomer haben noch ein Jahrzehnt zu arbeiten. Ich kann nicht gerade behaupten, dass mir, als gelernte Fachkraft mit mehreren Aus- und Weiterbildungen, der Arbeitsmarkt zu Füssen liegt oder je gelegen hätte. Die Wirtschaft oder Unternehmen wollen uns ja gar nicht. Ich habe Jahrzehnte in prekären Arbeitsverhältnissen verbracht und zeitweise drei Jobs ausgeübt. Ich habe mir solche Fragen gefallen lassen müssen, was ich denn mache, wenn mein Kind mal krank wird, wusste in Vorstellungsgesprächen immer genau, wann der Moment da war, ich den Arbeitsplatz nicht bekomme, weil ich eine unverheiratete Mutter war.

Anstatt mühsam im Ausland Fachkräfte anzuwerben, rate ich den Unternehmern und Politikern, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass auch weibliche, ältere, gehandicapte und auch jüngeren Menschen, denen es angeblich an nötiger Ausbildungsreife fehlt, ihren Beitrag für eine gute funktionierende Gesellschaft leisten können – und zwar ohne, dass sie sofort dabei in Abhängigkeit zu gelangen, zusätzlich von Leistungen anderer abhängig gemacht zu werden. Die Mitglieder, der sich so selbst bezeichneten letzten Generation, die lamentieren darüber, welche große Angst sie haben, sie doch eigentlich studieren sollten, statt sich an Straßen festzukleben, denen möchte ich sagen, dann tut das doch. Würdigt das Privileg, kostenfrei studieren zu dürfen, in diesem freien demokratischen Land zu leben und macht was Sinnvolles dafür, statt es lahmzulegen.

In unserer damals fünfköpfigen Familie gab es übrigens lange nur ein Auto. Viele Mütter meiner Generation hatten überhaupt gar keinen Führerschein. Das auch diese Generation ihr Päcklein zu tragen hat und die Sorgen und Nöte der jungen Menschen viel zu wenig Beachtung in unserer Gesellschaft finden, dieser Meinung bin ich auch. Entscheidende Jahre ihrer Entwicklung waren sie im Lockdown. Sie müssen sich in einem Schulsystem zurechtfinden, dass in seinen Grundlagen aus Zeiten der Weimarer Republik stammt und immer nur halbherzig Reformen ausgesetzt ist, welche die Länderpolitik verantwortet, statt dass der Bund sich federführend einsetzt und endlich aufräumt. Sie studieren auf Stuhlreihen, die von unserer Generation so ausgesessen und ausgeleiert sind, dass man runterrutscht, wenn man darauf sitzt. Sie lernen in Bibliotheken, dessen Dächer undicht sind und in Foyes Eimer das Regenwasser auffangen. Sie müssen in öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, die schon lange am Rande ihrer Kapazitäten sind, zumindest wenn sie aus dem Hamburger Süden kommen und mit einem überfüllten Hauptbahnhof zurechtkommen, der noch aus Kaisers Zeiten stammt. Alles Dinge, die mal angegangen werden können. Es gibt viel zu tun hier in Deutschland.
Hannelore Vollmer

Ich sah den Titel des Magazins und dachte: „Oh, du bist gemeint“, (Jahrgang 1964) setzte mich in die Küche und begann, mit Interesse zu lesen. Ich kam bis zur Klammer: (Auch in Ostdeutschland…) Damit war klar, dass ich doch offensichtlich nicht gemeint war. Ich las den Artikel zu Ende, mit Interesse, aber enttäuscht. Ich war offensichtlich nicht gemeint, Betrachtungen und Beispiele größtenteils auf den Westen Deutschlands bezogen. Im Osten gibt es offensichtlich keine Boomer. Dann wird das Problem der Rentenfinanzierung wohl auch nur den Westen betreffen? Mein Arbeitsleben als Erzieherin in Kindergärten begann 1984, das heißt 5 Jahre und 2 Monate in der DDR. Deshalb war ich nun wohl doch nicht gemeint. Oder folgt noch Teil 2?
Andrea Kümmel

Die Zeit ist einer Desinformation aufgesessen und verbreitet hieraus resultierend im Zeit-Magazin absolute Fakenews! Die beste Generation aller Zeiten ist unangefochten die Generation X. Alle großartigen Erfindungen in der Menschheitsgeschichte wurden von der Generation X gemacht – bis auf Wasserleitungen, Strom, Wasserklosetts, Waschmaschinen und Kühlschränke, aber diese Erfindungen entstammen zumindest auch nicht aus der Baby-Boomer-Generation.
Florian Lahmann

Zunächst einmal: Danke, lieber Herr Prüfer! Dann aber: Bei der ehrenwerten Auflistung der „Verdienste“ der Boomer liegt der Schwerpunkt doch sehr auf eher hedonistischen Aspekten. Ich, Jahrgang 1963, habe von diesen Errungenschaften nur am Rande etwas mitbekommen, denn ich engagierte mich in meiner wenigen Zeit bei den Anfangs-„Grünen“, in der Friedensbewegung, gegen Giftmülldeponien usw. usw. Jedes Jahr am 1. Mai („Tag der Arbeit“) war ich auf einer Kundgebung der Gewerkschaften, um mich für bessere Löhne und soziale Gerechtigkeit einzusetzen, während meine Schul- und Studienfreunde Picknick gemacht haben. Es gibt halt in jeder Generation „Solche und Solche“. Die „Anfeindungen“ der Generation Z sehe ich mit altersmilder Gelassenheit. Jede junge Generation hat zu allen Zeiten auf die Alten geschimpft und die Alten betrachten die Jugend nur kopfschüttelnd. Ist das nicht eine versöhnliche Kontinuität
Susanne Ermeler

Danke für diesen wohlwollenden Artikel, der gerade dort wo er Zahlen liefert, – z.B. über das Flugverhalten von Boomern im Vergleich zur jüngeren Generationen – erhellend ist. Allerdings würde ich eine gewisse Ungenauigkeit gerne ausräumen. Boomer sind keine Altachtundsechziger, ich halte die Abgrenzung 1946-1964 für zu grob, da sind mindestens 8 Jahrgänge dabei, die keine Boomer waren. Mir (Jahrgang 1958) war immer wichtig festzuhalten, dass ich kein Achtundsechzigerrevoluzzer bin. Vielleicht war ich ähnlich verbissen, wie heutige junge Generationen sich als Generation X, Y und Z voneinander differenzieren. Als ich als junger Erwachsener auf die Achtundsechziger stieß, da begegneten sie mir Mitte der 70er Jahre als Baader-Meinhoff-Terrorismus und damit wollte ich definitiv nichts zu tun haben. Ich war selbst in der Friedensbewegung aktiv, habe mich aber nachdrücklich dagegen gewehrt, von Altachtundsechzigern für Fundamentalkritik an der NATO, für die Segnungen des Sozialismus, oder für „ohne Rüstung leben“ instrumentalisiert zu werden. Ich habe den Polizisten, die die Großdemos im Bonner Hofgarten überwachten, Blumen geschenkt, statt sie zu beschimpfen. Deshalb finde ich die Bebilderung des Artikels auch irreführend.

Nur die freundlich lächelnden jungen Leute auf der S.1. passen und der einsame Gitarrist auf dem Cover des Zeitmagazins, vielleicht auch noch das Mofamädchen. Boomer waren und sind vergleichsweise friedlich und konservativ, ich denke sie haben mit dafür gesorgt, dass zwischen 1980 und 2020 30 Jahre die Regierung von der CDU geführt wurde. Man muss das nicht gut finden, aber es beschreibt eine Generation so wie sie ist. Und so unangenehm für die kommenden Generationen sind wir auch nicht, denn die sind ja (zumindest Y und Z) weitgehend von Boomereltern ins Erwachsenenleben begleitet worden. Und dabei hielt sich das Ausmaß an Traumatisierungen in Grenzen.
Thomas Oesterle

Mit Interesse und auch ein bisschen Genugtuung habe ich Ihren Artikel über die Boomer-Generation im aktuellen ZEIT-Magazin gelesen. Um es gleich vorwegzunehmen: Ich gehöre ebenso wenig zu den Boomern wie Sie. Ich bin 1971 geboren und damit wohl Teil der sogenannten Generation Golf.

Aber meine Identifikation mit den Boomern ist offenbar höher als die mit denen, die man als Y- und Z-Generation bezeichnet. Ihr Artikel macht deutlich, was ich schon so manches Mal gedacht habe. Der Lebensstil und die Frage wie man zu Konsum und Umwelt- bzw. Klimaschutz steht, ob man ein Arbeitstier ist, den Müßiggang bevorzugt und wie man in die Zukunft blickt, hängt wohl weniger von der Generation ab, der man angehört als eher vom sozialen Milieu.

Ich schaue mir regelmäßig die neusten Kartoffelgrafiken der SINUS-Milieustudien an. Und wenn mir auch klar ist, dass es sich hierbei um idealtypische Konstruktionen unserer Gesellschaft handelt, so wird doch deutlich, dass die Angehörigen einer Generation keinesfalls alle gleich sind und demselben Wertekanon folgen, sondern durch sehr unterschiedliche Lebensstile geprägt sind. Dass die junge Generation eine Bewegung wie Fridays for Future oder die Letzte Generation hervorgebracht hat, finde ich großartig. Da interessieren sich junge Leute mal wieder für Gesellschaft und Politik. Aber es dürfte klar sein, dass diese Aktivisten keinesfalls eine ganze Generation repräsentieren. Ich kenne eine Vielzahl Junger, die das Lebensmodell ihrer Eltern – Haus, Auto, Urlaub mit dem Flugzeug – 1:1 übernommen haben und tatsächlich glauben, sie hätten einen Anspruch darauf. Die klimabewegten Generationsgenossen halten viele von ihnen für bescheuert.

Gleichzeitig erinnere ich mich an meine Kindheit und Jugend in den Achtzigern. No future stand an jeder Hauswand und auf jeder Nietenlederjacke der Punks am Treffpunkt dieser Jugendlichen in meiner Heimatstadt im Ruhrgebiet. Anti-Atom und Anti-Nazi war schon damals Thema. Und für mich war es ein großer Befreiungsschlag, aus meinem von Kriegskindern (meine Eltern *1927 und *1935) geprägten Elternhaus hinauszublicken und Leute kennenzulernen, die damals für die ersten Grünen im Stadtrat meiner Heimatkommune saßen. Sie waren so ganz anders als meine Eltern. Und sie waren Boomer. Die platitüdenhaften Zuschreibungen an die jeweils andere Generation bringen uns in der Klimafrage und bei der gesellschaftlichen Transformation nicht weiter. Vielmehr sollten sich die zusammenschließen, die aus der gleichen Perspektive auf die Welt blicken und etwas verändern wollen. Jede Generation fühlt sich von der jeweils älteren dominiert und belehrt. Das ist ja nichts Neues. Dass sich der Blick auf das, was die Alten zu sagen haben, im Laufe des Lebens verändert und man erkennt, dass die Altvorderen nicht nur unrecht hatten, werden die Y- und Z-Fraktionen sicher auch noch erfahren. Man kann es gemütlich abwarten.
Erika S. Becker

Dieser Text basiert aus der Sicht der damaligen BRD, worauf der Autor hinwies. Da Sie ein überregionales Blatt sind, hätte ich mir sehr gewünscht, wie auch die sogenannten Boomer der damaligen DDR die Zeit verbracht haben. Es wären deutliche Unterschiede zutage gekommen. In der DDR wurde man sehr ideologisiert. Während die Herausbildung des Individualismus in der BRD gedieh, wurde das „Wir“ mittels Indoktrination staatlich gefördert. Lange Haare, wie sie damals die Beatles, Stones und andere Idole getragen haben, waren verboten und jenen wurden die Haare, die diese trugen, zwangsweise einfach gestutzt. Das Tragen langer Haare galt als Aufmüpfigkeit und wurde in der DDR in den 1960er Jahren nicht toleriert. Die Unterdrückung der Freiheitsliebe in der DDR war gang und gäbe. Das aufzuzeigen, wäre möglicherweise gesamtdeutsch interessant.
Dietmar Friedo

1964: Wir sind die Meisten gewesen. 1980/1982: Niemand wollte uns, keiner konnte etwas mit uns anfangen. Wir waren einfach zu viele. 2031: Und nun müssen wir länger. Ein Antilopenleben: lebenslang früher aufstehen als Andere und sofort anfangen zu rennen – sonst schaffst Du’s nicht, sonst holen dich die Löwen. Die Erfahrung einer ganzen Generation.
Michael Seiler

Ein beeindruckendes Portrait der Boomer-Generation, doch ein Aspekt, wenn nicht gar der wichtigste, bleibt leider ausgespart.  Die Gesellschaft ist liberaler, individualistischer, diverser, toleranter, aber eben auch hedonistischer geworden. Und beim letztgenannten Merkmal setzt die verbreitete Kritik am Verhalten der Mainstream-Boomer an. Bei aller Sympathie für Annette Humpe – es war die Neue Deutsche Welle („Ich will Spaß, ich geb´ Gas“), die den Weg in eine unkritische Konsumkultur ebnete, Love-Parade und Ballermann-Spaß- Tourismus inklusive – weg von der Alternativ-, Öko- und Friedensbewegung, die von der Boomer-Avantgarde entscheidend geprägt wurde, hin zu einer unhinterfragten Konsummentalität, kulturell unterfüttert von der Post-Moderne, wirtschaftstheoretisch legitimiert durch den Neo-Liberalismus. Die dringend erforderliche öko-soziale Wende blieb aus. Hier und da gab man sich einen grünen Anstrich, doch der Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch stieg seit Beginn der Neunzigerjahre unaufhörlich, nicht zuletzt dank der nachrückenden Generation der 35- bis 54-Jährigen mit ihrer ausgeprägten Anspruchshaltung und Beauty-, Wellness- und Designermoden- Fixierung.  Es mag ja durchaus sein, dass die Boomer die „beste Generation aller Zeiten“ sind, aber die Folgen unkontrollierten fossilen Wachstums, schon zu Beginn der Siebzigerjahre eindrucksvoll aufgezeigt, haben sie über Jahrzehnte bewusst ignoriert.
Rüdiger Paul

Ja, endlich müssen wir uns als Boomer nicht mehr selber loben. Ihr Artikel schenkt Zukunftsperspektive. Statt angstvoller Prognose, zuversichtliche Regnose.
Tobias Steeb

Balsam auf die Seele der gescholtenen Babyboomer. Danke, Tillmann Prüfer, für die liebevolle Verteidigung meiner Generation! Tillmann Prüfer hat einen sehr treffenden Blick auf uns Babyboomer geworfen, dem braucht man eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen. Ich selbst gehöre zu den geburtenstarken Jahrgängen der 60er Jahre. Die meisten von uns wurden nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, unsere Eltern waren noch im Zweiten Weltkrieg zur Welt gekommen, häufig genug traumatisiert und mit einem unsicheren Blick in die Zukunft. Der heutige Wohlstand mit seinen Errungenschaften ist das Ergebnis jahrzehntelanger ambitionierter Arbeit.

Dass jüngere Generationen und auch die Generation Z von dem Wohlstand profitieren, kann man ihnen gar nicht vorhalten. Sich aber hinzustellen und einer einzigen Generation für alles die Schuld aufzubürden, was in der heutigen Welt schiefläuft und zu behaupten, ihnen wäre eine Zukunft genommen worden, ist billig und falsch. Einen Anspruch auf eine unbeschwerte Jugend und eine von Wohlstand geprägte Zukunft gibt es nicht und hat es auch nie gegeben. Ich kann mich noch sehr gut an die Angst vor einem Atomkrieg in den 80ern erinnern und an die Sorge, überhaupt einen Studienplatz oder auch Ausbildungsplatz zu ergattern. Ja, und auch die zunehmende Umweltverschmutzung haben nicht alle nur gleichgültig zur Kenntnis genommen.

Jüngere Generationen dürfen sich gerne einmal die Frage stellen, ob sie so viel anders gehandelt hätten als die Boomer, wären sie zu jener Zeit geboren worden. Ich glaube es nicht. Der Großteil der Boomer ist sicherlich keine Bande von SUV fahrenden Umweltsündern und Dauerkreuzfahren, die es darauf abgesehen hat, den nachfolgenden Generationen die Zukunft zu verbauen. Die meisten von uns sind Eltern und vielleicht auch schon Großeltern, und wer meint, uns wäre alles egal, trägt eine arg verengte Sicht vor sich her. Übrigens, die Bilder in diesem Betrag sind toll, sie haben mich sofort in meine Jugendzeit zurück versetzt, ein großes Dankeschön auch dafür.
Regina Stock

Ich danke recht herzlich für diesen artikel über die boomer im zeit- magazin!! spricht mir aus der seele! wirklich eine freude für meinen mann und mich… als 1964-geborene gehören der meinige und ich genau dazu. in meiner ersten klasse damals am dorf… waren wir 48 schüler. dies blieb bis zur 6. klasse nur geringfügig anders. wenn man da nicht auffällig, munter, sondern eher zurückhaltend war, ist man durchs raster gefallen. es hat wirklich niemanden interessiert, wie es uns ging, den stillen, dem mittelmaß.  auch später in der realschule – wer da war, war halt da. wer nicht, der halt nicht. ich hatte eine magersucht, das hat keinen interessiert, kannte man ja so nicht. die berufsauswahl – eine katastrophe. zu damaliger zeit wurden bäcker gesucht, so kam bei eignungstest durchs amt an unserer schule zufällig heraus, dass viele dafür geeignet waren. mein mann und sein bruder – die dreiviertelte klasse – bekamen diesen vorschlag. machten dann aber per abendschule abitur und studierten.

ich habe mit 18 nicht gewusst, was tun und bin auf die fachoberschule. die habe ich mir mit fließbandarbeit in der fabrik finanziert, von der geizigen mutter, kriegsbelastet und -geschädigt, seelisch, bekam ich nichts. und mein vater war kriegsversehrt, in meinem 18. lebensjahr verstorben. da habe ich meine mutter auch nicht mehr interessiert. inzwischen bin ich gut angekommen. ich habe nach dem tod meines mannes meine drei kinder alleine erzogen, alle drei studieren. nie habe ich leistungen vom staat in anspruch genommen. ich habe immer gearbeitet. jetzt bin ich 59 und immer noch im beruf, das ist anstrengend, aber sinnvoll, mein guter beruf, der jedem offensteht. auch zum autofahren sind die boomer oft zu alt………

dafür, dass ich seit 18 gearbeitet habe und 9 jahre die kinder erzogen habe, wo ich mangels kinderhort etc zuhausebleiben musste, – dazu habe ich noch 4 jahre meine demente mutter gepflegt, dies ohne zuschuss in form von rentenpunkten vom staat – bekomme ich etwa 1100 euro rente. um mich herum viele rentner lebend, die auch fleissig waren,  von deren rente kann ich nur träumen. mit 58 jahren berentet wurden, trotzdem oft abfällig über mich reden, da ich im schichtdient viele nachtdienste habe und somit oft tags zuhause bin…..um mich herum auch viele witwen, die – wie meine mutter – nie gearbeitet hatte, dafür aber die rente meines vaters bekam und somit auf 1800 euro. vererbt hat sie mir nicht gerade viel, aber dafür bin ich auch dankbar. ich musste mir das von der seele schreiben…..
M. Kienlein

Nach Lektüre des o.g. Artikels von Herrn Prüfer, auf den ich sehr gespannt war, komme ich nicht umhin Ihnen einige Anmerkungen dazu zu senden: Es ist ja schön, dass Herr Prüfer der Boomer Generation dankt für das, was sie dieser Gesellschaft gegeben hat: Hippie, Punk, Disko und ihrem Fleiß, mit dem sie den Reichtum der Republik erwirtschaftet hat – aber da war doch noch was …

Erwähnenswert wäre schon gewesen, dass diese Generation, geboren in die postfaschistische Republik, aufbegehrt hat gegen das lähmende und verdrängende Schweigen der Elterngeneration, die Aufarbeitung des Faschismus forderte und vorantrieb, ehemalige Nazis, die in Politik und anderen öffentlichen Einrichtungen unbehelligt weiter agierten, benannte und sich für deren Entlassung einsetze. Sie forderte eine Abkehr von den repressiven Strukturen in Bildungsinstitutionen und eine Reform der Pädagogik. Diese Generation war nicht einfach „friedlich“, wie Herr Prüfer konstatiert, sie hat, begonnen mit dem Widerstand gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, eine breite Friedensbewegung auf die Beine gestellt und damit ein Bewusstsein in der Gesellschaft verankert, dass friedliche Konfliktbewältigung prioritär ist – und gegebenenfalls auch erkannt werden muss, dass dies nicht immer gelingt.

Herr Prüfer hebt das ausgeprägte Umweltbewusstsein dieser Generation hervor. Das könnte daran liegen, dass diese Generation nicht nur vor den Gefahren der Atomenergie gewarnt hat und leider, wie Tschernobyl und Fukushima schmerzlich zeigten, damit auch richtig lag. Sie hat zudem schon in den Siebzigern vor der drohenden Klimakrise gewarnt, eine ressourcenschonende Landwirtschaft gefordert, erste Bioläden gegründet und Jute statt Plastik den Vorzug gegeben. Durch einer breite Ökologiebewegung, die sich über eine Vielzahl von Bürgerinitiativen in die gesellschaftliche Debatte einmischte und darüber Beteiligung einforderte und gesellschaftliche Verantwortung übernahm, sickerte mehr und mehr Umweltbewusstsein in die Gesellschaft.

Und wo wären wir heute, hätten mutige Frauen 1975 nicht öffentlich bekannt abgetrieben zu haben, und damit der bereits unter Studentinnen begonnen feministischen Frauenbewegung einen Massenimpuls gegeben, der zu einer aktiven und bunten feministischen Bewegung in der Bundesrepublik führte, die u.a. sexuelle Selbstbestimmung forderte, sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder thematisierte, ökonomische Unabhängigkeit von Frauen auf Basis gleichen Lohns für gleiche Arbeit forderte und sich für eine breitere Beteiligung von Frauen in politischen Ämtern und Mandaten einsetzte. Dies nur als Schlaglicht auf Themen und Aktivitäten die diese Generation neben Musik und unkonventioneller Lebensweise ausmachte. Dass dieses Engagement in einem Schwerpunktthema „Baby Boomer“ keinen Platz fand, kann ich nicht nachvollziehen.
Marie-Theres Knäpper

Danke für diesen Artikel! Einige Ergänzungen aus der Sicht eines Beteiligten; geboren 03-1948 in einem damals noch sehr armen schwäbischen Dorf. Bei bis zu 19 Jahren (Geburts-)Unterschieden teile ich „die (westdeutschen) Boomer“ angesichts verschiedener Einstellungen und Erfahrungen eher in zwei Gruppen ein. Die bis 1954 geborenen Kinder (Gruppe A) waren bei Punk und Disco schon Erwachsene teils im Beruf. Dafür kannten sie Fats Domino, Elvis Presley oder Bands wie die Beatles, Stones und CCR. Der Autor bezieht sich kulturell wohl auf Gruppe B (1955 – 64); die aktivsten 1968er Studenten waren hingegen eher Jahrgänge vor 1946.

In der allgemeinen „Nachkriegs-Aufbauphase“ kam Gruppe A – wenn auch in teils zerstörten Städten – in ein Schulsystem, in dem engagierte Lehrer*innen noch solide fachliche Grundlagen vermittelten. Da viele bis Mitte der sechziger Jahre nach heutigen Maßstäben materiell „arm waren“, lernten sie früh, selbst und ständig für „gewünschte Extras“ zu arbeiten: Nachhilfe, Ferienjobs o.ä. erlaubten erst manchen Jugendlichen das neue Fahrrad oder Tonbandgerät. Die wöchentliche Arbeitszeit der Eltern betrug lange 45 Stunden, und samstags hatte man 4 – 5 Stunden Schule. Die Gruppe A gewann dank der nötigen Arbeit an Selbstsicherheit: Jeder Schritt erfolgreicher Eigeninitiative und Arbeit motivierte den nächsten.

Die ab 1955 Geborenen kannten von den Eltern bald die 40-Stundenwoche und samstags gab es schon schulfrei. Auch die schlimmste Nachkriegsarmut war für viele größtenteils vorbei, was man an der zunehmenden Zahl von Autos ablesen konnte: Von 1960 rund 4,5 Millionen auf 1970 ca. 14 Millionen Pkw. Ob dies unbedingt für diese Gruppe B „ein Vorteil“ war, kann ich schlecht beurteilen.
Wolfgang Ströbele

Tillman Prüfer charakterisiert ein wenig euphorisch jedoch zutreffender als viele andere diese Aufbruchsstimmung in der Jugend damals. Ihm gelingt, was viele andere vor ihm m.M.n. nicht annähernd schafften. Ich bin Jahrgang 1949, begann mein Pädagogikstudium im Jahr 1968 in Berlin und kann Prüfer nur zustimmen, wenn er sagt, dass wir den großen Welterklärungen nicht mehr glauben wollten, dass wir eigene Wege suchten. Es waren wilde Jahre, an die ich gerne zurückdenke, an die mich jetzt wieder die „Letzte Generation“, in Teilen auch die Friedensbewegungen, „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“, u.a. erinnern. Daran kann auch die Kritik an den Boomern nichts ändern. Nicht die Erhaltung unserer Gesellschaft war uns wichtig, sondern wir wollten verändern, z.B. eine sozial gerechtere Verteilung der Güter. Wir sahen schon vor über 50 Jahren eine immer weiter auseinander driftende Gesellschaft. Wer sich bereits damals Gedanken über die Umwelt machte und die Berichte des Club of Rome ernst nahm, fuhr mit dem Fahrrad zur Arbeit, verzichtete wie ich auf ein Auto, fuhr mit dem Zug in den Urlaub. Diese Grundhaltung erkenne ich heute wieder. Niemand bestreitet, dass gehandelt werden muss.

In den 1990er Jahren schrieb ich einen Artikel mit der Frage als Titel. „Was ist mit unserer Jugend los?“ In diesem und dem darauffolgenden Jahrzehnt hatte ich den Eindruck, dass die neue Generation nur das eigene berufliche Vorankommen, die individuellen Chancen und Möglichkeiten im Auge hatte und sich keineswegs um die „Erhaltung unserer Gesellschaft“ und unserer Demokratie sorgen wollte. Das hat sich nun dramatisch geändert. Die Jugend will Veränderung. Die Bereitschaft zur Transformation ist da, es gibt wieder Gestaltungsoptimismus. Dem sollten wir Boomer uns nicht verschließen, denn auch wir starteten mit den gleichen Einstellungen. Trauen wir uns, die junge Generation Z zu fördern und sie nicht unsererseits zu vorverurteilen. Ein neues Verständnis der Generationen untereinander erscheint mir wichtig. Dazu leistet dieser Artikel einen nicht geringen Beitrag.
Ralf Kennis

Herr Prüfer hat in seinem Artikel einen positiven Aspekt der Boomer-Generation nicht erwähnt, nämlich die Umweltbewegung, entstanden in den 80er Jahren. Wir (ich bin 1955 geboren) sind in einer Welt aufgewachsen, in der die Wälder durch sauren Regen starben, die Atmosphäre mit Kohle- und Chemieabgasen verdreckt war, Rhein und Elbe vergiftet, die Nordsee durch Dünnsäureverklappung belastet etc. Der Kampf gegen die Atomenergie in Wackersdorf, Gorleben, Brokdorf und anderen Standorten war heftig, nicht zu vergleichen mit den bereitwillig akzeptierten Demonstrationen der Fridays-For-Future-Bewegung heute. Die Aktionen hatten in Politik, Medien und Bevölkerung eher eine Akzeptanz wie heute die der Letzten-Generation.

Ohne den Beginn der Entwicklung von erneuerbaren Energiesystemen in den 80er Jahren wären die Wind- und Solarenergieanlagen heute nicht denkbar, ebenso wenig wie die Entwicklung von Speichersystemen und erneuerbaren Versorgungskonzepten in Deutschland. In den 90er Jahren wurde dies durch die Energiewirtschaft nur belächelt, was uns aber den Raum verschaffte, diese Technologien ohne allzu große Hindernisse zu entwickeln. Viele Freunde und Kollegen meines Alters haben fast ihr gesamtes berufliches Leben der Entwicklung und dem Aufbau der erneuerbaren Energien gewidmet. Übrigens, mein erstes Projekt 1986 an der Universität Oldenburg war der Betrieb eines Wasserstoffspeichers mit Elektrolyse und Brennstoffzelle in einem mit Wind- und Solarenergie betriebenen autarken Laborgebäude (Energielabor).
Gerd Gerdes

Vielen Dank für die warmen Worte für uns „Boomer“. Ich bin 70 und arbeite immer noch gerne, – weil ich es kann und es mir Freude macht! Allerdings kann ich mich nicht mehr über das Deutschland freuen, welches wir „Boomer“ so maßgeblich mitgestaltet und zu einem Erfolgsmodell gemacht haben. Ich werde depressiv, wenn ich mitansehen muss, welch inkompetente Truppe mein Heimatland im Begriff ist endgültig „abzuschaffen“. Ich kenne niemanden, der sich z.B. nicht über die alles zerstörende Bürokratie beklagt, doch wo ist Hilfe? Das Monster EU macht den Kulturen und Völkern Europas dann noch endgültig den Gar aus. Herr – schick endlich Hilfe! Wo ist die Alternative?
Dieter Pioch

Danke, Tillmann Prüfer! Welch ein toller, ausgewogener Artikel! Was der Mann alles kann! Absolute Hochachtung. Herrlich seine Töchtergeschichten jede Woche, dazu der Modeteil, den ich auch immer lese, obwohl Mode mich überhaupt nicht interessiert. Dazu noch die guten anderen Artikel von so guten Leuten. Welch ein Gewinn die “ Zeit“ zu lesen!
Renate Storch

In der Diskussion um und mit Boomern geht es wohl selten um ihre kulturelle Leistung. Natürlich kann man über die geschaffenen Kleidungs-, Haar und Musikstile froh sein, dass ist fast schon eine Geschmacksfrage. (Wobei auch diese Errungenschaften auf den Leistungen der Generation davor fußt.) Der Autor sieht aber den wichtigsten Punkt bei der Kritik an Boomern nicht: nicht, dass sie keine Demut zeigen, sondern dass sie nicht zuhören (wie es im Fall von Chlöe Swarbrick war)! Obwohl der Klimawandel hinlänglich bekannt ist, fliegen Boomer heute immer noch um die Welt, machen Kreuzfahrten und fahren SUVs, weil sie es sich nach ihrem ach so harten Arbeitsleben nicht nehmen lassen wollen. Die Kritik an den zitierten Statistiken lasse ich einmal aus, es gibt auch genug Gegenbeispiele. Besonders fast schon frech fand ich den Satz, die jüngere Generation kann ja noch selbst reich werden (S. 18), schließlich sei die Kaufkraft gut 50% gestiegen. Dass die Ausgabenseite ebenfalls stark gestiegen ist, wird geflissentlich übersehen. Da schoss es mir den durch Kopf: LOL, okay, Boomer.
Gido Lukas

Woodstock, ja, Atomkraft Nein! Ich habe mich meine gesamte Jugendzeit (ich bin eine frühe BoomerIn Jahrgang 1952, eigentlich noch Nachkriegskind) und weit darüber hinaus, schuldig gefühlt für die Generation meiner Eltern. Sie als Nazis beschimpft, ohne jemals ernsthaft nachzufragen, was sie tatsächlich erlebt bzw. getan oder unterlassen hatten. Als Studentin 1972 in Heidelberg erste Demos gegen Atomkraft, die Stadtautobahn am Neckar entlang – es gibt vielsagende Cartoons von Marie Marcks zu dem Thema – gegen die radikalen Altstadtsanierungspläne durch Abriss von OB Zundel, gegen den Bürgerkrieg in Angola, den Vietnamkrieg, für die Amtsenthebung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Filbinger wegen seiner NS-Vergangenheit, usw.

Mehrere Hundertschaften Polizei (die ‚Bullen‘) in der Plöck, der Hauptstraße und am Bismarckplatz mit Wasserwerfern und der neuen Pfefferspraykanone gegen zahlenmäßig weniger Studierende, in jedem Fall ‚bürgerkriegsähnliche Zustände‘, attestiert von der Rhein-Neckar-Zeitung, ich habe die Originalzeitungsausschnitte gesammelt. Der Staatsschutz fotografiert und filmt vom Kaufhaus Horten, es kommt zum ‚Maulkorberlass‘, viele LehramtsstudentInnen werden nicht in den Schuldienst übernommen. Das ist Heidelberg in den frühen Siebzigern, also wenig Flowerpower und Farniente! Viele Studierende hatten wegen ihres Engagements einen holprigen Lebensweg und beziehen heute eine dürftige Rente. 1975 wandere ich nach Frankreich aus, nur weg aus dem Land der ‚Dichter und Denker‘ mit der furchtbaren Vergangenheit. Ebenfalls Proteste und Besetzung der Uni in Toulouse für mehr Redefreiheit, weniger verschulte Studiengänge, Proteste gegen die Stadtautobahn an der Garonne entlang mitten durch Toulouse, wie sich doch die Bilder gleichen in den 70ern!

Als junge Mutter Gründung einer Kita in Eigeninitiative in Lèguevin, unweit von Toulouse und weiterhin Demonstrationen gegen wilde Müllkippen, Verklappung von Chemikalien usw., den Umweltsündern ist noch nicht gesetzlich beizukommen. Woodstock ist 17 Jahre her! Was ist daraus geworden? Es beginnt die Zeit der Golden Boys an der Börse! Und heute? Zurück in Deutschland sind meine 3 erwachsenen Töchter jeweils Mitglied in der Gewerkschaft ihrer Branche. Zwei sind politisch aktiv in der Partei Die Linke. Ich selbst Mitglied als Konferenzdolmetscherin in meinem Fachverband aiic bis zu meiner Rente.

Sie haben also richtig gesehen: es gibt die HedonistInnen, die auch schon in den 70ern diese Einstellung vertraten, und sie an ihre Kinder weitergegeben haben, aber es gab vor allem die, die aufklären wollten, Licht ins Nachkriegsdunkel brachten und sich auflehnten; dank derer Demokratie erst möglich wurde. Und Konsum, auch Musikkonsum auf Festivals, zeitigt eben immer wieder nur Konsum, dieser ist jedoch weitestgehend friedlich mal abgesehen vom Frust derer, die das Festivalgelände vom Konsumrausch befreien.

Ich habe mein Elternhaus verkauft, fahre Twingo und wohne zur Miete in Lüneburg und bin weiterhin engagiert.
Barbara Schantz-Derboven

Das mögliche (komplizierte) Selbst-Bewusstsein entsteht immer aus der eigenen Zeit der unterschiedlichsten Anwesenheit und Sozialisation – um vielleicht auch auszusteigen oder im Strom des Vorhandenen mitzuschwimmen… Und wie nannte es Mao Zedong: „…der Revolutionär schwimmt im Volk wie ein Fisch im Wasser“. Der RvM-Leserbriefschreiber (Jahrgang 1949) kam seiner revolutionären Meinung nach, genau zum richtigen Zeitpunkt ins Leben, um in der Szene der 60er-Jahre absolut jung mitschwimmen zu können oder besser mitgeteilt: aufrührerisch Dabeizusein! Bei aller Liebe – es war unaushaltsam: zu Hause in der Familie, im Konservatismus der I. und II. Weltkriegsgenerationen, den deutlich erkennbaren überkommenen (und auch runtergekommenen) Tradiertheiten und Traditionen: Deutschland war zerstört geteilt, große deutsche Gebiete verloren, Millionen an Toten und Verletzten, auf den deutschen Straßen die körperlichen Kriegsgeschädigten: und die Seelen der Menschen waren nach außen hin in Panzerglas eingefroren – die allgemeine Schuldhaftigkeit wurde getarnt durch die persönliche Tragik des Zeitgeschehens: (Ein Volk-ein Reich-ein Führer – Ein Volk-ein Brei-ein Rührer). Die Monarchie und die Diktatur waren „einst“ der Masse der Deutschen wie auf den Leib geschneidert! Der Kapitalismus exportiert von den USA als (noch annehmbarste) Siegermacht: dem „Made in West-Germany“ zum „Way of Life“ aufoktroyiert worden – die Menschen Ost-Deutschlands hatten das System des Sozialismus/Kommunismus über Jahrzehnte hinweg drastisch ertragen müssen… Wo blieb die Revolution!

Wir jungen Menschen (je nach persönlicher Heftigkeit) mussten uns im Aufbegehren: wehren gegen diese vereinheitlichte Normalisierung des doch von der Volksmehrheit scheinbar unverantworteten Bösen, der „Unfähigkeit zu trauern“ als Schuldige über den unfassbaren Wahnsinn: den das deutsche uniformierte Volk im Nationalsozialismus der Menschenwelt antat – das hinzufolgende Verdrängen und ein gleichzeitiges Gegenbeschuldigen durch die Gräueltaten der Gegner, der Sowjets, der Roten Armee, der Alliierten…: die politisch geplanten Vernichtungen der deutschen Städte und damit den Bombardierungen der zivilen Massen ihrer BewohnerInnen, um hierbei besonders auch die Zerstörung Dresdens mit zu benennen… Diese Terror-Bombardierungen sollten gezielt den Nationalsozialismus aus den Angeln bomben – Millionen Tote als Opfer aber waren keine Hitler-GegnerInnen mehr, um dieses Nazi-System umstürzlerisch anzuklagen…

Menschen taten all diesen Wahnsinn Menschen an. Der Jugendliche RvM war konfrontiert mit dem brutalen Vernichtungswillen der Menschenart auf allen Seiten des Krieges, den Ausrottungen und Vertreibungen, den massenhaften Nummerierungen der Menschenfiguren zu Uniformierungen, den jeweiligen Benutzungen der Ideologien des Faschismus, Kommunismus und Kapitalismus… „Gott/Götter“ – blieben die erkennbarste Lüge in diesen Vernichtungsorgien des Menschenwahns. Der frühe Weg des Ausstiegs des RvM: war als 15/16jähriger die Verweigerung der kirchlichen/religiösen Manipulationen: dieser so genannte Gott, die Götter (ohne Bewirkungen gegen den Krieg, das Elend, die Not) waren tot für den jungen Menschen: vorbei die (eingeforderten) Anbetungen der Erwachsenen an eine Illusion… Wohin aber sollte man flüchten als Jugendlicher, raus aus dieser Gefangenheit einer fast unveränderten ideologischen Umgebung, wo ein Anteil der Lehrerschaft noch in den alten Strukturen des „Tausendjährigen Reiches“ sich verinnerlichte, über uns Jugendlichen dominierten: diese Verklärungen nur mühsam tarnten und die neue Jugend auf ihrem Kurs halten wollte – wie auch die Elternschaft… Der RvM sah in der Seefahrt diese einzige Möglichkeit der Flucht: und machte sich auf nach Hamburg als Schiffsjunge in die ferne Welt – um dort in den Häfen dieser Kontinente oft doch schlimmste Armut vorfinden zu müssen, gleichfalls jeweils die Menschenwürde nichts zählte, nur trostlose Unterwerfungen der Besitzlosen… Ernesto Che Guevara wurde somit ein Vorbild als Revolutionär.

Und in den USA der Rassismus gegenüber den Afro-Amerikanern (auch gegenüber Asiaten und Latinos in den Weiten des Landes) – eine weiße Vorherrschaft, wobei der sogenannte „white Trash“ ebenso in diesem Kapitalismus von den Reichen und Mächtigen ausgebeutet wurde und wird, zu diesem verlogenen „American Way oft Life“… Und ich sah in New York die Müllschiffe im Zeittakt: mit den Abfällen dieser „Big City“ hinaus aufs Meer fahren, wo diese unvorstellbaren Müllberge hemmungslos ins Meer verklappt, ausgeschüttet wurden: ohne Rücksicht auf die (meeresbiologische) Natur. Und auch auf den Schiffen des jeweils dort anheuernden Schiffsjungen herrschte die brutale Gewalt, galt unter der Mannschaft nur die Hierarchie und Macht der körperlichen Stärke – von erweiterbaren Erkenntnissen durch das Befahren der Weltmeere und den Begegnungen mit anderen Ländern und „Kulturen“: keine wesentliche Spur der anlernbaren Toleranz und Menschenachtung sowie idealistischer Geisteserweiterungen… Diese Seefahrten waren überhaupt nicht lustig!

Das daraus folgende Flüchten in die Idee des Hippietums schien Befreiung zu sein, doch in der tieferen Beschaubarkeit dieses „friedlichen Systems“ wurde dem RvM verdeutlicht, dass auch dort wiederum nur die Hierarchie des Äußeren zählte bei aller angeblichen Gleichberechtigung im Umgang miteinander – es galt dort: der imposanteste Hippie zu sein, der attraktivste, der „auch im Jargon glaubwürdigste“ möglichst noch mit Gitarre, Songs auf den Lippen und den längsten Haaren! Und die Hippie-Frauen hatten sowieso ein schönes Äußeres vorzuzeigen, mussten zudem sexy sein – und waren letztlich wiederum unter diesen Ideen der Freizügigkeit: letztlich möglichst doch nur Freiwild für die Lust zu den animalischen Befriedigungen – all dies unter dem Deckmäntelchen: „Make Love not War“: allesamt wir wie die geilen Paviane ohne Hemmungen und Beklemmungen. Natürlich war man munter mit dabei – und das hätte endlos so weiterlaufen können: dort auch auf Kreta in Matala in den Höhlen hausend, voll und zu bei den Räuschen mit Drogen und Alkohol; nahest am Strand: wo der mythologische Zeus als Stier die schöne Europa hin entführt und vergewaltigt haben soll… Und von daher/dorther haben WIR UNS die Vereinheitlichung als Europäer ausgesucht und Europa „modern“ begründet? Könnte dies nicht auch eine politische Vergewaltigung der Völker sein – ohne doch hierzu die Volksbefragungen durchgeführt zu haben!

Die Liebe in den Ehen zerbricht wie Glas – die Scheidungsraten waren noch nie so hoch in Deutschland, in den USA, in diesen seelisch zerstörten Industrieländern. Bob Dylan sang irgendwann verzweifelt: „Love ist just a four-letter word“ – und die Hippie-Verklärungen fanden ihren Widerspruch in der Realität der Natur des Menschen: diese jungen Leute wollten ihre Bestätigungen durch die Bereitschaft für das zugleich Angebotene – Sexualität war zwar nicht käuflich, aber dennoch hatten mann/frau sich zu präsentieren, und wenn keine entsprechende Optik mit im Angebot war, musste sich dementsprechend (ganz) hinten angestellt werden… Wie schon beschrieben: auch bei den Hippies zählte das optische Schmücken und dadurch die entsprechenden (vorrangigen) Chancen beim derartigen Balzen und dem Kopulieren. Wir empfanden nicht: irgendwelche zu klassifizierende Boomer zu sein oder in irgendeiner Weise so betituliert: dann in den Markt der Benutzungen und des Funktionierens eingeschleust zu werden… Im Nachhinein mag da vieles auch zutreffen – denn jede „Revolution frisst ihre Kinder“, werden aus den (studierten) Revoltierenden allmählich die staatstragenden Benutzer des kapitalistischen Systems! Die Arbeiter-„Rasse“ als „Klasse“ aber hat zu malochen! – dieses Völkchen hat zu funktionieren und die Schnauze zu halten bis zur nächsten Wahl der Qual…

Der Autor Tillmann Prüfer sieht auf seinem Prüfstand in den Boomern (welcher Konsistenz?): „Die beste Generation aller Zeiten“, bezeichnet seine Beschreibungen: als eine Liebeserklärung und verklärt damit gleichzeitig all diese industrialisierte Vereinigung des Kommerzes, um die endlosen Milliarden-Gewinne aus diesem jeweiligen Trend herauszuwirtschaften – egal ob nun Rock ´n`Roll, Beat, Pop, Punk, HipHop und alle weiteren Strömungen und Einflüsse sowie Ausflüsse da mitmisch(t)en… Euphorisch umjubelt Tillmann Prüfer diese Boomer-Generationen, schleust folgende Wortefindungen mit hinzu: „Die Punks schneiden sich immer noch Irokesenschnitte, der Traum von Woodstock wird weitergeträumt, und von Annette Humpes Lied „Blaue Augen“ sind mittlerweile mehr als zehn Coverversionen erschienen, die jüngste im vergangenen Jahr von einer bayerischen Rockband. Ohne die Boomer wären wir kulturell schlecht dran.“ Ach, und dann schwärmt er von der Optik der Humpe: „…dass sie mit ihren 72 Jahren noch fast genauso aussieht wie damals vor dem Keyboard. Dass sie eine ältere Dame ist, fällt kaum auf, angesichts ihrer unglaublich wachen Augen und ihres blitzschnellen Geistes…“

Welch eine Augenwischerei und hinzu noch diese optische Vortäuschung falscher Tatsachen zum Scheiß-Alter hin – Tilmann Prüfer sollte seine Gegenbilder uns gegenüber deutlicher überprüfen und gleichzeitig mit erkennen wollen: dass der Kapitalismus einstens durch die Boomer sich zum Turbokapitalismus enthemmt hat – und dass es seit und in den Boomer-Generationen noch nie so viele Kriege in der Menschenwelt seither gegeben hat und gibt… Der Reichtum ergötzt sich am Luxus, die Armut weltweit hat ungeahnte Dimensionen erreicht – hunderte von Millionen Menschen sind auf der Flucht vor dem Hunger und der Zukunftslosigkeit: hinströmend in die sogenannten reichen Länder… Aber dort wird die Masse der Menschen ebenso als die „Sklaven der Moderne“ in ihren Funktionen gefangen und verfangen gehalten, müssen schauen: dass sie Monat für Monat über die Runden kommen, durchaus Angst haben vor der wohl unausweichlichen Konsequenz, im (hohen) Alter dann kaum noch finanziell Existieren zu können… Was – bitte sehr unerbittlich – boomt denn da noch?

Somit findet der Leserbriefschreiber kein boomendes Verständnis für diesen ZEIT-MAGAZIN-Artikel als vermeintlicher „Boomer“ – und auf oder gegen wen ist noch dieser Zusatztext zu verdeutlichen: „Boomer sind das Feindbild der Jugend: Angeblich zu reich, zu wenig Sinn für die Umwelt. Dabei haben sie fast alles geschaffen, was junge Leute heute gut finden. Und wir werden sie noch sehr brauchen. Eine Liebeserklärung.“ Der Leserbriefschreiber ahnt hier fast schon eine kaum getarnte Umwerbung von DIE ZEIT mit der hauptanteiligen Boomer-Leserschaft – damit hierbei entsprechend jene Boomer ordentlich gebauchpinselt werden; dies als eine derartige ZEIT-LIEBESERKLÄRUNG vermittelt zu erhalten. Auch so kann man sich s/eine Leserschaft für die notwendige Zukunft weiterhin mit ins Verlags-Boot holen… Doch bitte nicht ganz so auffällig! Oder alles doch nur eine sehr textlich erweiterte Glosse? Und Tillmann Prüfer lauert vielleicht schon auf den nächsten Glossenaward zu diesem Artikel – ein früherer „Segen“ dazu wurde ihm ja bereits erteilt. Last but not least: Anette Humpe, Frl. Menke und auch für DÖF und UNS ALLE im zeitanteiligen Sauseschritt – gilt fortwährend und ohne Unterlass: „Denn die Liebe, Liebe, Liebe, Liebe, die macht viel Spaß. Viel mehr Spaß als irgendwas.“ Und die bewirkende Kunst (als persönliche Fluchtmöglichkeit) muss die Menschen auch mit ins Verhör nehmen!
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Danke Herr Tillmann für ihren Artikel! Ich bin ein Boomer, bin mit drei Geschwistern aufgewachsen und ich habe meinen Werdegang in allen Lebensphasen als anspruchsvollen Wettbewerb mit sehr vielen Altersgenossen wahrgenommen. Wir waren immer viele, die das wenig Angebotene brauchten. Die Konkurrenz annehmen, Leistung dagegensetzen, durchhalten wenn es eng wurde, waren meine Wegbegleiter im Vorwärtskommen. Und die knappen Angebote auf dem Weg durch das Alter werden auch uns Boomer noch bis zum Seelenkatapult herausfordern. Den verantwortungsvollen Umgang in der besonnenen Weitergabe für neues Leben zeichnet m. E. unsere Generation besonders aus, denn ich möchte mir nicht vorstellen, wie unser kleines Deutschland im Ressourcenbedarf aus allen Nähten platzen würde, hätten wir uns einfach so weiter vermehrt. Das Gejammer zu diesen Verteilungskämpfen bleibt uns zumindest erspart.
Walter Meon

Mit großem Interesse habe ich (Jahrgang 1950) Ihren Beitrag über die sog. “Boomer“ gelesen. Vielen Dank dafür. Erlauben Sie mir ein paar Ergänzungen. Der Begriff „Boomer“ ist an sic h schon eine Frechheit, weil er völlig pauschalisierend mit einer heterogenen Kohorte umgeht. Natürlich sind Kreuzfahrten, SUVs und Wohnmobile, die 20 l Benzin schlucken, nicht in Ordnung. Aber nur eine Minderheit in dieser Altersgruppe kann sich diesen Luxus leisten.

Wenn man „Boomern“ vorwirft, sie hätten in Saus und Braus gelebt, so ist ein Blick in die Geschichte sinnvoll. Die jungen Kritiker/innen sollten sich einmal das Leben in den 50er und weitgehend den 60er Jahren vor Augen führen: keine Zentralheizung, keine warme Dusche, keine Musikanlage, kein Fernsehen, kein Telefon, keine Pizza, kein Döner. Man musste sich nicht als „Vegetarier“ positionieren. Es gab nämlich selten Fleisch, und das war fett und eklig (Schweinepfoten und Ohren als Fettlieferant in der Erbsensuppe). Das war der „Luxus“, den diese jüngeren Leute den jetzt 60- bis 70jährigen unterstellen. Wenn es um die Zahl der fleischlosen Tage geht, nehme ich es jederzeit mit einem 20jährigen Vegetarier auf.

Vielleicht würde diesen Leuten ein 1wöchiges Camp helfen, in dem sie den Luxus der 50er und 60er Jahre genießen können. Die Gewalt in der Erziehung soll dabei ausgeklammert bleiben. Aber wahrscheinlich müsste man am dritten Tag einen Trauma-Therapeuten rufen, weil der junge Mensch 3 Tage lang ohne Handy ist.
Hans Tappe

Vielen, vielen Dank für den hervorragenden o.g. Artikel! Da ich auch zu dieser Generation gehöre, war es mehr als ein Vergnügen diese Zeilen zu lesen. Nicht nur das hervorragend recherchiert wurde, ich werde jetzt noch mit einem besseren Selbstbewusstsein bestimmten Leuten gegenübertreten.
Irmgardis Jäschke

Das Erste, was wir lesen, wenn die Zeit mit drei bis vier Tagen Verzögerung in ihrer schönen, papiernen Form in Casorzo eintrifft, ist die letzte Seite des Magazins – die Kolumne über Ihre Töchter. Liebevolle, vergnügliche und kurze Lehrstücke für kinderlose Boomer wie uns – damit auch wir kapieren, wie Familien und junge Leute heute ticken. Schon mal herzlichsten Dank dafür! Und jetzt die Nummer 35! Natürlich vergisst man als Teil dieser besten Generation aller Zeiten nicht, was wir alles und gründlich in den Sand gesetzt haben. Ihr Artikel tut aber dermaßen gut und evoziert dank Ihrer doch ziemlich wohlwollenden Perspektive einen solchen Sturm an guten Erinnerungen und Gefühlen, dass er nicht unbedankt bleiben oder gar im Altpapier landen darf.
Mattia Raschèr

 


Leserbriefe zu „Muss Bambi sterben?“ von Martin Nejezchleba  

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass das abgebildete Reh kein Reh, sondern ein Damwild Kalb ist.
Herbert Juralewsky

Um es auf den Punkt zu bringen, fällt mir die Empfehlung von Georg Sperber aus Oberfranken ein, der sagt „Wir müssen die Natur sein lassen! Dann kehre dort, wo der Mensch ihn lasse, der Wolf zurück! Die Realität sieht ganz anders aus, denn dort wo der Wolf natürlich den Rehbestand regulieren könnte, wird er erschossen oder vergiftet. Er ist eben ein Konkurrent der Jäger. Es hat von jeher nichts gebracht, wenn der Mensch regulierend in die Natur eingreift. Zu unterschiedlich auch die Interessenvertreter. Einmal die Jäger, die um ihre Jagdtrophäen fürchten, dort ein Naturschützer, der nicht auf seinen Rehbraten verzichten will! Die Rehe sollen verantwortlich sein für das Waldsterben? Wie das, wo doch Klimawandel, Waldbrände die Hauptursache und gründlicher sind.

Ich zolle den Jägern Respekt, die Rehkitze vor der grausamen Verstümmelung durch die Mähdrescher retten wollen. Vielleicht sollten sich die Jäger und sogenannten Naturschützer einmal die Erfahrungen und Kenntnisse eines Försters Peter Wohleben zu eigen machen!
m. justin

Bambi ist kein Reh, sondern ein Hirsch – genauer ein Weißwedwlhirschkalb. Im englischen benutzt man dafür das Wort „Deer“, das im Deutschen mitunter sowohl mit Reh als auch mit Hirsch übersetzt wird… Macht aber nix. Ansonsten wieder eine schöne Ausgabe ;)
Andreas Fier

Der Artikel zeigt deutlich, wie das Lebensrecht junger Bäume mit dem Lebensrecht junger Rehe in Konkurrenz stehen kann, und auch ich war mit dieser Frage als Junglehrer östlich von Bad Hersfeld konfrontiert, als ein Förstersohn mich bat, beim nächsten Wandertag mit meiner5.Klasse aus einer Schonung zwei Rehe rauszutreiben, die durch Wildverbiss das Aufwachsen junger Bäume ruinierten. Unser erster Einsatz war erfolglos, weil die Rehe über die 10-jährigen Jungen und Mädchen als Treiber-Linie einfach rübersprangen, so dass wir einen Monat später mit einer Klasse 9 wieder kamen, aber ebenfalls keinen Erfolg hatten. Bei einem Zufallstreffen mit dem zuständigen Revierförster danach fragte ich ihn teilnahmsvoll, ob er die beiden Rehe nun habe erschießen müssen, und erfuhr, dass er nach unserem Misserfolg eine Eingebung hatte und bei bewusster Öffnung der Gatter-Tür so lange auf einem nahen Hochsitz verharrte, bis beide Rehe aus der Schonung rausmarschiert waren. Ein kluger Mann! Ein kluger Mann war auch der Berliner Medizin-Professor August Bier, der seinen Privat-Wald an der Oder mit Nistkästen für Eichelhäher ausstattete, den trockenen Waldrand mit Kartoffel-Stroh mulchte und damit erreichte, dass eine versiegte Quelle wieder sprudelte und der Wald sich selber helfen konnte. Seine Studenten sollen über ihn gesagt haben: bei dem kannste was lernen, während über seinen Kollegen Sauerbruch nach seinem Dirigat der Philharmoniker gesagt wurde: bei dem kannste was erleben!
Dietrich Bauer

Jäger wollen Rehe retten, Naturschützer sie töten, so lautet der Untertitel Ihres Artikels in der Print-Ausgabe der Zeit. Das Retten der Rehe vor der Mahd ist in der Zwischenzeit glücklicherweise weit verbreitet. Ich glaube kaum, dass es auch nur einen Landwirt gibt, der gern bei der Mahd ein Reh häckselt. Aber darum geht es mir nicht. Naturschützer wollen Rehe töten. In Ihrem Artikel gibt es nicht einen einzigen Naturschutzverband, Vertreter einer Naturschutzbehörde oder sonst einen Naturschützer – wobei ich nicht in Abrede stellen möchte, dass viele Jäger und Förster im Sinne des Naturschutzes handeln und der Umweltminister Brandenburgs die Natur schützen will. Und ich möchte mit Ihnen auch nicht die Relevanz oder Irrelevanz von der Jagd beim Waldumbau diskutieren.

In Ihrem Teaser aber von „Naturschützern, die Rehe töten wollen“ zu sprechen, ist sehr plakativ und diskreditiert eine ganze Reihe von ehren- wie hauptamtlichen Naturschützern. Tierschutz, vor allem der wild lebenden Fauna, ist in unserer Satzung (und sicher nicht nur beim NABU) fest verankert. Wir töten keine Rehe. Schon gar nicht einfach so und mit Vorsatz. Das ist im Übrigen auch verboten. Bitte machen Sie sich mit dem Bundesnaturschutzgesetz vertraut. §39 1 (1) sagt:  Es ist verboten, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten, … Sie finden das Gesetz z.B. unter: https://www.gesetze-im-internet.de
Maria Vlaic

Ach du liebe ZEIT, echt jetzt? Was ist denn das für ein Artikel? Es geht Ihnen um besseren Schutz für den Wald und um zu viele Rehe und diese Rehe wollen Sie bekämpfen, indem Erntemaschinen Kitze überfahren? Ist das Ihr Ernst? Ich habe mich in letzter Zeit über einige Dossiers gewundert, aber das hier ist doch recht abstrus. Haben Sie mal mit einem Landwirt gesprochen, der ein Rehkitz angefahren hat? Die sind dann nämlich nicht tot, sondern liegen schreiend im Gras und müssen dann getötet werden. Die meisten Landwirte haben dann übrigens kein Gewehr dabei. Und wissen Sie, was passiert, wenn unbemerkt ein Kadaver in der Silage landet? Der vergiftet ganz einfach das Futter.

Und: In den meisten Ecken des Landes arbeiten Landwirte und Jäger oder andere Ehrenamtliche Hand in Hand, um mit Drohnen Kitze aufzuspüren. Aber da auch die ZEIT in Artikeln lieber auf gesellschaftliche Gräben setzt als auf ein Miteinander, würde das wohl gar nicht so gut ins Bild passen. Und zu guter Letzt: Sie glauben, dass sich der Wald von alleine schnell genug an den Klimawandel anpasst? Wird schwierig. Jedenfalls wenn er etwas zu 1,5° beitragen soll. Dann sollten wir die Entwicklung besser etwas aktiver steuern, nachdem wir das Gleichgewicht so erfolgreich beseitigt haben. Eigentlich spannende Themen, die Sie in dem Artikel zusammengetragen haben. Aber Ihre Schlussfolgerungen finde ich recht banal und seicht. Schade.
Marike Carstens

Das Foto passt nicht zu einem Beitrag, der sich ausschließlich mit dem tatsächlich bestehenden großen Rehwildproblem befasst! Das sieht aber sehr nach Hirschkalb aus….
Karl Scherer

Vielen Dank für den Beitrag zur Verbissproblematik durch eine zu hohe Wildpopulation. Vorweg, eine Variante wurde leider nicht aufgezeigt wie die Land- und Forstwirte, also die Grundbesitzer selber bestimmen können, wieviel Wild gejagt wird: sie können auch als Jagdgenossenschaft die sogenannte Eigenbewirtschaftung praktizieren, dabei wird das Revier nicht verpachtet sondern es werden Begehungsscheine von der Jagdgenossenschaft ausgestellt, i. d. R. über 1 Jahr, und die Vorgaben zum Abschuss werden dann von der Jagdgenossenschaft vorgegeben (je nach Bundesland mit Einschränkungen, da man z. B. in Bayern über den Jagdbeirat mit der Unteren Jagdbehörde die Abschusszahlen für je drei Jahre auf Basis des Forstlichen Gutachtens festlegt). Dabei lastet natürlich eine große Verantwortung auf dem Jagdvorstand, der das ganze organisieren muss. Und hier können dann auch Land- und Forstwirte mit Jagdschein sich an der Jagd beteiligen.

Beim Thema Wildtierrettung fehlt leider ein wichtiger Aspekt: das Tierschutzgesetz (insbesondere Paragraph 1 und 17) geben vor, dass ein Rehkitz nicht vermäht werden darf. Weiters gibt es Zusammenhänge zwischen der Art wie gejagt wird und dem Verhalten der Rehe. Eine Intervalljagd ist meiner Meinung nach dabei sehr gut (insbesondere, wenn dann im Wald gejagt wird) aus vielerlei Blickwinkeln. Ebenso gibt es mehr Kitze bei dichtem Wildbestand, und mehr Verkehrsunfälle mit Wild.  Was von Ihnen (leider) unterschwellig als Lösung genannt wird, die großen Beutegreifer, Wolf, Bär und Luchs, sind sicher nicht die Lösung für das Problem. Das bleibt grüne Ideologie und es hatte schon gute Gründe, warum unsere Vorväter diese Tiere in unseren Gefilden ausgerottet haben. Wir sind mittlerweile zu dicht besiedelt, um noch Platz für diese Tiere zu haben. Sie werden weder der Wildregulation nutzen (da sich z. B. die Rehe bei deren Anwesenheit sehr zurückziehen und somit der Jäger es noch schwerer hat sie zu sehen und zu schießen) noch die Natur bereichern (siehe Tierleid durch vom Wolf halb gerissene Nutztiere auf Weiden –> und die Weidehaltung ist der maximale Garant für Biodiversität!).

Sonst ist der Artikel schon gut gelungen, wenn auch an manchen Stellen unnötigerweise populistisch/ideologisch eingefärbt. Zumindest wird durch den Artikel den Leuten bewusst, dass es insgesamt nicht so einfach ist, einen Waldumbau hinzubekommen. (Was auch fehlt: man kann die jungen Bäume mittels Zaun / Verbisschutz schützen, kostet aber viel Geld und macht auch Arbeit.)

Daher wäre es gut gewesen, wenn Sie nicht nur mit den Jägern gesprochen hätten, sondern mit mehr Land- und Forstwirten sowie Jagdvorständen, dann wäre der Beitrag sicherlich noch besser und ausgewogener geworden.

(Und Jagdvorstand der Jagdgenossenschaft Winden bei Scheyern sowie Land- und Forstwirt (mit knapp 10 ha Fichtenmonokultur (in den späten 50-er Jahren von meiner Oma nach einem Gewittersturm, der den vorher bestehenden Mischwald mit ca. 140 jährigen Bäumen in einer Stunde dem Erdboden gleich gemacht hat, gepflanzt auf Anraten des staatlichen Försters (und ohne viel Alternativen, da es damals außer Fichte nicht viel Pflanzgut gab und gepflanzt werden musste, da aufgrund einer üppigen Brombeer-/Himbeerflora sonst nichts hochgekommen wäre)) die ich mir also nicht ausgesucht habe, wird leider von den Medien so auch immer verbreitet) derzeit massiv im Waldumbau mit entsprechender Verbissproblematik; und den Plan bei Ablaufen des aktuellen Jagdpachtvertrags auf Eigenbewirtschaftung umzustellen, wofür ich vor gut einem Jahr den Jagdschein gemacht hab, bis dato aber noch nicht aktiv jage)
Stefan Thurner

1971 wurde an Weihnachten Horst Sterns „Bemerkungen über den Rothirsch“ ausgestrahlt. 2023 hat sich an den Tatsachen, die dort geschildert werden, nichts, aber auch rein gar nichts geändert, außer dass die Bestände an Rothirsch, Reh und Sau– im Gegensatz zu fast allen anderen Tierarten- weiter angestiegen sind. Es handelt sich somit um das seit über 50 Jahren am längsten konservierte Umweltproblem Deutschlands. Kaum ein Laie kann sich den Einfluss von Reh und Hirsch auf die natürliche Vegetation wirklich vorstellen. Dabei ist es so einfach: Im wildfreien Zaun wächst -rosarot- das Waldweidenrösschen und die Pionierbaumarten Weide, Birke, Aspe; außerhalb wächst -rosarot- der giftige Fingerhut und Ginster. Man muss nur hinschauen.

Waldbesitzer, die ja auch Inhaber des Jagdrechtes sind, dieses er aber nicht ausüben dürfen, wenden nicht ohne triftigen Grund hohe Summen für die Einzäunung ihres Waldes auf. Den überaus furchtlosen Dr. Georg Sperber durfte ich zu Beginn meines Försterlebens vor 40 Jahren kennenlernen. Er mag sich in der bayrischen Forstverwaltung nicht durchgesetzt haben, aber er hat zusammen mit Baron Rothenhahn in der ANW (Arbeitsgemeinschaft naturnaher Waldbau) Generationen wald- und naturliebender Förster geprägt und gelehrt, auch mich. Wer wirklich etwas über den Wald lernen und erfahren will, der lese nicht Wohlleben, sondern das noch immer aktuelle und beste Buch über den Wald: Horst Sterns: „Rettet den Wald“ von 1979. Man rettet ja nicht den Wald, indem man „Oh Tannenbaum“ singt.
Jürgen Wagner

Gewiss: Wenn man aus den Fenstern der ZEIT-Redaktion auf Hamburg blickt, dürfte man nur in den seltensten Fällen eines Rehs ansichtig werden. Gleichwohl hätte ich fest daran geglaubt, dass es dem investigativen Geist der ZEIT möglich sein müsste, ein großes „Dossier“ zur Bewirtschaftung des Rehwildbestandes in Brandenburg auch mit dem Foto eines Rehs zu illustrieren. Wenn allerdings – dazu noch in Großformat – ein Hirschkalb statt eines Rehkitzes die Aufmachung ziert, dann erweckt dies den dringenden Wunsch des geneigten Lesers an die ZEIT-Redaktion, sie möge doch möglichst bald zu einem Ausflug in einen Tierpark aufbrechen. Dort würde sie – vermutlich staunend – feststellen, dass Bambi nicht das gemeinsame Kind von Mutter Reh und Vater Hirsch ist, dass ein Hirschkalb sehr viel größer als ein Rehkitz ist und das Kitz tatsächlich wie ein Reh aussieht; der schönen bunten Walt-Disney-Welt zum Trotz. Würde bei einem solchen Besuch dann noch die Erkenntnis eintreten, dass es bei der Frage – wieviel Wild verträgt der Wald? – nicht nur um die Bestandsregulierung des Reh- sondern auch des Rot- und des Damwildes geht (in Bayern zudem um die Gamspopulation), dann hätte sich der Redaktions-Ausflug doch für alle gelohnt.
Peter J. Scherer

Wenn, wie Sie schreiben, aktuell der Jäger bestimmt, wie viele Rehe er schießt im Wald, den er gepachtet hat – kann dann nicht der Waldbesitzer (oder mehrere) im Pachtvertrag konkret und juristisch verpflichtend festlegen, dass der Jäger ein bestimmte Zahl Rehe schießen und deren Abschuss formell beweisen muss? Und nur der Jäger bekommt die Pacht, der einen solchen Vertrag akzeptiert?
Kurt Eimers

Die Reportage über den Wald-Wild-Konflikt, der nicht nur in Brandenburg seit Langem schwelt, hat leider die Natur vergessen. Das Reh ist nämlich vielerorts der aller letzte Weidegänger im Naturhaushalt. Andere Wildtiere werden nicht geduldet und das Vieh ist weggesperrt. Der Artikel zeigt auch, wie laienhaft wir mit Klimakrise und Biodiversitätskrise umgehen: Die Maßnahmen werden von Jagd-Lobbyisten und Holzproduzenten bestimmt, nicht von Ökologen. Und die ZEIT verwendet einen jungen Damhirsch als Aufmacher für eine Geschichte über das Reh.
Peter Boye

Der Beitrag stellt die Situation um den Waldumbau und die begleitende Diskussion der Wald- Wildproblematik sehr umfassend und richtig dar, vor allem auch in Bezug auf die Frontstellung, die sich seit geraumer Zeit zwischen der traditionellen Jägerschaft und den sog. Ökojägern aufgebaut hat. Man muss anerkennen, dass der mit und ohne Klimawandel erforderliche Waldumbau der riesigen Brandenburger Kiefernwüsten auf zumeist nährstoffarmen und trockenen Sanden eine große Herausforderung ist, die viel Arbeit und Geld erfordert. Gerade die Kargheit der natürlichen Rahmenbedingungen erfordert für dieses Vorhaben einen angepassten Wildbestand und hier sind die Jäger mit in der Verantwortung.

Was mich bei aller Notwendigkeit einer konsequenten Bejagung jedoch massiv stört, ist die auch in der Wortwahl und im Handeln zum Ausdruck kommende Geringschätzung des Wildes, seiner Existenz und seiner legitimen Lebensbedürfnisse. Es sind immer noch Mitgeschöpfe, die einen respektvollen Umgang verdienen und nicht nur Mistviecher, die totgeschossen gehören. Durch bewusst gelebte Kulturlosigkeit und martialische Wortwahl gewinnt man die traditionelle Jägerschaft, die man dringend braucht, nicht zur Mitarbeit. Den Entwurf des neuen brandenburgischen Jagdgesetzes muss man nicht weiter kommentieren – er hat sich selbst gerichtet.
Joachim Menzel

Auch in Rheinland-Pfalz gibt es einen Regierungsentwurf zur Neufassung des Landesjagdgesetzes (LJG). Wie in Brandenburg wird dieser auch in RLP vom Landesjagdverband (LJV) mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft, mit denselben Argumenten wie in Brandenburg.

Hier wird sogar versucht, auch die Umweltverbände BUND und NABU für die jagdlichen Ziele einzuspannen, ebenso die Jagdgenossenschaften, deren Rechte aber in Wahrheit durch das neue LJG gestärkt würden. Die jagdliche Lobby ist extrem einflussreich und steht der industriellen in nichts nach, es handelt sich ja auch teilweise um dieselben Protagonisten.
Jürgen Wagner

Es fängt alles so schön an. Mit einer für viele Leser der ZEIT wohl überraschenden Erkenntnis. Leser, so wage ich zu behaupten, die weit überwiegend urban geprägt und für die Jäger eher fremde Wesen sind. Diese Jäger stehen im Frühling tatsächlich morgens um drei Uhr auf den Wiesen und retten frisch gesetzte kulleräugige Rehkitze vor dem sicheren Mähtod. Sapperlot, eine nette Geste. Eigentlich schießen die schrulligen Burschen doch nur mit Hinterlist auf wehrlose Tiere und haben auch noch Freude daran. Oder etwa nicht? Doch dann, schleichend, verschiebt sich der Erzählstrang in die altbekannten Muster. Jäger jagen der Trophäen wegen. Und sie treffen sich in Sälen mit dunklen Balken, wo ausdrücklich (wenn auch noch immer Duden-konform) nicht gegendert wird. Aha, hamwersdoch gewusst! Mit Verlaub, lieber Autor, da sind Sie einem ebenso alten wie falschen Klischee aufgesessen. Ich bin selbst Jäger und kenne niemanden, der sich in erster Linie wegen einer Trophäe zu nachtschlafender Zeit zum Morgenansitz aufmacht oder bis spät abends den Sauen nachpirscht. Jägern geht es um ein hervorragendes Lebensmittel, das Wildfleisch. Und um den Erhalt gesunder, angepasster Wildbestände, die im Einklang mit der Landeskultur stehen. Das steht so im Jagdgesetz, bitte mal nachlesen. Da sollte es nicht überraschen, dass sich die Jägerschaft nicht einverstanden zeigt, wenn Rehe und Hirsche radikal aus unseren Wäldern geschossen werden sollen.

Jäger gehen auch jagen, weil sie bei einem sehr ursprünglichen, geradezu archaischen Naturerlebnis vom Alltag abschalten wollen. Und man mag es nicht glauben, Jäger hängen Nistkästen für Vögel auf. Sie legen Wildtränken und Wildäcker an, damit der Lebensraum des Wildes verbessert wird. Das nennt sich Hege und ist gesetzlich ebenso vorgesehen. Sie stellen Waschbären nach, die unsere Amphibienbestände wegfressen und Vogelnester ausnehmen, und die als Neozoen einfach nicht in unsere Natur gehören. Jäger sind nach meiner Überzeugung deutlich wirksamere – und besser ausgebildete – Naturschützer, als die urbanen Menschen, die sich ihr schlechtes Umweltgewissen durch eine Spende oder Mitgliedschaft in BUND oder Nabu erleichtern, aber noch nie die Dämmerung allein in Wald und Flur genießen und letztlich die Natur wirklich erleben konnten. Die paar wenigen Waidgenossen, die tatsächlich ein Revier innehaben, in dem man auf das Heranzüchten von Trophäenträgern aus sein kann, sind eine absolute Minderheit in der Jägerschaft.

Nächstes Klischee, wenn auch eher subkutan dem Leser untergejubelt: Das geltende Jagdgesetz ist für die Reichen und es stammt in wesentlichen Teilen aus Nazizeiten. Um Gottes Willen, denkt der Leser, das kann ja nicht richtig sein, dass der Göring heute noch mitregiert! Will man das ändern, dann wird es halt schwierig, wenn ein grüner Minister und seine Verwaltung bei ihren Erziehungsaktionen auf den geschlossenen Widerstand nicht nur der Jäger, sondern aller organisierten ländlichen Akteure trifft. Wer wohl die fundiertere Kenntnis davon hat, wie man Land- und Forstwirtschaft mit der Jagd und dem Natur- und Klimaschutz in Einklang bringt? Ich habe da eine leise Ahnung: Man sollte sich als Minister nicht nur auf die rein ökonomisch handelnde Forstverwaltung sowie die Radikalposition eines Splitterverbandes wie dem sog. Ökologischen Jagdverein (ÖJV) Brandenburg stützen, der eine sehr niedrige dreistellige Mitgliederzahl aufweist, aber laut schreien kann.

Der Landesjagdverband Brandenburg hat 12.000 Mitglieder, die fest verankert in den Kommunen des gesamten Landes sind. Die sollte man nicht aus den Potsdamer Amtsstuben heraus umzuerziehen versuchen, zumal man sie braucht für die eigenen Ziele und sie Einfluss auf die Wählerschaft haben. Das hat Herr Minister Vogel nach einigem Gezerre inzwischen verstanden, und dafür gebührt ihm Anerkennung. Kleines Schmankerl am Rande: Ich kenne Mitglieder dieses ÖJV, die nach zig erfolglosen Ansitzen im Staatsforst ihre Begehungsscheine zurückgaben und stattdessen nun lieber in anderen Revieren jagen, wo es noch Wild gibt. Da traf Ideologie auf Realität. Die Staatsforste sind bereits zu großen Teilen leer geschossen.

Dann schreibt der Autor, dass angeblich jeder zweite Laubbaum in Brandenburg von Rehen oder Hirschen verbissen sei. Das ist in dieser Verallgemeinerung nachgeplapperter, politisch motivierter Unsinn. Weder in dem von mir mit bejagtem Revier noch in vielen anderen Wäldern Brandenburgs, in denen ich unterwegs bin, habe ich je so einen Verbiss gesehen. Im Gegenteil, bei uns wachsen die jungen Eichen, Birken und Ahorne prächtig, obwohl wir einen ordentlichen Bestand an Rehwild haben. Nach Lesart der Forstverwaltung wären das zwar viel zu viele, jedoch: Man sollte sich einfach mal fragen, wie sich die Natur seit Urzeiten selbst verjüngt, trotz des wiederkäuenden Schalenwildes, das nun mal zum Biotop Wald gehört. Die heutigen Kiefernwüsten hat die Forstverwaltung selbst geschaffen. Nun muss der Klimaschutz zur unwiderlegbaren Begründung der Radikalaktion Totschuss herhalten. Dass m.W. bisher niemand belegen konnte, dass ein verbissenes Bäumchen im Laufe seines restlichen Lebens weniger CO2 bindet als ein nicht verbissenes, stört da nicht. Das verbissene Bäumchen wächst halt nicht so schön gerade, und ist damit später weniger wert. Einer rein wirtschaftlich orientierten Forstlobby ist das natürlich in Dorn im Auge.

Und zum Schluss kommt noch das Beste: Der Wolf wird es richten! Wenn man die Argumente alle kennt, war das zu erwarten. Doch das ist eine ganz eigene Geschichte in einem Bundesland, das bereits heute die höchste Wolfsdichte weltweit hat, Tendenz weiter steigend. Der gesunde Erhaltungszustand sei beim Wolf aber noch lange nicht erreicht, so die grüne Verwaltungsmaschine. Merken Sie etwas? Wo soll das hinführen? Ist man hier erneut schlauer als im Rest der Welt?

Also – auf den ersten Blick ein ganz gut gemachtes Dossier. Leider in wesentlichen Teilen tendenziös oder gar falsch. Zumindest aber wird vom Autor subtil eine Position eingenommen. Ein paar Beispiele: Die traditionellen Jäger sagen euphemistisch „Aufbrechen“, wenn den Tieren doch eigentlich mit roher Gewalt „die Bauchdecke aufgeschlitzt“ wird. Der Herr vom ÖJV aber trifft „auf 80 m sicher“, er jagt „effektiv und störungsarm“ „wie ein Wolf“, und die im Wald des ÖJV-Grafen erlegten Rehe bekommen ihre Bäuche so operiert „als hätte jemand an einem Reißverschluss gezogen“. Da sind unterschwellig den Leser beeinflussende Sprachbilder am Wirken.

Ich glaube letztlich, Herr Nejezchleba ist anfangs wirklich offen an das Thema herangegangen. Dann aber ist er den weit verbreiteten Narrativen interessierter Kreise aufgesessen. Schade. Für mich heißt das, dass die Jägerschaft die Zusammenhänge der Natur und unserer Kulturlandschaft, ihre eigene Motivation und ihre Aufgaben noch viel intensiver den nicht jagenden Menschen vor allem in den Städten erklären muss. Und dass die demokratischen Parteien besser zuhören müssen. Sonst wird auf dem Land erneut den Falschen politisch in ihre gezinkten Karten gespielt.
Ralf Wagner

Da hat Herr Martin Nejezchleba ein sehr interessantes Thema aufgegriffen. Eine engagierte Jägerschaft rettet mit techn. Unterstützung, das Einfangen von Rehkitzen und rettet sie vor dem Mähwerk der landwirtschaftlichen Großmaschinen. Nachdem das Gras geschnitten wurde, werden Jungtier und Mutter wieder zusammengeführt. Welche eine beglückende Geschichte, sollte man meinen. Niedersachsen: wenn das Wetter mitspielt, kommen die großen“ Heuwender“ mehrmals und dann die großen Hydraulischen Pressen, pressen Ballen von ca. 300 kg. Nicht so 30 km nordöstlich von Berlin? Frage: Wo hat BAMBI sich zwischenzeitlich versteckt?
Peter Wahlers

Das Foto, mit dem Sie aufmachen, zeigt kein Reh, sondern vermutlich das Kalb einer Hirschart (Rotwild, wahrscheinlicher, Damwild oder eine außereuropäische Hirschart).
Hans-Joachim Busch

Das Dossier folgt dem Narrativ, zum Umbau und Schutz des Waldes muss mehr Wild geschossen werden. Für eine differenzierte Berichterstattung, wie man sie von einem Dossier erwarten kann, wäre wünschenswert gewesen, dieses Narrativ in Frage zu stellen. Denn Wald und Wild sind keine Gegensätze und es gibt ausreichend Maßnahmen, wie sie bspw. von renommierten Wildtierbiologen Prof. Klaus Hackländer von der Universität Wien aufgezeigt werden. Gerade die Grünen übersehen dies in ihrer Politik und machen es sich viel zu einfach, mehr Wildabschuss zu fordern und als Maßgabe für den Wildabschuss forstwirtschaftliche Gutachten vorzuschreiben. Damit dienen sie einseitig den wirtschaftlichen Interessen der Waldbesitzer und treten, wie es der Entwurf des neuen Jagdgesetzes in Rheinland-Pfalz überdeutlich zeigt, den Tierschutz mit Füßen, was für eine Ökopartei paradox ist. Aber nicht nur das, zumindest der Gesetzentwurf in Rheinland-Pfalz löst verfassungsrechtliche Bedenken aus, die noch zu klären sind.

Womit ein weiterer Punkt in diesem Dossier zu kritisieren ist: Einseitig einer Interessengruppe wie den Waldbesitzern qua Gesetz Macht zu verleihen und die Interessen anderer Verbände zu ignorieren ist ein zutiefst undemokratisches Vorgehen. Gefährlich wird es, wenn dabei Ängste wie die vor dem Waldsterben und dem Klimawandel geschürt werden, um den kritischen Diskurs zu umgehen und eigene Ideen durchzusetzen. Eine Vorgehensweise, die nur zu gern von Autokraten oder totalitären Regimen benutzt wird. Dass das abgehoben und basisfern ist und zum Glück in unserer Demokratie nicht funktioniert, musste der grüne Umweltminister Vogel in Brandenburg lernen und wird die grüne Umweltministerin Eder in Rheinland-Pfalz vielleicht auch noch verstehen. Hier wäre von einem ZEIT Dossier zu erwarten gewesen, etwas mehr in die Tiefe der Argumente und politischen Prozesse einzudringen, anstatt oberflächliche Bilder und Vorurteile von Gamsbärten und Jagdtrophäen zu bemühen.

Oberflächlich ist das Dossier auch in der Berichterstattung über den Ökologischen Jagdverband. Differenzierte Berichterstattung muss sein. Es darf aber nicht die Einordnung fehlen. Der Ökologische Jagdverband steht für gut 1% der organisierten Jägerschaft in Deutschland und vertritt einseitig Interessen der Waldbesitzer. Der Deutsche Jagdverband steht für knapp 99% der restlichen organisierten Jägerschaft. Seine inhaltlichen Positionen werden aber nicht vorgestellt. Vielmehr erfolgt eine eher launige Darstellung über den Präsidenten des Landesjagdverbands Brandenburg. Das ist keine sachliche Berichterstattung, wie man es leider auch im Rest des Dossiers zwischen den Zeilen zu spüren bekommt. So ist der Rekurs auf den gewünschten Wolfsabschuss schlicht manipulativ, weil er beim Leser die Assoziation auslösen kann, der Wolf nähme den Jägern das Wild weg. Der Deutsche Jagdverband sieht den Wolf nicht als Konkurrent. Es geht ihm beim Wolfsabschuss nur darum, Problemwölfe zu entnehmen, um von Viehzüchtern oder Menschen Schaden abzuwenden, und dies durch die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht bürokratisch einfacher als heute lösen zu können.
Stefan Jugel

Ist das jetzt das ZEIT-Sommerloch, oder was soll dieses auf die Tränendrüsen drückendes Dossier über Bambi? Womit wir schon beim ersten Fauxpas des Autors wären: „Bambi“ hat einen Hirsch zum Vater und eine Hirschkuh zur Mutter, ist somit nicht das Junge des Rehs, hat also mit der beschriebenen Problematik nichts zu tun. Hat das in der Redaktion keiner bemerkt, oder zieht die Bambi-Story einfach besser? Sodann gäbe es jede Menge Anmerkungen zu machen. Was soll zum Beispiel das Framing gleich am Anfang, dass „Waidmannsheil“ (schreibt man eigentlich zusammen) in Fraktur dasteht? Was möchte der Autor insinuieren? Frakturschrift=rechts=alle Jäger sind rechts? Und der zitierte Jäger darf dann auch im Dialekt reden, während die forstlichen Fachleute später in gewähltem Hochdeutsch zitiert werden…

Der Konflikt, den der Autor beschreibt, ist uralt. Seit der Wald als Wirtschaftswald dient, gilt im (staatlichen) Forst „Wald vor Wild“, ein alter Hut. Nur scheint es jetzt, da mantrahaft die Mär vom nicht zu übertreffenden CO2 Speicher Wald wiederholt wird, neu in den Blickpunkt zu rücken. Ich empfehle hierzu das Buch „Wildnis“ des Biologen Jan Haft, der mit diesem Missverständnis auf wissenschaftlicher Basis aufräumt. Und wenn der Autor schon am Lesen ist, empfehle ich gleich noch das Lehrbuch „Vor und nach der Jägerprüfung“, dann wüsste der Redakteur auch, dass man für die Jägerprüfung mitnichten nur „viele Jägerwörter und Jägerregeln“ lernt (klingt nach Waldtag im Kindergarten)! Auf die Jägerprüfung habe ich auf jeden Fall deutlich mehr gelernt, wie damals für das Abi. Hätte man sich im Vorfeld kundiger gemacht, wüsste man als Redakteur auch, dass Jäger für von Schalenwild (Rehe, Wildschweine) verursachtem Wildschaden schadensersatzpflichtig sind. Dies kann auch schon mal in die Tausende gehen, es gibt auch Fälle, bei denen die Beträge fünfstellig werden. Insofern habe ich in meinen über zwanzig Jagdjahren noch keinen Jäger kennengelernt, der sich in seinem Revier einen riesigen Bestand „anzüchten“ möchte, um dann anschließend für die verbissenen Bäumchen zu bezahlen.

Das viel bemühte Bild des trophäengeilen Jägers wird durch Wiederholung nicht richtiger, aber man darf die Trophäe doch behalten, wenn sie schon dabei ist, oder? Ansonsten kenne ich nur Jäger, die wegen des Fleisches jagen. Übrigens verbringen viele Jäger auch viel Zeit damit, für Verbissschutz zu sorgen, das kann richtig viel Arbeit machen. Denn die meisten Revierpächter sind keine reichen Hobbyjäger, die am Wochenende wie aus dem Jagdkatalog entsprungen mit dem Range Rover in`s Revier preschen und durch die Dickung pirschen in der Hoffnung auf ein bisschen Abenteuer. Die meisten sind engagierte Wild- und Naturschützer, die nicht nur Kitze retten, sondern auch Wildäcker anlegen, Wege freischneiden, bedrohte Arten wie das Auerwild schützen etc. etc., und sich mit dem Verkauf des Wildes die Jagdpacht verdienen. Soll jetzt noch mehr geschossen werden, wäre es natürlich für die Jägerschaft hilfreich, wenn mehr Menschen nicht nur zu Weihnachten ein Rehfilet in den Ofen schieben (oder gleich das Hirschragout aus Übersee), sondern ganzjährig vermehrt zu Wild greifen, anstatt zu billigstem Fleisch aus Massentierhaltung.

Zu den Abschusszahlen lässt sich auch noch anmerken, dass die Jäger bis vor einigen Jahren zumindest in Baden-Württemberg einen „Abschussplan“ bekamen, in dem aufgelistet war, wieviel Rehwild zu erlegen ist, und den der Jäger erfüllen musste. Erst seit einigen Jahren liegt dies im Ermessen des Jägers, und ich konnte bisher nirgends nachlesen, dass seither die Rehwildpopulation explodiert wäre. Und was ist eigentlich mit den Schäden, die Schwarzwild anrichtet? Die finden keine Erwähnung, obwohl dies gerade für Landwirte oft der deutlich größere Schaden ist. Ich finde es schon erschreckend, wie das Rehwild im Beitrag als Schädling dargestellt wird, von einem Kampf gegen die Rehe die Rede ist – als befände man sich im Krieg. Und wie groß wäre der Aufschrei, hätten Jäger tatsächlich das Bild von sich als „Schädlingsbekämpfer“, die möglichst viel Wild beseitigen wollen. Wie groß wäre da der Aufschrei, gerade auch bei den Freunden der ZEIT!

Ein bisschen dürftig auch, dass der Autor einen Fernsehbeitrag von vor fünfzig Jahren heranziehen muss, um seine Story zu untermauern – offensichtlich gab es keine aktuelleren Beiträge bzw Experten. Fehlte eigentlich nur noch, dass Herr Wohlleben von den Schmerzen der Bäume beim Verbiss erzählt… Das Problem ist doch nicht das äsende Reh, sondern die vielfach noch verbreiteten Monokulturen, vorzugsweise Fichte. Wo ein schöner Mischwald herrscht, mit Waldwiesen und ruhigen Wiesen zum Äsen, klappt das mit der Naturverjüngung auch. Ruhe hat das Wild aufgrund von vielfachen Freizeitaktivitäten im Wald, gerne auch zur Abendstunde, halt oft nicht mehr. Und was spricht nun eigentlich gegen die Kitzrettung? Ist es für das Tier nicht besser, schmerzfrei und ohne Leiden durch einen gezielten Schuss getötet zu werden, als Mähdrescher zerfetzt, vom Auto überfahren (hunderttausende von Tieren jährlich) oder vom Wolf gerissen zu werden? Ich habe diesen Sommer sowohl ein vermähtes Kitz als auch ein gerissenes Reh gefunden, kein schöner Anblick, von den Qualen für das Tier ganz zu schweigen.

Ach, und was ist eigentlich mit dem Rotwild, das aufgrund seiner Angewohnheit, Bäume zu schälen, in Deutschland nur in begrenzten Rotwildgebieten leben darf, genetischer Austausch nicht vorgesehen. Ist schon seltsam, der Wolf wird inklusive seiner „Kollateralschäden“ mit offenen Armen von denselben Menschen empfangen, die dafür plädieren, das Rotwild künftig auch außerhalb seiner Gebiete rigoros abzuschießen. Alles in allem ein komplett überflüssiges und lückenhaftes Dossier, das mal wieder den Jäger in die Pfanne haut. Man kann es ohnehin keinem recht machen, entweder man schießt zu viel, oder zu wenig. Aber das hanseatische Sommerloch ist gestopft, man scheint dort aktuell keine drängenderen Probleme zu haben als das Reh als Konzentratselektierer – glückliches Hamburg. Wann war der Autor eigentlich zum letzten Mal im Wald, und wie viele Rehe hat er gesehen?
Anuschka Cathérine Eberhardt

Bei der Illustration von Tierarten passieren der ZEIT immer wieder haarsträubende Fehler. Im ZEIT-Dossier „Muss Bambi sterben?“, einem Artikel über Rehe, zeigt das Foto von Peter Samuels kein Reh, sondern einen jungen Weißwedelhirsch (White-tailed Deer), eine ganz andere und etwas größere Hirschart. Weißwedelhirsche leben in Nordamerika. Immerhin passt das Foto zur Überschrift, denn das Wort „Bambi“ entstammt ursprünglich dem gleichnamigen, nordamerikanischen Disney-Trickfilm aus dem Jahr 1942 und für „Bambi“ war der Weißwedelhirsch damals die Vorlage.
Steffen Walentowitz

Toll recherchierter Artikel. Hier ist das ganze Dilemma Deutschlands zusammengefasst: Alte weiße Männer, wirtschaftliche Interessen, Lobbyismus… Dabei hätte man, wie Sie auch beschrieben haben, genügend Langzeitstudien (außerdem noch erwähnenswert der Yosemite Nationalpark) die gezeigt haben, wie es geht. Die Probleme wurden schon seit den 70er Jahren beschrieben (wie auch die Themen: Müllberge, Klimaveränderungen, Artensterben, falsche Landwirtschaftspolitik, alternative Energie) Hier bedarf es einer Erweiterung der europäischen Grundrechte, wie sie im Entwurf schon vorliegen. Jeder von uns kann sich einsetzen.
Susan Schirmbeck

Die Jäger fürchten einen Wald ohne Wild – alle fürchten einen Wald ohne Wald.
Gabriele Haarhaus

Offensichtlich ist bei dieser unleidigen Diskussion den Beteiligten der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen. Es ist doch kristallklar, dass, nachdem alle natürlichen Beutegreifer wie Bär, Wolf und Luchs weitestgehend ausgerottet wurden, sich Wildschwein und Reh mangels natürlicher Feinde immer mehr vermehren und sich aufgrund hervorragender Reproduktionsbedingungen mittlerweile zum echten Problem für Wald und Flur entwickelt haben. Die Erfahrung zeigt einmal mehr: immer, wenn der Mensch „regulierend“ in die Natur eingreift, geht das natürliche Gleichgewicht flöten. Gerade jetzt, wo alle Anstrengungen für einen gesunden und stabilen Wald unternommen werden sollten, scheint dieses dringende Vorhaben aufgrund des Verbisses viel zu vieler Rehe gefährdet zu sein! Und weil noch nicht genug Ironie, gibt man das einzig noch oder wieder vorhandene Regularium – den Wolf – zum Abschuss frei!
Franz X Brunngartner

 


Leserbriefe zu „Des Kanzlers Ommmm“ von Roman Pletter

Adenauer wird der Slogan zugeschrieben: die Lage ist ernst (aber nicht hoffnungslos). Von Hoffnung derzeit keine Spur, es wird ohne Rücksicht auf Verluste durchregiert, als ob es kein Morgen und keine Wahlen gäbe. Wenn Konjunktur etwas mit Psychologie zu tun hat, ist in Berlin eine Laienspieltcombo unterwegs, die mit dem Kanzler an der Spitze für Probleme nur ein verschmitztes Grinsen übrighat. Zu allem Überdruss bleibt auch die größte Oppositionspartei merkwürdig einsilbig und arbeitet sich lieber an der Brandmauer ab. Es wäre die Chance von Friedrich Merz, einen radikalen Kurswechsel zu proklamieren und damit die stille Mehrheit zurückzugewinnen. Mit dem Versprechen, dem Öko – und Multi-Kultiwahn abzuschwören und etwa Heizungsdiktat und Verbrenneraus zu revidieren. Realistisch freilich nur gegen die Grünen, die aber längst zu Hauptgegnern mutiert sind. Schließlich hätten selbst AfD Sympathisanten plötzlich eine Option.
Christoph Schönberger

Deutschlands Wirtschaft geht es schlechter, und da bekomme nicht nur ich ein mulmiges Gefühl, wenn so riesige Summen Geld ausgegeben werden sollen, um ein paar Unternehmen nach Deutschland zu locken. Wäre es nicht verantwortungsvoller, diese riesige Menge Geld in Projekte fließen zu lassen, die geeigneter sind, das gesamte Land zu stabilisieren? Ich möchte einen Gedanken zufügen. Es ist, das finde ich wichtig, der Osten Deutschlands, in dem die Betriebe angesiedelt werden sollen, und der Osten Deutschlands ist für die gesamte Republik immer noch, zumindest in der eigenen ostdeutschen Wahrnehmung, ein Stiefkind, weniger wert, zu kurz gekommen, vom Westen überfahren und nicht mit dem ausgestattet, was versprochen wurde. Das ist noch immer auch nach so vielen Jahren noch das Gefühl vieler Menschen im Osten, und auf diesem Gefühl kocht die AfD ihr trübes Süppchen. Wenn jetzt die Ministerpräsidenten der östlichen Bundesländer jubeln, weil so viel Geld in ihre Region kommen soll, so jubeln sie, weil sie sich endlich eine Perspektive für ihre Bevölkerung versprechen. Arbeitsplätze für die Menschen, das ist Sicherheit in der gefürchteten Umstrukturierung! Arbeitsplätze im Osten, Geld, das gezielt in diese Region fließt, das ist das Gefühl, endlich gesehen zu werden, endlich von dem großen Kuchen, den Steuer-Einnahmen der gesamten Republik ein hinreichend großes Stück abzubekommen.

Die Angst, die der Autor äußert, dass die großen Unternehmen anderen das kostbare Gut“ Arbeitskräfte “ abwerben könnten, dürfte in der Sicht der ostdeutschen Ministerpräsidenten nicht Angst, sondern umgekehrt Freude und Hoffnung bereiten.  Die Ansiedlung der großen neuen Betriebe wäre die Aussicht, dass für die im Land wohnenden Menschen Arbeit da ist, auch wenn die alten Industriebetriebe schließen. Und die Suche nach Arbeitskräften in den anderen Bundesländern gäbe Hoffnung, dass viele der jungen und fitten Menschen, die damals, als es im Osten keine Arbeit gab, in die westlichen Bundesländer abgewandert sind, dann, wenn in der Heimat Arbeitskräfte gebraucht werden, zurückkehren und wieder in ihre Städte und Dörfer ziehen würden. Investitionen in Firmen im Osten unseres Landes wären unter diesem Gesichtspunkt Investitionen in den Frieden und in die Einheit unseres Landes. Kurzfristig ändern dürfte sich nichts: Die AfD wird noch eine Zeitlang ihre guten Zustimmungswerte feiern. Längerfristig aber dürfte sich die Ausgabe von so viel Geld für den kleinen Teil unseres Landes auszahlen, denn dieses Geld wäre ein Baustein für das ersehnte auch endlich gefühlte Einswerden unseres Volkes. Und ein Land, das eine Einheit ist, hat Stabilität.
Ursel Heinz

Ich kann dem Leitartikel von Herrn Pletter in weiten Teilen nur zustimmen und insbesondere den scharfen Aussagen zu den Milliardensubventionen für TSMC und Intel gut folgen. Es drängt sich nämlich in der Tat der Eindruck auf, dass die handelnden Personen keine Ahnung haben, was genau sie da subventionieren und welche Abhängigkeiten gleich noch bekämpft werden sollen. In dem ZEIT-Interview mit Frau Brantner von den Grünen vor Kurzem, wurde z. B. (leider ohne Widerspruch durch die Fragesteller) behauptet, man verringere die Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffen aus China. Diese Rohstoffe werden aber zur Herstellung der Chips benötigt, sie sind ein Vorprodukt. Man stelle sich nur vor, was mit 15 Milliarden Euro für die deutschen Hochschulen, Schulen oder Kitas zu machen wäre!
Andreas Zabel

Wenn Roman Plettner die ostentative Gelassenheit von Olaf Scholz mit seinem beunruhigenden Lagebild über unsere Wirtschaft kontrastiert, dann tut sich einmal mehr diese große Erklärungslücke auf, die uns ratlos auf den Kanzler schauen lässt. Wahrscheinlich will Olaf Scholz bei seinen Auftritten wie im ZDF-Sommerinterview souverän wirken und Vertrauen schaffen. Aber es ergibt sich stets der Eindruck von fehlender Ernsthaftigkeit, von Mangel an Respekt vor den Bürgerinnen und Bürgern und einem übermäßig starken Selbstbezug. Es entsteht der Verdacht, dass alles, was groß wirken soll, viel kleiner sein könnte. Geht es nur um Profilierung, auch durch das peinliche Kleinhalten von Konkurrenten (z.B. von Robert Habeck und Boris Pistorius)? Das Oszillieren zwischen Doppel-Wumms-Attitüde und ewigem Zaudern, zwischen Zeitenwendeanspruch und ewigem Hickhack in der Bundesregierung erzeugt Unglaubwürdigkeit und zerstört Vertrauen. Es scheint für den Kanzler eine große persönlicher Herausforderung zu sein, andere auch gelten zu lassen. Er sollte sich nicht von der Befürchtung leiten lassen, hinter der Wirkung von anderen unscheinbar zu werden. Eine Regierung von Gewinnern gewinnt Vertrauen, eine Regierung von Verlierern verliert Vertrauen. Andere gelten zu lassen ist ein Zeichen von wahrer Größe.
Reinhard Koine

In 45 Jahren Abo keinen so schlappen Artikel auf Seite 1 in Erinnerung. Man kann das so sehen und schreiben wie Herr Pletter, aber es zu drucken, dafür ist der prominente Platz auf dem Titelblatt zu schade
Horst Saal

„Ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich ganz ungeniert“. Im Kabinett ein Bild wie in einem Kindergarten: Es wird um Eimer und Schaufel gestritten, vor den anderen. Hoffentlich gibt es wie im Kindergarten üblich Kakao und Kuchen. So sieht es aus, wenn Frauen und Männer eine Aufgabe erfüllen sollen für die sie erkennbar nicht geeignet und schon gar nicht ausgebildet sind (Fachkräftemangel). Der Leiter dieses Kindergartens ist offensichtlich nicht Willens und/oder in der Lage die „Bärchengruppe“ und die „Hamstergruppe“ in den Griff zu bekommen und für Eintracht und Frieden zu sorgen. Es herrscht hausgemachtes Chaos und Anarchie in der Ampelkoalition. Wie sieht ein Ausweg aus? Vielleicht mal die unterschiedlichen Ansichten und Möglichkeiten intern und nicht „coram publico“ besprechen und dann eine abgestimmte Lösung der Öffentlichkeit präsentieren. Derzeit werden fast alle Gesetzesvorhaben streitig verhandelt und zerredet. Vor allem zwischen den Grünen und der FDP kriselt es gewaltig. Der SPD-Kanzler schaut erstmal zu und verkündet immer alsbaldige Einigungen. Er verbreitet Optimismus. Woher er diese Einsicht hat, wird sein Geheimnis bleiben. Die Fakten sehen leider ganz anders aus. Es wird Geld, viel Geld, in die Ansiedlung ausländische Firmen gesteckt die Leuchtturmprojekte erstellen. Aber die heimische Wirtschaft schwächelt. Auch wegen deutscher Bürokratie und mangelnder Digitalisierung. Bevor der Bundeskanzler Olaf Scholz die Lage der Wirtschaft darstellt, wäre es mitunter von großem Vorteil wirkliche und ausgewiesene Fachleute zu befragen, da das Fachwissen in seinem Kabinett nur sehr rudimentär vorhanden ist. Das diese Maxime nicht befolgt wird hat sich in der Krisenbewältigung (Corona und Ukraine-Krieg und Energiewende) gezeigt. Das Gießkannenprinzip hat zu sozialen Verwerfungen und Frust geführt. Das vom Kanzler versprochene hohe Tempo hat sich nicht eingestellt, von der ebenfalls versprochenen Führung mal ganz abgesehen. Das Kindergartenbild ist symptomatisch für die Arbeit dieser Regierung. Vom Regierungschef („Kindergartenleiter“) darf, nein muss, die Bevölkerung erwarten, dass die Streitpunkte zwischen den Grünen und der FDP souverän, geräuschlos und zielorientiert im angemessenen Tempo erledigt werden. Lippenbekenntnisse helfen da echt nicht weiter: „Zeitenwende, Doppel-Wumms und Deutschland-Tempo“. Und die Umsetzung? Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man darüber lachen. Besser ist in letzter Zeit absurdes Theater nicht aufgeführt worden: „Warten auf Scholz oder Olaf und die Nashörner!“ (Beckett und Ionesco lassen grüßen.)
Felix Bicker

Wenn man einen Leserbrief an die ZEIT schreibt, ist es als wenn man einen Ochsen ins Ohr petzt – keine Reaktion. Diese Meinungsäußerung richtet sich aber nicht nur an Herrn Plettner, sondern die Qualität der Zeitung insgesamt ist zu überdenken: Wie kann es sein, dass ein Leitartikler solch ein Gebräu von Emotion, Unlogik bis zur Faktenfälschung, Themenansprache ohne Struktur veröffentlichen kann? In der Schule hätte man den Aufsatz mit einer Fünf bewertet.

Für Herrn Plettner im Einzelnen: Sie nennen das Wirtschaftswachstum der 50er Jahre – vor 70 Jahren und schließen aus einer statistischen Delle auf „Abgrund“ ?          Sie vermengen die Probleme ‚Corona, Krieg, Energiepreise, stillstehende Fabriken…‘ in einen Gedankenbrei, statt die verschiedenen Anforderungen zu analysieren Alle Fragen der ‚Dekarbonisierung, Klimawandel, Alter der Gesellschaft, Welthandel…‘ erfordern die strukturellen Veränderungen unserer Volkswirtschaft – was sonst? Was soll der Recours auf die 50er Jahre und ein „zerstörtes Land“? Abgeschriebene Kohlekraftwerke werden durch zukunftsfähige Energieerzeugung ersetzt! (Das gilt auch für Ihr Bonsai-Thema Atomkraft) Es gibt nur eine Parallele zwischen Corona- und Energiekrise: Der Staat hat wirkungsvoll zu Schutzmaßnahmen aufgerufen und unterstützt – im anderen Fall hat wiederum der Staat wirkungsvoll finanziert und den Winter abgesichert. Wenn auch nicht perfekt!

Und jetzt kommt ein ganz trübes Kapitel Ja der Staat, Bund und Länder, investieren Milliarden in Wasserstoff (haben Sie übersehen) und Technologie. Wie Sie genau wissen, ist es der Ansatz / ein begründeter Versuch, überzogene Abhängigkeiten von der Weltwirtschaft zu reduzieren, nicht zu lösen! Und ersparen Sie uns diese Marginalie Steuer-/Kontonummer. Abschließend, man verliert die Lust, muss man Ihren persönlichen (alten?) Pessimismus bedauern. Die Diskussion über die Zukunft verdient mehr Vernunft, Rationalität und Offenheit für Veränderung.
Detlef Geisendörfer

Inzwischen steht der Kanzler vielfach nur noch für eine unfreiwillig komische Aufmerksamkeit, die er seinem Amt verdankt und deshalb ihm eigentlich nützen soll. Damit rüttelt er erkennbar selbst und erschreckend am Zivilisationsmodell Staat und trägt damit selbst zu dessen Fragwürdigkeit bei, welche andere zu ihrem Politikziel erklären.
Jürgen Dressler

Da gibt es in zeit nr.34 ein bedenkenswertes Gespräch mit dem sozialforscher Schnell über sog. Meinungsumfragen, u.a. zur minderen Qualität des ZDF-Politbarometer. Unbeeindruckt beruft sich in zeit nr. 35 Roman Plettner im Leitkommentar auf Seite 1 just auf eine Umfrage dieses Politbarometers. Das ist doch richtig verrückt. Als suchte der Journalist Unterstützung für seine Meinung. Wie schlecht und unqualifiziert!
Peter-Paul Prietzel-Düwel

Wieder ein Beitrag, um das Jammern auf hohem Niveau zu stärken. Früher waren die Zeit Artikel besser recherchiert und strotzten nicht vor Polemik. Z. B. Zum Atomstrom, eine Kw/h kostet eingerechnet aller Kosten nach einer BUND Quelle 42,8 Cent, die der Windkraft 8,1 Cent. Und beim Atomstrom sind die Kosten für das ungelöste Endlagerproblem nicht einmal eingerechnet. Bei 8,1 Cent pro Kw/h hätte die deutsche energiehungrige Industrie bessere Wettbewerbschancen. Wäre vor 10 Jahren schon die Transformation in entkarbonisierte Energiegewinnung gestartet, hätten wir nicht das Problem mit Putins Gas oder den hohen Strompreisen. Es wäre schön, wenn Journalisten mehr Mut und Zuversicht erzeugen würden anstatt in das allgemeine Gejammer, vor allem auch der AfD , einstimmen würden. Zahlen, Daten und Fakten einer breiteren Masse näher zu bringen, hilft gegen Populismus und Agitation. Vielleicht kann Herr Pletter beim nächsten Artikel das mehr beherzigen. Ebenso ist das ein Ratschlag an die Redaktionsleitung.
Lothar Jäger

Mit meinen 84 Jahren habe ich bisher wissentlich alle Bundeskanzler Deutschlands erlebt, aber so einen, der sich an nichts erinnern kann, noch nie. Wenn im Kanzleramt hochbezahlte ca. 700 Mitarbeiter tätig sind, dann fragt man sich, reichen so viele Mitarbeiter nicht aus, um die Realität zu erfassen. Sie, die Realität, ist noch nie in Deutschland so dramatisch gewesen und jeder logisch denkende Mitbürger fragt sich, wie soll das enden, wo noch zwingend eine indirekte Kriegsbeteiligung hinzukommt, die von den wehrfeindlichen Politikern der SPD überhaupt nicht erkannt wird. Die Liste der Bedenken ist unendlich, und es ist müßig, bei der politisch traumhaften Einstellung in Deutschland, sich noch weiter zu beklagen, momentan wird ganz ungewollt politisch alles getan, um eine Radikalisierung zu fördern.
Bertold Zipfel

Der Kanzler, der Mann ohne Erinnerung, schweigt sich weiter aus, das kann er am besten, das hat er schon oft genug bewiesen. „Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer da sündigt, der hat ihn nichts gesehen noch erkannt“: (1. Johannes 3:6) Lutherbibel 1912
Klaus P. Jaworek

Vielen Dank für besonders den Seite-1-Artikel.  Sie haben Recht: Die Ampel kann zwar nichts für viele der Ursachen der derzeitigen Wirtschaftsflaute, wohl aber für die Illusionen, die sie darüber verbreitet.  Besonders bei Herrn Scholz ist der Stolz auf das sogenannte „Deutschland-Tempo“ eher großmäulig und peinlich oder lächerlich als berechtigt und glaubhaft, zumal er sich beim einzig zutreffenden Beispiel, dem Tempo der LNG-Terminal-Einrichtung, mit fremden Federn schmückt, denn dieses wurde vom Team des Wirtschafts-Ministeriums organisiert, wohl besonders von dem vielfach eher ungerecht gescholtenen Herrn Graichen.

Sie nennen sehr richtig die mehrfachen Ursachen der Krisen, die sich von außerhalb Deutschlands oder von Jahrzehntelangen Politik-Entscheidungen anderer Regierungen und teils der gesamten Gesellschaft ergeben haben. Es wäre grob ungerecht die derzeitige Schwäche der Wirtschaft und vieles andere an Belastungen und Sorgen allein der Ampel oder gar nur den Grünen anzulasten,  die vieles von den Ursachen  nur geerbt haben oder kaum  beeinflussen können  wie die Zahlen der nachwachsenden Kinder, Auszubildenden und Studierenden  oder deren Berufswahlen, Tarifverträge  oder geopolitische Krisen und Kriege, oder auch die bisherigen Folgen von mangelhafter Sprachschulung und Integration und Ausbildung von Migranten in der Vergangenheit, oft von verschiedenen Beteiligten;  und selbst die beste Regierung kann vor allem nicht die Quadraturen der Kreise  lösen oder andere Erwartungen erfüllen, die oft  unerfüllbar, widersprüchlich oder miteinander unvereinbar sind, was aber leider nicht immer auf den ersten Blick deutlich ist.  Und das Verfassungsgerichts-Urteil von 2021 zur Klimapolitik hat nicht die Einschränkung gemacht „so lange es nicht als zu teuer oder unbequem empfunden wird“ oder „solange es keine neuen Steuern oder mehr Arbeit oder irgendwelche Verzichte erfordert!“ Und natürlich ergeben die Investitionen in erneuerbare Energien kein neues Wirtschaftswunder, da die neuen Geschäftsfelder und Einkommen bestenfalls die bisherigen fossilen ersetzen und Verluste durch deren Ausfall oder Abschreibung ausgleichen.  Ein „Wirtschaftswunder“ ist aber auch gar keine wesentliche Begründung für die Energiewenden, sondern die Abwendung einer globalen Katastrophe, inzwischen kurz bevor es zu spät ist, da etliche Kippunkte und selbstverstärkende Prozesse bereits Fahrt aufnehmen.

Das Aussetzen der Schuldenbremse und ein noch viel größerer Schuldenberg wäre zwar weniger schlimm als die noch rechtzeitige und ausreichende Energiewende zu vermasseln, auch für die nachkommende Generation, aber es wäre zynisch, letzterer und ihren jetzigen Fürsprechern nur die Wahl zwischen diesen beiden Übeln zu lassen, um der Jetzigen Wählergeneration jede Einschränkung der gewohnten Besitzstände und manchmal fragwürdigen Errungenschaften zu ersparen.  Angesichts dessen sind auch die vielfachen Mitnahme-Effekte für gar nicht bedürftige eine Katastrophe, vielleicht allerdings das einzig so schnell mögliche und noch billiger als die andernfalls nötigen bürokratischen Prozesse zur Unterscheidung der berechtigten, die auch durch manchmal überbordenden Datenschutz erschwert wird.

Wer soll die Kosten (oder zusätzliche Arbeit) tragen? Wer wird entschädigt? Wo sind andere Ausgaben sinnvoll oder aber (für die Zukunftssicherung eher) entbehrlich? Wahrlich gute, wenn nicht entscheidende Fragen, die aber auf so viel Vetos und Empörungsbereitschaft stoßen, dass immer wieder die weitere Verschleppung des nötigen oder seiner Bezahlung bevorzugt wurde, nicht zuletzt von Frau Merkel. Wie soll eine Wirtschaft noch länger gedeihen, wenn die Summe aller Geld- und Sachansprüche weit größer ist als in der Summe noch erarbeitet wird oder noch verantwortbar erarbeitet werden kann, ohne die Zukunft zu ruinieren, sei es durch gekipptes Klima, Schulden, Fachkräftemangel, verlorene Demokratie oder sonstige Hinterlassenschaften.  Sehr berechtigt auch Ihr Hinweis, dass ein Mehr an Arbeitskräften für einen Tätigkeitsbereich allzu leicht nur durch ein Minus in anderen Bereichen erkauft bzw. abgeworben wird.   Die von Ihnen vorgeschlagenen höheren steuerlichen Abschreibungen sind allerdings gleichfalls in der Wirkung wie teure Subventionen, denn die Einnahmen-Minderungen müssen irgendwo irgendwie ausgeglichen werden:  Dass diese zu gleich großen Wachstums-Mehreinnahmen führen, ist mindestens fraglich.

Insgesamt müssen noch sehr viele einsehen, dass eine Regierung nicht alles — alleine — kann, wenn sie nur wollte, sondern für vieles auch — mehr — Arbeit, „Zumutungs-Akzeptanz“ und mehr Zahlungen von vielen auch einfachen Bürgern braucht. Das zu verstehen und zu akzeptieren ist aber besonders dann kaum erwartbar, so lange der Ernst der Lage nicht gewagt wird zu beschreiben und benennen incl. der Grenzen der Möglichkeiten einer Regierung samt Verwaltungsapparat, zumindest ohne Beiträge oder auch Belastungen auch für Durchschnittsbürger.  Für die würden ja auch höhere Steuern nur für Unternehmen sich mit auswirken durch dann höhere Preise oder geringere Löhne oder höhere Arbeitszeit, wenn andernfalls Pleiten und Arbeitsplatz-Verluste in der Konkurrenz mit Auslandsfirmen die Alternative wären.

Für das genannte Vermitteln des Ernstes der Lage, für die es keine  bequemen „Zauberlösungen“ gibt,  sind aber die verschiedenen Medien ebenso verantwortlich wie „die“ Politik, daneben auch NGOs und andere Institutionen wie Tarifpartner und Kirchen oder Vereine;  aber auch den Medien und anderen wird es schwerfallen,  da ihre Kunden/Klienten vielfach  lieber die Verantwortung nur bei anderen — Gruppen oder Individuen — sehen  und leicht zu kurzfristig angenehmeren Botschaften wechseln können.  Das Ganze ist ein Drahtseil-Akt zwischen Ehrlichkeit, Realismus und Vermittelbarkeit.  Dies hat Herr Enste im folgenden Interview sehr gut zusammengefasst mit dem Satz: „Politik, Wirtschaft und Gesellschaft können es nur gemeinsam schaffen.“  Und auch sein Beispiel ist ein sehr gutes: „Wir müssten künftig eigentlich mehr und länger arbeiten“, was zwei der großen Krisen abschwächen könne: Fachkräftemangel und (Finanzierung des) Rentensystem.  Damit zeigt er ein vorbildliches Beispiel für den mit Recht geforderten Mut zu unpopulären Entscheidungen und Erklärungen.

Zum Interview mit dem Verhaltensökonomen Herrn Enste „wir haben viel zu verlieren“ ist damit auch bereits viel gesagt.  Im Interview waren die Fragen oft wesentlich besser als die Antworten. Herr Enste nennt einige wichtige Kriterien eines neuen Aufschwungs oder von nur einigermaßen Erhaltung des Wohlstands.  Aber auch er lässt wichtige Faktoren außer acht: So ist es die Frage in wen, in welche Politik oder welche ihrer Vertreter Vertrauen wünschenswert ist.  Bei mir wäre dies je nach Thema und je nach Partei und Person sehr unterschiedlich. Und bei Wahrnehmung und Wissen bzgl. Problemen kommt außer dem Wollen noch die Bewertung bzw. der Realismus bei der Betrachtung oder die Auswahl verschieden angebotener Bewertungen und Konsequenzen hinzu, die ganz entscheidend die Richtung des Wollens bestimmen.  Allzu viele scheinen derzeit ja zu meinen, (nur) mit einer AfD-Regierung würde alles besser. Auch bei der Frage des Glaubens an sich selbst kommt es auch darauf an, an was in mir, an welche Verantwortung, welche Fähigkeiten in mir ich glauben soll.  Kommt es nur auf meine Wahlstimme an, auf die Wirkung von Streiks, Protesten oder Demonstrationen oder gar einer „Revolution“?  Oder auf mehr Mitverantwortung, Arbeit, Zahlungen, Verzichtsbereitschaft, auf mehr Ehrlichkeit und Realismus bei all dem?  Zwischen Optimismus und Pessimismus gibt es ja auch noch eine dritte Möglichkeit:  Den Possibilismus:

Im Buch „Vom Ende der Klimakrise“ von Luisa Neubauer und Alexander Repenning lehnen die Autoren es ab zwischen Optimismus oder Pessimismus hinsichtlich der Zukunft der Klimakrise zu wählen.  Sie erklären sich als „Possibilist*Innen“.  Ob sie optimistisch in die Zukunft blicken, beantworten sie mit „ja und nein“, ob die – noch vorhandenen – Chancen und Möglichkeiten verwirklicht werden „hängt von jedem von uns ab“, wie sie sagen.  Das ist deutlich ehrlicher und konstruktiver als die Zukunft nur optimistisch oder pessimistisch voraussehen oder abwarten zu wollen und alles Gute oder Schlechte nur von Regierung oder „System“ zu erwarten.

Das Gefühl der Situation ausgeliefert zu sein und keine nennenswerte Rolle zu spielen, ist m.E. falsch, wenn man berücksichtigt, dass zwar ein Tropfen keinen Stein abkühlen und keinen Brand löschen kann, dass aber viele zusammenkommende Tropfen das eben doch können.  Man kann auf ähnliche Einstellungen bei vielen anderen hoffen, mit denen man zusammenwirken kann und auf den berühmten Schmetterlings-Effekt.  ein gutes Beispiel dafür lieferte ja Greta Thunberg, die am 20.8. vor 5 Jahren sich zunächst einsam vor den schwedischen Reichstag setzte, und die dann nicht allzu lange allein blieb und zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung und Beachtung eine Menge erreichte.  Aber auch noch so große Menschenmengen mit ihrer Macht können nichts oder gar Negatives erreichen, falls sie unrealistisches, kontraproduktives oder unmögliches „erkämpfen“ wollen. Auch die reisigste Zahl bleibt Null nach einer Multiplikation mit Null.  Und auch die größte Macht kann nicht die Quadratur des Kreises lösen oder erzwingen, in sich widersprüchliches durchsetzen oder andere Dinge, die der Mathematik oder Naturgesetzen widersprechen oder auf Dauer Dinge erzwingen, die zu sehr auf Kosten zu vieler anderer gehen. So haben auch Mehrheiten bereits tragische Fehlentscheidungen getroffen mit schlimmen Folgen auch für sie selbst.
Peter Selmke

Es hat freilich schon einige bundesdeutsche Regierungen gegeben, die in den politischen Ressorts so manches haben liegen lassen (ein Beispiel dafür ist noch gar nicht lange her). Auch sind die Zeiten gewiss überaus herausfordernd. Allerdings vermittelt die jetzige Regierung mit Olaf Scholz an ihrer Spitze recht häufig den beklemmenden Eindruck, dass sie nicht nur nicht verstanden hat, wie es geht; sondern, worum es geht. Das bekannte Scholz‘sche Zitat über Führung jedenfalls verkommt immer mehr zu einer hohlen Phrase. Und des Kanzlers „Ommmm“ klingt für mich vielmehr nach einem hilflosen „hmmm“.
Matthias Bartsch

 


Leserbriefe zu „Bollern gegen rechts“ von Stefan Willeke

Ich habe ja kürzlich erst ein wenig Lausitz-Bashing betrieben, aber es macht mich hoffnungsfroh, dass offenbar doch nicht alle Energie-Cottbus-Fans zurück in den Käfig gehören, wie ich Ende der 90er beim Relegationsaufstiegsspiel gegen Hannover 96 dachte. Bei körperlichem Einsatz gegen Nazis gefällt mir allerdings die Wehner-Methode aus den 50ern besser als ein Bollerwagen. Die heutigen SPD-MdBs hingegen sind alles Luschen! Bestenfalls zeigt sich ihr Antifaschismus dadurch, dass sie den AfD-Nazis nicht „Guten Tag“ sagen. Außerdem empfehle ich die Mittel, die 1936 in der Cable Street eingesetzt wurden. The Men They Couldn’t Hang haben darüber ein Lied geschrieben. Ich muss diese Mittel nicht explizit aufzählen, lässt sich alles „The Ghosts of Cable Street“ entnehmen. Mosleys Faschisten haben danach jedenfalls das große Muffensausen bekommen und waren für die Öffentlichkeit erledigt.
Thomas Manthey

Mit Sicherheit wird so ziemlich jeder wissen, dass die rechtslastige AfD politisch kein bisschen besser machen würde und das Land in eine Abwärtsspirale treiben wird. Trotzdem würden sie viele wählen! Warum …?  Es ist Resignation und fehlendes Vertrauen in die etablierten Parteien. Zudem empfindet der enttäuschte Wähler eine gewisse Genugtuung, wenn jene Politiker, die ihre Unfähigkeiten tagtäglich offenbaren, einen „vorm Bug“ bekommen.  Das belehrt eine füllige Politikerin, die weder Berufsabschluss oder Studium hat, das ganze Volk über den Wirtschaftsmechanismus. Unglaublich!! Wenn grüne Oberlehrer im Wirtschaftsministerium sitzen, ist es irgendwie logisch, dass Investoren sich abwenden. Planungssicherheit und Vertrauen finden die Verantwortlichen der Industrie wohl nur noch im Ausland.
Kurt (Curd) Nickel

Mir gefällt es was Frau Wallstein als Abgeordnete ihres Wahlkreises macht: sich den Menschen ihres Wahlkreises zu zeigen und gesprächsbereit zu sein. Und das sehe ich völlig unabhängig von AfD-Themen. Es ist notwendiger Teil unserer Demokratie. Viele glauben z.B., dass sie den Bundeskanzler wählen würden und bekommen das sogar durch die Medien suggeriert. Richtig ist, dass eine Partei und ein Wahlkreisvertreter gewählt werden. Und der Wahlkreisvertreter sollte sich um die Themen aller Menschen im Wahlkreis kümmern, egal, ob sie ihn gewählt haben oder nicht. Und dazu ist eine Ansprechbarkeit zwingende Voraussetzung. Mein Eindruck ist, dass sich unsere Wahlkreisvertreter im Parlament zu wenig im Wahlkreis zeigen und zu unbekannt sind und dass ihre große Bedeutung vielen Menschen nicht klar ist.
Christian Voß

Könnte sich Die Zeit zusammen mit sicher einer größeren Anzahl der Leser und Leserinnen dafür einsetzen, dass Maja Wallstein mindestens das Bundesverdienstkreuz erhält? Frau Wallsteins im Artikel vom 17.8.2023 geschilderter Einsatz – körperlich, psychisch, rhetorisch, politisch und menschlich – scheint mir mehr als auszeichnungswürdig. Und dürfte ich Sie bitten, diesen meinen Vorschlag auch Frau Wallstein zur Kenntnis zu bringen? Positives Feedback ist das mindeste, das man für die geschilderten Aktivitäten geben kann.
Annette Kreis-Schinck

Vielen Dank für Ihren sehr lesenswerten Artikel. Warum gelingt es den Populisten gerade jetzt, die Meschen in ihren Bann zu ziehen? Ist es nicht so, dass viele unserer Gott gegebenen, bzw. als gerecht oder selbstverständlich empfundenen zivilisatorischen Leistungen, beim näheren Hinsehen, auf offensichtlich ungerechten und selbstzerstörerischen Annahmen und Prinzipien basieren? Das Zuspitzen der Arten-, Umwelt-, und Klimakatastrophen macht das immer deutlicher. Unser Kapitalismus führt zu menschenverachtenden, sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen in anderen Ländern. Für unser Wohlstandsniveau wie z.B. unseren Hunger nach Fleisch und Luxusgütern werden indigene Lebensräume und damit das Leben von Männern, Frauen und Kindern vernichtet. Für unsere Überfluss-Industrie brauchen wir deren Ressourcen. Genauso wie Populisten jetzt versuchen, unsere Zivilgesellschaften zu dominieren, dominieren unsere industrialisierten Gesellschaften die Ärmeren. Was früher brutal und unterdrückerisch geschah, geschieht jetzt subtiler durch unseren Ressourcenverbrauch und den Ausstoß von CO2.

Uns beunruhigt, dass dies alles selbstzerstörerisch auf uns zurückfällt, aber wir blenden dies nur allzu gerne aus. Anstelle an uns selbst zu zweifeln, lassen wir unserem Egoismus freien Lauf, ganz so wie die Populisten. Wie sie wenden wir unsere Macht gegen das „Recht auf Leben“ anderer Menschen und Tiere an. Die Populisten wollen uns weismachen, dass es dazu keine Alternative gibt. Nur zu gern machen wir uns das zu eigen. So gehen wir trotzig laut pfeifend in die falsche Richtung und das besonders laute Tröten der Populisten gibt uns noch einen Rest von gutem Gefühl, dass das Recht des Stärkeren doch auch o.k. sei. Das Einzige, was uns aus diesem Teufelskreis helfen kann, ist eine hellwache, aufgeklärte und mutige Zivilgesellschaft. Es wäre schön, wenn sich die Presse noch mehr dafür einsetzt und es wagt, uns dabei voranzugehen!
Klaus Siersch

Mit Wohlwollen habe ich den Artikel über die Bollerwagenziehende Bundestagsabgeordnete gelesen. Ich fahre selbst immer mal eine Fuhre Enkelinnen mit dem Bollerwagen am Ostsee-Strand entlang und Bollerwagenchaffeusen sind mir per se sympathisch. Dazu stellt sich noch das Bild „Schwitzen für den Wähler“ ein und auch das ist ja nun eine schöne Vorstellung. Inhaltlich habe ich aber Zweifel an der Aktion. Es geht darin ja um das ominöse „Zuhören“, welches Politiker gern medienwirksam praktizieren, um damit dann irgendwie die AFD einzuhegen Nun verbindet man im landläufigen Verständnis mit dem positiven Begriff „Zuhören“: Der Zuhörer nimmt aufmerksam auf, was gesagt wird, reflektiert es, lernt was draus lernt und baut dann das Gelernte in seine Handlungen ein. Und zwar zu Freude und Nutzen dessen, dem da zugehört wurde. Das ist dann eine rund rollende Sache, um in der Bollerwagensprache zu bleiben

Hier ist es etwas anders   Was die Leute frustriert ist auch ganz ohne intensives Zuhören ungefähr klar. Beim Daraus-lernen eiert der Bollerwagen dann schon. Und bezüglich sich daraus ergebenden Handlungen in der Politikgestaltung rollt dann vermutlich nichts mehr. Den Wunsch der aufgesuchten Wähler und die Überzeugung von SPD-Abgeordneten passen da nicht halt nicht zusammen. Deshalb wird dieses Zuhören nun in einer Art umgesetzt, die ich mal „therapeutische Zuhören“ nennen möchte. Also die Abgeordnete hört empathisch, achtsam, und verstehend und gern auch medienwirksam zu und vermittelt vollstes Verständnis und das war es dann. Die Wahlkämpferin hofft, dass das am Ende nicht so auffällt und der Mensch sie trotzdem wählt, weil sie ja nun sein Auto so schön gelobt hat und überhaupt offensichtlich ziemlich nett ist. Abgesehen davon, dass das kein sonderlich gutes Zeugnis über unser aller Demokratieverständnis offenbart (wen wählen wir warum und warum wollen wir gewählt werden?), wird das wirklich als wertschätzend empfunden?

Mir fällt dazu ein Witz ein. Ein in der Fußgängerzone achtsam einher bummelnder Psychotherapeut in Leinenanzug und mit wallendem Grauhaar wird von einem Menschen angesprochen, Der trägt einen großen sperrigen Koffer und ist sichtlich in Eile. Ob der Therapeut wüsste, wo es hier zum Bahnhof geht, japst der Mann. Nach einem langen seelenvollen Therapeutenblick antwortet nun selbiger. „Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Aber es ist gut, dass wir darüber gesprochen haben.“ Psychotherapeutenverbände werden solche Anekdoten wegstecken, aber vielleicht nicht unbedingt ihren Berufstand damit bewerben. Warum halten das Politiker für so eine gute Idee?
Michael Richter

Grandioser Artikel edelster journalistischer Zeitqualität. Herzlichen Dank für dieses Meisterwerk zur Öffentlichkeitsarbeit einer wunderbaren Bundestagsabgeordneten. Rundum Beispiel gebend: Bin restlos begeistert von so starker Infodichte meisterhafter Erzählkunst im Artikel und dem enormen Einsatz von Maja Wallstein. Weiter so! DANKE!
Familie Wirsing

Es hat mir in diesen Tagen, in denen nur von Gezänk in der Politik zu lesen ist, gut getan zu erfahren, dass es im Bundestag Menschen wie Frau Wallstein gibt. Das sollten sich alle Mitglieder des Bundestages vornehmen: Dort hingehen, wo das Wahlvolk mit den Alltagssorgen lebt! Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Jede Politikerin und jeder Politiker sollte ein Ehrenamt ausüben. Sie würden dann hautnah erfahren, wie schlecht es vielen Menschen in unserem reichen Land wirklich geht! Das würde jedem unserer Volksvertreter helfen, die eigentlichen Probleme bei uns vor der Tür zu sehen, anzupacken und sie zu lösen. So würde auch den braunen Rattenfängern der Nährboden entzogen.
Gudrun Berg

Was für ein verlogenes, heuchlerisches Getue. Eine Partei, die in Meck.-Pom. mit ehemaligen Mitarbeitern der Gestapo/Stasi der rechtsradikalen, nationalsozialistischen Faschisten der SED koaliert und zusammenarbeitet, hat jeden demokratischen Anstand verloren. Dass eine Dame dieser Partei jetzt gegen „rechts“ demonstriert, ist alles, nur nicht glaubwürdig.
Georg Sittig 

Vielen Dank für diesen Artikel. Dies ist seit längerer Zeit das erste Mal gewesen, dass mich ein Artikel über ein MdB gleichermaßen überrascht und beeindruckt hat. An dieser jungen Frau können sich die üblicherweise in den politischen Artikeln vorkommenden arroganten und selbstgerechten Herren „Spitzenpolitiker“ gerne ein Beispiel nehmen.
Axel Felsch

An dem großen Engagement von Frau Wallstein gegen Rechts sollten sich alle demokratischen Abgeordneten ein Beispiel nehmen und diese zur Pflichtübung machen. Vor allem sollten sich die Hinterbänkler unsrer etablierten Parteien regelmäßig dem direkten Kontakt zu den Bürgern im 1:1 Zuhörgespräch stellen. Die Methode „Wallstein“ dürfte eine wirksame Maßnahme sein, zumindest die Protestwähler der AfD zum Nachdenken zu bringen, um deren Vertrauen in demokratische Politik zurückzugewinnen. Meinen großen Respekt Frau Wallstein und weiterhin erfolgreiches Wirken in ihrem Wahlkreis!
Walter Meon

 


Leserbriefe zu „Der Bergdoktor stärkt nicht die Demokratie“ von Lutz Schumacher

Herr Schumacher bringt es auf den Punkt, kurz und prägnant stellt er die Misere des ÖRR dar. Und, auch da hat er Recht: der ÖRR schafft die notwendigen und tiefgreifenden Reformen nicht aus eigener Kraft. Die Landesregierungen und -parlamente sind gefordert. Aber ob diese die Wende einleiten können und wollen? Da habe ich erhebliche Zweifel, sind es doch die Politiker iwS., die vom bisherigen System profitieren. Die Politik kontrolliert den ÖRR, sie nutzt ihn ganz erheblich zum eigenen Vorteil. Ein notwendiger erster Schritt wäre: Abschaffung der Zwangsgebühren nach einer Übergangszeit. Der ÖRR muss sich dem Wettbewerb stellen. Es zahlt nur derjenige, der nutzt. Dann würden sich die „Heilung“ nach und nach von selbst ergeben.
Jürgen Hamacher

Her Schumacher sieht die Sache sehr einseitig aus Sicht eines Presse-Geschäftsführers. Natürlich kann „Der Bergdoktor“ und „Tatort, etc.“ auch von privat finanzierten Sendern gesendet werden, wobei ein 90-Minutenfilm wegen der regelmäßigen Werbung dann 2 Stunden dauert. Diese 30 Minuten betrachte ich als gestohlene Lebenszeit. Auch „Markus Lanz“ kann dort laufen, solange die Quoten stimmen, aber was ist mit „Weltspiegel/Auslandsjournal“ oder „aspekte/ttt/Literaturformate“, oder umfangreich recherchierte Dokumentationen, die sachkundige Mitarbeiter vor Ort erfordern? Industrie- und Handelskritische Berichte wird es, wegen der Werbeeinnahmen, auch nicht mehr geben.

Sicher muss der öffentlich-rechtliche-Rundfunk reformiert werden. Weg von den Quoten, hin zu mehr Qualität. Auch Sparpotential ist gegeben, besonders Sportrechten und bei den Dritten. Warum nicht ein einheitlicher Sender, der nur zwischen 18 und 20/21 Uhr regionale Fenster hat. Und müssen alle Sender 24 Stunden senden? Ich kann mir nicht vorstellen, dass RTL/SAT1, etc. dies anbieten kann oder will!
Klaus Birnbaum

Zu dem Beitrag von Lutz Schumacher zur Diskussion um die öffentlich-rechtlichen Medien wäre vieles zu sagen. Doch das würde – umfassend formuliert – den Rahmen eines Leserbriefes sprengen. Daher nur ein paar kurze Überlegungen:

Die freie regionale Presse gehört unbedingt zur informellen Grundversorgung in einem demokratischen Gemeinwesen und muss daher in jedem Fall umfassend aufrechterhalten werden. Dasselbe gilt für die bundesweit aufgestellte Tages- und Wochen-Presse. Welche Wege zu deren dauerhaften Existenzsicherung nötig und im Sinne der Unabhängigkeit sinnvoll sind, muss sorgfältig überlegt und geregelt werden. Ganz sicher gehört dazu aber nicht die Beschneidung der öffentlich-rechtlichen Medien – wie Herr Schumacher das behauptet – angetrieben durch seine subjektiven Interessen als Vertreter einer Regionalzeitung. Glücklicherweise hat das Bundesverfassungsgericht den gesamtgesellschaftlichen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien bestätigt: und damit auch deren Unterhaltungsfunktion.

Ein plattes Beispiel: Jeder Zuschauer, der nach einem „Tatort“ eine Talkshow und dann die „Tagesthemen“ sieht, hat trotz munterer Unterhaltung einen sinnvolleren Sonntagabend verbracht als beim Konsum jedes privaten Manipulationsprogramms oder gar einer der anti-sozialen, anti-demokratischen, international organisierten Verblödungsseiten der profit- und polit-gesteuerten Internetriesen sowie der geld- und imagegeilen Influencern und Konsumpropagandisten. Aber nur, weil insbesondere der seriöse private Print-Journalismus gegen diese Desinformationsgiganten nicht ankommt, nutzt es doch nichts, stattdessen die Öffentlich-Rechtlichen existenziell anzugreifen. Dass es auch bei denen viel zu kritisieren und zu reformieren gibt, ist unbestritten und extrem dringend – und muss doch mit großer Sorgfalt und Weitsicht ins Werk gesetzt werden.

Es ist doch kein Zufall, dass überall da, wo es mit Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten (Die Menschen sind nicht alle gleich, aber alle Menschen haben gleiche Rechte.) steil und steiler bergab geht, gleich zu Anfang der öffentlich organisierte Journalismus beschnitten und schließlich abgeschafft wurde und wird: Siehe Berlusconis Presseimperium, die fast in der kompletten westlichen Welt zu beobachtenden unsäglichen Machenschaften des Murdoch-Clans, die anti-liberalen Machenschaften gegen die freie und öffentlich-rechtliche Presselandschaften in Ungarn und Polen, selbst in Großbritannien mit Frontalangriffen auf die BBC – von Komplett-Diktaturen wie China und Russland ganz abgesehen. Wie bei den Kleptokraten-Diktatoren dort längst üblich, wären auch in der BRD schnell Kräfte zur Stelle, die Leerstellen der öffentlich-rechtlichen Versorgung nur zu gerne zu ihren Gunsten und mit ihren finsteren Machenschaften und finanziellen Möglichkeiten ausnutzen würden. Man denke nur an die „Systempresse“-Parolen der AfD etc.

Fazit: Die Bedeutung eines wahrhaft pluralen, freien, vielseitig gestalteten Journalismus kann für die Aufrechterhaltung der Werte des Grundgesetzes gar nicht überschätzt werden – und der öffentlich-rechtliche Rundfunk fungiert mit all seinen Facetten als dessen wichtigster Anker in den antidemokratischen gesellschaftlichen wie politischen Stürmen unserer Zeit!
Andreas Müller

Die Vorschläge sind natürlich nicht ganz uneigennützig, aber trotzdem bedenkenswert. Wenn ich kommunale Nachrichten aus seriösen Quellen übers Fernsehen beziehen könnte, fände ich das gut. Und auf die Krimis, Talkshows, Sportübertragungen und sonstigen Unterhaltungssendungen von ARD und ZDF kann ich leicht verzichten. Eine wahrheitsgemäße politische und sonstige Berichterstattung sowie Dokumentationen sollte es dagegen bei ARD und ZDF weiterhin geben – zumal die Privatsender und Social Media diesbezüglich wenig Vertrauenswürdiges offerieren. Ein Problem könnte das Abrufen eines solchen Angebotes zumindest für wenig technikaffine Menschen sein: Ich selbst z. B. nutze derzeit einen mit der Miete abgegoltenen Kabelanschluss – möglicherweise nicht die optimale technische Lösung.
Ulrich Willmes

Jetzt weiß ich auch, warum inzwischen so gut wie alle Sendungen – gerne auch Dokumentationen – musikalisch „untermalt“ werden. 12 Rundfunkorchester wollen ja schließlich beschäftigt sein. Nur leider mutiert das FernSEHEN inzwischen zum FernHÖREN, denn die Musik verdrängt oft das gesprochene Wort und ist auch sonst sehr dominant. Den Gebührenzahlern wird also einiges abverlangt. Vielleicht meint es der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur gut mit uns?
Jutta Bautz

Verständlich, dass die ZEIT als Premium-Produkt eines großen Medienkonzerns öfters die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert. Als Indiz für dessen Verzichtbarkeit wird immer gern angeführt, dass in einer Woche 40 oder 50 Krimis gesendet werden. Das ist kein sehr großer Anteil von wöchentlich grob 3000 Stunden Fernsehen. (Man multipliziere 168 Stunden pro Woche mit der Anzahl der öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle.) Ich gebe gern zu, dass ich so viele Krimis pro Woche nicht brauche. Vergleiche ich allerdings mit der Qualität von RTL, SAT1 und Co, so stelle ich fest: Davon brauche ich nichts, aber auch gar nichts.
Joachim Stolze

Woher kommen all diese Trends wie die Kritik an den „Staatsmedien“ und andere? Diese totale Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Vielmehr verfängt mittlerweile der rechte Sprech. Dieses Denken dringt immer mehr bis in die Mitte der Gesellschaft. Selbstverständlich wird von „Staatsmedien“, „woken“ und linkslastigen Journalisten, von „gelenkten“ Informationen, usw. gesprochen. Wie gefährlich das werden kann, sehen wir derzeit in Italien. Wie gefährlich das ist, sehen wir in den USA.  Eine Abschaffung des ÖRR lehne ich ab. Der ÖRR ist relevant für die Demokratie in Deutschland. Gleichwohl stimmen einige Kritikpunkte. Zu groß, zu teuer, zu verwoben mit der Politik. Aber, das stimmt auch für viele andere Bereiche unseres Staates. So haben wir viele Rundfunk- und Fernsehanstalten, haben fast 100 Krankenkassen, haben 16 Bundesländer mit Parlamenten, eigenen Verordnungen, verschieden Schulformen usw., usf. Schlank und einfach sieht in der Tat anders aus. Wie wäre es denn mit sinnvollen Reformen? Weniger ist oftmals mehr. Und zwar schnell! Die Bürgerinnen und Bürger würden es Euch danken.  Nun, Ihr lieben Politiker, bewegt Euch endlich mal, und zwar mehrheitlich und gemeinsam, damit nicht noch mehr den Bach runter geht.
Helmut Thiede

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Anstalten ist gerade heute unverzichtbarer denn je. Aber er sollte reformiert und auf seine eigentliche Aufgabe reduziert werden. Die Produktion von Filmen, Dokumentationen und Serien, die Finanzierung von Rundfunk- Sinfonieorchestern und die Helene Fischer Weihnachtsshow bedürfen nicht des öffentlich- rechtlichen Schutzschirms. Er sollte innerhalb seines Kerngeschäfts neutral und wertefrei informieren und zur Meinungsbildung beitragen. Schwierig, da selbst die Kommentare in den Tagesthemen die persönliche Meinung der Kommentatoren wiedergeben. Auch im heute-journal gelingt es nicht immer, zu unterscheiden, wer der eigentliche „Star“ der Sendung ist. Die Moderatoren auf jeden Fall nicht. Es sind immer die Nachrichten. Ideologische Ansätze wie das Gendern sind nicht wertefrei. Daher sollte es auch nicht angewendet werden. Mütter sind Mütter, keine Gebärenden oder Entbindende. Die Zuschauer sind immer noch Damen und Herren, obwohl diese in den Nachrichtensendungen der ARD nicht mehr immer so begrüßt werden.
Andreas Löbbers

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht sich z. T. selber überflüssig, da er sich in vielen Bereichen nicht an der einmal vor Jahren erreichten Qualität orientiert, sondern in vielen Sparten an die privaten Programme anknüpft, etwa wird bei Serien, Fernsehspielen und Spielfilmen, wenn häufig kein Abspann mehr gesendet wird (es geht Musik und Information verloren, also Kultur). Vor Jahren haben ZDF oder ARD schon einmal Spielfilme, die bei der Kinoausstrahlung gekürzt worden waren, restauriert. Tempi pasati. Daher sollte man ARD und ZDF zusammenlegen und ihnen das seichte Programm überlassen (Shows, Kracherfilme etc.) und im ARTE-Programm nicht nur Arthouse-Filme und Serien zeigen, sondern auch andere Spielfilme und Serien, die einen etwas gehoberen Anspruch vertreten. Da sich 3SAT an das Niveau von ARD und ZDF bei den Spielfilmen angenähert hat, sollte der Sender aufgegeben werden, es sei denn, er entwickelt sich wieder zu einem Kultursender, was er auch einmal war.  Die Ausdehnung der Mediatheken im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine Fehlentwicklung, da sie sehr kostenintensiv und zudem nicht sehr umweltfreundlich ist; ARD und ZDF mit ihren Nebensendern machen durch   die häufigen Wiederholungen die Mediatheken überflüssig. Wer trotzdem eine Mediathek benutzen möchten, sollte eine zusätzliche Gebühr entrichten (Abo oder pro Sendung).
Franz-Josef Kos

 


Leserbriefe zu „Zu utopisch, um wahr zu sein?“ Streit von Sabine Hossenfelder und Kai Gehring moderiert von Jochen Bittner und Stefan Schirmer

Danke der Zeit für dieses Interview. Technologie offen ist anders. Herr Gehring hat eine Meinung und die ist die Wahrheit. Mit dieser Einstellung in der Politik ist es fast selbstverständlich, dass wir abgehängt werden.
Julius Müller

Ich betreibe meine elektrischen und elektronischen Kleingeräte schon seit einiger Zeit mit Energie aus der Kernfusion. Ich habe mir nämlich Solarpanele, -powerbanks, -leuchten und -taschenlampen angeschafft. Sonnenenergie ist ja letztendlich nichts Anderes als Kernfusionsenergie. Vor allem bei meiner Beleuchtung bin ich vom Stromanbieter mittlerweile so gut wie unabhängig. Viel bringt es nicht (ich meine im Fernsehen hieß es, dass diese Geräte gerade mal 7 Prozent Anteil am durchschnittlichen Gesamtverbrauch haben), aber besser als gar nichts ist es allemal, selbst wenn man am Ende vielleicht nur 3 bis 4 Prozent einsparen sollte, weil die Sonne nicht immer den ganzen Tag und schon gar nicht das ganze Jahr ausreicht. Diese Panele haben sich sehr schnell amortisiert. Über ein Balkonkraftwerk denke ich schon länger nach. Ich habe zwar keinen Balkon, aber die Dinger heißen ja auch nur so. Dann könnte ich auch größere Geräte betreiben. Damit lässt sich (ebenfalls laut Fernsehen) wohl ein Drittel an den immer höheren Stromkosten sparen. Man solle aber auf die Prüfzeichen achten und lieber 150 Euro mehr ausgeben als für ungeprüfte Anlagen. Gut, dass die Bundesregierung die bürokratischen Hürden beseitigen möchte.
Thomas Manthey

„Es gilt die Energiewende weiter zu denken: Weder Kernfusion noch die Erneuerbaren als alternative Stromquellen können einen Grundsatz der Physik aushebeln, wonach gilt: Elektrizität – egal wie sie erzeugt wird – hat immer eine magnetische Komponente. Die neue, wohl weiter wachsende Umweltverschmutzung ist eine elektromagnetische Strahlenverschmutzung unserer Mitwelt, die neue Krankheiten, nicht nur Krebs, erzeugen wird.“
Otto Ulrich

Ein Streit setzt verschiedene Positionen voraus, die gegeneinanderstehen. Bei Ihrem angeblichen Streit über die Nutzung der Atomenergie durch Kernfusion waren sich der grüne Politiker und die „theoretische“ Physikerin jedoch einig, dass sie weiter erforscht werden soll. Also gab es keinen Streit, sondern ein Geplänkel, wieviel Geld in diese Forschung gesteckt werden soll. Die Kernfusion wurde nicht in Frage gestellt, nur ihre Dringlichkeit. Da hat die Auswahl der Kontrahenten gezeigt, dass sich die Auswähler nicht mit dem Thema gründlich beschäftigt hatten oder aber einen Streit vermeiden wollten. Dabei ist die Fusion ein hochbrisantes Thema, weil es um eine Energie geht, gegen die eine vorhandene Atombombe nur ein Böller ist. Die drei entscheidenden Gründe für eine Ablehnung der Fusion wurden weder von dem Kritiker noch von der ZEIT auch nur erwähnt:

  1. Atomkraft beruht auf fossiler Energie. Der Uranabbau zerstört die Umwelt mehr als der Kohleabbau, weil seine Folgen sehr langfristig sind. Aber er ist aus den Metropolen in die „dritte“ Welt verlagert worden, wo wir die katastrophale Umweltzerstörung und das Leiden der Menschen dort nicht sehen und erleben.
  1. Die Atomkraft durch Kernspaltung wurde vor und im 2. Weltkrieg von „theoretischen“ Physikern entwickelt, die sich keine Gedanken über die Anwendung machten. Die AKWs waren in den 50er Jahren nur ein späteres Abfallprodukt „friedlicher“ Nutzung. Die „friedliche Nutzung“ der Atomenergie durch Fusion wird seit etlichen Jahren in internationaler Gemeinschaft ganz gemächlich bis 2050 in Frankreich und Japan erforscht.
  1. Die militärische Nutzung wird mit sehr viel mehr Engagement und Geld in den USA und anderswo vorangetrieben, denn die Vormachtstellung der USA steht auf dem „Spiel“. Das Hauptinteresse an der Kernfusion ist auch jetzt wieder die Entwicklung einer Waffe für die Weltherrschaft.

Wissenschaft ist nie neutral, nicht einmal die sogenannte „theoretische“ Physik oder andere „theoretischen“ Naturwissenschaften (wie die Virologie, die an biologischen Waffen forscht). Als die Nazis die Forschung der Atomkernspaltung förderten, um mit der Atombombe den Krieg doch noch zu gewinnen, waren theoretische Physiker in Deutschland gefragt. Diese Theoretiker wurden von dem USA-Kriegsministerium weiter beschäftigt und feierten ihren praktischen Erfolg des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki mit Hunderttausenden Toten und verwüsteten, kontaminierten Städten. Das war 1945. Nach der Spaltung des Atomkerns entdeckten die Wissenschaftler (aus der theoretischen Physik kommend, wie im STREIT-Gespräch und anscheinend besonders anfällig für Scheuklappen), dass sich mit der Fusion noch mehr Energie erzeugen lässt, nur dass diese sich noch schwieriger beherrschen lässt.

Seit 70 Jahren wird intensiv mit viel öffentlichen Geldern daran geforscht und in den USA gelang es mit extrem hohem Energie-Einsatz ein kleines bisschen Energie zu gewinnen. Das wurde als Durchbruch gefeiert, doch ist es absurd. Mit 200fachem Einsatz an Energie, die ja erst erzeugt werden muss (und womit?), ist man noch Jahrzehnte von Energiegewinn entfernt, während Sonne und Wind gratis sind.  Siehe auch: https://www.sonnenseite.com/de/zukunft/durchbruch-fuer-die-kernfusion/ In einem Versuchsmodell kleinen Maßstabs versucht eine internationale Gemeinschaft in Südfrankreich, in den nächsten Jahrzehnten einen Versuchsreaktor namens ITER (lateinisch: der Weg, aber Abkürzung von International Thermonuclear Experimental Reactor) zu bauen. Dafür wurde eine riesige Fläche in der Provence planiert und eingezäunt, die Verkehrswege vom Hafen Marseille nach Cadarache wurden erweitert, damit Schwerlaster nachts anliefern können. Man ging von 5,5 Milliarden € aus, das Zehnfache wird ITER mindestens kosten.

Am Ende soll der Fusionsprozess beherrschbar sein, so dass ein Probereaktor DEMO gebaut werden kann. Ab 2040 soll Strom produziert werden, so dass man evaluieren kann, ob sich der Bau von Fusionsreaktoren lohnen wird. In Japan läuft das gleiche Projekt mit den gleichen Kosten und dem gleichen immensen Aufwand. An dieser Forschung sind alle wichtigen Industriestaaten beteiligt, auch China und Russland. Man lässt sich Zeit bis 2050. Aber mit Tempo und viel Geld wird einzeln an der militärpolitisch interessanteren Nutzung der Atomkernfusion geforscht, weil sie eine Waffe produzieren kann, mit der die Weltherrschaft errungen werden könnte.
Gerd Stange

Es ist m.E. nicht zu utopisch, um wahr zu sein, sondern eher nach dem englischen Sprichwort „Ignore it and it will go away“. Oder eher Szenario „Waiting for Godot“? Wenn es nicht rechtzeitig klappt, verschiebt man das Datum der Fertigstellung… In der Geschichte der Physik gab es noch nie so viel Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Deswegen nennen manche Autoren diese glänzende Idee „Fusion-Illusion“. Der Vorgänger von ITER, JET-Joint European Torus, der JET in Culham vor 44 Jahren, 1978 gebaut wurde und erst jetzt den Punkt erreicht hat, wo mehr Energie erzeugt wurde als in den Reaktor einfloss. Da hilft auch nicht, dass der französische Mathematiker Cédric Villani die Wlasow-Plasmainstabilitätsgleichung gelöst hat, wofür er 2010 die Fields-Medaille gewonnen hat. Man hat eine Stabilitätsmethode nur als Computer-Simulation gefunden.

Den Brennstoff Tritium gibt es nicht in der Natur, sondern man muss ihn aus Lithium in einer Ummantelung des Kernfusionsreaktors „erbrüten“. Frau Hossenfelder erwähnte auch nicht, dass Lithium genauso reaktiv ist wie Natrium, das für die Kühlung der Schnellen Brüter gebraucht wurde, deren Bau man aber gestoppt hat. Lithium ist hochreaktiv und reagiert in Kontakt mit Wasser, das die Reaktorwände kühlt, extrem explosiv. Man weiß nicht einmal, wie man den Reaktor bauen soll, die Entwürfe haben sich bis jetzt nur auf die Plasma-Brennkammer beschränkt. Dabei wurden die Schnellen Brüter (KKW-Reaktoren) wegen den immensen technischen Problemen schon lange abgeschaltet. Es wird behauptet, dass die Unfallrisiken nicht vergleichbar sind mit denen konventioneller Atomkraftwerke, was nicht unbedingt stimmt. Hier liegt auch das Problem, das offensichtlich schlicht und einfach ignoriert wird. Man muss es nicht einmal neu untersuchen, nur 28 Jahre zurück schauen. Die britische Fachzeitschrift „The Economist“ vom 16.09.95 schrieb im Artikel „At the going down of the nuclear sun“: „Das Problem ist der Brennstoff Tritium. Da es das in der Natur nicht in der erforderlichen Menge gibt, muss man es im Fusionsreaktor in einer Schicht aus Lithium durch Bestrahlung herstellen. Lithium ist ein hochreaktives Metall (ähnlich wie Natrium) und entzündet sich spontan, wenn es in Kontakt mit Luft oder Wasser kommt. Lithiumfeuer könnte Energie bis 45 Tonnen des TNTs entfachen. Ein Bericht über Kernfusion vom STOA – Scientific and Technological Options Assessment-Projekt des EU-Parlaments beschreibt, was passieren könnte, wenn bei einem Reaktorunfall die Lithium-Ummantelung in Kontakt mit Luft oder Wasser käme. Es wird mit einer intensiven Hitze brennen, verursacht dadurch weitere Unfallereignisse und setzt das radioaktive Tritium frei, das in der Ummantelung beinhaltet ist. Eine Strahlungsfreisetzung ähnlichen Ausmaßes wie Tschernobyl wäre vorstellbar“. Seitdem wurde es unter dem Teppich gekehrt.

Die ITER-Maschine wird 23.000 Tonnen wiegen, mit einem Torusradius von 6,2m und wird 6,7m hoch sein. Die nächste Maschine, die man nach erfolgreichem Betrieb von ITER bauen will, den DEMO-Reaktor, wird noch größer. Der verstorbene Prof. für Kerntechnik am MIT, Lawrence Lidsky, hat 1983 darauf aufmerksam gemacht, dass ein Kernfusionsreaktor ca. 10x größer als ein Kernreaktor sein müsste, um die äquivalente Menge Elektrizität zu generieren. Der nächste Punkt ist Lithium: Die Isotope Li-6 und Li-7 sind in der Natur gemischt, man müsste sie trennen (ähnlich wie beim spaltbaren Uran). Die Kosten für Lithium allein würden die Kosten für einen Windpark übersteigen, um die gleiche Menge Elektrizität zu generieren. Außerdem braucht man für die Magnete und Vakuumpumpen des Fusionsreaktors viel Strom, dafür wird die Wind- und die Solarenergie

nicht ausreichen, d.h. man wird weiterhin ein AKW brauchen. Robert L. Hirsch, ehem. Direktor des U.S. Fusionenergieprogramms in den 1970-ern, hat bemerkt, dass so früh wie 1994, Studien haben gezeigt, dass der Tokamak 60-mal massiver als ein Spaltreaktorkern der gleichen Leistung würde, und deswegen viel teurer. Angesichts der fundamentalen Probleme von enormen Größen und Kosten und der durch Deuterium-Tritium (DT) -Brennstoff verursachten Radioaktivität, “man kann nur raten, warum ITER weiter gebaut wird” schrieb Hirsch.

Michael Dittmar von der ETH in Zürich und Berater in CERN schrieb im Fazit seines Reviews über die Probleme mit ITER: „Zwischen den Nichtbeteiligten am ITER, die keine Wunder erwarten, kommt eine steigende Zahl von Wissenschaftlern zum Schluss, dass kommerzielle Fusionsreaktoren nicht Realität werden können.“ Die USA waren von Anfang an am ITER beteiligt, haben dann aber zwischen 1999 und 2003 und wieder 2008 ihren Beitrag nicht bezahlt. Kanada ist im Jahr 2004 aus dem Projekt ausgestiegen.
Igor Fodor

Ist die Idee von einer erfolgreich nutzbaren Kernfusion «zu utopisch, um wahr zu sein?» Hier ist zu unterscheiden zwischen zwei Utopien. Die eine ist, dass die Kernfunktion gelingt und so «alle Energieprobleme lösen» kann. «Deshalb braucht sie mehr Förderung» wie die Physikerin Sabine Hossenfelder sagt. Die zweite Utopie ist, dass das Lösen aller Energieprobleme ein gutes langes Fortbestehen der Menschheit zumindest entscheidend unterstützt und nicht verschärft. Dringend muss daher auch die Frage beantwortet werden: Was wäre, wenn tatsächlich alle Energieprobleme lösbar wären? Das Fehlen einer befriedigenden Antwort sollte Anlass zu Besorgnis sein. Auch die Suche nach einer solchen Antwort bedarf einer Förderung. Dazu Folgendes:

Seit 1900 hat sich die Weltbevölkerung verfünffacht und die Wirtschaftsleistung pro Kopf versiebenfacht. Die Klima-Krise aber auch die Zunahme der Migration zeigen, dass das exponentielle Wachstum nicht weiter gehen kann. Offen ist nur, ob die Landung gesteuert und weich oder brutal hart ist. Die Verfügbarkeit von beliebig vieler Energie kann zwar den Co2 Ausstoß massiv reduzieren und so die Klima-Krise, wenn schon nicht beenden, so doch massiv reduzieren. Doch das würde nicht daran ändern, dass die Ursachen, die zum exponentiellen Wachstum von Kopfzahl und Konsum geführt haben, weiter bestehen bleiben. Ja dieses Wachstum könnte sogar noch gesteigert werden. Die Natur hat dem Wachstum der Menschheit Jahrhunderte lang Grenzen gesetzt, was dazu führte, dass erst um das Jahr 1900 1.6 Milliarden Menschen auf diesem Planeten lebten. Diese Grenzen wurden mit Hilfe des technischen Fortschritts gesprengt, was dazu führt, dass heute 8 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben.

Erst jetzt durch die Klima-Krise und den Mangel an Ressourcen werden neue Grenzen gesetzt und es ist nicht sicher, ob es eine gesteuerte weiche oder eine brutal harte Landung geben wird. Wenn es uns gelingt, diese neuen Grenzen dank Kernfusion zu durchbrechen, wird es abermals Grenzen geben. Denn unaufhörliches exponentielles Wachstum ist unmöglich. Fraglich ist dann nur bei welcher Kopfzahl der Menschheit. Fraglich ist auch dann, wie die Landung aussehen wird und kann: gesteuert und einigermaßen human oder hart und brutal. Interessant wäre, wie die steuernden Maßnahmen aussehen könnten. Vielleicht könnte uns das ja einmal die Künstliche Intelligenz verraten. Aber wenn wir wüssten, welche Maßnahmen wirksam sein können, warum diese Maßnahmen nicht schon jetzt anwenden? Die Hoffnung auf eine hilfreiche Kernfusion darf nicht ein Hindernis sein, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Dass solche Maßnahmen unnötig sind, weil es bestimmte Automatismen gibt, die das Problem quasi mit unsichtbarer Hand für uns regeln, ist weit utopischer als die Hoffnung auf eine funktionierende Kernfusion.

Aber welche Maßnahmen könnten zu einer weichen Landung verhelfen. Das eigentliche Problem ist schon in der Bibel benannt «Der Mensch lebt nicht von Brot allein» er braucht auch Perspektiven und die heute genutzten führen entweder zu stetigen Wachstum der Kopfzahl oder dem stetigen Wachsen von Produktion und des Konsums. Die unterschiedliche Verfügbarkeit der beiden Arten von Perspektiven führen dann zu den bekannten demographischen und ökonomischen Gräben, die sich über zwei Rückkoppelung-Effekte verstärken. Denn hohe Geburtenraten führen zu Jugendarbeitslosigkeit und so – mangels anderer Perspektiven – zum Nutzen von Perspektiven, die mit hohen Geburtenraten verbunden sind. Umgekehrtes gilt ähnlich für tiefe Geburtenraten.

Nötig ist somit, Perspektiven zu fördern, die der Forderung nach Nachhaltigkeit genügen. Ausgangspunkt muss folgendes Motto sein: Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und müssen somit dafür sorgen, dass dieser Planeten unseren Nachkommen unversehrt übergeben werden kann. Das betrifft Ökonomie und Ökologie aber auch die Demographie. Notwendig ist das entsprechende Verteilen der Verantwortung.
Gernot Gwehenberger

Selbstverständlich muss ein Streitgespräch zwischen Menschen unterschiedlicher Meinung stattfinden. Gehring und Hossenfelder stellen somit gute „Gegner“ dar. Als ehemaliger Grünen-Wähler bin ich entsetzt, wie der u.a. für Bildung und Forschung verantwortliche Kai Gehring in dieser Diskussion konservative, ängstliche und ideologische Politik vertritt und auf die Einwände von Sabine Hossenfelder so gut wir nie direkt eingeht. Als Erfolg der grünen Energiepolitik werden u.a. Verwaltungsakte angeführt:  „…Windparkanlagen und -flächen ausgewiesen…“: verwaltungstechnisch sicher ein Erfolg, nur steht deshalb aktuell kein einziges Windrad für die Stromproduktion zusätzlich zur Verfügung. Es muss nämlich erst final genehmigt (Verwaltungsverfahren von immer noch ca. 2-3 Jahren) und gebaut (Fachkräfte, Materialien, Rohstoffe) werden. Bei der Solartechnik fehlen sowohl Fachkräfte wie auch innereuropäische Lieferketten.

Der Flächenbedarf für beide Technologien ist – wie von Hossenfelder erwähnt enorm, was einem ökologischen Ansatz diametral widerspricht. Stellen sie sich doch bitte einmal 2% Fläche für Bebauung durch Anlagen für alternative Energien in Ihrer Wohnumgebung vor: für Dresden wären das 6,5 Quadratkilometer, für eine mittlere Landgemeinde ca. 2-3 qkm (wer es braucht: 900 bzw. 300 – 400 Fußballfelder). Während in wesentlichen Orten der Welt die Kernfusion massiv gefördert wird, unterstützt die Bundesregierung diese Entwicklung mit 150 Mio. („Wir müssen sparen“), wogegen der Bau ZWEIER Halbleiterfirmen ohne großes Innovationspotential aus dem außereuropäischen Ausland mit dem 100-fachen Euro-Betrag (!!) unterstützt und als riesiger politischer Erfolg gefeiert wird.

Fazit: Eine Politik, die auf Ziele in 20 Jahren schaut, ist allemal besser, als nur bis zu nächsten Wahl zu sehen. Wirklich zukunftsorientierte Politik sieht für mich anders aus, sie schaut auf einen generationsübergreifenden Horizont.
Eberhard Goette

Nach dem Energieerhaltungsgesetz kann Energie weder erzeugt noch erhalten werden. Daher macht es mich stutzig, wenn ich lese, dass Wissenschaftler in einem Prozess mehr Energie erzeugt haben wollen, als sie angeblich hineingesteckt haben. Ich kann daher der Argumentation von Herrn Gehring folgen, dass wir uns auf die Nutzung der Sonnenenergie konzentrieren sollten. In der Sonne steckt eine riesige Menge kosmischer Energie, und wir können nur einen Bruchteil davon nutzen. Wenn wir diesen Anteil vergrößern können, haben wir viel gewonnen. Wenn der Sonne die Energie ausgeht, werden wir von ihr ohnehin verschluckt.
Martin Krivacek

 


Leserbriefe zu „»Alle Mächte sind Heuchler, und sie heucheln auch, wenn sie den Vorwurf der Heuchelei erheben«“. Gespräch mit Pratap B. Mehtageführt von Jan Roß

Ich bin ein wenig über das Wort „empathisch“ (linke Spalte) gestolpert, weil ich dort eher „emphatisch“ erwartet hätte, weil das zu den Erwartungen des Westens besser gepasst hätte. Ich vermute, dass das Interview auf Englisch geführt wurde. Ist da etwas bei der Übersetzung schiefgegangen? Oder hat Herr Mahta im Original einmal „emphatically“ (mit „nachdrücklich“ übersetzt) und danach, kontrastierend dazu, „empathically“ gesagt? Das ich hier so wenig empathisch, sondern eher emphatisch daherkomme, hat damit zu tun, dass ich eine Zeitlang das Gefühl hatte, dass sehr viele Journalisten die beiden Wörter nicht auseinanderhalten können. Dann war es relativ lange ganz okay. Ich hoffe, dass es jetzt nicht wieder von vorne losgeht. Dass Indien mit der ehemaligen Kolonie USA besser als mit Europa klarkommt, scheint mir logisch zu sein. Wo in Europa gibt oder gab es denn Kolonien? Abgesehen natürlich von Westdeutschland und der Ostzone, wobei die Frage ist, wer da letztendlich wen kolonisiert hat.
Thomas Manthey

Dass Indien den russischen Überfall auf die Ukraine nicht verurteilt, ist kein Wunder: Liegt es doch seit Jahrzehnten mit Pakistan im Krieg, um ganz Kaschmir zu erobern. Auch wenn die „Asiatische Moral“ anders als die westliche ist, so ist der Feldzug von Modi gegen seine muslimischen Bürger sicher kein Beispiel einer besseren Moral.
Peter Pielmeier

Vielen Dank für Ihr interessantes Interview. Ich habe gesehen, dass auf Ihrer Autorenseite keine Informationen zu Ihrer Person stehen, was mich gerne interessiert hätte.
Michael Scheppler

Prinzipiell ist es zu begrüßen, wenn sich Regierungschefs treffen, um gemeinsam Ziele zu erreichen. Dies ist sogar notwendig, um das wichtigste Ziel zu erreichen, der Menschheit und damit auch dem eigenen Land eine gute Zukunft zu ermöglichen. Problematisch ist es, wenn das Nahziel darin besteht, eine Frontlinie herzustellen gegen andere Staaten-Gruppen, die eben auch einen wichtigen Beitrag zum Hauptziel leisten müssen. Wenn also das Motto heißt: «Gemeinsam sind wir stärker als die anderen» und nicht «Gemeinsam sind wir stark». Das wichtigste Ziel, das Sichern einer guten Zukunft für alle, kann nur gemeinsam erreicht werden.

Problematisch wird es, wenn zum Erreichen des genannten problematischen Nahziels unberechtigte Schuldzuweisungen insbesondere unberechtigte Pauschal-Schuldzuweisungen aufgestellt werden. Praptap B. Mehta «einer der führenden politischen Denker und öffentlichen Intellektuellen Indiens» kritisiert die ungleiche «Behandlung von Flüchtlingen aus dem Jemen im Vergleich zu Flüchtlingen aus der Ukraine». Grundsätzlich ist es ja so, dass dann, wenn man dem einen hilft und einem anderen ähnlich Hilfebedürftigen nicht, dann riskiert man die Kritik wegen Ungleichbehandlung. Darum ist es anscheinend am besten man beschränkt sich aufs Kritisieren und hilft niemandem. Im Falle der genannten Ungleichheit ist es einfach so, dass die Ukraine in Europa liegt und der Jemen wie Indien in Asien. Dazu kommt, dass eine Ursache der Konflikte im Jemen die aktuell und noch immer hohe Geburtenrate ist und die Ursache des Ukraine-Kriegs – wie Mehta feststellt – das Ziel «die Auslöschung eines ganzen Landes» ist.

Mehta stellt fest, es wäre «angesichts der Geschichte der letzten 200 oder 300 Jahre schwer, den Universalismus des Westens von der rohen Machtausübung zu trennen.» Dazu ist zu sagen, dass angesichts des Schlamassels der Menschheit historische Schuldzuweisungen keine Rolle mehr spielen sollten und dass pauschale Schuldzuweisungen sowieso nicht gerecht sind. Darüber hinaus «dass man automatisch den Universalismus immer dem Westen zuschreibt» kommt von der höheren Produktivität des Westens. Schließlich beruhen der technische Fortschritt und auch dessen negative Folgen auf Leistungen des Westens. Das erzeugt ökonomische und demographische Gräben, die durch das Prinzip «The Winner takes it All» verstärkt werden. Ein Beispiel: Bauen zwei Landwirte Kartoffeln an, profitieren beide etwa gleich. Produzieren zwei Firmen ein IT-Produkt oder ein Medikament jeweils für denselben Zweck, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt floppt und das andere hohe Gewinne einfährt. Der Versuch, dieses Problem vor allem durch Aufholen und Nachholen zu lösen, kann nicht gelingen. Die folgende Utopie kann mangels Ressourcen (Klima-Krise) nicht gelingen. Durch Industrialisierung Nigerias, Ägyptens oder auch Südafrikas oder Indiens wird die dortige Produktivität ans Niveau des Westens herangeführt und das liefert Perspektiven, die bewirken, dass die Geburtenrate in den genannten Ländern sich ebenfalls an den Level des Westens angleichen. Das kann aber nicht funktionieren. Es sind vermutlich zusätzliche direkt auf die Geburtenrate gerichtete Anstrengungen nötig.

Das Umgekehrte müsste funktionieren. Noch vor dem industriellen Aufstieg Koreas oder auch Chinas wurden die dortigen Geburtenraten gesenkt. Übrigens, auch in Europa wurde die Geburtenrate durch Zwang begrenzt. Üblich war bis ins 20 te Jahrhundert: ein Sohn erbte den Bauernhof, die anderen Kinder wurden meist Dienstboten oder wählten einen geistlichen Beruf und konnten so keine Familie gründen. Im Dorf (heute unter 400 Einwohner), in dem mein Vater geboren wurde, gab’s beim größten Bauern 21 Dienstboten (14 Knechte, 7 Mägde). Gäb’s weltweit wenigstens annähernd so tiefe Geburtenraten wie in den meisten Industrieländern, wäre es möglich die Klima-Krise und ihre Folgen zu bewältigen.
Gernot Gwehenberger

 


Leserbriefe zu „Ist Surfen schmutziger als Fliegen?“ von Petra Pinzler

Vielen Dank dafür, dass Sie im Artikel „Ist Surfen schmutziger als Fliegen?“ auf diese Art der Energieverschwendung und Umweltverschmutzung aufmerksam machen. Man muss ja wirklich nicht alles übers Netz erledigen bzw. sich dort anschauen. TV-Programme z.B. lassen sich auch ganz altmodisch vor dem Fernsehapparat genießen.  Mir fällt aber schon länger auf, dass niemand auf die Idee kommt, sich mal zu überlegen, wo genau Digitalisierung unbedingt erforderlich ist und an welchen Stellen wir darauf verzichten können. Das Erforderliche sollte dann endlich forciert werden, was leichter ist, wenn wir uns darüber klar sind, wo man sie nicht benötigt. Dabei geht es ja nicht nur um den Stromverbrauch, sondern auch um die Abhängigkeit, die im Leitartikel „Des Kanzlers Ommmm“ erwähnt wird, weil ohne Rohstoffe aus China auch die modernste Chip-Fabrik uns nichts nützt.  Muss denn das Licht im Bad durch einen Chip gesteuert zeitversetzt mit der Belüftung gekoppelt werden? Ich meine, da tut es auch ein mechanischer Schalter, auf den man dann einfach drückt, wenn man entlüften will. Das spart jeweils einen Chip. Auch nicht alles und jedes am Auto oder der Waschmanische müsste chipgesteuert sein. Spätestens dann, wenn weltweit all die Rohstoffe wie seltenen Erden usw. verbraucht sind, müssen wir uns darüber Gedanken machen. Man könnte damit aber schon jetzt mal anfangen.
Ursula Schwarzer

 

Mir fällt allerdings auf, dass bei der Diskussion über CO2-Emmissionen eine Sparte völlig ausgeblendet wird: Raketen, Panzer, Streuminiton erzeugen augenscheinlich keinen CO2-Ausstoß, sonst würde doch darüber berichtet? Insbesondere interessiert mich die Frage, welchen CO2-Fußabdruck ein einzelnes Exemplar der Streumunition hat, von der die USA 4,5 Millionen besitzen sollen und einen großen Teil an die Ukraine liefern wollen. Sie soll ja auch besonders nachhaltig sein und später – wenn die Zivilbevölkerung zurück ist – diese auch noch in Schrecken versetzen können.
Walter Ludwigs

„Wer etwas fürs Klima tun und die Digitalisierung grüner machen wolle, so Rohde, der müsse bei den Konzernen anfangen und nicht bei den Menschen. Die Individualisierung des Problems sei schlicht falsch.“ Das gilt analog natürlich auch für Autofahrer, Flugreisende, Schiffsreisende, aber nicht für Immobilienbesitzer. Das individuelle Recht frei zu reisen und zu streamen, zu fliegen und tonnenschwer zu rasen wird deutlich höher geschätzt, als das Recht auf eine gesicherte Rente und individuell zu heizen. Der klimabewegten Jugend darf man ihre Spielzeuge (Handy, Auto ab 16 mit 45-Aufkleber) nicht nehmen, den Sparsamen und Fleißigen, die jetzt alt sind, sollen dagegen draufzahlen. Sie merken, ich bin nicht Ihrer Ansicht. Gerade in Zeiten, in denen Menschen um ihre Lebensleistung gebracht werden sollen, unabhängig davon, ob diese ressourcensparend gelebt haben, finde ich, dass man den jungen Menschen durchaus zumuten kann, auf ihre Spielzeuge zu verzichten.
Christian Fahn

Endlich einmal ein Artikel, der auch die Gefahren der Digitalisierung für die Umwelt darlegt. Denn im Gegensatz zum Flug- oder Autoverkehr trägt etwa bei der Benutzung von Mediatheken nicht der Verursacher die Kosten, sondern die Allgemeinheit, nämlich die Gebührenzahler, da die  Abrufung eines Fernsehprogramms beim Endnutzer nur geringe Kosten  verursachen, während dessen ständige Bereitstellung, damit es jederzeit  abrufbar ist, sehr energieintensiv ist. Hier wäre es vernünftiger und gerechter, für die Benutzung der Mediathek eine zusätzliche Gebühr zu entrichten (als Abo oder als fester Preis für eine Sendung) Zu fragen wäre auch, ob bei Publikationen nicht im Endeffekt das  digitale Buch, die digitale Zeitschrift für eine Bibliothek teurer wird  als der Druck, da die Kosten für deren Bereitstellung Ewigkeitskosten  verursachen.
Franz-Josef Kos

 


Leserbriefe zu „Kein falsches Wort, kein Lächeln an der falschen Stelle“ von Tina Hildebrandt und Michael Thumann

Warum unterhalten wir eigentlich überhaupt noch diplomatische Beziehungen mit Sowjetfaschisten? Ich habe übrigens möglicherweise diplomatische Verwicklungen mit Frankreich verhindert (es sind auch schon Kriege aus nichtigeren Anlässen ausgebrochen). Am Wochenende war ich bei uns im Ort einkaufen und wunderte mich über die niederländischen Flaggen (bzw. Wimpel waren das wohl eher), mit denen die Durchfahrtsstraße geschmückt war. Am Rathaus sah ich dann neben der dt. und der europäischen auch die frz. Flagge wehen (ob das die aktuelle mit dem alt-neuen Macron-Blau war, kann ich aber nicht genau sagen; eine ziemliche Geldverschwendung, zigtausende von neuen Flaggen anzuschaffen, nicht nur in Frankreich, nur weil man sich bei Antieuropäern von Rechtsaußen einschleimen will). Anlass waren 50 Jahre Partnerschaft mit Chabanais. Ich habe die Verantwortlichen kontaktiert, die mir bestätigt haben, dass es kein Irrtum und tatsächlich niederländische Wimpel waren. Die konnten noch rechtzeitig ausgetauscht worden und so konnte eine ziemliche Peinlichkeit vermieden werden. Beim nächsten Gegenbesuch hätten die Franzosen sich ja mit belgischen Flaggen revanchieren können. Solche Dinge können leicht eskalieren …
Thomas Manthey

Seit Längerem denke ich darüber nach, ob ich mein Abo kündigen soll. Der Grund oder besser die Gründe: Zu oft Bleiwüste unkonkrete Selbstbeweihräucherung unerheblicher Personen. Zu oft feinsinnige Parteinahme und Einseitigkeit für eine Seite (Ukraine). Überlasst das doch der Bild. Wenn ein Medium auf einem Auge blind scheint, nutzen auch scheinbar kritisches Abwägen nicht viel. Sagt ein nicht russophober Freigeist mit guter Kenntnis der Geschichte. Und nun ein hervorragender, sensibler Bericht über den neuen Botschafter Lambsdorff in Moskau und ein schräger Test des „Experten für alles Schräge“, Dausend, in dem dieser todschicke Herr Lanz so trefflich entkorkt wird. Gratuliere. Warum ist denn eigentlich nicht Lambsdorff Außenminister statt eines grünen Ampelbirnchens? Ich werde also erst mal das Abo nicht kündigen…. wenn Sie erlauben.
Wolfgang Frings

Alle Achtung, mein Gott, Herr Graf Lambsdorff, sie sind aber todesmutig, denn wer in diesen Zeiten nach Moskau reist und auch noch für längere Zeit dort vor Ort bleiben will, der muss einige Mutmacher im Koffer mit sich führen. Ob er den auch vom allein herrschenden Wladimir, dem Leibhaftigen, in dessen Höllenreich empfangen wird, das werden wir bestimmt noch rechtzeitig erfahren.
Klaus P. Jaworek

 


Leserbriefe zu „»Wer zurückblieb, blieb zurück«“ von Yassin Musharbash

«Anfang Juli setzten tunesische Sicherheitskräfte Hunderte Migranten in der Wüste aus.» Der Artikel von Yassin Musharbash beschreibt «eine Begegnung mit Überlebenden». Deren Mitteilungen sind erschütternd. Es muss eine humanitär akzeptable Lösung geben. Aber wer hat hier versagt, mal abgesehen von den Sicherheitskräften und ihren Auftraggebern? «Wie es weitergeht, weiß niemand der Überlebenden.» Die einzige Hoffnung ist «Anerkennung als Flüchtlinge oder sparen auf die Überfahrt nach Europa.» Unbeantwortet bleibt die Frage, warum die Zustände in den Herkunftsländern so unerträglich sind, dass Flucht notwendig ist.

Als Herkunftsländer werden Nigeria, Kenia, Sudan und Eritrea genannt. Eine Eigenschaft dieser Länder sind die hohen Geburtenraten, und als Folge das Fehlen von Perspektiven (außer solchen, die wieder hohe Geburtenraten bewirken). Eine weitere Folge sind wirtschaftliche und politische Krisen und ein Beitrag zum Klima-Wandel wegen Reduktion der Wälder und Überlastung der verfügbaren natürlichen Ressourcen. Das fügt sich ein als Teile der Ursachen für das Schlamassel der Menschheit. Diese Ursachen sind das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum. Seit 1900 hat sich die Weltbevölkerung verfünffacht und die Wirtschaftsleistung pro Kopf versiebenfacht. Die Klima-Krise aber auch die Zunahme der Migration zeigen, dass das exponentielle Wachstum nicht weiter gehen kann. Offen ist nur, ob die Landung gesteuert und weich oder brutal hart sein wird.

Unabdingbar ist somit auch, dass diese Situation und die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten zu einer Bewusstseinsänderung führen, die zur Beendigung des exponentiellen Wachstums führen. Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen nicht weiter. Ein Bild von der Plötzlichkeit der Entwicklung bietet die Story von den Seerosen, die sich auf einem See ausbreiten und dabei die genutzte Fläche jedes Jahr verdoppeln. Vor der letzten Verdoppelung ist der halbe See noch verfügbar, danach nichts mehr. Wenn man Schwierigkeiten hat, diese Story nachzuvollziehen, dann hat das auch mit der geringen biologischen Glaubhaftigkeit zu tun. Die Verdoppelung der Seerosen kann nur dadurch geschehen, dass sich jede einzelne Pflanze verdoppelt. Das ist aber nur am Rand der Seerosen-Fläche möglich. Jede innere Pflanze muss ihre Verdoppelungen beenden oder am Wachstum ersticken. Eine ähnliche Schranke hat wohl auch bewirkt, dass es so lange dauerte, bis die Zahl der Menschen auf 2 Milliarden angewachsen ist. Inzwischen ist sie innerhalb einer Lebenszeit auf 8 Milliarden angewachsen. Der Grund dafür, dass dies möglich war, ist der technologische Fortschritt, der die Zugriffsmöglichkeiten auf die fürs Wachstum nötigen Ressourcen mehrmals ebenfalls verdoppelte. Dies auf Kosten der Natur mit oft unerwarteten Folgen. Eine Folge ist die Algenblüte, die an manchen Orten in der Karibik die Fischbestände dezimiert. Dies wegen der Zunahme der nährstoffreichen Mineralien, die von den großen Flüssen Afrikas und Südamerikas (Kongo und Amazonas) ins Meer gespült werden. Dies ist eine Folge von Entwaldung und Vergrößerung der Anbauflächen, notwendig zur Ernährung der wachsenden Bevölkerung. Das Beispiel zeit: es ist nicht nur der Co2 Ausstoß, der die Perspektiven verdüstert.

Notwendig ist somit ein Bewusstseinswandel nicht nur in den Zielländern der Migration, sondern auch in den Herkunftsländern. Dort betrifft es neben dem Wachstum des Konsums der Eliten, vor allem das Wachstum der Kopfzahl aller auch der Eliten. Diese Bewusstseinsänderung wird offensichtlich dadurch blockiert, dass anscheinend in Europa jede Menge Ressourcen bestehen, die von Migranten genutzt werden können und dürfen, insbesondere, wenn es ihnen gelingt, nach Europa zu gelangen. Dass damit ab einem gewissen Ausmaß das Menschenrecht auf Eigentum der Europäer entscheidend verletzt wird, wird ignoriert. Dabei ist dieses uralte Recht eine wesentliche Grundlage für unsere Zivilisation und für das langfristige Fortbestehen. Es geht dabei nicht nur ums Finanzielle. Es geht auch um Stabilität und Sicherheit. Natürlich, Eigentum verpflichtet. Aber eben auch dazu, zu überlegen, wie ein humanes Ende des exponentiellen Wachstums durch einen weltweiten Bewusstseinswandel gefördert werden kann.
Gernot Gwehenberger

Für das Aussetzen von Menschen in Wüstengebieten, hat das Deutsche Reich vor über 100 Jahren in seiner Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) das ‚Pilotprojekt‘ geliefert: Aussetzen der Mitglieder der afrikanischen Völker Herero und Nama ohne Versorgung in der Wüste Namib. Ergebnis: Kaum Überlebende. Die deutsche Regierung hat, nach vielen Verhandlungen,2021 diesen Vorgang als Völkermord anerkannt.
Hartmut Wagener

Wenn man das Foto einer strahlenden EU-Präsidentin bei der Unterzeichnung des Flüchtlingsabkommen in Tunesiensieht, dann versteht man die Welt nicht mehr. Wäre richtig gewesen, hier zumindest eine Randnote zu schreiben, denn diese Vorkommnisse geschahen kurz nach der Unterzeichnung.
Manfred Mengewein

 


Leserbriefe zu „Sie sammeln ihre Kräfte“ von Matthias Nass

In der letzten Zeit überschlagen sich Ihre Grafiker. Wie soll ich einen solchen Artikel lesen, bei dem aufgrund der farbigen Abbildungen ein Lese-Abschnitt mit nur 3 – 4 Buchstaben beginnt und man sich dann in Dreiecksform nach „unten spulen muss?“ Seit ca.10 Jahren lese ich die „Zeit“, bis vor einigen Jahren online, weil ein Abo-Zustellung in Italien nicht möglich war. Jetzt lebe ich wieder in Deutschland, lese sie in Papierform und verzweifle von Woche zu Woche an der Mühe, dieses Riesenformat handlich zu falten. Ich weiß, dass es eine image-Frage ist, das Papier-Format beizubehalten, aber wenigstens innerhalb einer Seite könnten Sie Ihren Lesern entgegenkommen, damit man mit jeweils einer Faltung eine halbe Seite „ungestört“ lesen kann. Übrigens, ich bin über 80 und lese auch manchmal gern im Liegen….
Ursula Hauss

In seiner besorgniserregenden Indopazifikskizze lässt Matthias Nass Staaten als Einheiten auftreten und die Staatenlenker mit einer Stimme für ihre Länder sprechen. Das sind sicherlich zulässige und notwendige Vereinfachungen, um die entstehende neue Sicherheitsarchitektur plastisch darstellen zu können. Wenn sich in dieser Architektur, im Zuge der Äußerungen der Staatenlenker und des Fahrt aufnehmenden Wettrüstens die Perspektive eines Krieges zwischen China und den USA wie ein zwangsläufiges Naturereignis abzeichnet, so stellt sich dann aber doch die Frage nach Differenzierungen. Sind die Amerikaner nicht kriegsmüde? Will die rapide alternde chinesische Gesellschaft wirklich ihre Jugend in einem Krieg opfern? Ermutigt der Krieg in der Ukraine tatsächlich zu weiteren und noch größer angelegten Kriegen? Was wird aus Russland nach dem Ende des Krieges in der Ukraine. Verschränken sich Produktion und Märkte nicht immer weiter international? Wird Europa sich in einer heterogenen Gemengelage einen? Sind im Rahmen der fortschreitenden Ausprägungen des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten klassische Kriege überhaupt noch denkbar? Müssen nicht gerade auch die mächtigen Akteure eher ihre Kräfte sammeln und kooperieren, wenn es um das Vermeiden eines Weltbürgerkriegs, um das Überleben der Menschheit geht.
Reinhard Koine

 

Zwei Zitate von Helmut Schmidt bringen es auf den Punkt und erklären die Problematik im indopazifischen Raum: „Leute, die keinen Krieg erlebt haben, wohl aber selbst führen oder provozieren, wissen nicht, was sie Furchtbares anrichten“ und „Wenn wir uns überall einmischen, wo himmelschreiendes Unrecht geschieht, dann riskieren wir den Dritten Weltkrieg“. Interventionen lehnte er selbst aus humanitären Gründen ab. Westliche Politiker und Gesellschaften glauben immer noch, anderen Ländern die eigenen Wertevorstellungen und Lebensanschauungen überstülpen zu müssen. Das hat noch nie funktioniert und wird auch gerade bei den aktuellen globalen Veränderungen nicht funktionieren. Im Fall von Taiwan spielen ohnehin imperiale und ökonomische Gründe die Hauptrolle. Das sagt nur keiner mit der notwendigen Ehrlichkeit. Vor der Erfindung der Telegraphie hätten wir erst Wochen oder Monate später oder von der Invasion Chinas in Taiwan erfahren. Heute kann die Welt die Entwicklung der unvermeidbaren Krise live verfolgen und sich wirkungsvoll echauffieren. Die jetzt so besorgte Weltpolitik sollte sich besser mit der Frage beschäftigen, wie sie danach mit China umgehen möchte und umgehen muss.
Andreas Löbbers

 


Leserbriefe zu „»Wir haben viel zu verlieren«“. Gespräch mit Dominik Enste geführt von Anant Agarwala

 In der „Zeit“ Nr. 35 lese ich, dass Christian Sewing, Vorstandschef der Deutschen Bank 2022 rund 9,2 Millionen Euro verdiente.  Gleichzeitig sagte Herr Ernste im Interview …

„Wir müssten künftig eigentlich mehr und länger arbeiten – auch wenn ich den Wunsch nach weniger Arbeitszeit verstehen kann. Aber zwei große Krisen ließen sich so abschwächen: der Fachkräftemangel und das kaum zu finanzierende Rentensystem.“

Dabei kam mir die Beitragsbemessungsgrenze in den Sinn. (Die Beitragsbemessungsgrenze ist der Höchstbetrag, bis zu dem Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen bei der Berechnung des Versicherungsbeitrags berücksichtigt werden. Für darüber hinausgehendes Einkommen sind keine Beiträge zu zahlen.) Was zahlt Herr Sewing eigentlich in das deutsche Rentensystem ein? Und Herr Erste, bei allem Respekt, jetzt wenden Sie Ihre Formel doch einfach mal an.
Jörg-Uwe Steuk

Nun – zuallererst muss man klar konstatieren, dass selbst DIE ZEIT dem „Niveau des Bashing“ (immer auf die Politik) rel. folgt; Auflagenhöhe entscheidet, das kommt an! Zum zweiten muss man sagen, Die jetzige „Ampel-“-Regierung steckt in einer nie da gewesen Situation des Handelns (Putins Vernichtungskrieg mitten in Europa gegen friedliebende und positive Ukrainer. Wohl gemerkt, dass sind nicht „Die Russen“, die Krieg führen); deshalb lautet die Formel „Putin an den Galgen“! Mitten in Moskau – auf dem Roten Platz! Kommen wir zum „eigentlichen“ Thema (ein total überflüssiges Wort der deutschen Sprache, aber Jeder benutz es …? ) des „Wirtschaftlichen Niedergangs“:

Es ist einfach lächerlich zu behaupten, selbst von sog. Experten, dass ein Minus von 0,3% wichtig wäre, weiterhin die Inflationsklagen für Raten um die 10%. Was sollen die wirklich Betroffenen weltweit (Türkei, Argentinien und die anderen zig Staaten der sog. Weltgemeinschaft) sagen, die um die 50 – 100% Inflation zu beklagen haben: Also auch hier:  Fette Schlagzeilen der Medien bringt Umsatz und „mehrt das Konto der AFD“, indem „einfache gestrickte Menschen“ (die sich „einen Dreck“ um alles scheren) das Geschriebene alles für bare Münze halten und sich Eins ins Fäustchen lachen. Also Medien:  Geht in Euch und prüft Euch selber mal, ob ihr nicht Schaden an der Demokratie nehmt?

So: Das schnelle Handeln der Ampel „dank Putins Krieg“: Vorausgeschickt, der „Dummkopf“ (Putin) hätte es super machen können, aus Russland einen wirklich reichen erfolgreichen Staat zu machen.

 Hinderlich ist bloß sein vorsintflutliches Geschichtsbild ala Stalin, deshalb die Vernichtung, bei dem selbst seine eigenen hunderttausenden Toten keine Rolle spielen. „Wir haben viel zu verlieren“, so der DIE-ZEIT-Tenor, S. 27: Die jetzige Ampel trifft keine Schuld. In so kurzer Zeit so entscheiden zu müssen: Das haben Kohl und Merkel (32 Jahre Regierung) gemeinsam verbockt: Kein entschiedenes Handeln, bewusstes Aussitzen und Kohl mit seiner dummen Parteispendenaffäre usw. Beide hätten jeweils max. 4 Jahre Kanzler sein dürfen – naja- und wenn ich an Merz denke …?

Die Quittung: Marode Infrastruktur, die jetzt hyperschnell auf Vordermann gebracht werden muss (Staus, Ärger und dann auch noch die verdammten blöden Klima-Kleber), eine völlig unfähige Verkehrspolitik von 4 CSU-Ministern (Ramsauer, Schmidt, Dobrindt und der „Künstler“ Scheuer – einfach grässlich!!?? Die gehörten auf Hartz IV-Niveau gesetzt! Das digitale Monstrum 5 G – hätte schon seit 15 Jahren funktionieren müssen, aber Merkel:  Hat immer noch Zeit! Alles Unbequeme wegschieben!

Dabei dürfen die Regeln zur Dt. Einheit und die sog. Finanz-, Euro-Krise nicht außer acht gelassen werden, was die beiden (Kohl und Merkel) ganz gut hinbekamen, doch auch hier: Mind. 1/3 des Geldes für den sog. „Aufbau Ost“ hätte im Westen in die Infrastruktur (Straßennetz, Dt. Bahn, Privatbahnen, U-, S- und andere Bahnen, das Taxi-Problem, die E-Roller usw.) gesteckt werden müssen, dann hätten wir wesentliche bessere Bedingungen, inkl. Entscheidung der Energiefrage (das Klimaproblem gibt’s schon seit 50 Jahren), inkl. 5 G, inkl.  –  aber das Geld wurde an anderer Stelle verplempert gem. dem Motto:  Nach mir die Sintflut: Alle Großprojekte der letzten dreißig Jahre und wenn es nur an der unfähigen Verwaltung scheitert.

Und wie immer klagt die Wirtschaft, wenn sie mal wieder „ordentlich Kasse machen will“:  Gebt uns Subventionen, also Steuergelder (von DIR und MIR), damit wir in Gang kommen … Und oft hat sich gezeigt, dass die sog. Wirtschaftsführer unfähige Leute sind, die nur die Füllung ihres eigenen Portemonnaies im Kopf haben und Renommee wg. neuer Modelle usw. Und glänzen tun sie da, wo das Geld liegt:  Auf ihrem Konto, in Immobilien, in Aktien usw.  und natürlich im teureren Lebensstil, der nur eines prägt:  Die Klimakrise. Genau bei denen ist zukünftig ordentlich Steuergeld abzukassieren! Gruß an Lindner! Aber – Hand aufs Herz – wer klagt nicht noch alles:

I.P. Die ganze Welt.  Selbst die Asiaten (die nicht genug Kinder kriegen), selbst natürlich die Vorder-Asiaten, ständig bekriegt, auch durch dusselige „Imperatoren wie US-Amerikaner, Russen, Chinesen  …  Inder uam“ provoziert und dann natürlich außer den Südamerikanern (Revolutionen, Super-Inflationen, jahrzehntelange Bürgerkriege) die Afrikaner, die nur eines wollen – weg von hier hin zum gelobten Land der Deutschen usw.; Gruß an unsere völlig unfähige „Entwicklungspolitik“ der letzten 70 Jahre !! Und was hindert uns außerdem:  Eine unfähige Verwaltung dank unfassbar schlechter Vorschriften mit noch Vorschriften aus Kaisers- und Hitler-Zeiten usw. – denkt man an die Siedlungspolitik, Grundstücksverkehrsgesetze, Strafsachen etc. Deshalb auch die ganz klare Forderung:  Zunächst gilt es, kriminell gewordene Ausländer, zumeist die letzten Flüchtlinge, die Clans, sind ungeachtet der Familienverhältnisse Sofort auszuweisen!  Das wäre indirekt auch ein Schritt gegen die AFD-sierung !

Ganz zuletzt:  Das ZEIT-Magazin-Thema: „Die verkannte Generation“  … Nun – viele von denen hatten sich in der „satten Republik“ bestens etabliert mit „dicken Pöstchen, Gehältern, Pensionen, Renten. Natürlich gibt es auch immer „Loser“, gewollt oder nicht gewollt: „Selbst Schuld“ – sagt der „Volksmund“ ! Das Kinderproblem, um mal ganz konkret die Facharbeiter- und andere Fragen zu beantworten:  Waren es nicht auch unfassbar individuelle Entscheidungen von Denen der Boomer, die sich dem Nachwuchs verweigert haben im Stil der satten Siebziger Jahre: Unser schönes Leben könnten ja Kinder gefährden – es geht „auch Ohne“!

Natürlich waren die Boomer Gewalt der Eltern (Väter und Mütter – Mütter oft ganz perfide !!) ausgesetzt, die „unter dem Kaiser und Hitler“ teilweise zu Monstern wurden – im Krieg jedenfalls meist „hirnverletzt“:  Sollte man da Kinder kriegen ? Gerade die sollten aber ordentlich zur Kasse gebeten werden, heut und in Zukunft!
Rainer Rehfeldt

Wie anspruchsvoll sind wir eigentlich? Nur noch Krise, Rückgang in der Wirtschaft etc., etc. Wann schreiben Reporter mal mutmachende Berichte? Wir haben Corona glimpflich überstanden, wir haben einen Krieg am Hals, wir müssen kämpfen wegen der unleugbaren Klimakrise, die jetzige Regierung muss aufarbeiten, was die vorhergegangene Regierung versäumt hat, es steht ein Fachkräftemangel ins Haus. Die Umsetzung unserer Heizungen ist kein Kinderspiel. Wer damit Probleme hat, braucht in 50 Jahren keine Heizung mehr. Die Menschen wollen weniger arbeiten. Es kann doch nicht sein, dass die Bildungspolitik innerhalb von 2 Jahren so abgerutscht ist. Hat man etwa vorher etwas versäumt? Letzten Endes ist auch die Zunahme der Flüchtlinge ein immer größeres Problem. Sollen wir diese Menschen einfach in die Wüste schicken? Es gibt also massenhaft Probleme, mit denen die Regierung fertig werden muss. Die guten Zeiten sind uns nicht garantiert. Ist das so schlimm, wenn wir mal ein paar Punkte zurückschrauben müssen? Natürlich sind die Umstände nicht schuld, sondern unsere Regierung? Und wenn ein Habeck deutlich sagt: Leute es kommen schwere Zeiten, dann rutschen seine Umfragewerte in den Keller. Ich, 91 Jahre alt, fremdschäme mich für diese Mutlosigkeit. Es gab andere Zeiten, aber damals waren alle arm und keine Vergleiche. Dennoch waren wir fröhlich und keine Jammerlappen.
Leonore Hasselmeier

 


Leserbriefe zu „Der Stich ins Ungewisse“ von Harro Albrecht

Dass die Sars-CoV-2 (Gen)Impfung ein Stich ins Ungewisse war und ist, zeigt schon die Tatsache, dass vor Corona diese mRNA-Technik nur ausnahmsweise bei Krebskranken versucht wurde, da das Präparat keine richtige Zulassung hatte. Dass damit ohne Not nun viele Millionen Gesunde behandelt (besser misshandelt) wurden und eine echte Aufklärung nicht stattfand, ließ eine Vielzahl von Pos-Vac-Fällen erwarten, die DIE ZEIT kürzlich noch in die Psychoecke drängen wollte. Eigentlich müssten auch die Impfärzte, die es besser wissen konnten, in die Pflicht genommen werden, aber es wird wohl auf eine globale Amnestie hinauslaufen, denn sonst haben wir keine Medizin mehr. Dass Spike-Proteine noch lange nach der Impfung im Körper nachweisbar sind, bewiesen die Obduktionen von Prof. Arne Burckhart (+). Auch die Gleichzeitigkeit einer Hirnvenen-Sinusthrombose mit einer Myocarditis hat man vor der Impfung noch nie gesehen.
Fritz Junghans

1974/74 war ich als junger Wissenschaftler am California Institute of Technolgy, Pasadena, und habe dort bei dem ebenfalls jungen Leroy Hood eine Vorlesung über Immunology gehört. Leroy Hood war damals ein junger Star, der es weit gebracht hat. Mir sind seine skizzierten Mäuse an der Tafel lebhaft in Erinnerung und die Tatsache, dass Immunology sehr kompliziert ist. Heute ist die Immunologie viel gefragt. Wenn aber auf die Frage, was steckt hinter dem post-vac Syndrom, spontan die Antwort auf falsch geleitete Antikörper oder eine Auto-Immunreaktion fällt, erscheint mir das hilflos, so hilflose wie sonst die Floskel, das ist nicht eindimensional, sondern multifaktoriell, damit ist gewöhnlich nichts beantwortet, man ist den Frager aber los.

Ich würde sagen, man muss das ganze Spektrum aus Anamnese, Laborbefunde und klinische Symptome durchgehen und wir müssen zwei Phasen unterscheiden: die Infektionsphase und die darauffolgende Immunantwort. Die Immunantwort hat humorale und zelluläre Anteile. Bei der Virusinfektion löst auch die Impfung eine Infektionsphase aus. Eine, ich würde sagen, ganz wesentliche Reaktion, beruht darauf, dass Hepcidin hochgeregelt wird als angeborene Immunantwort. Hepcidin ist Schlüsselenzym im Eisenstoffwechsel. Der Serum Eisen Spiegel sinkt und Ferritin (Eisenspeicherprotein Komplex) im Blut steigt an. Und genau das wird beobachtet. Eine weitere Folge ist, dass die orale Eisen Aufnahme aus dem Darm blockiert ist. In der Immunphase braucht der Körper aber Eisen, um die zelluläre Immunphase anzukurbeln. Es kann aber kein Eisen aufgenommen werden. Wenn, dann muss es iv verabreicht werden. Ich bin kein Mediziner, höre aber, das macht man nicht gerne. Und ganz wesentlich, Frauen im gebärfähigen Alter reagieren anders, weil Hepcidin an Estrogen gekoppelt ist. Das heißt aber, Frauen müssen anders als Männer behandelt werden!!! Bei post-Covid gibt es wenige Arbeiten zum Thema Serum Eisen und Ferritin, danach sinkt der Serum Eisenspiegel und Ferritin steigt sprunghaft an und bleibt über den Zeitraum von post-Covid Symptomen hoch und nimmt langsam mit post-Covid ab. Wer den Takt angibt, weiß man noch nicht. Bei post-vac könnte es so ähnlich wie bei long-Covid sein. Das Ganze ist bisher eine schlüssige Hypothese, genau wie die mögliche Autoimmunantwort etc. Und leider machen Mediziner oft einen Bogen um den Eisenmetabolismus.

Also Herr Albrecht, es gibt noch viel zu tun. Wichtig dabei ist, wir dürfen nicht alle demselben Trampelpfad folgen, der kann auch in eine Sackgasse führen. Wenn man will, haben die großen Kliniken aber alle Daten parat, sie müssen sie nur nutzen. Daran mangelt es aus meiner Sicht. Es spricht zumindest vieles dafür, dass nicht alles über die Immunantwort erklärt werden kann/muss. Die Eisenhomöostase ist ganz wesentlich. Aber auch hier gilt „Eisen ist nicht alles, aber ohne Eisen ist Alles Nichts“.
Rüdiger Lawaczeck

Hallo, hier hat der Autor sich wohl um eine Größenordnung vertan… Zitat: „Der Ursprung dieser Überreaktion ist in vielen Fällen eine B-Zelle. Hundert Billionen von diesen Immunzellen kommen in jedem menschlichen Körper vor.“ Laut Wikipedia besteht der menschliche Körper insgesamt „nur“ aus rund 100 Billion Zellen. Diese Quelle  https://askabiologist.asu.edu/bcell#:~:text=Your%20body%20has%20up%20to,to%20fight%20almost%20any%20invader.

geht von 10 Billion b-zellen im Körper aus.
Frank Dropmann

 


Leserbriefe zu „Ist das links oder woke?“. Gespräch mit Susan Neiman geführt von Elisabeth von Thadden

Eine ZEIT, ein Feuilleton, zwei Seiten. Auf der einen Seite (39) ein Interview mit Susan Neiman auf der anderen Seite (44) ein Artikel von Frau Schmidt.

Auf der einen Seite zeigt jemand, dass er die Grundlagen seines Wissensgebietes so verinnerlicht hat, dass er scheinbar spielerisch Bausteine in eine stringente Argumentation zusammenführen kann und bei einem Thema (Wokeness) eine (auch persönliche) Haltung hat und auch begründen kann. Zudem gibt er mir als Leser Denkanstöße und macht neugierig. Auf der anderen Seite jemand, der zum Thema (Wokeness) aus Attitüde und dem (vermeintlichen) Weltverbesserertum einer Minderheit schreibt und sich diesmal die un-woke Behandlung von Teilnehmer von Klassik-Wettbewerben durch Jurys, die (überwiegend) mit alten weißen Männern besetzt sind, in Deutschland zum Thema macht.

Auf der einen Seite ein elegantes Spiel mit Worten, das andere Sichtweisen akzeptiert und Widerspruch zulässt. Auf der anderen Seite Schlagworte und Versatzstücke aus dem Wörterbuch der „AG Wokeness“. Für die eine Seite kaufe und lese ich seit über 40 Jahren die ZEIT. Bei der anderen Seite bekomme ich Angst über den weiteren Weg der ZEIT bzw. darüber, dass ich als alter weißer Mann den eingeschlagenen Weg nicht mehr mitgehen möchte und einen weiteren Lebensbegleiter verlieren könnte. Leider ist meine Wahrnehmung aktuell, dass sich die Waage zu Ungunsten der einen Seite neigt.
Detlev Luley

In diesem Gespräch vertritt Susan Neiman die These, die Unterscheidung zwischen vernünftigen Gründen und Gewalt sei keine andere als die zwischen Demokratie und Faschismus. Sie bemüht bzw. installiert dazu gewaltige Prämissen, deren gewaltigste folgendermaßen lautet: „Aber wie Rousseau meine auch ich: Es sind vor allem zwei Eigenschaften, die alle Menschen gemeinsam haben. Sie fühlen ein Mitleid, das jeder Vernunft vorausgeht, wenn jemand in ihrer Nähe Schmerzen leidet, und sei diese Empathie noch so flüchtig. Wenn ein Baby weint, dreht sich jeder nach ihm um. Die zweite ist: Wir spüren eine Sehnsucht nach Freiheit und wehren Beschränkungen unserer Freiheit ab.“ Zwei Mal erfolgt in diesem Gespräch zwischen Elisabeth von Thadden und Susan Neiman ein Rekurs auf Carl Schmitt, den „Nazi-Staatsrechtler“ (wie von Thadden ihn nennt). Zum einen habe Schmitt behauptet, wer Menschheit sage, wolle betrügen. Susan Neiman hält dem entgegen: „Wer von Menschheit spricht, erhebt normative Ansprüche. Nichts anderes bedeutet es zu sagen, die Würde des Menschen sei unantastbar. Faktisch wird die Würde unvorstellbar verletzt. Aber normativ soll es so nicht sein.“

Carl Schmitt war ein skrupelloser Hasardeur, dem man alles vorwerfen kann, was den Menschen zum Unmenschen qualifiziert (siehe seine nachgelassenen Tagebücher). Eines kann man ihm allerdings nicht vorhalten: Klar und unmissverständlich in seinen politischen Unterscheidungen gewesen zu sein. Auf Seite 26 seiner 1932 erstmals erschienenen Schrift Der Begriff des Politischen heißt es: „Eine Begriffsbestimmung des Politischen kann nur durch Aufdeckung und Feststellung der spezifisch politischen Kategorien gewonnen werden. Das Politische hat nämlich seine eigenen Kriterien, die gegenüber den verschiedenen, relativ selbständigen Sachgebieten menschlichen Denkens und Handelns, insbesondere dem Moralischen, Ästhetischen, Ökonomischen in eigenartiger Weise wirksam werden. Das Politische muss deshalb in eigenen letzten Unterscheidungen liegen, auf die alles im spezifischen Sinne politische Handeln zurückgeführt werden kann. Nehmen wir an, dass auf dem Gebiet des Moralischen die letzten Unterscheidungen Gut und Böse sind; im Ästhetischen Schön und Hässlich; im Ökonomischen Nützlich und Schädlich oder beispielsweise Rentabel und Nicht-Rentabel. Die Frage ist dann, ob es auch eine besondere, jenen anderen Unterscheidungen zwar nicht gleichartige und analoge, aber von ihnen doch unabhängige, selbständige und als solche ohne weiteres einleuchtende Unterscheidung als einfaches Kriterium des Politischen gibt und worin sie besteht (S. 26)?“

Carl Schmitt nimmt nun eine Unterscheidung vor, die fortan sein gesamtes staats- und gesellschaftspolitisches Koordinatensystem dominiert: „Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind (S. 26).“ In dieser Schrift denkt Carl Schmitt die daraus resultierenden Konsequenzen radikal zu Ende. Sie gestalten sich bis heute im wahrsten Sinne als ein offenes Buch ohne sieben Siegel. Sie legitimieren den Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion und letztlich auch den Genozid an den Juden. Susan Neiman sieht die Patenschaft solchen Denkens für eine faschistisch orientierte Politik. Sie erwähnt Carl Schmitt gegen Ende ihrer Argumentation ein zweites Mal: „Carl Schmitt: Der ätzt gegen liberale demokratische Parlamente, die nichts tun, außer endlos alles zu zerreden. Das ist verführerisch. Man vergisst nur leicht: Das läuft im Kern auf eine politische Theorie des Krieges hinaus. Dann bleibt von Politik nichts als der Kampf um die Macht.“

Carl Schmitt hat die Theorie des Krieges in der Moderne geschrieben. Nach seiner Blaupause haben nicht nur Hitler und seine Nazi-Schergen gehandelt. Sie dient heute einem Wladimir Putin gleichermaßen als ideologische Rechtfertigung seiner Vorgehensweise. Noch einmal Carl Schmitt im Original:

Carl Schmitt geht es um eine „der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht“ (S. 29). Wenn wir nun noch lesen, dass die Begriffe Freund und Feind in ihrem „konkreten, existentiellen Sinn“ zu nehmen sind und nicht als „Metaphern oder Symbole“, dass sie „nicht vermischt und abgeschwächt durch ökonomische, moralische und andere Vorstellungen, am wenigsten in einem privat-individualistischen Sinne psychologisch als Ausdruck privater Gefühle und Tendenzen“, dann gelangen wir quasi-automatisch und zwangsläufig zu der aberwitzigen von Heinrich Himmler in seiner berüchtigten Posener Geheimrede vom Oktober 1943 vor 200 NS-Würdenträgern geäußerten Auffassung: „Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht und ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“

Der Himmlersche Wahnsinn offenbart das Schisma, das Menschen voneinander trennt. Es erlaubt uns nur dann an einen Universalismus der Menschenrechte zu glauben und an ihm festzuhalten, wenn wir ihn kämpferisch vertreten. Eine universalistisch glaubhafte – gewissermaßen DNA-verbürgte – Idee der Fähigkeit zu Empathie und Mitleid beansprucht ihrerseits zu viele (banale) Prämissen. Putin empfindet offenkundig kein Mitleid mit getöteten Kindern. Und seine Befehlsempfänger im militärischen Apparat – fernab der einschlagenden Raketen und Geschosse – zeigen gleichermaßen kein Mitleid. Die Vernunft ist bei allem eine unschuldige Hure – zumindest muss man zugestehen: Es gibt nicht nur die eine Vernunft. Allein deshalb schon plädiere ich dafür aus Susan Neimans These, die Unterscheidung zwischen vernünftigen Gründen und Gewalt sein keine andere als die zwischen Demokratie und Faschismus zu einer Kampfformel auszubauen: Für ein Verbot faschismusaffiner Parteien und Organisationen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland! Für ein Verbot der AfD! Auch Demokraten können von Carl Schmitt lernen.
Franz Josef Witsch-Rothmund

Ich schätze Elisabeth von Thadden schon seit langem als ZEIT -Autorin und auch in diesem Interview mit ihrem Versuch genau nachzufragen, bemerke ich ihr Bemühen um Klarheit. Es wäre insbesondere nach dem ZEIT-Debakel mit ihren Wunsch-Juden a la Fabian Wolff angebracht gewesen, insbesondere Susan Neiman nach ihrem Verständnis vom woken Antizionsimus zu befragen, der weltweit den Antisemitismus befeuert. Außerdem erstaunt mich, wie Susan Neiman ohne Kenntnis? behaupten kann:

 Neiman: Kant, Voltaire und Diderot waren scharfe Kritiker des Kolonialismus und der Sklaverei. Die Aufklärer waren wie alle linksliberalen Intellektuellen nur teilweise erfolgreich. In Voltaires Candide sehen wir, wie die Aufklärung die herrschenden Verhältnisse kritisiert: Er porträtiert da einen versklavten Afrikaner in Suriname, der einen Fluchtversuch unternimmt und deshalb ein Bein abgeschlagen bekommt, der sagt: »Das ist der Preis für eure Sucht nach Zucker in Europa!« Aber das heißt doch nicht, dass diese Kritik überall gehört wurde.

Hier wäre die Kenntnis nachzureichen: Project MUSE – The Philosophical Basis of Eighteenth-Century Racism, die aber bei einer professionellen Philosophin, die all die Namen kennt, aber die Forschungen dazu nicht wahrgenommen hat, eine inhaltlich schwerwiegende Leerstelle.

Wo ich Susan Neimann recht gebe, ist ihre Kritik an der permanenten Demaskierung a la Foucault in Dauerschleife. Das ist so selbst genügsam und folgenreich wie z.B. ihr antihistorischer Antizionismus, der sich in ihrer antisemitischen BDS Propaganda bestätigt.
Halina Bendkowski

 


Leserbriefe zu „Wer war diese Frau?“ von Viorica Engelhardt

Was mein Leben reicher macht? Den Artikel zu lesen, innezuhalten und zu spüren, so lange es solche Menschen, wie die beschriebene Gisela Borries, gab und hoffentlich gibt und geben wird, besteht für die Welt Hoffnung. Mein herzlicher Dank geht an Viorica Engelhardt für diesen Text!
Christine Schwandt

Mein Vater hatte ein nicht ganz so bewegtes Leben wie Frau Borries, aber auch er hat seine Kinder zu seiner Beerdigung überrascht. Er hat kurz vor seinem Tod seine Enkelin beauftragt einen Kranz zu bestellen, auf dessen Schleife folgender Text stand: „Meinen Kindern, Enkeln und Urenkeln herzlichen Dank. Euer Opa.“ Für mich war es nicht nur eine Überraschung, sondern ich denke noch heute mit Rührung an diesen Moment des Lesens.
E. Flemming.

Wem gefällt eigentlich dieses unhandliche Format Ihrer Zeitung? Früher, vor Helmut Schmidt als Mitherausgeber, waren Bilder und große Überschriften das Kennzeichen nur der BILD. Warum übertrifft die Zeit dieses Blatt noch um einiges. Ich bin ein Fan der auf Papier gedruckten Zeitung, ABER SO NICHT. Jetzt ärgere ich mich Woche um Woche über die Masse an Altpapier, die ich entsorgen muss.
Silke Bukowski

 


 

Leserbriefe zu „Über stundenlanges Warten auf das Gepäck“ von Harald Martenstein

Herr Martenstein, einfach keine Flugreisen. Ist umweltschonend. Die Bänder laufen leer ohne Sie. Und jetzt eine neue Glosse für nächste Woche.
Hans-Emil Schuster 

Die Kolumnen von Harald Martenstein sollten Pflichtlektüre für unsere Politiker werden!
Ursula Baier

Häufig lese ich Ihre Kolumne, mit für mich sowohl anmutig als auch unmutigem Ergebnis. (Jedes Mal frage ich mich auch wieviel Sie wohl wirklich von sich preisgeben). Diesmal jedoch haben Sie mir eine klammheimliche Freude bereitet. Ihr langes Warten auf das Gepäck nach den sicher schönen Ibiza-Ferien hat mich mit klammheimlicher Freude erfüllt. Bei all dem Abgesang auf die Funktionsfähigkeit der Deutschen Wirtschaft, Behörden, etc. scheint mir das Scheitern der Abläufe an den Gepäckbändern deutscher Flughäfen doch am ehesten vertretbar. Schafft politisches Handeln es bisher nicht den Flugverkehr, angemessen zur Umweltbelastung, zu reglementieren, dann doch vielleicht die Unannehmlichkeiten drumherum. Vielleicht war es ja Ihre Absicht auf diese Weise den munteren Ferienvielfliegern das Fliegen zu verleiden. (Wobei Sie sich dann wirklich Mühe gegeben hätten diese, (Ihre wirkliche?) Absicht zu verbergen. Falls Sie noch Ideen brauchen für schöne Urlaubsziele, die sie in den vielen Stunden mühelos mit dem Zug hätten erreichen können, melden Sie sich gerne. Derweil hoffe ich Sie haben sich von den Reisestrapazen erholt.
Anne Wiegers

 


Leserbriefe zu „In Rauch aufgelöst“ von Samiha Shafy

Sie fragen in der Unterzeile: Ist die Kontrolle über den Klimawandel längst entglitten?  Mit Verlaub, die Frage sollte wohl anders gestellt werden und nicht so populistisch. Es ist immer noch der Mensch, der Feuer entfacht und nicht die Umwelt. Wir haben die Kontrolle über den Menschen verloren. Das ist Fakt und wird leider immer wieder verschwiegen.
Manfred Mengewein

Wie verkommen muss man sein, um unzählige Tote für seine Klima-Ideologie zu missbrauchen? Mir ekelt.
Matthias Urban

 


 Leserbriefe zu „Dausend Prozent“ „75%“ von Peter Dausend

Den Humor bringt bei „Lanz“ (und auch bei Kiwi und ihrem „Fernsehgarten“) doch immer erst Twitter (heißt jetzt X, sonst ändert sich nix!) rein. Hände weg, Herr Schumacher, vom öffentlich-rechtlichen Trash-TV! Der hat wenigstens noch Niveau. War mir über die Staatsangehörigkeit des Ritters der Heiligen Lanze und von der persistent-investigativen Gestalt unklar. Südtirol (nichts halbes, nichts ganzes) war offensichtlich, aber er ist, wenn man Wikipedia trauen kann, auch zweimal Vollmitglied, deshalb ergibt meine Frage, was Lanz mit deutscher Debattenkultur zu tun hat, keinen Sinn mehr. Höchstens noch in Hinsicht auf die Kultur.
Thomas Manthey

Lassen Sie und Herr Martenstein ja immer Ihre Ironie und Ihren Humor in all Ihren Beiträgen aufblitzen! Ernst und Humor gehören im Leben untrennbar zusammen! Wie sollen die Menschen all die Augenblicke, Ereignisse, Erlebnisse, die sie niederdrücken, verkraften, wenn sie nicht immer wieder ein kleines Lächeln aufrichtet? Vor Jahren besuchte ich eine 90 Jahre alte, demente Patientin, wollte wissen, wie sie zur Person orientiert ist und fragte sie: „bin ich der Doktor oder der Pfarrer „? Wie aus der Pistole geschossen antwortete sie: „beides“! Womit sie – Kinder und Narren sagen die Wahrheit – vollkommen recht hatte; unser Pfarrer ließ sich allenfalls sporadisch blicken, so dass der Hausarzt auch die Seelsorge übernahm!

Wenn ein fettleibiger Frührentner an einer Gruppe rumhängender junger Immigranten vorbeischlurft und dabei in seine Zigarette murmelt: „Geht gefälligst arbeiten, statt hier rumzulungern!“, denn sagt das in seinem Sarkasmus mehr über verschiedene Fehlentwicklungen in unserem Land aus als mahnende Worte mit erhobenem Zeigefinger! Der ungekrönte König des (trockenen) Humors ist für mich Leonidas! Als der Führer des zahlenmäßig weit überlegenen persischen Heers die kleine griechische Truppe einst mit den Worten einschüchtern wollte: wir werden so viele Pfeile auf euch abschießen, dass sich die Sonne verdunkelt!, da antwortete er lakonisch: Dann werden wir eben im Schatten kämpfen! Ein klein wenig dieses (Galgen)Humors, nicht nur in aussichtslosen Lagen, sondern auch vor belastenden Beschlüssen wünschte man allen Entscheidungsträgern! Und was die persische Bogenschießkunst angeht: wäre sie nicht eine umweltfreundliche Technik zur Erdabkühlung?
Ulrich Pietsch

 


Leserbriefe zu „Alles hat ein Ende“ von Ann-Kathrin Nezik

Alles vegan?

Es ist ein guter Artikel. Alles vegan in Deutschland, obwohl der Fußabdruck der veganen Ernährung teilweise höher ist. Das Aussterben eines Handwerksberufes in den Dörfern nimmt ein Hippster doch gerne in Kauf. Die Politik treibt Metzgereien durch neue Regulierungen, Steuern und Abgaben in die Insolvenz oder Aufgabe. Ist das zielführend? Dörfer und Innenstädte sterben aus. Ist das zielführend? 2 Schulkameraden sind Metzgermeister. Sie suchen das Heil in immer mehr Filialen. Viele Menschen können sich ein schönes Stück Fleisch entweder nicht leisten oder verzichten wegen des bösen CO2 und des Wasserverbrauches darauf. Das ÖRR hat ganze Arbeit geleistet.
Martin Fehringer

Deutsches Brot, deutsche Wurst: Weltkulturerbe! Nachdem wir uns lange genug auf diesen Lorbeeren ausgeruht haben, scheint es an der Zeit, beide in die Museumsdörfer zu entsorgen! Dafür kauen wir jetzt Gummibrötchen und strohiges Brot, das wir mit einem faden rosaroten Aufschnitt belegen, dem in der Wurstfabrik der Geschmack ausgetrieben wurde! Lieber ordern wir alles, auch Essbares, bei Amazon, hinterlassen Berge Verpackungsmüll, statt uns in eine Schlange vor einer der letzten Fleischereien zu stellen, in denen die Herstellung der vielen Wurstwaren noch echte Handwerkskunst ist! Statt lokaler Spezialitäten Einheitswurst, die wie die Pappe der Amazonpakete schmeckt! Auf deren Inhalt könnte man getrost verzichten! Beliebigkeitsbrot mit Beliebigkeitswurst fürs Beliebigkeitsvolk! Prost Mahlzeit! Darauf einen Asti, alkoholfrei!
Ulrich Pietsch

 


Leserbriefe zu „Ist das E-Rezept praxistauglich?“ von Jonas Wagner

Ich habe mich vor mehr als 30 Jahren an der Uni/GHS Wuppertal bei Bernd Biervert mit der „Informatisierung von Dienstleistungen“ befasst – dies war der damalige Begriff für Digitalisierung. Mein Thema war dabei die Informatisierung von Dienstleistungen im Gesundheitswesen.  Da war der Kenntnisstand schon deutlich weiter als bei Herrn Wagner. Ein Beispiel: Aufgrund der ABDA-Nr. für Arzneimittel war für Apotheken die Informatisierung wesentlich erfolgreicher!
Andreas Renner

Hände weg, wenn Karl Lauterbach draufsteht! Jetzt muss es unter allen Umständen das E-Rezept sein; alles natürlich, wie immer, völlig unbürokratisch! „Die Bürokratie wurde vergessen, als man sich an das Einteilen der Erde in Zeitzonen begab.“ (Zitat von Martin Gerhard Reisenberg, *1949, deutscher Biblothekar & Autor)
Klaus P. Jaworek

 


Leserbriefe zu „Wir ist pleite“ von David Hugendick

Immer öfter spiele ich mit dem Gedanken, das Abo aufzugeben, weil die gesamte Politikredaktion in meiner unmaßgeblichen Wahrnehmung von einer Pressestelle der FDP nicht mehr zu unterscheiden ist. Und deren Pressemitteilungen bekomme ich – wollte ich das – auch gratis. Aber man kann den Teil ja überblättern – Herrlich! Danke für den Lachanfall am Sonntagnachmittag und mit dieser sprachlich hochstehenden wie inhaltlich treffsicheren Analyse haben Sie den Fortbestand für 1 Jahr gesichert. Das reicht vielleicht nicht für ein Kulturkorrespondentengehalt, aber ebenso vielleicht gibt’s ja noch mehr Boomer (s. Beilage, die ich ausnahmsweise nicht direkt in den Papiermüll wischte) die das auch so wahrnehmen und dann langt’s ja.
Christian Naundorf

Nur kurz: Welch ein Feuerwerk sprachlicher Kulturkritik. Exakt, treffsicher, entlarvend. Allein dieser Artikel war den Preis der letzten ZEIT wert.
Achim Hauck

 


Leserbriefe zu „Mehr Diversität! Mehr People of Color! Weniger Ignoranz!“ von Hannah Schmidt

Es ist der Punkt erreicht, an dem der Kulturkampf zur Verschwörungsideologie mutiert. Verschwörungsglaube ist es, wenn „der Weiße (Mann)“ zum Strippenzieher aller Diskriminierungen und Rassismen dieser Welt stilisiert wird. Als klassischer Pianist, der in der Welt klassischer Musikkultur zu Hause ist, muss ich Ihren steilen Thesen widersprechen. Ich möchte vier Gegenthesen zu den Ihrigen aufstellen:

1) Es ist mir als klassischer Musiker vollkommen fremd, dass asiatische Musiker in irgendeiner Form (erst recht nicht strukturell!) aus dem klassischen Musikbetrieb von weißen Musikern und dem Publikum (!) ausgeschlossen werden sollen. Haben Sie hier empirische Belege? Das ist weder offenes noch geschlossenes Geheimnis, sondern, erlauben Sie mir: Verschwörungsglaube. Asiatische Musiker sind die erfolgreichsten klassischen Musiker unserer Zeit. Niemand zweifelt an der unheimlichen Kompetenz einer Yuja Wang, eines Lang Lang, einer Mitsuko Uchida. Das Publikum mit Sicherheit am wenigsten, wie die schlichte Empirie beweist — nämlich verkaufte Konzerttickets und Klickzahlen ihrer Aufnahmen! Und auch sonst ist es im akademischen Hochschulbetrieb von Musikhochschulen und Co. keinerlei Geheimnis, dass asiatische Künstler zumeist aus gutem Grund so zahlreich im klassischen Musikbereich vertreten sind: Sie sind einfach kompetent. Sie halten die europäische Musikkultur in außerordentlichem Maße am Leben und niemand würde ihnen dies verübeln wollen. Noch nie erlebte ich, dass irgendjemand aus dem Publikum den Saal verließ, als ein asiatischer Musiker die Bühne betrat oder ähnliches. Im Gegenteil. Der Anblick ostasiatischer Gesichter gehört in der klassischen Musik schlicht zum Normalbild, über das niemand diskutiert.

2) Was zum zweiten Verschwörungsglauben Ihrerseits führt: Weiße seien einerseits (wie immer) Schuld am angeblich strukturellen Rassismus im klassischen Musikbetrieb. Das sehen Sie darin belegt, dass a) zu wenig schwarze klassische Musiker existieren und b) asiatische Musiker extrem stark repräsentiert sind. Schließt sich das nicht beides nach allen Regeln der Kunst aus? Wenn es sich um Rassismus handeln würde, so würden weder Asiaten noch Afrikaner noch Afroamerikaner noch sonst wer den klassischen Musikbetrieb dominieren, sondern Europäer. In Wahrheit aber dominieren den Markt neben den Europäern doch die Asiaten und nicht selten lateinamerikanische Künstler (Barenboim, Argerich, Montero usw.). Und was soll das eigentlich für Rassismus sein, wenn die Musikhochschulen dieser Welt von ostasiatischen Musikern nur so wimmeln, die dort willkommen aufgenommen werden? Doch Sie haben Recht, es fehlen offensichtlich nennenswerte schwarze klassische Musiker. Aber Muss hier der böse strukturelle Rassismus weißer Europäer der Grund sein?

3) Ich gebe Ihnen einen anderen Erklärungsansatz, fernab von Verschwörungserzählungen böser weißer Europäer, die einerseits zu viele Asiaten fördern und sie paradoxerweise wieder aus dem betrieb rauswerfen wollen (auf welcher empirischer Datenbasis eigentlich behaupten Sie so etwas?) und die andererseits zu wenig schwarze Musiker fördern. Was, wenn dies einfach kulturelle Gründe hat, die INNERHALB der jeweiligen Communities begründet liegen? Dass Europäer stark repräsentiert sind, erklärt sich von selbst, wenn man bedenkt, dass die klassische Musikkultur eine europäische ist. Dass Ostasiaten stark repräsentiert sind, erklärt sich womöglich einfach aus der ostasiatischen Kultur, welche seit tausenden von Jahren (in China schon länger als in Europa!) einen enormen Wert auf Bildung legt. Kaum sonst auf der Welt gibt es einen Kulturraum, in dem Bildung und Bildungsstreben für seine Kinder als so ein hoher Wert gilt wie in Asien. Kaum sonst wo schätzt man europäische Kulturgüter, insbesondere jenes klassischer Musik, so sehr wie in Ostasien. Es liegt in dieser Kultur begründet, dass Eltern ihre Kinder zu Höchstleistungen triezten, ja vielleicht sogar dabei übertreiben. Dies erklärt auch die enormen Erfolge asiatischer oder asiatisch-amerikanischer Studierender an US-Universitäten. Wer zu Hause lernt, dass Bildung das Wichtigste im Leben ist, wird mit einem entsprechenden Ethos in der Gesellschaft handeln. Und dies unterscheidet sich fundamental von afroamerikanischen oder arabischen Communities. Dies sollte man einfach einmal festhalten. Hier spielen europäische Kulturgüter womöglich und sehr wahrscheinlich eine viel geringere Rolle. Probleme liegen hier in gewissen Einstellungen, Werten und Wertvorstellungen bestimmter kultureller Communities, die ein bestimmtes Verhalten fördern und ein anderes eher verhindern. Es ist kein Zufall, dass Amerikaner mit asiatischem Hintergrund in der Regel erfolgreichere Universitätsabsolventen sind als Afroamerikaner. Das ist jedoch nicht rassistisch, sondern ein kulturelles Problem innerhalb einer Community. Gleiches gilt für die statistisch hohe Zahl an Gewalt innerhalb schwarzer Communities, die sich stark von asiatischen und weißen Communities unterscheidet. All das sind kulturelle Kontexte, an denen kein böser weißer Europäer oder Amerikaner Schuld trägt. Im Fall klassischer Musik ist es überhaupt kein Problem, außer Menschen wie Sie machen es zu einem.

4) Was dazu führt, dass Sie als Anwältin der Marginalisierten tatsächlich klassisch kolonialistisch-paternalistisch auftreten. Während Sie niemals fordern würden, es müsse eine größere Repräsentanz weißer Menschen in schwarzen Musikkulturen geben, fordern sie aber genau das Gegenteil von den Schwarzen in „weißen“ Kulturen. Diese haben sich gefälligst für europäische Kulturgüter zu interessieren und sie haben gefälligst in der absoluten Spitzenliga dieser Kultur mitzuwirken. Und wenn sie dies nicht freiwillig tun wie die ostasiatischen Mitbürger, dann hieven wir sie eben mit Quoten und neuen „Kategorien“ in Wettbewerben in den Ring, so wie wir es schon an Universitäten tun. Nicht allein Kompetenz, sängerische und instrumentale Qualität sollen zählen, sondern „Herkunft“ und „Gender“ — als zum Erbrechen totgetretenes Motto— als würde dies irgendetwas in einem Musikwettbewerb zu suchen haben, in dem es um reine Kompetenz und nichts anderes geht! Wären sie klassische Musikerin und hätten die Fähigkeiten an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen, wüssten Sie auch, dass solche Kategorien auf derartigem Niveau überhaupt keine Rolle zu spielen haben. Ich bin überzeugt es gibt kaum einen Markt, in dem Kompetenz derart belohnt wird wie im Markt klassischer Musik. Niemand hat den asiatischen Künstlern ihren Erfolg zugeworfen. Niemand hat Asien als neue Wiege europäischer Musikkultur ausgewählt und herangezüchtet. Den Erfolg haben sich die entsprechenden Künstler selbst zu verdanken — und sicherlich auch dem Kulturraum, in dem sie dahingehend gefördert wurden. Und gäbe es genügend afroamerikanische, afrikanische oder arabischer klassische Musiker derartigen Niveaus, so würden auch sie sich entsprechend behaupten können (und tun es zum Teil ja auch). Nur: Der Markt klassischer ist extrem hart, denn hier geht es tatsächlich um Kompetenz, und zwar Kompetenz auf einem unvorstellbaren Niveau. Man hat Konkurrenz, die in einem seit Jahrhunderten und Jahrzehnten bestehenden Ausbildungssystem geschult ist. Diese muss man erst einmal überbieten können. Neue Kategorien wie Herkunft und Gender helfen hier gar nichts. Vorsicht also vor allzu viel Lust an Verschwörungserzählungen über böse Weiße und ihren strukturellen Rassismus.
Richard Koal

Nun soll also auch die klassische Musik, eine in einer bestimmten Zeitspanne und in einem begrenzten historischen und geographischen Kontext entstandene Kunstform, den Kriterien von “Diversität”, “Gender”, “Herkunft” unterworfen werden. Wir warten gespannt und hoffnungsvoll auf den Moment, in dem die griechischen Tempel oder das japanische Nō-Theater (oh Schreck, nur männliche Schauspieler!) aus ihrer Lethargie geholt und auf “Zeitgenössisch” getrimmt werden. Und wenn Afrikaner, Chinesen, Neuseeländer oder Mexikaner nun Bach singen wollen, schreit niemand nach kultureller Aneignung, im Gegenteil, es wird die Forderung bemängelt, dass der/die Singende die deutsche Aussprache beherrschen sollte. Und warum wird den Interpretationen klassischer Musik nicht nur ein ästhetischer, sondern auch ein sozialer Sinn abverlangt? Gibt es nicht genug soziale Einrichtungen, die sich dieser Aufgabe widmen und sich nicht gleichzeitig um die Pflege der klassischen Musikkultur bemühen müssen?
Michaela Bohmig

 


Leserbriefe zu „Wenn gute Absichten in die Mühlen der Politik geraten“ von Thomas E. Schmidt

Am Fall der „Benin Bronzen“ zeigt sich exemplarisch, wie ungeeignet unsere Außenministerin für die Führung ihres Ministeriums ist. Zu Claudia Roth fällt mir ein Zitat von Napoleon ein: „Unterschätze nie den Faktor Inkompetenz in der Politik“.
Klaus Grasenick

„Die Rückgabe der Benin-Bronzen verlief holprig“ – zu diesem Untertitel fällt mir weniger das Wort „Euphemismus“ ein als eher „Feigheit“. Denn das absolute Desaster dieser zunächst medial großmäulig inszenierten „Restitution“ reiht sich ein in die Früchte des seit geraumer Zeit grassierenden Ungeists der „political correctness“, eindeutig von grün-links auf den Weg gebracht und propagiert und vielfältig durchgesetzt. Im Inneren führt das, wie längst bekannt und immer wieder neu zu sehen, zur Entmündigung des Bürgers, zum „betreuten Kulturkonsum“, zu Zensur, Umschreibung von Märchen und Kinderbüchern, zu Sprach- und Denk- und Handlungsverboten (Verkleidungen, Hairstyle, Volkslieder etc..). Und im Äußeren beispielsweise zu besagtem Desaster, welches vermutlich einen Weltkulturerbeschatz der Menschheit dieser Menschheit auf Dauer entzieht und man dennoch immer noch glaubt, hier richtig agiert zu haben. Deutschland wurde auf weltöffentlicher Bühne geradezu lächerlich gemacht. Das dürfte man durchaus auch so schreiben! Wenn die seit Jahren geradezu explosionshafte Vermehrung von Universitätslehrstühlen zu „postcolonial studies“ eine Legitimierung suchte – dann sagte dieser Skandal dazu eine Menge aus, allerdings in ganz anderer, umgekehrter Hinsicht!
Karl-Heinz Grau

 


Leserbrief zu „Flugangst mit Baerbock“ von Alice Bota

Ich dachte immer, der Libanon wäre ein kaputteres Land als Deutschland, aber immerhin funktionieren dort noch ein paar Restaurants. Wenn Frau Baerbock tatsächlich so wild entschlossen war, Australien zu erreichen, hätte sie ja auch als Backpackerin trampen und danach vielleicht eine Fähre nehmen können. Hätte ich jedenfalls ganz gerne gesehen. Dumm gelaufen übrigens, dass unsere Frauen so früh bei der WM ausgeschieden sind. Was hätte das für tolle Fotos aus der Umkleidekabine ergeben, da hätten Merkel und der halbnackte Özil einpacken können! Wer den Schaden hat, muss sich um den Spott nicht mehr kümmern, dafür sorgt dann schon ein armes Wiener Würstchen (No jokes with names!) von der CDU, das sich über einen männerfeindlichen angeblichen Tweet der Außenministerin echauffiert hat, ohne zu merken, dass das ein Parodieaccount war. Aber was tut man nicht alles, um als Hinterbänkler ein wenig Aufmerksamkeit zu erheischen …
Thomas Manthey

 


 Leserbrief zu „Ein Wahlkampf unter Verdacht“ von Matthias Nass

Joe Biden wirkt ausgepowert aber Donald Trump steht irgendwie noch richtig gut im Saft, so sehe ich diese Geschichte aus dem Land der un- oder besser eingegrenzten Möglichkeiten! Abwarten und Kaffee, Tee oder sonstiges trinken und mal sehen, wer es von beiden macht, der Biden, der Trump oder gar jemand ganz anderes, der noch nicht auf irgendeinem offiziellen Wahlzettel steht; wer weiß!
Klaus P. Jaworek

 


Leserbrief zu „Der Hui ist schon da“ von Max Hägler

In dem interessanten genannten Artikel berichten sie u.a., dass bei den Juristen der Firma NIO der „Schönfelder“, die ultimative deutsche Gesetzessammlung steht. Wenn der tatsächlich da gestanden haben sollte, dann mag die deutsche Industrie daraus einen gewissen Trost ziehen. Denn es kann sich dann nicht um die neueste Ausgabe gehandelt haben. Der Schönfelder heißt nämlich seit geraumer Zeit weniger schön klingend Habersack. Der Verlag hatte sich entschlossen, nationalsichtlich belastete Autoren juristischer Standardwerke nicht mehr zu nennen. Zu denen gehörte auch der frühere Herausgeber Schönfelder. Oder sollte Ihre Recherche oberflächlich gewesen sein?
Bernhard Konitz

 


Leserbrief zu „Wollt ihr den Wald, müsst ihr bezahlen“ von Thomas Fischermann

Besonders die Überschrift dieses Artikels hat mich stark mit einem einerseits/andererseits bewegt: Einerseits haben viele Menschen des globalen Südens Recht mit Forderungen nach Entschädigungen und Hilfen für auch dortigen Klimaschutz, weil sie erstens geschädigter und weniger ursächlich für den bisherigen Klimawandel sind und zweitens vielfach noch zu arm für den nötigen Umfang der auch dort nötigen Klimaschutzmaßnahmen. Andererseits sollten auch sie nicht vergessen, dass wir alle auf einem gemeinsamen Planeten leben, dessen Klima-Kollaps alle treffen würde. Und vieles droht dazu beizutragen, auch die weitere Zerstörung der Wälder, angeheizt wohl nicht nur durch Profitgier und Firmen und Reichen, sondern auch durch steigenden Ackerflächen- und Holzbedarf für immer größere Bevölkerungszahlen.

Es kann für niemand mehr voll bequeme Wege des Klimaschutzes mehr geben, ohne Änderungen von Gewohnheiten oder Ansprüchen.  Das betrifft bei uns die Erwartungen von ungeschmälertem Wohlstand und ungeschmälerter Freiheit, auch wegen der nötigen Aufwendungen für den globalen Süden. Aber:  die Möglichkeiten selbst der reichsten Industriestaaten sind begrenzt, zumal unser Wohlstand durch die auch bei uns mehrfachen Krisen und die Kosten des Klimaschutzes wohl eher abnehmen wird.    Ein Schutz zur Erhaltung der Regenwälder kann die aktuellen Emissionen nicht wie nötig mindern, sondern „nur“ eine noch weitere Verschlimmerung vermeiden, nicht des Klimas, sondern der Emissionen, da bei den jetzigen Emissionswirkungen die noch vorhandenen Wälder bereits eingerechnet sind. Eine Verbesserung wäre allenfalls die Anpflanzung zusätzlicher Wälder, für die aber angesichts der zunehmenden Dürren und gebrauchten Acker-, Wohn- und Gewerbe-flächen kaum noch beregnete Flächen übrig sind.  Es ist bereits eine Sisyphus-Arbeit geworden, so viele neue Wälder zu schaffen oder neuwachsen zu lassen, wie gleichzeitig durch Abholzung, Borkenkäfer und Brände verloren gehen. Natürlich ist der Erhalt der — restlichen — Regenwälder von ungeheurer Wichtigkeit, nicht anstatt der Reduktion von Emissionen, sondern zusätzlich, weshalb selbst die besten Programme von „Kompensation“ auch irreführend sind.  Nur mit beidem zusammen und noch weiteren Maßnahmen ist das Klima noch zu retten.   Aber mit der Ratsamkeit und Berechtigung von Entschädigungen der global südlichen Länder für Verluste durch den Regenwald-Erhalt haben viele Recht, besonders falls es wirklich um die Vermeidung von Verlusten geht und nicht um zusätzliche Profite von Großgrundbesitzern oder anderen Reichen oder die Erhaltung von illegal oder unfair gewonnenen Profiten.

Aber:  Obwohl ich mit wohl etlichen anderen bereit bin, sogar mehr Steuern für Hilfen und Entschädigungen für den globalen Süden zu zahlen (trotz Abnahme meiner realen Rente durch die Inflation), ist zu berücksichtigen, dass die möglichen Summen begrenzt sind, zumal unser Reichtum und auch die anderen Länder abnehmen werden, wenn wir alle nötigen Maßnahmen zur noch rechtzeitigen Klimaneutralität umsetzen.  Zwar gäbe es neue Wirtschaftszweige mit neuen Arbeitsplätzen und Firmen, wofür aber andere wie fossil-energie-Produktion und fossile Industrie ausfallen, teils sogar vor ihrer Amortisation, wenn diese Anlagen unverantwortlich spät immer noch investiert wurden.  Und derzeit ist vieles klimaneutrale noch teurer und begrenzter als die fossilen Energien.  Wir werden trotz oder neben aller „Ideen“ und „Technologien“ und besserer „Politik“ oder „Systeme“ zusätzlich auch Verhaltensänderungen brauchen plus mehr Arbeit und/oder Verzicht auf andere Früchte von Arbeit oder Ressourcen.   Wirklich wirksame Bepreisungen von fossilem wären nicht weniger unangenehm als Verbote oder Regeln, was auch beim Heizungsgesetz gern unterschlagen wurde.   Und die volle Erstattung des durchschnittlichen CO-2-Preises an jeden würde es vielen besonders auch Mittelverdienern ermöglichen einfach weiter zu machen, und gleichzeitig bei allen Krisen-Finanzierungen um so mehr andere Steuern nicht sofort aber von dieser Generation erfordern, falls wir die Kosten nicht den Nachkommen oder Inflationsopfern aufhalsen wollen.

Und bei einer weiteren erheblichen Steigerung der Menschenzahlen im globalen Süden und gleichzeitig Ansprüchen im Sinne des jetzigen Lebensstandards in der EU und den USA wären bald selbst Verzichte auf alle Ressourcen der Industrieländer nicht mehr ausreichend, um die Erwartungen des globalen Südens zu befriedigen.  Letztlich klappt es nur noch mit dem rechtzeitigen Klima-Schutz, wenn alle beteiligten tun (oder unterlassen) und zahlen, was sie jeweils können und alle ihre Hausaufgaben machen, auch wenn das Abstriche von bisherigen Gewohnheiten, Bequemlichkeiten und/oder Erwartungen bedeutet.  Das sollte das Leben und das (wenigsten minimale) Wohl unserer Kinder und Enkel sowohl den Industrie- als auch den Öl- als auch den globalen Südländern wert sein, wenn sie ehrlich und mutig genug sind den Realitäten ins Auge zu schauen.  Leider sieht es danach gegenwärtig kaum aus:  Alle wollen zwar mehr Klimaschutz, aber die meisten nur so, dass sie selbst dadurch nirgends „schlechter“ dastehen als bisher.  Es braucht noch gewaltige Kippunkte in den gesellschaftlichen Bewusstseins- und Kräfte-Verhältnissen, im Süden wie im Norden wie in den Ölländern, wenn wir noch den klimaphysikalischen Kippunkten zuvorkommen wollen.
Peter Selmke

 


 Leserbrief zu „Wie soll man lüften?“ Andreas Matzarakis im Gespräch mit Jan Schweitzer

Leider wird die Frage nicht so richtig beantwortet und zu knapp abgehandelt. Zum Thema lüften sind die Temperaturdifferenz (Außen – / Innentemperatur) und die relative (%rH) Luftfeuchtigkeitsdifferenz (Außen – Innen) zu betrachten. Man möchte ja möglichst so lüften, dass es innen kühler als außen ist, aber möglichst auch eine hohe Luftfeuchtigkeit von über 75%rH im Innenbereich vermeiden, was bei schwülem Wetter schwierig sein kann.  Grob vereinfacht kann man vier Fälle unterscheiden: A: Innentemperatur ist größer als Außentemperatur A1: Luftfeuchtigkeit außen ist kleiner als innen – unbedingt Lüften, ist zumeist frühmorgens möglich A2: Luftfeuchtigkeit außen ist gleich oder größer als innen – Lüften um die Wärme hinaus zubekommen, rechtzeitig aufhören bevor es zu feucht wird B: Innentemperatur ist kleiner als Außentemperatur B1: Luftfeuchtigkeit außen ist kleiner als innen – Lüften, zumeist kurz tagsüber um hohen Luftfeuchtigkeit zu reduzieren, rechtzeitig aufhören bevor es zu warm wird  B2: Luftfeuchtigkeit außen ist gleich oder größer als innen – nicht Lüften, da es dann innen wärmer und feuchter wird.
Dieter-Josef Walter

 


Leserbrief zu „Die Coachin“ „Ich bin im Büro ausgeflippt. Was kann ich jetzt tun?“ von Linda Tutmann

Seinen Nachnamen hält Herr Lucas mit W. verdeckt. Also dann eben Lucas. Ein Mitarbeiter hat was total vermasselt. Den haben Sie angeschrien. Mein Rat, entschuldigen Sie sich mit Stress, Auftragslage, schwierigen Kunden, der Steuern und der Finanzlage. Und fertig, bis zum nächsten Anschiss. Die Variante ist schlimmer. Sie bleiben ganz ruhig und bitten den Vermassler auf Ihr Zimmer. Und da, Nieten wie Sie können wir hier nicht gebrauchen, Sie sind entlassen. Welche dieser zwei Möglichkeiten Sie Lucas vorziehen, bedingt Ihre Gemütslage. Und die ist genetisch verschlossen.
Hans-Emil Schuster

 


Leserbrief zu „Seid folgsam und mehret euch“ von Felix Lill

«In vielen Ländern Ostasiens sinkt die Geburtenrate dramatisch. Nun versuchen sich China, Japan und Korea mit einer Fülle von Tricks an einer neuen Fruchtbarkeitspolitik.» Auf den ersten Blick ist es eine gute Nachricht, wenn von sinkenden Geburtenraten die Rede ist. Denn exponentielles Wachstum von Kopfzahl und Konsum verursacht die Klima-Krise und eine Menge anderer Probleme. Gäb’s weltweit, wie in den genannten Länden, eine Geburtenrate weit unter 2, dann wäre das Klima-Problem lösbar. Eine Schwierigkeit ist, dass dieselben Mechanismen, die die Geburtenrate senken, in der Umkehrung auch diese erhöhen. Dies führt zu den demographischen und ökonomischen Gräben, die es erschweren, die Klima- und die Migrations-Krise zu lösen.

Die Ursache eines dieser Effekte steht schon in der Bibel: «Der Mensch lebt nicht von Brot allein». Er braucht auch Perspektiven und die heute genutzten führen entweder zum exponentiellen Wachstum der Kopfzahl oder zum stetigen Wachsen von Produktion und Konsum. Die unterschiedliche Verfügbarkeit der beiden Arten von Perspektiven führen dann zu den bekannten demographischen und ökonomischen Gräben, die sich über zwei Rückkoppelungs-Effekte verstärken. Denn hohe Geburtenraten führen zu Jugendarbeitslosigkeit und so – mangels anderer Perspektiven – zum Nutzen von Perspektiven, die mit hohen Geburtenraten verbunden sind. Für tiefe Geburtenraten gibt’s einen ähnlichen umgekehrten Effekt.

Ein weiterer, ähnlicher Effekt wird beschrieben durch das Schlagwort «The Winner takes it all». Dieses entfaltet seine Wirkung durch den technischen Fortschritt. Bauen zwei Landwirte Kartoffeln an, profitieren beide etwa gleich. Produzieren zwei Firmen ein IT-Produkt oder ein Medikament jeweils für denselben Zweck, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt floppt und das andere hoch rentiert. Daher muss man alles dransetzten, um Gewinner zu sein. Kinder sind da hinderlich. Auf der anderen Seite, wenn man keine Aussichten hat, Winner zu werden, dann sind Kinder – auch dank der Sozialsysteme – eher wünschenswert. Sie geben Perspektiven und Ansehen.

Einen solchen Effekt gibt’s auch bei Migration. Gebildete Migranten setzten alles daran, Erfolg zu haben. Andere hingen fühlen sich auf Grund ihrer geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, dies auch als Gruppe und versuchen dies über den Weg der Geburtenrate zu kompensieren, also den Einfluss der Gruppe zu verstärken. Unterstützt werden sie dabei durch die Sozialsysteme.

Ein weiterer Faktor ist sicher auch das Wohnraum-Problem. Wer angesichts der Immobilien-Krise in China Bilder gesehen hat von den zig nahe beieinander stehenden Wohntürmen mit jeweils hunderten Wohnungen, kann sich kaum vorstellen, dass es in solchen Wohnungen erstrebenswert ist, Kinder zu bekommen. Für mich war es in der Kindheit selbstverständlich, im nahen Wald oder an den damals noch vorhandenen Sandbänken der Salzach mit anderen Kindern zu spielen. Die Sandbänke sind weg wegen der Kraftwerke im Oberlauf, die den Nachschub an Sand verhindern. Das führte übrigens auch schon zu einem Flusssohlen-Durchbruch, durch den eine Autobahnbrücke einstürzte. Eine Rache der Natur? Ein weiterer Faktor ist: Vermutlich ist auch der Patriotismus in China nicht so groß, dass er anregt, künftige Krieger in die Welt zu setzen. Der Taiwan-Konflikt ist vermutlich nicht förderlich für die Geburtenrate.

Um die Gräben zu verringern ist es nötig, Zuversicht in eine gute Zukunft zu fördern, durch Hinweise auf Lösungsvorschläge. Eine Basis wäre die Forderung: 2 Kindern für alle im lokalen Mittel. Unterschiede in der Produktivität müssten ausgeglichen werden. Dabei müsste Wirtschaftswachstum an Bedeutung verlieren und damit der Zwang, zu den Winnern zu gehören. Auch die Natur würde profitieren und damit Perspektiven nicht nur für spielende Kinder gefördert.
Gernot Gwehenberger

 


Leserbrief zu „Welches Eis schmilzt am schnellsten?“ von Yannick Ramsel

Berechnen Sie doch bitte mal für die Grafikabteilung, wie stark ein Eis am Stiel in der Größe Deutschlands tatsächlich angesichts der Klimakatastrophe schmelzen würde. Der braune (also eigentlich, bei korrekter Darstellung, eher der östliche) Teil schmilzt aufgrund der Absorption und der niedrigeren Albedo bestimmt am schnellsten. In diesem Sommer war es ja gerade dort besonders heiß, was natürlich auch Auswirkungen hat.
Thomas Manthey

 


Leserbrief zu „Tschüss Freiheit“ von Raoul Löbbert

 Wenn Sie mal wieder einen Artikel schreiben, u.a. wie es in den 60-er und 70-er Jahren losging, dann erwarte ich nicht, dass es gesamtdeutsch betrachtet wird. Sie, Die ZEIT und sehr viele andere kennen es eben bis heute nur aus westdeutscher Sicht. Aber bei der Verwendung von Namen sollten Sie darauf achten, dass es neben einem Frankfurt am Main auch Frankfurt (Oder) gibt und dass es in den 60-er und 70-er Jahren Kinderläden nicht in Berlin, sondern West-Berlin gab.  Als unsere Kinder in die Krippe (geöffnet von 06:00 Uhr bis 18:00 Uhr), Kindergarten oder in den Hort gingen, gab es in der DDR 20 Mark Kindergeld im Monat und wir haben das Essengeld in ungefähr gleicher Höhe bezahlt. Weitere Kosten gab es nicht. Die Frau hatte einmal monatlich einen bezahlten Haushaltstag. Sie konnte in Teilzeit oder in Vollzeit (40 h/Woche) arbeiten. Aber über die DDR oder den Osten wird berichtet, wenn es was Negatives gibt.
Klaus Rozinat

 


Leserbrief zu „Letzte Schusswunden“ von Volker Weidermann

„Was blüht uns auf dem Weg in die Hexenstunde des Alters? Das Feigenblatt der ewigen Jugend ist verwelkt.“ – Wolf Wondratschek: Er spielt(e) Cello bzw. fühlt die Musik in seiner Sprachklangvielfalt vielleicht tiefer zu den Sprachbildern selbst, benennt als Musiker und Dichter: dass Sprache zum Klang – und Klang zur Sprache werden kann… Einer der Aufrichtigen und Selbst(un)kontrollierten aus/in dem Labyrinth der Einsamkeit der Kunst, zudem der evolutionäre Augur entgegen der Gesamtschiene des Literaturbetriebes auch als sich Verweigernder: Wolf Wondratschek hat 80 Jahre auf diesem Planeten zugebracht und vielleicht in dieser Kategorie der Vervielfältigungen von Lebensbedrohungen (das geistige Zerstörerische mit einbezogen) diese Zeiten dann doch ohne rauchende Colt-Schusswunden bestanden, wenn auch noch nicht „überstanden“ – Denn der Tod ist ja die unausweichlichste und tödlichste Schusswunde…

Wie wahr, dass die Sucht und Sehnsucht eines Dichterwerdens nicht aus der Nullposition (vom Himmel fallend – aus der Hölle kommend) entstehen kann – zuvor sind da im Visier der persönlichen beständigen Gegenwarten: Villon, Rimbaud, Verlaine, Baudelaire, Mallarmé, Trakl, Benn, Ringelnatz, Hans Henny Jahnn, von W.W. noch genauer benannt: Ezra Pound, Jorge Luis Borges, Vladimir Nabokov und (gar nicht nebenbei) der sich aus Sich-selbst herausschleudernde Charles Bukowski mit seinem versoffenen Röntgenblick für das Gewesene und Anwesende… Haifisch:fishing for Compliments inklusive im anderen Element oder doch das für die banalere Gesellschaft gefahrvollere Wolfsgeheul – auch wenn geradezu zentrifugal der Dichter WOLF Wondratschek über sein Schreiben tönt: „Ich bin nur der, der tippt.“

Wer aber sollte sonst so fürs ewige Aufschreibbare dies dichterischer (genial:tipp-tipp-tipp) tippen können – was aus dem Wondratschek zeitgleich herausschoss (?), um Wunden und maßloses Wundern/Bewundern beim lesenden Publikum zu kontaminieren… Sollte man da noch so weiterleben wollen als geistvoll-beteiligter Konsument der Wondratschek-Innovationen in dem alltäglichen Alltag ohne die „begehrenswerten“ Schusswunden zum Aussteigen aus der persönlichen Zwangsjacke? W.W.: ein Dichter für die Ewigkeit? Goethe als dichterischer Oberguru des 18. Jahrhunderts tat alles dafür (bis hin zur tarnenden Devotheit bei Fürstens), wollte hoch oben auf diesem Olymp thronen, höchstens noch Schiller neben sich duldend! Der Dramatiker Christian Dietrich Grabbe nannte diesen Weimarer Goethe: „…das Trojanische Pferd der deutschen Literatur.“ Zeitlicher Tapetenwechsel: Wondratschek hatte von sich und dem Leben in München die Schnauze voll, zog ab nach Wien – dort waren seine Selbstdarstellungen noch nicht so bajuwarisch (grenzüberschreitend) einfordernd: zur gefälligen Selbstbestätigung geworden. Oder aber – man müsste sich neu erfinden bzw. im anderen Revier (nur nicht als das Wölfchen, das Kreide frisst?) auffinden: altersunleise die Grenzen weiterhin zu überschreiten, der alte Wolf zu bleiben, nur nicht im Schafsfell mit eventuellen mea culpa-Wau-Wau… Wehe Dir: Wondratschek – Du fällst aus der Rolle!

Man muss sich wohl oder übel dennoch vermarkten – anspruchsvoll aber mit dem Verve eines extrovertierten Einzelgängers, der auf das System und die Intendanzen desselben, mit antizyklischem Hohn und Verachtung reagiert und selbstbewusst agiert – Wolf Wondratschek beherrscht(e) dieses Theatralische zur Genüge ohne zelebrierte Genügsamkeit, war (und ist) sein eigener Schauspieler auf der Bühne dieser Art von seltenem Beleben auf der Achterbahn des Lebens – doch das Altgewordensein bringt keinen Ruhestand und will ER wohl zielsicher nicht, auch wenn nirgendwoher irgendjemand ihm noch gefährlich mit schussbereiter Wumme entgegentreten wollte… Und das ist ja genau das Problem von früheren pubertären Dichterversen, die allmählich sich ausweiten zu fast religiösen Sanktionierungen: sie verlieren zwar nicht ihre verfügbare Gegenwarts-Substanz, dennoch aber an zeitentleerendem Gewicht in der Zukunft. Zu diesem vorausschauenden Kompromiss gehörte ebenfalls der Versand über den „Vertrieb 2001“ mit dem Gedichtband „Früher begann der Tag mit einer Schusswunde“ – und es sollen über 300.000 bezahlte Exemplare gewesen sein, die Geld hereinspülten und per Honorare dann den Dichter anteilig vorerst überschwemmten… Dass er von einem Verleger einst einen Koffer voller Gold für ein neues Manuskript-Buch verlangte, gehört nicht zur Legende, sondern ist (war) die vernünftigste Vorstellung eines Dichters zu seinem neuesten Werk!

Immerhin: die doch (sehr) knappe Geburtstags-Mitteilung (und die verinnerlicht beim genaueren Lesen auch eine anmerkende Laudatio sein könnte) auf der ersten Seite des Feuilletons in DIE ZEIT – lässt inniger bei Volker Weidermann tiefer blicken, dass er seinen Wondratschek literarisch-dichterisch wesentlich empfindet… Dadurch umso trauriger vom Autor des Feuilleton-Textes – über den Dichter und Schriftsteller vermerkend lesen zu müssen: „Irgendwann hörte der Erfolg Wondratscheks einfach auf. Bei allen Verlagen flog er raus, die Vorschüsse (Anmerkung RvM: …und das sind ja auch Schusswunden) wurden so winzig wie die Auflagen, einen seiner letzten Romane verkaufte er, statt ihn zu veröffentlichen, an einen Privatmann in Wien. Der ihn seitdem für sich behält. Auflage: ein Exemplar.“

Derartige seltsame Veräußerungen führen ebenso mit hinzu, dass solch ein scheinbarer altruistischer (?) Einzelmäzen den Tod des Dichters abwartet, um dann eben doch diese Rarität gewinnträchtig (fürs eigene Renommee) in die Öffentlichkeit bringen zu können: und sicherlich ist das alleinige Vermarktungsrecht in diesem Deal (vom alsdann händlerischen Manuskriptbesitzer) mit einverlangt worden…? Wie dem auch sei, und wie dann die Kohle in den Lebenszeitverbrauch kommen soll und will – dieser Dichter Wondratschek ist der „einsame“ Wolf unter den bekannt(er)en deutschen Dichtern und wird in der Einfärbung der Rückbeschau dieser Jahrzehnte der Verdichtung an Analysen über die Dichtungen „jener Zeit“: ihm einen vorderen farbengrellen Platz an dichtesten-dichterischen Sprachbildern mit einräumen (müssen)… Marcel Reich-Ranicki nannte ihn einen „Klassiker der Moderne“. Oder auch: „Popstar der Lyrik“. Um nochmals zurückzukommen auf diesen Verkauf seines Manuskriptes an einen Einkäufer im Privaten und als Mäzen (?) – erinnert sich Volker Weidermann auch in aller verinnerlichten Deutlichkeit seines Metiers: „Mir hat Wondratschek vor ein paar Jahren im einzigen Zimmer im Hotel Savoy in Berlin, in dem man rauchen darf, diesen Roman nacherzählt. Das war eines der schönsten Erlebnisse, die ich als Literaturkritiker hatte.“.

Der Ullstein Verlag (lt. Weidermann: in einer heroischen Aktion) hat die Gesammelten Gedichte von Wondratschek neu herausgegeben. Dann wollen WIR mal nicht mehr lange noch abwarten, ob nicht doch dieser Roman (im entfremdenden Privatbesitz als Manuskript) alsbald den verlegerischen Weg in die Öffentlichkeit finden möge: wir nahen geistigen Wondratschek-Mitverdauenden wünschen uns: dass dieser Wolf nun endlich auch „von der Leine“ gelassen wird! Der enthusiastische Volker Weidermann hat hoffentlich nun hierzu eine verlegerische Lawine bzw. einen „ULLSTEIN losgelöst… Wäre das nicht für UNS und für Wolf Wondratschek eine (nachträgliche) 80er Geburtstags-Überraschung! Eines aber glaubt der 74-jährige RvM-Leserbriefschreiber ihm nur ungenau wortwörtlich, wenn denn Wolf Wondratschek laut öffentlich illuminiert: „Ich bin, was ich nie werden wollte, glücklich.“  Hallöchen – welch ein unglaublich gnädiger-begnadeter Zustand bei vollem geistigem Bewusstsein (ohne hinzugefundenem Wienerischem Religionswahn) in dem alltäglich erkennbaren Verfall der eigenen Körperlichkeit. Endlich glücklich geworden – welch ein irdischer beglückender Zustand. Jawoll: das wäre die Krönung an (auch zukünftiger) greiser Lebenszeit! Kreisen im Kreis des Greises! Das Alter kommt schlichtweg bei Bedarf in den Fleischwolf – beglückt aufgefrischt wie aus einem unnötigen Jungbrunnen… Ergo sum fidibum: scheiß auf das Alter, scheiß auf das verwelkende Absterben! Und wie noch gleich verdichtete es der verewigte zeitlose Francois Villon zukunftsdeutend (von Paul Zech nachgedichtet) über den eigenen Tod hinaus: „Ein schwarzer Efeu frisst sich tief in meine Wand hinein/ ich hänge schief vom Mond herab/ Ich schleime hin zum Schleim des Wurms: ich wurme auch/ Und wachs herauf aus einem neuen Bauch/ noch wilder als ich bin.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

 


Leserbrief zu „Das Tor zum Himmel“ von Christoph Farkas

HABEN SIE GROSSEN DANK FÜR DIESE WUNDERBARE GESCHICHTE. ES TUT EINFACH NUR SEHR GUT, ZWISCHEN DEN TÄGLICHEN HORROR NEWS, VON KRIEG, HUNGER UND KATASTROPHEN, EINE GESCHICHTE WIE DIE IHRIGE ZU LESEN.
PETER BLASER

 


Leserbrief zu „Fairplay“ von Thilo Adam

Ein sehr interessanter Beitrag über das menschliche Verhalten. Was leider nicht dargestellt wird ist der Frauenfußball. Hier finden diese „Gespräche“ zwischen Spielern und Schiedsrichtern nicht statt, meist verlaufen die Spiele absolut fair. Es kann also nicht daran liegen, dass im Jugendbereich die Fehler gemacht werden, hier spielen bis zu einem gewissen Alter Mädchen und Jungs in einer Mannschaft. Zurzeit nicht zu belegen, aber zu erwarten ist die kommende Entwicklung, wenn die Gehälter auch im Frauenbereich nach oben gehen. Dann werden Verhaltensweisen wie Zeitspiel, Schauspielerei und ähnliche Dinge wie schon jetzt bei der Frauen-Fußball WM in leichter Form bei einigen Teams zu sehen war eher zunehmen. Was lehrt uns das? Geld macht den Charakter kaputt und die Kinder lernen von den Erwachsenen. Je weniger Geld im Spiel ist desto fairer ist der Umgang miteinander. Ich werde mir auf keinen Fall ein Spiel einer Herrenmannschaft im Fußball anschauen.
Andreas Breithaupt

 


Leserbrief zum Fotodossier „Badehose zu tragen fühlt sich nach Urlaub an“ (Fotos Bastian Thiery) von Amelie Apel im ZEIT Magazin

Form und Funktion von Bademode. Da schlägt das Kulturanthropologinnenherz mit Begeisterung fürs Alltägliche auf der Mikroebene höher. Doch noch mehr normschöne Menschen waren nicht zu finden? Wo sind die Fetten, die Versehrten, die mit Narben und ohne Körperteile? Leider aus Erfahrung (seit 2021 eine Brust weniger) weiß ich, dass man in so einer Situation ganz besondere Anforderungen an seine Badekleidung stellen muss, die über Preis und tanlines hinausgehen.  Und hier wäre doch genau die Musik drin gewesen, ein vermeintlich profanes Thema zu einem Zeit Magazin würdigen Artikel mit Mehrwert zu machen. Schade!
Julia Tiemann-Kollipost